Elend und wenig Glanz im Sportjournalismus: „Die Sache ist durch“

Geschrieben am 5. April 2014 von Paul-Josef Raue.

Was macht aus einem Sportreporter einen guten Journalisten? Wenn er keine dämlichen Fragen stellt!  Wenn er sein Urteil über ein Spiel nicht dem Trainer ins Gesicht soufliert – und noch mühsam ein Fragewort anschließt: „Oder?“?

„Die Sache ist durch – oder?“, meinte der junge ZDF-Reporter Jochen Breyer im Angesicht von Jürgen Klopp, nachdem Borussia Dortmund gerade hoch in Madrid verloren hatte. Das ist eine Suggestivfrage, die ein Journalist nur in hoher Not nutzt – wenn er beispielsweise einen Politiker in die Enge treiben will, um ihm endlich die Wahrheit zu entlocken.

„Doofe Frage“, meint Bild-Kult-Briefeschreiber Franz-Josef Wagner und rammt den ZDF-Reporter gleich in Grund und Boden: „Ein grinsendes Milchbärtchen, der sein Mikro hält wie einen Babyschnuller… und erst einmal anfangen sollte bei Blindekuh und Federball.“

Der FAZ-Redakteur Tobias Rüther, zehn Jahre älter als der ZDF-Reporter, kritisiert wie sein Bild-Kollege: „Im Vollbesitz des Mikrofons weidete sich Jochen Breyer an der Wehrlosigkeit Klopps.“

Rüther zielt aber mit seiner Kritik ins Grundsätzliche: Welches Selbstverständnis haben die Sportjournalisten im Fernsehen?

Die fünf Minuten vom Mittwochabend zeigten wieder einmal den kaum zu ertragenden Opportunismus im Fernsehsportjournalismus: Wenn es gut läuft, siegen die Moderatoren und Kommentatoren immer schön mit, wenn es schlecht ausgeht, wissen sie aber ganz genau, woran es gelegen hat. Das ist eine Machtfrage.

Das ist das Prinzip des Boulevards: Wer mit uns im Aufzug nach oben fährt, fährt mit uns auch wieder nach unten. So prinzipiell konnte Franz-Josef Wagner nicht kommentieren.

Bild-Kolumnist Alfred Daxler heute (5. April) hat in „Nachgehakt“ sein Archiv geöffnet und die schönsten Trainer-Reaktionen auf dumme Journalisten-Fragen zelebriert:

„Dann interview dich doch selbst!“ (Jürgen Klopp)

„Haut‘s euch in Schnee!“ (Ernst Happel)

„Sie (Journalisten) denken nur von der Tapete bis zur Wand!“ (Max Merkel)

„Schleich di mit deinem Kasperl-Sender…“ (Franz Beckenbauer)

Und wie reagierte Jürgen Klopp auf die  Frage des ZDF-Reporters? Mit einer Gegenfrage: „Wie könnte man mir Geld überweisen für meinen Job, wenn ich heute hier stehen würde und sagen würde: Das ist durch?“

Und wie reagierte der ZDF-Reporter Breyer gegenüber Bild? „Das war eine dämliche Frage.“

Am Ende waren es doch zwei Profis, der Klopp und der Breyer.

Quellen: Bild 4. und 5. April, FAZ 4. April

3 Kommentare

  • Klar sind da zwei Profis am Werk.

    Klopp hat es geschafft, dass sich nach dem Auftritt kein (Sport-)Journalist mehr mit dem sportlichen Aspekt beschäftigt hat, die Mannschaft blieb im Anschluss weitgehend unbehelligt und ihre Schwächen gegen Real (die lagen in dem Spiel zum Beispiel auf den Außenbahnen) wurden kaum noch thematisiert.

    Breyer hingegen konnte mit seinem (wohltuenden) Eingeständnis einer dämlichen Frage davon ablenken, dass er davor schon mindestens eine noch dämlichere Frage gestellt hatte („Haben sie während des Spiels an Lewandowski gedacht?“).

    Insgesamt fand ich die Welle, die um das kleine Wortgefecht gemacht wurde, übertrieben. Schlimmer fand ich, wie Klopp in St. Petersburg den armen Dolmetscher vorgeführt hat.

    Und auch Breyer ist eigentlich nicht das Problem im (öffentlich-rechtlichen) Sportjournalismus. Er ist längst nicht so anbiedernd wie andere. Schlimmer sind Kommentatoren, die sich die Hälfte ihrer Redezeit schon mal vorab zurechtgelegt haben und die dann zielsicher am Spiel vorbei kommentieren, wenn es anders läuft als von ihnen erwartet. Da gibt es manchmal Uminterpretationen, das man nur noch den Ton wegdrehen möchte.

    Oder wenn Kommentatoren so in ihre Wortspielchen verliebt sind, dass sie vom Spiel nichts mehr mitbekommen. Oder eine Zeitlupe sehen und eine Szene trotzdem weiter offensichtlich falsch beurteilen (mit einer Wimper des rechten Auges doch deutlich im Abseits).

    Wenn Sportschau-Berichte auf Teufel komm raus um eine Personalie (Spieler X trifft auf Ex-Club) oder irgendwelche Statistiken (Y hat noch nie in Z gewonnen) herum erzählt werden und der Spielverlauf am Ende völlig verzerrt wird. Oder wenn man als Zuschauer bei der Bewertung eines Zweikampfs (die Hand hat da nichts zu suchen) oder des menschlichen Bewegungsablaufs beim Sport merkt, dass der Kommentator wohl noch nie beim Freistoß hochgesprungen sein kann oder einen Gegner abgegrätscht hat.

    Ach, was gäbe es da noch so viel mehr zu schreiben, auch aus Schiedsrichtersicht… oder, Herr Raue?

    • Glückwunsch! Starke Analyse im zweiten Teil Ihres Kommentars: Das ist das Elend des Sportjournalismus. Dem ersten Teil folge ich nicht: Klopp wird bei seiner Reaktion nicht daran gedacht haben, dass in den Tagen danach mehr über ihn als über die Leistung der Mannschaft geschrieben wird. Auch ein Klopp ist nach einem Spiel mehr Emotion als Stratege.

      • Ja, Sie haben wohl recht, es war nicht Klopps Kalkül, von der Mannschaft abzulenken. Sein Auftritt entfaltete diese Wirkung erst. Allerdings wissen Trainer bei aller Emotion doch auch genau, wann und wie sie ihre Spieler aus dem Fokus der Berichterstattung nehmen können.

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