Petry und der Schießbefehl: Ein Plädoyer für die Autorisierung von Interviews

Geschrieben am 3. Februar 2016 von Paul-Josef Raue.

Frauke Petry sei Dank: Sie macht uns Journalisten klar, welche Errungenschaft das Autorisieren von Interviews ist! Das war auch in Deutschland ins Gerede gekommen, als Jill Abramson, die Chefredakteurin der New York Times, 2012 erklärt hatte –  angelsächsischer Tradition folgend: Wir schreiben, was gesagt ist! Wir lassen keine Zitate mehr autorisieren!

Frauke Petry, die Vorsitzende der AfD, hat dem Mannheimer Morgen ein Interview gegeben, die Druckfassung autorisiert und darin einen Schießbefehl auf illegal einreisende Flüchtlinge gefordert. Als die Kritik zu heftig wurde, auch in der eigenen Partei, besann sich Petry auf ihren bewährten Slogan „Lügenpresse“ und sagte dem MDR:

Wir erleben in den Medien das, was so häufig passiert: Dass der Kontext dessen, was gesagt wird, sträflich missachtet wird und dass sich dann die politische Konkurrenz auf verkürzte Zitate wirft.

Laut dpa erklärte Petry: „Man wollte die Schlagzeile produzieren, dass die AfD auf Flüchtlinge schießen will.“ Das halte sie „für journalistisch total inakzeptabel“. Das Interview sei im „Stil eines Verhörs“ geführt worden.

Dirk Lübke, Chefredakteur des Mannheimer Morgen, erklärte Bülend Ürük von Kress:

Was ist daran nötigend, wenn Frauke Petry uns selber das Interview angeboten hat, sie und ihr Sprecher jedes Wort zur Autorisierung vorgelegt bekommen haben, jedes Wort und jeden Satz mehrmals gelesen und schließlich zur Veröffentlichung freigegeben haben?

Hätte Lübke auf eine Autorisierung verzichtet, stünde Aussage gegen Aussage und Pegida hätte ein neues Beispiel für die „Lügenpresse“.

 

3 Kommentare

  • Zu früheren Zeiten trieb es minimal besetzten „Mantelredaktionen“ in der Provinz den Schweiß auf die Stirn, wenn ein prominenter Politiker in aufgeräumter Stimmung überraschende Äußerungen zu konkreten Fragen von sich gab. Die wurden freilich auch sogleich von seinem „Pressetross“ mit einiger offensichtlicher Verwunderung notiert. Deren Mimik musste man nach einiger Erfahrung bei Kaffee und Kuchen immer im Blick haben.Mindestens ein Mini-Tonband lief stets mit, auch bei auf Nachfrage bestätigter Aussage des Interviewten. Letztendlich musste kurz vor Andruck freilich eine autorisierte aktuelle Nachricht von einigem Neuigkeits- oder Unterhaltungswert ins Blatt. Mir war die nach vereinbarten Regeln zu spät eintreffende Autorisierung dann gelegentlich „wurscht“. Was gesagt wurde, war per Aufzeichnung belegbar. Das jeweils heikle Zitat wurde dann halt nicht in einem „Wortlaut-Interview“ gedruckt, sondern in einer nachrichtlichen Fassung über das Pressegespräch erwähnt, hervorgehoben. Ein Plädoyer für die Autorisierung von Interviews lässt sich leicht fordern. Warum eigentlich, wenn gewisse öffentliche Figuren auch in Interviews ohnehin so reden, wie denen bei Propaganda-Veranstaltungen glatt auf die Zunge geht, was in deren Hirn propagandamäißg längst parat liegt. Bei seriösen Presse-Interviews sollten auch Kameras dabei sein. Und wenn man als Journalist belegbar nachgefragt hat, ob eine gewisse Äußerung wirklich so gemeint sei, ist die druckreif. Im Prinzip war ich immer für die Autorisierung von Interviews. Als Kehrseite der Medaille zeigte sich oftmals ein abgedrucktes Interview als „Kunstprodukt“, das sich aus Hochachtung vor den Interviewten letztendlich mit deren Interessen gemein machte. Ein gutes Interview zu führen ist eine Kunst: drei/vier gut überlegte Fragen reichen für ein, anderthalb Stunden. Haken Journalistin und Journalist auf Augenhöhe geschickt und sachkundig nach oder lassen bestimmte Figuren einfach reden, ist die Neugierde der Leser geweckt und dem Auftrag des Journalismus in einer Demokratie Genüge getan. Es hat wohl seine organisatorischen Gründe, warum in regionalen Blättern etwas längeren Interviews außer vielleicht im Feuilleton kaum noch Platz gewährt wird.

  • Was hier behauptet wird ist falsch. Im Folgenden ist das Originalinterview.

    http://m.morgenweb.de/nachrichten/politik/sie-konnen-es-nicht-lassen-1.2620328

    • Petry sagt in dem Interview: „Zur Ultima Ratio gehört der Einsatz von Waffengewalt.“ Also – es soll geschossen werden. Alles andere drumherum ist verwirrende Rhetorik

Diskutieren Sie mit uns den Artikel "Petry und der Schießbefehl: Ein Plädoyer für die Autorisierung von Interviews"