Kollegenschelte: FAZ gegen SZ und die Panama-Papers
Die Süddeutsche Zeitung landete mit den Panama-Papers einen Coup. Wie reagierten die anderen, etwa die FAZ? . „Auf der Empörungswelle“ überschreibt Joachim Jahn den Leitartikel der FAZ am Samstag (9. April) gegen die „Aufgeregtheit“, den die Süddeutsche Zeitung mit der Veröffentlichung der Panama-Papers entfacht habe. Jahn wirft den Redakteuren der SZ vor: „Die breitangelegte Selbstvermarktung der ,Enthüllungen‘ ist fragwürdig“ – und er nennt folgende Gründe:
- Deutsche Bürger subventionieren mit Zwangsgebühren für die ARD die Kampagne privater Zeitungshäuser. (Die SZ arbeitet bei den Recherchen zu den Papers mit ARD-Redaktionen von WDR und NDR zusammen).
- Die SZ unterstellt, die Einschaltung von Briefkastenfirmen ist generell verwerflich.
- Sie stellt Prominente aus Politik, Sport und Wirtschaft unter Generalverdacht.
- Sie stellt die Dokumente den Ermittlungsbehörden nicht zur Verfügung, so dass sich die Anschuldigungen nicht überprüfen lassen oder gar widerlegen (Die SZ dazu: „Die SZ wird die Daten nicht der Allgemeinheit und auch nicht den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung stellen. Denn die SZ ist nicht der verlängerte Arm der Staatsanwaltschaft oder der Steuerfahndung. Staatliche Ermittlungsbehörden haben in Deutschland wie im Ausland bereits jetzt, bei entsprechendem Verdacht, die Möglichkeit, die Unterlagen bei den Betroffenen zu beschlagnahmen.“
- Zu Recht Beschuldigte würden gewarnt und schaffen Beweise noch schnell beiseite.
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Quelle: FAZ Titelseite 9. April 2016
4 Kommentare
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Gut, dass es die SZ gibt. Die Redaktion hat Mut zur Wahrheit bewiesen.
Joachim Jahn kocht den ganz großen Kritik-Eintopf und erweist dabei dem Klientel-Journalismus der FAZ die Ehre. Zu kritisieren, dass die SZ ihre Recherche auch eine breite Ebene gestellt indem man ARD-Anstalten einschaltete, ist absurd. Mt dem beigefügten Hinweis auf die „Zwangsgebühren“, die die Veröffentlichung unterstützt hätten, beklagt er einerseits den Wettbewerbsvorteil, den sich die SZ zunutze macht und kritisiert nebenbei durch die „Empörung“sbegrifflichkeit die Rundfunkabgabe, obwohl diese von jedem Verfassungsorgan geprüft und bestätigt wurde. Andererseits bejammert Jahn, dass die SZ die Daten nicht an die Ermittler weitergibt. Weitere untaugliche Zutat Jahns ist die Polemisierung bezüglich des öffentlichen Interesses. Es seien besonders diejenigen an der Veröffentlichung privater Steuerdaten interessiert, die sonst dem Staat den Zugang zu privaten Daten insbesondere bei der Telekommunikation verweigern würden. Und sei es, um die Daten von Massenmördern auf Handys zu schützen. Hier zeigt Jahn, dass er nicht weiß, wie er seine neoliberale Forderung nach weniger Staat mit derjenigen nach mehr Rechten für die (staatlichen) Datensammler bei den Sicherheitsbehörden zusammenbringen soll. Und wirft beim Leser folgende Frage auf: Warum sollten die Steuersparmodelle einiger Wohlhabender besser geschützt sein, als die Privatsphäre aller Bürger?
Jahn kritisiert die Empörung über die Inhalte der Panama Papers. Schließlich sei diese Modell ja nicht illegal. Nun, die Legalität ist derzeit wohl auf dem Prüfstand und möglicherweise vorübergehend. Denn hört man den Ministern Maas und Schäuble richtig zu, werden eventuelle Gesetzeslücken bald getilgt.
Im Grunde hätten der Überschrift „Auf der Empörungswelle“ nur die Worte „Ich bin“ vorangestellt werden müssen. Die Kritik Jahns ist so diffus, dass sie ins Leere gehen muss. Letztlich zeigt man sich bei der FAZ als schlechter Verlierer im Informationswettbewerb.
Das alles ist doch gar nicht das Ergebnis einer professionell investigativen Recherche, sondern schlicht ein seltener Glücksfall, der einer anonymen Person zu verdanken ist. Im Grunde handelt es sich nicht um das Entdecken eines Daten-Lecks, sondern um das Abgreifen von Informationen einer unbekannten Person, eines Whistleblowers. Nicht nur in Behöden wird Whistleblowing immer wieder als Dienstvergehen bezeichnet, was es juristisch ja auch ist.
Dann muss aber dieser Maßstab für alle Whistleblower dieser Welt gelten. Aus Sicht der USA ist Snowden daher ein Hochverräter, juristisch betrachtet. Aus der Sicht anderer hat er moralisch richtig gehandelt. Das ist ein klassischer Wertekonflikt. Ich nenne ihn Normenfalle.
Auf einem Informationswettbewerb, lieber CR, fusst ja der Vorgang gar nicht. Sondern hier liegt die Entscheidung, sich der SZ und nicht der FAZ anzuvertrauen, einzig und allein beim Whistleblower, einer anonymen Quelle, die niemand – nicht mal die beiden Redakteure – mit Blick auf Authentizität und persönliche Interessenlagen überprüfen konnten.
Journalisten der SZ als „Ermittler, Bewerter und Richter“ machen Politik mit den zugespielten Informationen. Ist das moralisch und/oder ethisch in Ordnung? Was hat das noch mit einer Wächterfunktion zu tun?
Die Schelte kann ich nachvollziehen. Im Prinzip finde ich es gut, wenn Machenschaften ent- und aufgedeckt werden. Aber als Bürger und begeisterter Leser dieses Blogs stelle ich mir auch Fragen:
Zitatenquelle: SZ
http://panamapapers.sueddeutsche.de/articles/56ff9a28a1bb8d3c3495ae13/
„Vor über einem Jahr kontaktierte eine anonyme Quelle die Süddeutsche Zeitung und übermittelte auf verschlüsseltem Weg interne Dokumente der panamaischen Kanzlei Mossack- Fonseca.“
Das alles ist also gar nicht das Resultat einer professionell investigativen Recherche, sondern schlicht ein seltener Glücksfall, der einer anonymen Person zu verdanken ist. Im Grunde handelt es sich nicht um das Entdecken eines Daten-Lecks, sondern um das Verwerten von Informationen einer unbekannten Person, eines Whistleblowers. Nicht nur in Behöden wird Whistleblowing immer wieder als Dienstvergehen bezeichnet, was es juristisch ja auch ist.
Dann muss aber dieser Maßstab für alle Whistleblower dieser Welt gelten. Auf einem Informationswettbewerb fusst ja der Vorgang gar nicht, wie der Leser CR unterstellt. Sondern hier liegt die Entscheidung, sich der SZ anzuvertrauen, einzig und allein beim Whistleblower, einer anonymen Quelle, die niemand – nicht mal die beiden SZ-Redakteure – mit Blick auf Authentizität überprüfen konnte.
Eine Quelle schützt man, das ist journalistische Ehrenpflicht und entspricht dem Pressekodex, aber warum auch anonyme Quellen? Wie interessengeleitet ist sie? Man sollte sie aufdecken, denn erst dann erfährt man die wahren Gründe.
„Rund 400 Journalisten von mehr als 100 Medienorganisationen in rund 80 Ländern recherchierten in den vergangenen zwölf Monaten in den Dokumenten.“
Kann man in Dokumenten „recherchieren“ ? Ja, das ist eine gängige Recherchetechnik. Oder handelt es sich dabei faktisch nicht um eine fleißige, akribische Analyse und die Überprüfung ihres Wahrheitsgehaltes? Wo aber bleibt da die Quellenkritik der SZ?
In der Literatur und bei Wikipedia finde ich zum Begriff Recherche folgende Definition: „Journalistische Recherche bezeichnet das eigenständige Beschaffen von Informationen im Gegensatz zum bloßen Verarbeiten von Pressemitteilungen, Agenturmaterial oder Pressekonferenzen.“
Ist das Zuspielen von Material einer unbekannten Quelle „eigenständiges Beschaffen?“
„2,6 Terabyte Daten im Besitz der SZ.“
Das ist m. W. das größte Informationswissen einer Zeitung, das es je gab. Ein Informationsvorsprung ist Herrschaftswissen. Das ermöglicht ein strategisches Vorgehen je nach Lagebild.
Was aber, wenn die Lagebeurteilung falsch ist? (Der Meteorologe Kachelmann ist ein solches Beispiel)
Das Datenvolumen ist so groß, dass die SZ-Redakteure ihr Wissen teilen müssen mit anderen Medien. Die SZ teilt also ihr Herrschaftswissen. Das finde ich gut.
Aber sind die Staatsanwaltschaften in den betreffenden Ländern von Anbeginn involviert gewesen oder mindestens informiert worden?
Ermittelt aufgrund der Berichterstattung irgendeine Staatsanwaltschaft z. B. wegen Steuerhinterziehung oder anderer kontextualisierter Delikte?
Was ist an den Vorgängen um Panama legal, was illegal und damit strafwürdig? Verhielten sich Banken gesetzeswidrig oder gesetzeskonform?
Moral und Ethik sind das eine, Gesetze und Befolgung das andere.
Viele Fragen, wenig klare Antworten.
Lothar G. Kopp