Plopp, plopp,plopp. Kurt Kister über Angelique Kerber, Medien, Helden und neue Zeiten

Geschrieben am 31. Januar 2016 von Paul-Josef Raue.

Wir haben endlich wieder einen Tennis-Star: Angelique Kerber, Grand-Slam-Siegerin in Melbourne, ist so nett wie Steffi Graf, kann weinen vor Freunde, ist wohltuend auch in der Lage, gerade Sätze zu sprechen mit Wörtern jenseits der Dutzendwörter wie „geil“, „sensationell“ usw.

Da freut sich auch ein großer Chefredakteur. Kurt Kister wechselt von der SZ-Kommentar-Seite 4, die sein eigentlicher Ort ist, in den Sport-Teil, schreibt die Leitglosse am Samstag auf Seite 41: „Helden mit Halbwertszeit“ und erinnert an den Chauvinismus, der den Medien eigen ist – nicht nur im Sport:

 Sind Deutsche unter den Opfern eines Anschlags oder sonst einer Katastrophe in der großen weiten Welt, dann rückt „uns“ dieses Geschehen viel näher, als wenn das nicht so ist. Wenn also irgendein amerikanischer Joe oder eine tschechische Jana Wimbledon oder die Dings Open gewinnt, ist das halt Tennis, plopp, plopp, plopp. Haben „wir“ aber einen, gar zwei blonde Teenager auf dem berühmten Treppchen, dann ist Wimbledon unsere Welt.

Zumindest war das so.

Doch die Gesellschaft, die Welt und die Medien haben sich in den drei Jahrzehnten nach den ersten Erfolgen von Boris Becker und Steffi Graf verändert, die „ große, gar nationale Aufregung findet nicht statt“:

Damals gab es noch nicht so viele Helden wie heute. Und weil nicht alle drei Sekunden über das Netz eine neue SMS, ein neuer Link, ein neuer Held kam, hatten die Helden auch eine erheblich längere Halbwertszeit. Sie blieben über Jahre hinweg im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit eben nicht nur der Fans.

Schön dass sich ein Chefredakteur erinnert.

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Süddeutsche Zeitung, 30. Januar 2016

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