Überlebt das „fahrvergnügen“ den VW-Skandal in den USA? (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 30. September 2015 von Paul-Josef Raue.

Volkswagen exportiert nicht nur Autos, sondern auch deutsche Wörter. Vor 25 Jahren, pünktlich zur deutschen Einheit, sahen die amerikanischen TV-Zuschauer einen Werbespot:

There’s a word for this driving experience (Es gibt ein Wort für dies Fahr-Erlebnis): Fahrvergnügen, Fahrvergnügen.

Dies deutsche Wort ist in die amerikanische Sprache eingewandert – und zum Synonym für deutsche Autos schlechthin geworden. Für unsere Ohren hört es sich vergnüglich an, wenn ein Amerikaner durch die weite Landschaft fährt und knödelt: „What a fahrvergnugen!“

Dan Hamilton ist Professor der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore, der ältesten in den USA. Er wundert sich über Liebhaber der amerikanischen Sprache, die das Vordringen des Spanischen beklagen: Offenbar reagieren alle Sprach-Gemeinschaften allergisch auf Zuwanderer, ob es Anglizismen sind oder spanische Wörter.

Hamilton stellt fest, deutsche Wörter drängten immer stärker in die amerikanische Sprache: „Deutsch ist zum Alltags-Englisch geworden! Es ist eine Lego-Sprache: Man nehme einfach zwei Wörter wie zwei Legosteine und füge sie zusammen wie Welt und Schmerz – und der Weltschmerz ist entstanden.“

„Fahrvergnügen“ ist solch ein Lego-Wort wie gut zwei Dutzend deutscher Wörter, die Hamilton auflistet:

  • bratwurst,
  • gesamtkonzept,
  • heiligenschein,
  • hinterland,
  • leitmotiv,
  • luftballon,
  • realpolitik,
  • rucksack
  • schadenfreude,
  • wanderlust,
  • weltmeister,
  • wunderkind,
  • zeitgeist
  • und kurze Wörter wie angst, kaputt, kitsch oder mensch.

Zu den beliebten Wörtern zählt auch eines, das selbst bei uns kaum gebräuchlich ist: „sprachvergnügen“. Das Magazin „Time“ hat es aus dem „fahrvergnügen“ abgeleitet, die deutsche Botschaft hat im Internet das „Netzwerk Sprachvergnügen“ gegründet.

So hieß „Time“ die deutsche Sprache wieder unter den Weltsprachen willkommen, kommentiert Sprachpapst Wolf Schneider – „nach fast einem halben Jahrhundert des Misstrauens“.

Ob das „fahrvergnügen“ den VW-Skandal um gefälschte Diesel-Werte überlebt? Wahrscheinlich ist das Wort stärker – und der Amerikaner Lust an der deutschen Sprache.

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Quellen: VW Werbung 1990ß auf Youtube

Die komplette Hamilton-Liste in: Wolf Schneider: Speak German, Seite 25ff

Thüringer Allgemeine, Friedhof der Wörter, 5. Oktober 2015 (hier im Blog erweiterte Fassung)

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