Ein guter Reporter verrät nichts von seiner Haltung

Geschrieben am 1. Mai 2013 von Paul-Josef Raue.

Die Reporterin Heike Faller begleitet ein Jahr lang einen Pädophilen bei seiner Therapie, schreibt darüber im Zeit Magazin, bekommt dafür den Henri-Nannen-Preis für die Reportage „Der Getriebene“ und sagt bei Henri-Verleihung „Ich habe angefangen mit der Zeit, mit ihm mitzuleiden.“

Das darf eine Reporterin, aber sie darf es den Leser nicht spüren lassen. So lobt denn die Jury: „Heike Fallers Text verrät nichts von ihrer eigenen Haltung.“ Charlotte Frank formuliert in der SZ das journalistische Prinzip der guten Reportage:

Mitleid blickt von oben auf Menschen herab. Aber Mitgefühl versucht, sich in sie hineinzudenken, ohne ein Urteil zu fällen.

Gute Jury-Entscheidungen taugen dazu, journalistische Lehrsätze aufzustellen. Henri-Nannen-Preis-Begründungen gehören zu den besten. Leider sind die aktuellen ein paar Tage nach der Preisverleihung im Internet nicht zu lesen. Dort blitzt nur ein halbes Dutzend Fotos der Vips auf, die sich erst auf dem roten Teppich, dann auf der Party feiern ließen.

Quelle: SZ 29. April 2013

1 Kommentar

  • Aber leider ist das inzwischen die Ausnahme. Wenn eine Agenturmeldung über den Parteitag einer demokratischen Partei so daherkommt wie dpa-Meldung vom FDP-Parteitag, die heute in den Lokalzeitungen abgedruckt wird, dann fragt man sich nur: Ist das noch Journalismus? Oder sollte man nicht auf beiden Seiten (Agentur und abdruckende Zeitungen) dringend etwas unternehmen?

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