Erinnern mit Goethe und Josef Fischer (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 22. März 2013 von Paul-Josef Raue.
Geschrieben am 22. März 2013 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Friedhof der Wörter.

Ist dieser Satz falsch? Gar Denglisch?

„Seine Mutter starb früh, und er erinnert heute noch in allen Einzelheiten ihren Tod.“ Der Satz stand in unserer Zeitung im Porträt des Starkochs Heinz Winkler.

Da verfällt der Autor unversehens in einen gepflegtes Denglisch, schimpft ein Zeitungsleser aus Weimar und begründet es so:

„Diese englische Variante des deutschen ,sich erinnern‘ wurde schon vor Jahren durch den Ex-Außenminister Josef Fischer kreiert, der seine Putztruppenzeit absolut nicht erinnert.“
Vergessen wir Josef Fischer, bleiben wir in Weimar. „Erinnre mich nicht jener schönen Tage“, schrieb Goethe in der „Iphigenie auf Tauris“.

Ist Goethe verdächtig, in einem gepflegten Denglisch zu schreiben? Nur weil er nicht dichtete: „Erinnre mich nicht an jene schönen Tage“?

Zu Goethes Zeiten brachen nicht englische, sondern französische Wörter in die deutsche Sprache ein: Jede Zeit hat ihre Sprachmoden.

Matthias Claudius, ein schlichter Zeitgenosse Goethes, schrieb nicht nur „Der Mond ist aufgegangen“, sondern auch „Da unser einer doch täglich seiner Sterblichkeit erinnert wird“ in seinem „Wandsbecker Boten“ – und eben nicht „Unser einer wird täglich an seine Sterblichkeit erinnert.“

Jahrhunderte vor Goethe und Claudius übersetzte Martin Luther die Bibel: „etwas erinnern“ und nicht „an etwas sich erinnern“. Kurzum: Denglisch ist teuflisch, aber „erinnern“ ist, wie auch der Duden beteuert, so zauberhaft wie die goldnen Sternlein, die prangen – am Himmel hell und klar.

Thüringer Allgemeine geplant für 25. März 2013

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