Chefredakteure auf der Insel: „Nur Lokaljournalismus wird uns die Zukunft sichern“

Geschrieben am 22. Juli 2016 von Paul-Josef Raue.
Der Insel-Bote auf Föhr war eine Woche Heimat für fünf Chefredakteure. (Foto: Kläsener)

Der Insel-Bote auf Föhr war eine Woche Heimat für fünf Chefredakteure. (Foto: Kläsener)

Chefredakteure von bedeutenden Regionalzeitungen müssen sich den ganzen Tag Gedanken machen über diesen Leser, das flüchtige Wesen, kommen aber immer weniger mit ihm in Kontakt – weil sie, eingekeilt zwischen Redaktion und Verlag, mehr Manager und Produktentwickler sind, Etat-Verwalter und Anzeigenkundenbespaßer, Repräsentant und Chef, aber nie noch selbst Reporter. Jeder, wirklich jeder Chefredakteur schwärmt bei Gelegenheit von den guten alten Zeiten, als er selbst noch an der Front um die neueste Nachricht kämpfte, und fällt schlecht gelaunt in sich zusammen, wenn er ans nächste Meeting mit den Gesellschaftern denkt.

So genau wie SZ-Reporter Ralf Wiegand hat noch keiner Chefredakteurs Not beschrieben. „Reif  für die Insel“ ist der Titel seiner Reportage über fünf Chefredakteure, die auf der Nordsee-Insel Föhr eine Woche lang den Insel-Boten produziert habe. Stefan Kläsener, der Chef des Flensburger Tageblatt, hat vier der besten deutschen Chefredakteure für seine Insel gewinnen können: Michael Bröcker (Rheinische Post), Jost Lübben (Westfalenpost – dort Nachfolger von Kläsener), Wolfram Kiwit (Ruhr-Nachrichten), Ralf Gansenhanslüke (Neue Osnabrücker Zeitung).

Was sind das für Zeiten, in denen Chefredakteure mal wieder das machen, was sie als das Wichtigste sehen: Lokaljournalismus! Und mal was anderes als Leitartikel schreiben, die im Deutschlandfunk zitiert werden! Ob sie auch in Bad Berleburg, Leverkusen, Castop-Rauxel und Quakenbrück bald mal als Reporter auftauchen? Sie wünschen es sich bestimmt, um „das Gemurmel wieder hören, aus dem die Nachrichten entstehen“ (Wiegand) – aber dann kommt der Produktentwickler und lädt zum unsagbar wichtigen Meeting…

Nur der Lokaljournalismus wird uns die Zukunft sichern,

sagt Michael Bröcker, der Deutschlands große, vielleicht größte Regionalzeitung leitet. So sei es, werte Manager und Produktentwickler!

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Quelle: SZ 22. Juli 2016 „Reif für die Insel“

 

 

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