Soll man Hassbriefe ins Netz stellen? Dunja Hayali tut’s
Der anonyme Absender nennt sich Lawrence von Arabien, er kommt – wie er schreibt – aus bildungsfernen Schichten und beweist es mit einer Fülle von Fehlern: Ein übler Hassbrief, der nie das Licht der aufgeklärten Welt sehen sollte. Dunja Hayali, Moderatorin des ZDF-Morgenmagazins, hat ihn auf Facebook am 19. Mai veröffentlicht – und mit dem Rotstift korrigiert.
Gerade diese Oberlehrer-Attitude gibt den Hasspredigern Auftrieb, verstärkt sie in ihrer Märtyer-Rolle: Seht da, die Neunmalklugen meinen, Sie wären etwas Besseres, Sie können auf uns hinabschauen, auf uns, die wir nie diese Chance bekommen haben…
PS. Das Anrede-Du würde ich, als Zeichen der Höflichkeit, immer groß schreiben. Der Duden lässt aber auch das kleingeschriebene „du“ zu. Also ein paar Fehler bei Lawrence weniger – oberlehrerhaft gesehen.
Wie korrigiere ich online einen Fehler?
In der Zeitung kann der Redakteur einen Fehler erst in der nächsten Ausgabe korrigieren, nach Sonn- und Feiertagen sogar erst zwei, drei Tage später. Online kann der Redakteur sofort einen Fehler korrigieren, wenn er oder ein anderer ihn bemerkt hat. Aber er mag es nicht stillschweigend tun, sondern die Korrektur benennen.
So sollte es Standard sein bei wichtigen Korrekturen, meist falschen Fakten, so geschah es bei Zeit-Online in „Kijaks Deutschstunde“ (17.2.16):
* In einer vorigen Version des Textes hieß es, Boris Palmer habe sein Studium abgebrochen. Der Fehler wurde korrigiert.
Sprachbild kaputt: Für Franz Josef Wagner spielen elf Handballer um die EM
Liebe Handball-Nationalelf,
titelt Franz Josef Wagner heute seine Bild-Kolumne. Das ist das Kreuz mit den Sprachbildern: Die Nationalelf wurde zum Synonym für die Fußball-Mannschaft, als elf Spieler zur Mannschaft gehörten und eine Auswechslung nicht möglich war – selbst bei Verletzungen nicht.
Als Auswechslungen möglich wurden, war das Sprachbild schon zerkratzt: Dreizehn Spieler und mehr bilden die Fußball-Mannschaft.
Zum Handball passte das Bild nur beim Feldhandball, der in den fünfziger Jahren populär war. In der DDR wurden die Feldhandballer sogar einmal die Mannschaft (nicht die Elf) des Jahres, als sie die westdeutsche geschlagen hatte. Bei der aktuellen Europameisterschaft stehen nur sieben Spieler gleichzeitig auf dem Hallenboden, wenigstens zu Beginn der Partie.
Nationalelf beim Handball 2016? Liest denn in der großen Bild-Redaktion keiner die Wagner-Kolumne? Oder gibt er sie einfach zu spät ab?
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Die Version zum „Friedhof der Wörter“ in der Thüringer Allgemeine, 1. Februar 2016:
Sprachbilder: Sieben oder elf?
Wer erinnert sich noch? 1959 trafen im Leipziger Zentralstadion die Auswahl der DDR und der Bundesrepublik aufeinander – vor 93.000 Zuschauern! Die Fußballer?
Immerhin war die Bundesrepublik ein Jahr zuvor bei der Weltmeisterschaft in Schweden Vierter geworden und fünf Jahre zuvor in Bern sogar Weltmeister. Aber nicht die westdeutschen Fußballer zogen die Massen ins Stadion, sondern die Feldhandballer.
Die DDR siegte und wurde zur Mannschaft des Jahres gewählt. Feldhandball war in den fünfziger und sechziger Jahre eine der populärsten Sportarten in beiden Teilen Deutschlands. In den dreißiger Jahren war Feldhandball sogar eine olympische Disziplin. Elf Spieler liefen auf ein Feld, so groß wie das der Fußballer.
„Liebe Handball-Nationalelf“, überschrieb am Freitag Franz Josef Wagner seine Bildzeitungs-Kolumne, die in Briefform geschrieben ist – so wie bisweilen auch der „Felix“ auf unserer Thüringen-Seite die Kolumne beginnt. Doch Wagner redete keine Feldhandball-Mannschaft am, sondern die Hallenhandballer, die in Polen überraschend erfolgreich um die Europameisterschaft spielen.
Doch das Spielfeld in der Halle ist kleiner als ein Fußballplatz, so dass nur sieben Spieler auflaufen. „Handball-National-Elf“ gibt es nicht mehr.
Das ist das Kreuz mit den Sprachbildern: Die Nationalelf wurde zum Synonym, als elf Spieler zu einer Mannschaft gehörten, ob Fußball oder Handball, und eine Auswechslung selbst bei Verletzungen nicht möglich war.
Als die Trainer auswechseln durften, war das Sprachbild schon zerkratzt: Dreizehn Spieler und mehr bilden heute eine Fußball-Mannschaft. Aber die „Elf“ hält sich als Begriff, hinter dem kein Bild mehr aufblitzt.
Dabei verlieren Sprachbilder, die zu reinen Synonymen degradiert werden, ihren Wert, wenn sie kein Bild mehr im Kopf aufleuchten lassen. Ein gutes Sprachbild ist wie die Melodie im Kino: Man hört sie später, und im Kopf läuft der Film ab.
„Spiel mir das Lied vom Tode“: Ich muss nur die Mundharmonika erwähnen und schon sind die Bilder im Kopf.
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