Wie ein Leser morgens seine Zeitung liest: Da steigt mein Blutdruck an

Geschrieben am 15. Januar 2014 von Paul-Josef Raue.

In der Samstag-Kolumne „Leser fragen“ gab ich einem Leser Recht, der sich über verpixelte Porträts, etwa von Angeklagten, beschwerte, wenn sonst nichts anderes auf dem Bild zu sehen sei. Er bedankte sich für die Antwort und erzählte von seiner Morgen-Lektüre:

Meine erste „Amtshandlung“  ist das Hereinholen der TA (Thüringer Allgemeine). Sie ist bei uns bereits gegen fünf Uhr im Briefkasten.

Meist 5 Minuten später steigt mein Blutdruck an. Das hat nur indirekt mit der TA zu tun. Die Ursache ist mancher Artikel über irgendwelche „Begebenheiten“, die es eigentlich täglich gibt, aber man kann sich eben nicht daran gewöhnen.

Ist man dann schon recht auf Touren, dann kommt so ein „grauer Fleck“, der als Foto angeboten wird. Bei solchen Fotos geben sie mir ja Recht, dass sie gar nicht erst veröffentlicht werden sollten.

In so einen Moment muss ich etwas „loswerden“. Dann schreibe ich mir den Frust von der Seele, und der Blutdruck ist wieder normal. Ich akzeptiere Ihre Antwort hundertprozentig.

Mein Stil wird sich wohl kaum ändern. Ich bin 73 Jahre alt und wohl kaum noch „formbar“. Vielleicht – wenn ich zwischen Lesen und Schreiben einen zweiten Kaffee trinken, dann relativiert sich manches Problem.

In meiner Antwort dankte ich dem Leser, aber fügte an, dass die Reaktionen auf die Kolumne unterschiedlich seien:

Einige Leser, deren Brief ich öffentlich beantworte, fühlen sich bevormundet oder falsch verstanden.

Kurz vor Weihnachten schrieb mir ein Leser aus Erfurt: „Eine derartige Kommentierung durch einen Chefredakteur finde ich unangebracht.“ Ein anderer  findet alle negativen Klischees über Journalisten bestätigt.

Hermann Unterstöger schreibt in seiner Kolumne der „Süddeutschen Zeitung“ über Leser-Kritik an Fehler und Sprache der Journalisten die Namen der Leser nicht aus. Sie, Herr Wölfel, wären Herr W. Ist das der bessere Weg?

Allerdings gibt es auch positive Reaktionen. Auf dieselbe Kolumne, die ein Leser unangebracht fand, schickte mir  Frau H. aus Erfurt einen „Segen“, den sie in einer Kirche gesprochen hat: „Wir segnen die Medien, dass sie wahrheitsgetreu und fair berichten, was für das Land wichtig ist.“

Offenbar besitzen wir Journalisten Weisheit und Kraft zur Demut, so dass darum kein Gebet gen Himmel gesandt werden muss – im Gegensatz zur Ministerpräsidentin und zu allen Ministern, Abgeordneten und Amtsinhabern – „damit sie ihre Macht nicht ausnutzen zum eigenen Vorteil“.

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