Zehn Thesen zur Zukunft des Journalismus (Teil 20 mit Bilanz der Kress-Serie)

Geschrieben am 23. Juni 2016 von Paul-Josef Raue.
Andreas Wolfers leitet die Henri-Nannen-Journalistenschule von Gruner+Jahr. (Foto: Journalistenschule)

Andreas Wolfers leitet die Henri-Nannen-Journalistenschule von Gruner+Jahr: Er preist die klassischen journalistischen Tugend, auch und gerade in der Internet-Ära. (Foto: Journalistenschule)

„Wird mit dem Internet alles besser? Also multimedial, crossmedial, transmedial?“ Darum geht es in der letzten, der zwanzigsten Folge der Kress-Serie „Journalismus der Zukunft“. So soll der Redakteur der Zukunft arbeiten: Er soll an Facebook, WhatsApp und Snapchat denken, Communitys betreuen, Videos produzieren und Podcasts, Grafiken, Snowfalls undsoweiter. Doch – „die Technologiedebatte überlagert völlig, worum es wirklich geht“, warf Nannen-Schulleiter Andreas Wolfers ein bei einer Tagung in der politischen Akademie Tutzing. „Nur weil wir digitale Tools nutzen, ist es keine andere Art von Journalismus.“

Wolfers führt eine der großen deutschen Journalistenschule, er preist das Handwerk, die klassischen journalistischen Tugenden:

Präzise Recherche, genaue Quellenprüfung, sicherer Umgang mit Texten, Themengespür, Relevanz aufspüren: Was wähle ich aus? Was mache ich sie groß? Das ist völlig unabhängig, ob Print, Online, Bewegtbild usw. Es lässt sich alles zurückführen auf die klassischen journalistischen Tugenden.

Allerdings erweitert das Digitale die Möglichkeiten: Journalisten können tiefer und präziser recherchieren, und sie haben mehr Kanäle zur Verfügung. Bessere Recherche und größere Verbreitung: Dem Journalismus ging es noch nie so gut wie heute.

Wenn davon auch die Demokratie profitieren könnte! Sie braucht informierte Bürger, und sie braucht Bürger, die einen annähernd gleichen Informations-Stand haben. Nur wer informiert ist, kann auch mitreden und vernünftige Entscheidungen fällen – und nur wer weiß, dass auch die Bürger, die mit ihm streiten, gut informiert sind.

Die Serie schließt mit zehn Thesen zur Zukunft des Journalismus:

  1. Journalismus ist Freiheit: Er sichert die Qualität der Demokratie und das Selbstgespräch der Gesellschaft.
  2. Journalismus ist unabhängig.
  3. Journalismus richtet sich nach den bewährten Regeln (und braucht keine neuen für die neuen Medien): Präzise Recherche, Kontrolle der Mächtigen und über allem die Achtung vor der Wahrheit.
  4. Journalismus braucht Journalisten, die die Regeln kennen und achten.
  5. Journalismus gedeiht nur mit exzellent ausgebildeten Journalisten.
  6. Journalismus ist lokal und erklärt die Welt aus der Perspektive der Leser.
  7. Journalismus wird immer wichtiger als Gegenspieler der Unübersichtlichkeit im Netz.
  8. Journalismus muss experimentieren und gerade im Netz die Chancen der Technik nutzen.
  9. Journalismus ist angewiesen auf eine Existenz-Garantie.
  10. Journalismus hat eine große Zukunft vor sich.

Mehr:

http://kress.de/mail/news/detail/beitrag/135175-journalismus-der-zukunft-bilanz-und-ausblick-wir-sind-nicht-im-besitz-der-wahrheit.html

 

 

 

1 Kommentar

  • Die Zukunft journalistisch informierenden Schreibens gewinnt in Auseinandersetzung mit persönlichen Positionen, solider Selbstkritik und aktuellem Geschehen an Kraft. Journalistin und Journalist sollten wie „Trüffel-Hunde“ Informatives zum Nutzen des Lesepublikums rechtzeitig entdecken, noch bevor es die Banker und Politiker tun. Letztere präsentieren sich gerne als allwissend und Menschen mit Durchblick. Daher empfiehlt sich ein neugieriges Studium jedweder Art an einer Uni im In- oder im Ausland. Man wird je nach Ressort selten schlauer sein als Polit-Profis und Aktien-Schlaumeier. Es wird sich aber ein Gespür für Widersprüchlichkeiten in öffentlich vorgetragenen Argumentationsketten entwickeln. Nachfragen bei Politikern und Entscheidern in Firmen wie bürokatischer staatlicher Verwaltung enden oft im Nichts, wenn man nicht einen kenntnisreichen Sinn für Widersprüchlichkeiten pflegt und auch kontroverse Kontakte nutzen kann. Ein Journalist muss erklären oder aufklären können, was in konkreten Fällen öffentlicher Aufmerksamkeit passiert ist und was warum nicht. Ein Industriegebiet soll in Nähe der Autobahn in die Landschaft gepflanzt werden. Wer hat ein Interesse daran und warum? Ist der Plan stimmig? Man muss also wissen, wie ein solcher Plan entsteht, wer warum ein Interesse daran hat und bereit ist, Konflikte in seinem Sinne durchzusetzen. Wer in der Zeit seines beruflichen Lebens kein solides Archiv angelegt hat, wird dem Lese-Interesse vor Ort wenig nutzen können. Ein guter Journalist muss die Leute herausfinden, die oftmals kenntnisreicher und schlauer sind als er selber. Dies alles ist und wäre gut aufgedeckt und spannungsreich erzählt ein menschenfreundlicher Dienst an der Demokratie. Dass mir manche eigene vernutzten Worte in diesem Text nicht passen, muss ich zunächst einmal hinnehmen. Ein guter Journalist ist zugleich Denker und Verdichter einer fein zu lesenden gut bebilderten Story, die Aufmerksamkeit erregt, die Nerven der Leserinnen ud Leser blank legt, ins Geschehen mutig eingreift und konktroverse Positionen erhellt.

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