NSU-Prozess: Wenn Zschäpe vom Teufel besessen ist, geht sie uns nichts mehr an (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 11. Mai 2013 von Paul-Josef Raue.

„Der Teufel hat sich schick gemacht“ – lautete am Dienstag die Schlagzeile der Bildzeitung. Beate Zschäpe wird als Teufel identifiziert, wobei die Boulevardzeitung die Geschlechtsumwandlung nicht stört: Der Teufel wird zur Frau.

Die Redaktion spielt auf einen erfolgreichen Film an: „Der Teufel trägt Prada“. Meryl Streep spielt die von Macht berauschte und schöne Chefredakteurin, die feine Sache trägt, nicht nur Prada. Der Film ist eine Satire.

Der NSU-Prozess ist Wirklichkeit. Erst Elitz, Kommentator der Bildzeitung, schreibt: „Das Böse hat ein Gesicht. Beate Zschäpe“; der Kommentator war immerhin Intendant von Deutschlandradio Kultur, einem angesehenen Sender in Deutschland.

Dürfen wir einen Menschen einen „Teufel“ nennen? Im Alltag denken wir uns wenig dabei. „Teufel“ ist leicht jeder, der seine Macht offen zeigt. Selbst Kinder, die ihren Willen testen, nennen wir „kleine Teufel“ – und nicht selten lächeln wir dabei.

Aber ein „Teufel“ auf der Anklagebank? Das ist nicht mehr zum Lachen, das ist Vorverurteilung, das ist Zerstörung, Dämonisierung eines Menschen, der nicht verurteilt ist. Das ist eines Rechtsstaates unwürdig.

In seinem Roman „Der Name der Rose“ lässt Umberto Eco seinen Helden, den Mönch William, mit einem Abt über das Wirken des Teufels diskutieren. Kann es sein, so William, dass die Richter und das ganze Volk sehnlichst eine Präsenz des Bösen wünschen? „Vielleicht ist das überhaupt der einzige wahre Grund für das Wirken des Teufels: die Intensität, mit welcher alle Beteiligten in einem bestimmten Augenblick danach verlangen, ihn am Werk zu sehen.“

Wer vom Teufel besessen ist, ist von einer fremden bösen Macht gesteuert. Dann können wir uns zurücklehnen und sagen: Sie ist keine von uns, das geht uns nichts an.

Thüringer Allgemeine, geplant für die Kolumne „Friedhof der Wörter“ am 13. Mai 2013

3 Kommentare

  • […] 12.05.2013: Gerade lese ich bei Paul-Josef-Raue ("NSU-Prozess: Wenn Zschäpe vom Teufel besessen ist,  geht sie uns nichts mehr an (Friedhof der Wör…"), dass BILD auf der Schiene weitermacht. Zitat: "“Das Böse hat ein Gesicht. Beate Zschäpe”. […]

  • „“Der Teufel hat sich schick gemacht” – lautete am Dienstag die Schlagzeile der Bildzeitung.““

    „Beate Zschäpe wird als Teufel identifiziert, wobei die Boulevardzeitung die Geschlechtsumwandlung nicht stört: Der Teufel wird zur Frau.“

    Abgesehen davon dass Boulevardzeitungen sich wenige Gedanken um Irgendetwas zu machen scheinen solange es der Auflage gut tut, ist das Objekt der Aufmerksamkeit eine Frau.Selbst: Die Frau ist der Teufel. würde mich nicht überraschen.

    „Die Redaktion spielt auf einen erfolgreichen Film an: “Der Teufel trägt Prada”. Meryl Streep spielt die von Macht berauschte und schöne Chefredakteurin, die feine Sache trägt, nicht nur Prada. Der Film ist eine Satire.“

    Die Behauptung dass hier aus dem Film zitiert wird ist tendenziell absurd, da für die Wirkung die Kenntnis des Filmes zum Verständniss wenigstens partiell vorhanden seien müsste und der Film signifikante Schnittmengen mit dem Prozess oder der Person haben müsste. Eine Erwähnung außerhalb dieser Schnittmengen ist absurd. Dass sie sich schick gemacht hat scheint eher eine vom Film vollkommen getrennte Beobachtung zu sein.

    „Der NSU-Prozess ist Wirklichkeit. Erst Elitz, Kommentator der Bildzeitung, schreibt: “Das Böse hat ein Gesicht. Beate Zschäpe”; der Kommentator war immerhin Intendant von Deutschlandradio Kultur, einem angesehenen Sender in Deutschland.“

    Auf die neutralgeschlechtliche Bezeichnung Zschäpes als böses wird hier seltsamerweise weniger eingegangen als auf die Geschlechtstransformation des Teufels.

    „Dürfen wir einen Menschen einen “Teufel” nennen? Im Alltag denken wir uns wenig dabei. “Teufel” ist leicht jeder, der seine Macht offen zeigt. Selbst Kinder, die ihren Willen testen, nennen wir “kleine Teufel” – und nicht selten lächeln wir dabei.“

    „Teufel“ Ist eine kulturell geprägte Zuschreibung negativer Eigenschaften; ob man graduelle Versionen negativer Konnotationen auf Kinder projeziert ist dem Individuum überlassen. Das macht ein tyrannisches Kind nicht besser und Zschäpe braucht nicht schlechter gemacht zu werden.

    „Aber ein “Teufel” auf der Anklagebank? Das ist nicht mehr zum Lachen, das ist Vorverurteilung, das ist Zerstörung, Dämonisierung eines Menschen, der nicht verurteilt ist. Das ist eines Rechtsstaates unwürdig.“

    Die Bild ist nicht der Rechtstaat

    „In seinem Roman “Der Name der Rose” lässt Umberto Eco seinen Helden, den Mönch William, mit einem Abt über das Wirken des Teufels diskutieren. Kann es sein, so William, dass die Richter und das ganze Volk sehnlichst eine Präsenz des Bösen wünschen? “Vielleicht ist das überhaupt der einzige wahre Grund für das Wirken des Teufels: die Intensität, mit welcher alle Beteiligten in einem bestimmten Augenblick danach verlangen, ihn am Werk zu sehen.”“

    In historischen Romanen erklären zeitgenössissche Schriftsteller die Gedankenwelt von „damals“.

    „Wer vom Teufel besessen ist, ist von einer fremden bösen Macht gesteuert. Dann können wir uns zurücklehnen und sagen: Sie ist keine von uns, das geht uns nichts an.“

    Wenn wir in die falschen Umstände geboren worden wären könnten alle Zschäpes sein, lasst uns die Welt ändern das niemand mehr in die Umstände gerät in so wirre Gedankenwelten abzudriften.

    — Wer hat diesen Beitrag geschrieben? Wer lässt ihn schreiben? Sogar ich konnte ihn dekonstruieren…

    • Die Bildzeitung allein ist nicht der Rechtsstaat, so wie keine andere Institution allein der Rechtsstaat ist. Die Bildzeitung gehört wie jede andere Zeitung zum Rechtsstaat. Die Presse hat eine herausragende Stelle in unserer Demokratie, sie wird schon in Artikel 5 des Grundgesetzes erwähnt und als unabhängig vom Staat erklärt. Das Bundesverfassungsgericht spricht von der Presse als „ein Wesenselement des freiheitlichen Staates“.

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