Wie AP recherchierte, ob der Unglücks-Zug zu schnell gefahren ist

Geschrieben am 5. August 2013 von Paul-Josef Raue.

Recherche ist Kleinarbeit, bisweilen ein wenig Mathematik, begleitet von einer gehörigen Portion Logik – wie nach dem Zugunglück im spanischen Santiago de Compostela, bei dem 79 Menschen getötet wurden.

Der Grafik-Spezialist Panagiotis Mouzakisder von AP in London fand heraus, wie schnell der Zugführer gefahren ist mit folgender Methode:

1. Die Geschwindigkeit des Zuges ist zu berechnen, wenn er den Abstand zwischen den im Überwachungsvideo zu sehenden Leitungsmasten kennen würde.

2. Er spielte das Video Bild für Bild ab und schaute auf den Zeitstempel, um herauszufinden: Wie lange ist der Zug von einem Mast zum nächsten unterwegs?

3. Der am Unglücksort filmende Madrider Kameramann Alfonso Bartolome schätzte den Abstand zwischen den Masten.

4. Um diese Daten abzusichern, zählte Fisnik Abrashi, Redakteur am Europa-Desk der AP, die Zahl der Bahnschwellen zwischen zwei Masten auf dem Foto einer Lokalzeitung.

5. AP-Redakteur Bob Barr, ein Eisenbahn-Fan, recherchierte den üblichen Abstand zwischen zwei Bahnschwellen im europäischen Schienennetz.

Beide Methoden führten jeweils zu dem Ergebnis: Die Geschwindigkeit lag zwischen 143 und 192 km/h oder zwischen 154 und 180 km/h. Da die Geschwindigkeitsbeschränkung bei 80 km/h lag,konnte die AP lange vor der Bestätigung durch die Behörden melden: Der Zug fuhr doppelt so schnell wie erlaubt.

Fünf Tage später bestätigten die Daten aus der Black Box die Richtigkeit; laut vorläufigem Untersuchungsergebnis bremste der Fahrer in den Sekunden vor dem Unfall von 191 km/h auf 153 km/h.

Aus dem AP-Blog „Spain train crash: How a journalist’s quick thinking provided vital info“ von Erin Madigan White (31. Juli 2013); aus dem Amerikanischen übertragen von Felix Voigt.

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