Ein Kuss, ein Gebet – Die letzten Stunden der Opfer von MH 17: Ein Glanzstück der Nachrichtenagentur AP

Geschrieben am 5. August 2014 von Paul-Josef Raue.

Das sind die Geschichten, die Leser lieben: Wie verbrachten die Passagiere des Flugs MH 17, den Terroristen abgeschossen haben, ihre letzten Stunden? Mit wem sprachen sie zuletzt? Wie lautete ihre letzte Mail? Welchen Menschen sahen sie als letzten, bevor sie zum Flugsteig gingen? Wen küssten sie? Wen umarmten sie?

Es ist schon ungewöhnlich, dass eine große Nachrichtenagentur wie AP solch ein großes Erzähl-Stück recherchiert und veröffentlicht. Normalerweise bringt sie die aktuelle Meldung, vielleicht noch die Namensliste der Opfer, ihre Nationalitäten. Kristen Gelineau, AP-Chefin in Australien, wollte hinter die Nachrichten schauen, die Kleinigkeiten entdecken, die das Leben ausmachen, sie suchte den Zeitstempel des letzten Gesprächs der Opfer, sie wollte „Qualität statt Quantität“ – und bat um Recherche-Hilfe bei Reportern in Neuseeland und auf den Philippinen, in Indonesien, Holland und Malaysia.

Erin Madigan White erklärte die Reportage „A kiss, a prayer: The last hours of MH 17’s victims“ im AP-Blog zum „Beat of the week“, der mit 500 Dollar honoriert wird. Kristen Gelineaus Geschichte beginnt so (frei übersetzt):

Im Schlafzimmer eines Hauses nahe Amsterdam fragt Miguel seine Mutter: „Mama, darf ich Dich umarmen?“ Samira, seine Mutter, legt ihre Arme um ihren elfjährigen Sohn, der sie seit Tagen nervt mit Fragen nach dem Tod, nach Gott und seiner Seele.

Am nächsten Morgen brachte sie ihn und seinen großen Bruder Shaka zum Flughafen, wo sie den Flug Malaysia Airline 17 nehmen wollten, um ihre Großmutter in Bali zu besuchen mit der Aussicht auf Wasser-Ski und Surfen im Paradies.

Irgendetwas war anders. Am Tag vor dem Flug brach es aus Miguel heraus beim Fußballspiel: „Wie willst du sterben? Was wird aus meinem Körper, wenn ich beerdigt bin? Fühle ich nichts, weil unsere Seele zu Gott zurückkehrt?“ Er beginnt mich zu vermissen, sagte sich seine Mutter. Sie hielt ihn die ganze Nacht fest in den Armen.

Das war um 23 Uhr am 16. Juli. Shaka und 296 andere Passagiere auf Flug 17 hatten noch ungefähr 15 Stunden zu leben.

Die Geschichte liest sich wie die Skizze für einen großen Roman. Zur Nachahmung empfohlen – für Nachrichtenagenturen und jeden, der Qualität mag und seine Leser liebt.

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