Als alle Journalisten – egal wie blöd – einen Job fanden

Geschrieben am 28. Juli 2013 von Paul-Josef Raue.

Wenn sich alternde Chefredakteure, Chefreporter und Journalisten-Stars bei Kongressen treffen, die mindestens tausend Euros kosten, wenn sie abends an der Bar hocken mit melancholischer Untergangs-Miene, dann klagen sie:

Wir retteten den Journalismus, wir retteten Zeitungen und andere darbende Medien – wenn wir nicht so viele schwache, schwächelnde und einfach dumme Redakteure hätten. Alle, die an ihrem Whiskey nippen, nicken wie früher das Negerlein in den katholischen Kirchen, wenn man einen Groschen einwarf (ich entschuldige mich für das Negerlein, aber – um der historischen Wahrheit wegen: so hieß es nun mal).

Wenn man kein Chefredakteur mehr ist, in Weisheit alt geworden und einfach nur noch Bestseller-Autor, dann darf man auch öffentlich schreiben, was die Jüngeren verplaudern:

Dass früher alles besser war und alle sowieso, behaupten alle, die früher nicht besser waren als heutige Journalisten. Weil aber fast alle Jungen damals einen Job fanden auf dem Medienmarkt, ganz egal, wie blöd sie auch sein mochten, hielten sie sich bereits nach der ersten gedruckten Zeile zu Höherem, mindestens zum Chefredakteur berufen. Auf diesem Irrglauben beruht die Ballade von den guten alten Zeiten der sogenannten Vierten Gewalt.

So schreibt Michael Jürgs zu den „Trauerfeiern“ nach dem Verkauf des Hamburger Abendblatt und Hörzu und anderen Springer-Blättern „ins Ruhrgebiet“; die WAZ- oder Funkegruppe erwähnt er in seinem Fünfspalter nicht einmal.

Ins Poesiealbum journalistischen Überlebenskünstler seien noch einige Jürgschen Merksätze geschrieben:

Verleger tranken, egal welcher Couleur, den Champagner aus den Gehirnschalen ihrer Besten. Bis auf Rudolf Augstein, der Bier vorzog.

Jürgs ist ein exzellenter Schreiber. Warum beugt er sich der Marotte, die als modern gilt: Unvollständige Sätze laufen frei herum und bellen wie ein Hauptsatz („Bis auf Rudolf Augstein…“) So schriebe es ein Jürgs in besten Zeiten: „- bis auf Rudolf Augstein, der Bier vorzog“.

> Eigentümer – jeder auf seine Art im Herzen mehr Journalist als Kaufmann.

> Allen Verlegern ging es – je nach Perspektive – um den wahren Journalismus und nie nur um die Ware Journalismus.

>Bleibt heute nur der Blick zurück im Zorn über das Heute? Ach was. Wehmut ist zwar erlaubt, aber Schwermut unnötig.

> An den Seilen der Totenglöckchen ziehen die üblichen Seilschaften der Theoretiker.

Quelle: Süddeutsche Zeitung 27. Juli, Medienseite „Schaut auf diese Stadt“

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