Luther, Journalisten und die Kunst, Unverständliches zu übersetzen
Politiker, Wissenschaftler und Bürokraten reden gern unverständlich – und protestieren, wenn Journalisten Unverständliches und Gestelztes übersetzen. Zu Luthers Zeiten riskierte einer, der die Bibel allzu frei übersetzte, den Ausschluss aus der Kirche und das Ende seiner Existenz. Luther brauchte also auch Mut, wir würden es heute Zivilcourage nennen, wenn er seine Methode durchzog, die Bibel verständlich ins Deutsche zu übertragen.
Doch beim Übersetzen geriet Luther schnell, aber durchaus gewollt ins Interpretieren und Kommentieren. Dies kennen auch heute Journalisten, wenn sie frei eine Politiker-Rede wiedergeben und heftig gescholten werden – zurzeit vorzugsweise von AfD-Politikern wie Frauke Petry, etwa nach dem „Schießbefehl auf Flüchtlinge“ im Mannheimer Morgen, oder nach Alexander Gaulands Boateng-Vergleich in der FAS.
Oft reicht ein Wort – wie bei Luthers Übersetzung einer Passage des Paulus-Briefs an die Römer. „Allein durch den Glauben wird der Mensch gerecht“, schreibt Luther, das Wort „allein“ steht allerdings nicht im Originaltext. Die Theologen schäumen, aber Luther rechtfertigt sich: „Es steht so nicht in der Bibel, aber es gehört eben im Deutschen hinein um der Klarheit willen.“
Luther musste auch Wörter finden und erfinden. Auch vor Luther gab es eine Reihe von deutschen Übersetzungen wie die von Johannes Mentelin, ein gutes halbes Jahrhundert vor Luther. Viele Wörter in Mentelins Text kannte Luther nicht wie „Trom“, das Luther nach langem Nachdenken mit „Balken“ umschrieb, oder „agen“, das er mit Splitter übersetzte: „Du siehst den Splitter (agen) im Auge deines Bruders, aber nicht den Balken (trom) in deinem Auge.“
Journalisten lest viel! Erweitert Euren Wortschatz! Das wäre Luthers Rat an Volontäre wie gestandene Redakteure: „Wer dolmetschen will, muss einen großen Vorrat von Worten haben“, ist im „Sendbrief vom Dolmetschen“ zu lesen. Luther schätzte zudem eine Sprache mit Gefühl – eben „auf dass es dringe und klinge ins Herz, durch alle Sinne“.
* Die komplette Kolumne JOURNALISMUS! „Hummeln im Arsch: Die Sprache der Journalisten“ bei kress.de:
http://kress.de/news/detail/beitrag/135792-hummeln-im-arsch-die-sprache-der-journalisten.html
INFO
Die Ausstellung „Luther und die deutsche Sprache“
Die gut besuchte Ausstellung ist die letzte von sechs Ausstellungen der Wartburg vor dem Lutherjahr 2017, in dem die Ausstellung „Luther und die Deutschen“ von Mai bis November 2017 zu sehen sein wird. Das Welterbe Wartburg ist die meistbesuchte Lutherstätte.
Die Sonderausstellung „Luther und die deutsche Sprache“ ist bis zum 8. Januar 2017 auf der Wartburg zu besichtigen (im Sommer von 8.30 bis 17 Uhr); der Katalog kostet 12,95 Euro.
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