„Geh zu den Quellen! Geh den Dingen auf den Grund!“ – Der Fragebogen des „Medium Magazin“
„Ein guter Journalist macht sich nicht gemein mit einer Partei, auch nicht mit der seiner Wahl“, antworte ich auf die Frage, warum ich keiner Partei angehöre: Zu lesen im Fragebogen des aktuellen Medium Magazin auf der letzten Seite – als Rausschmeißer aus dem Heft (September 2015). Hier die Fragen und Antworten:
- Warum sind Sie Journalist geworden?
Ich wollte zuerst die Welt verändern – und dann Wolf Schneider. Das war zäher als erwartet. Zum Glück habe ich mich überzeugen lassen: Es reicht, die Mächtigen zu kontrollieren und den Menschen eine gute Zeitung zu geben
- Wie kamen Sie an Ihren ersten Beitrag – und was war das Thema ?
Ein ellenlanges Interview in Castrop-Rauxel mit dem Wissenschaftsminister Gerhard Stoltenberg, das wir Wort für Wort in der Schülerzeitung gedruckt haben. Es hat mir viel Ehre gebracht, aber keine Leser
- Ihre Vorbilder im Journalismus ?
Wolf Schneider, der Sprache zum Leben erweckt; Kurt Kister, der Deutschlands bester Chefredakteur ist; Dieter Golombek, der die Qualität in den Lokaljournalismus brachte
- Ein Journalist ist ein guter Journalist…
wenn er, die Macht im Visier, seine Furcht besiegen kann; wenn er nicht geliebt, aber respektiert werden will; wenn er unbestechlich ist, aber trotzdem freundlich
- Charakterisieren Sie bitte die Herausforderung des Journalismus als Tweet in140 Zeichen.
Liebt Eure Leser mehr als Euch selbst! Verwöhnt sie mit Geschichten, die ihre Seelen streicheln oder zerwühlen! Seid demütig! Das reicht
- Wie wichtig ist Klatsch?
Der Mensch braucht ihn, er gehört zu unserem Leben. Aber er muss die Würde des Menschen achten. In Redaktionen, die Klatsch voll Abscheu meiden, wird am meisten geklatscht
- Mit welchem Ihrer Merkmale würde man Sie am treffendsten karikieren oder parodieren?
Die Redaktion schenkte mir zum Geburtstag eine Karikatur, die mich als Freiheitsstatue zeigt mit der TA und dem Duden in den Händen
- Wo haben es Frauen im Journalismus schwerer und was sollte man dagegen tun?
In die Chefredaktionen dringen zu wenige vor, aber offenbar drängeln auch zu wenige. Also: Frauen, drängt Euch auf!
- Ihre persönlichen Stärken und Schwächen?
Stärke und Schwäche liegen so nah beieinander: viele Ideen, aber wenig Geduld. Meine größte Schwäche: Ich mag keine Verlags-Manager, für die Zeitungen eine Ware ist wie Klopapier oder Schmierseife
10. Was macht Sie wütend oder ungeduldig?
Wütend, oder genauer: traurig, machen mich Menschen, die Vertrauen verspielen; ungeduldig machen mich Redakteure, die wie Beamte denken und arbeiten
11. Welche sozialen Medien und/oder Netzwerke nutzen Sie und wofür?
Alle, und ich bleibe bei denen, die zum Denken und Staunen animieren
12. Mit wem würden Sie gerne mal einen Tag die Rolle tauschen?
Mit dem Vorsitzenden Richter im NSU-Prozess
13. Auf welchen Beitrag sind Sie besonders stolz?
Die Aufklärung der VW-Affäre in der Braunschweiger Zeitung, in der es vor gut zehn um Betriebsrat, Vorstand, Bestechung, Macht und Sex ging. Der erste Artikel hätte mich beinahe meinen Job gekostet
14. Welcher ist Ihnen peinlich?
Mir fällt keiner ein
15. Ihre drei Lieblinge unter den Zeitungen, Sendungen und Websites?
Die Sächsische Zeitung, eine der besten Regionalzeitungen; Jürgen Wiebickes „Philosophisches Radio“ in WDR 5; „Fünf vor 8:00“ bei Zeit-Online (kluge Köpfe eröffnen den Tag mit einem Staunen)
16.Ihre Lieblings-(Fremd-)App?
Der Blitzer-Warner
17. Wie und womit entspannen Sie sich?
Beim Wandern löse ich Probleme und tagträume mich in Projekte hinein; beim Lesen und Schauen von Krimis bewundere ich die Recherche guter Ermittler, vor allem ihren Umgang mit Fehlern und Pannen
18. Sind Sie Mitglied einer Partei? Wenn ja: warum? Wenn nein: warum nicht?
Nein. Wenn ich eine Redaktion verlasse, weiß keiner, welcher Partei ich zuneige. Denn ein guter Journalist macht sich nicht gemein mit einer Partei, auch nicht mit der seiner Wahl
19. Welcher Rat (und von wem) hat Ihnen auf Ihrem beruflichem Weg besonders geholfen?
Der Rat meines Philosophie-Lehrers Kurt Flasch: Geh immer zu den Quellen! Geh den Dingen auf den Grund! Halte Dich nicht lange bei den Epigonen auf! Und bleib skeptisch, immer!
20. Was sollte Ihnen später einmal nachgesagt werden?
Er ging respektvoll mit den Menschen um. Er war fair. Und er machte nicht so viel Gedöns
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—–Neufassung—–
Sehr geehrter Herr Raue, Sie haben beim üblichen „Rausschmeißer“ im „Medium Magazin“ als Persönlichkeit deutscher Mediengeschichte sehr solide und mit ironischen Untertönen auf die Fragen geantwortet. Mir steht es nicht zu, noch mehr zwischen den Zeilen zu lesen. Mich hat überrascht, dass Ihr Philosophielehrer Kurt Flasch gewesen ist, gutachtend promoviert von Hirschberger und Horkheimer. Alle drei Namen sind mir als fast Gleichaltrigem noch geläufig. „Gehe immer zu den Quellen!“ Nun, dazu muss man erst einmal ein Gespür nicht nur für „Glaubens“-Quellen entwickelt haben, sondern auch für die „richtigen“, die dann auch noch finden und skeptisch prüfen. Übrigens mit welchem uns zur Verfügung stehendem, altmodisch formuliert, „geistigem Rüstzeug“ und mit welchen hermeneutischen „Werkzeugen“? Fast jeder Journalist ist ein Generalist, der nicht viel, aber von allem Geschehen eine ungefähre Ahnung und meist auch viel Wissen hat, verbunden mit dem Gespür, was für das Publikum lese-, hör- und sehfreundlich nachhaltiger und informativ aufbereitet gehört. Insofern sind wir ebenso didaktisch und rhetorisch tätig wie auch unsere stets Interessen gesteuerten „Quellen“. Es dauert, bis man sich seiner Erfahrungen im Umgang mit „Quellenlagen“ auch durch Rückfragen sicher geworden ist. Man ist ja in der Regel meist nicht dabei, als Quellen jeglicher Art zu sprudeln begannen. Wir sind im ökonomisch schwindsüchtigen Presse-Alltagsgeschäft abhängig von Informanten. Ihre Antwort auf Frage Nr. 12 hat mich irritiert. Wollten Sie damit andeuten, Sie würden als Vorsitzender Richter im NSU-Prozess bereits an einem Verhandllungstag sowie nach Aktenlage diesen Prozess ebenso durchschauen wie die Motivlage der Angeklagten und verfassungsschutzrechtliche Grenzüberschreitungen bei der Ausspionierung einer neonazistischen Mörderbande? Leider haben Sie dazu nicht einmal einen erklärenden Halbsatz gesagt. Bin vor wenigen Tagen erst aus Georgien zurück. Arbeite an einem Text und suche mir dazu sämtliche zugänglichen Quellen zusammen. Als gebürtiger NRWler längst fränkisch geprägt wünscht Ihnen zum Abschied alles Gute Wolfgang Kretschmer
Sehr geehrter Herr Raue, Sie haben beim üblichen „Rausschmeißer“ im „Medium Magazin“ als Persönlichkeit deutscher Mediengeschichte sehr solide und mit ironischen Untertönen auf die Fragen geantwortet. Mir steht es nicht zu, noch mehr zwischen den Zeilen zu lesen. Mich hat überrascht, dass Ihr Philosophielehrer Kurt Flasch gewesen ist, gutachtend promoviert von Hirschberger und Horkheimer. Alle drei Namen sind mir als fast Gleichaltrigem noch geläufig. „Gehe immer zu den Quellen!“ Nun, dazu muss man erst einmal ein Gespür nicht nur für „Glaubens“-Quellen entwickelt haben, sondern auch für die „richtigen“, die dann auch noch finden und skeptisch prüfen. Übrigens mit welchem uns zur Verfügung stehendem, altmodisch formuliert, „geistigem Rüstzeug“ und mit welchen hermeneutischen „Werkzeugen“? Fast jeder Journalist ist ein Generalist, der nicht viel, aber von allem Geschehen eine ungefähre Ahnung und meist auch viel Wissen hat, verbunden mit dem Gespür, was für das Publikum lese-, hör- und sehfreundlich nachhaltiger und informativ aufbereitet gehört. Insofern sind wir ebenso didaktisch und rhetorisch tätig wie auch unsere stets Interessen gesteuerten „Quellen“. Es dauert, bis man sich seiner Erfahrungen im Umgang mit „Quellenlagen“ auch durch Rückfragen sicher geworden ist. Man ist ja in der Regel meist nicht dabei, als Quellen jeglicher Art zu sprudeln begannen. Wir sind im ökonomisch schwindsüchtigen Presse-Alltagsgeschäft abhängig von Informanten. Ihre Antwort auf Frage Nr. 12 hat mich irritiert. Wollten Sie damit andeuten, Sie würden als Vorsitzender Richter im NSU-Prozess bereits an einem Verhandllungstag sowie nach Aktenlage diesen Prozess ebenso durchschauen wie die Motivlage der Angeklagten und verfassungsschutzrechtliche Grenzüberschreitungen bei der Ausspionierung einer neonazistischen Mörderbande? Leider haben Sie dazu nicht einmal einen erklärenden Halbsatz gesagt. Bin vor wenigen Tagen erst aus Georgien zurück. Arbeite an einem Text und suche mir dazu sämtliche zugänglichen Quellen zusammen. Als gebürtiger NRWler längst fränkisch geprägt wünscht Ihnen zum Abschied alles Gute Wolfgang Kretschmer