Sollen Journalisten in der Zeitung ihr Gesicht zeigen?
Die Debatte entzweit Redaktionen: Dürfen Journalisten, auch im Lokalen, bei Kommentaren ihr Porträt-Foto zeigen? Journalisten, die lange Debatten lieben, debattieren darüber mit Inbrunst, als gehe es um die Zukunft der Zeitung.
Wir spielen uns in den Vordergrund!, ist das am meisten erwähnte Argument. Wir sind nicht wichtig, es geht um die Sache, die Meinung, nicht um mich!, lautet ein ähnliches Argument. Die Leser wollen das nicht!, ist das beliebteste Hilfs-Argument, das allerdings von keiner Leserbefragung gedeckt wird.
Anton Sahlender, Leseranwalt der Mainpost (Würzburg), hält in seiner wöchentlichen Kolumne ein Plädoyer: „Mit ihren Autoren können Tageszeitungen mehr Gesicht zeigen“:
In einer Zeit, in der Absender von Botschaften in Internet-Netzwerken sich weltweit profilieren, sollten Zeitungen in lokaler Nähe mehr Gesicht zeigen – nicht alleine in Bildern zu Kommentaren oder persönlich gehaltenen Kolumnen. Einige im TV oft präsente Moderatoren genießen fast Kultstatus. Zeitungen bieten dagegen mit gesetzlich vorgeschriebenen Impressen leblose Verzeichnisse von Namen und Aufgaben.
Mit persönlichen Anmerkungen sollten aber nur stilistisch markante Artikel oder solche mit aufwendigen Recherchen verlängert werden. Geeignet erscheinen mir auch Themen, zu denen die Autorin oder der Autor einen besonderen Bezug haben, aber auch solche, bei denen sie Neuland betreten. Sie können besondere Beweggründe nennen, etwa für eine ungewöhnliche Form, in der das Thema dargestellt ist.
Manche Autoren sind sogar Teil ihres Themas. Das müssen Leser ohnehin erfahren. Sie sollten aber nicht ständig denselben Lebenslauf eines Autors geboten bekommen. Es sind Sätze, die vom Beitrag zum Autor führen, die den Inhalt weiter erschließen können.
Journalismus-Lehrer fordern vor dem Hintergrund der komplett veränderten Medienlandschaft längst mehr Transparenz für Tageszeitungsredaktionen. Über ihre Autoren können sie wiedererkennbarer und damit unverwechselbarer werden.
Gesicht zeigen ist zudem Teil einer guten Kommunikation. Inhalte bekommen eine persönliche Note, wenn neben den Quellen gleichermaßen die Autoren besser erkennbar werden. Es erhöht Glaubwürdigkeit und zeigt Streben nach Objektivität, wenn auch Subjektivität bei Journalisten offen sichtbar gemacht wird.
Der Dialog wird gefördert. Es ist leichter, einen Redakteur anzusprechen oder anzuschreiben, der zuvor selbst etwas von sich preisgegeben hat. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Der Autor solle nie wichtiger werden als der Inhalt. Journalistischen Starkult brauchen wir nicht. – Was denken Sie?
Anlass für Sahlenders Ansprache an seine Leser war ein flott geschriebener Vorschau-Text auf das Bundesliga-Derby zwischen Bayern München und dem 1. FC Nürnberg, unter dem der Autor mit Bild zu sehen war.
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Die Gesichter-Debatte wird überbewertet, ist aber dennoch sehr spannend. Wenn ein Lokalredakteur gut ist (oder schlecht!), ist er ohnehin bekannt wie ein bunter Hund. Der Trend zum Gesicht des Redakteurs ist aber unübersehbar. Es ist jedoch nur ein Trend, mehr nicht. Hat das etwas mit mehr Transparenz zu tun? Ich denke, nein. Eher mit Optik. Leser sagen sicher, oh, so sieht der oder die vielleicht aus, der/die das schrieb. Doch wenn die Story gut ist, ist ihnen wurst, wer sie schrieb. Die Geschichte bleibt in Erinnerung und wirkt, und so soll das auch sein. Ich erinnere mich gerade an die Moderatorin Schreinemakers, die ihr persönliches Thema zum Gegenstand ihrer Sendung machen wollte. Ist sie damit nicht fürchterlich auf die Nase gefallen? Ihre Vorgesetzten jedenfalls säbelten sie ab. Sie hatte keine Chance, zu zeigen, ob ihre höchst eigene Geschichte bei den Zuschauern ankommt.
Was Anton Sahlender ansonsten über mehr inhaltliche Transparenz des Textverfassers schreibt, kann ich voll unterschreiben. Zu solchen Geschichten passt dann auch das Gesicht des Redakteurs.
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