Interview-Eklat (2) – Spiegel-Reporter erzählt vom Wulff-Gespräch: Es hat einige Male vor dem Abbruch gestanden
„Ich war eine Provokation“ steht auf dem Titel des neuen Spiegel, das auf einem Gespräch mit Ex-Bundespräsident Christian Wulff basiert, dessen Autorisierung lange fraglich war. So erzählt Spiegel-Reporter Peter Müller in einem Video auf Spiegel-Online. Wird es üblich, dass ein Interview, vor allem ein hart geführtes, begleitet wird von einem „Making of“? Also einem Bericht des Redakteurs, wie schwierig die Autorisierung war? Diese Berichte, einseitig von Natur aus, werden ja nicht autorisiert.
Gerade hat Markus Wiegand im Wirtschaftsjournalist erzählt, wie schwierig die Autorisierung eines Weimer-Interviews war (siehe dazu den Blog „Elite der Journalisten sind Weicheier“).
Offenbar missfällt immer mehr Reportern die deutsche Eigenart, Interviews autorisieren zu lassen. Sie beneiden ihre amerikanischen und britischen Kollegen, die – wie die New York Times – prinzipiell nicht autorisieren lassen. Doch hat der deutsche Sonderweg einen großen Vorteil: Politiker und andere Funktionäre sprechen frei und üben nicht vorher Phrasen und Textbausteine wie bei den unsäglichen TV-Erklärungen.
Vor wenigen Tagen erzählte Katrin Göring-Eckardt bei einem Redaktionsbesuch in Erfurt: Sie habe sich vor dem Interview mit einem angelsächsischen Journalisten gut vorbereitet und alle möglichen Sätze im Kopf bereitgelegt. Allerdings habe der Journalist von sich aus einer Autorisierung zugestimmt: „Ich weiß, dass Sie hier andere Sitten haben.“
Im Wulff-Interview, an dem auch Chefredakteur Büchner teilnahm (als einziger auf dem Foto grimmig schauend), beklagt Wulff verschiedene Spiegel-Titel, die Verrohung des Diskurses, Häme, Diffamierung und Denunziationen. Er verlangt härtere Regeln und Strafen des Presserats.
Kai Diekmann, Bild-Chefredakteur, weiß noch mehr. Er twittert:
Warum hat es so lange gedauert, das Interview mit Wulff zu veröffentlichen? Ist doch schon vor über 5 Wochen geführt worden…