„Ihr habt nur den großen Mund!“ – Wie eine Retterin auf eine Facebook-Diskussion reagiert
Bei einem Auto-Unfall kommt in einer Nacht eine Familie ums Leben, nur das Kind überlebt, aber ringt mit dem Tod. Auf die Online-Meldung der Thüringer Allgemeine und der Facebook-Debatte zur Schuld antwortet eine Helferin auch auf Facebook. Es ist einfach ein bewegendes Dokument (leicht gekürzt und redigiert):
Mein Beileid an die Familie und meinen Kameraden aus Gräfentonna und umliegenden Orten, viel Kraft zum Verarbeiten des Ganzen. Da denkt auch immer keiner von den Schimpfern hier dran, dass sowas Schreckliches nicht nur die direkt am Unfall beteiligten Personen betrifft, sondern auch die Retter.
Ihr habt das ja zum Glück noch nie erlebt, wie sich das anfühlt, wenn man an sone Einsatzstelle kommt und so ein Massaker sieht. Wenn man betet, dass die Leute da drin noch halbwegs ganz sind.
Ihr habt noch nie die Schreie gehört, bei denen ihr denkt, es ist ein Kind. Ihr sucht verzweifelt nach nem Kind – und der, der schreit, ist ein erwachsener Mann. Ihr habt noch nie die zertrümmerten Gesichter von den Unfallopfern gesehen und später erfahren, dass ihr den kennt.
Ihr kennt nicht das Geräusch, wenn man mit schwerem Gerät ein völlig zerstörtes Auto so schnell wie möglich aufzuschneiden versucht, um die Leute, die alle Hoffnung in einen setzen, da raus zu holen. Ihr kennt nicht die Frustration, wenn sie es dann doch nicht schaffen.
Ihr habt nur den großen Mund. Ihr solltet mal dabei sein. Da ist euch das völlig egal, ob und wer Schuld hat. Und die Jungs und Mädels machen das freiwillig. Für nichts! Einfach so! Weil sie Menschen sind.
1 Kommentar
Diskutieren Sie mit uns den Artikel "„Ihr habt nur den großen Mund!“ – Wie eine Retterin auf eine Facebook-Diskussion reagiert"
Ähnliche Artikel zum Thema
- Meistgeklickt: Golombek-Interview und die Brand-Gegenrede einer Retterin
- Wir erzählen nur noch Geschichten!
- „Ich bitte um Entschuldigung!“ (Friedhof der Wörter)
- Fotos von Flüchtlingen: Hat eine Frau aus Syrien auch ein Recht auf Privatsphäre?
- Die deutsche Sprache ist eine schwere Sprache – selbst für Drehbuch-Schreiber (Friedhof der Wörter)
Die Reaktion der Retterin kann ich „Eins zu Eins“ unterschreiben. Ich selbst habe einen ähnlichen Fall erlebt, auch hier gab es Tote und Schwerverletzte. Das Erlebte ist für mich als eine der „Erstretter“ nur sehr schwer zu verarbeiten. Bei mir war es die entsetzliche Stille…,
die mich noch immer sehr beschäftigt. Nicht umsonst nehmen viele Retter die Hilfe eines Psychotherapeuten in Anspruch!
Hannah