Alle Artikel mit dem Schlagwort " Sprachbild"

Wie die Digitalisierung Sigmund Freud Probleme bereitet

Geschrieben am 29. Dezember 2018 von Paul-Josef Raue.

Sigmund Freud, Zigarre rauchend, auf einer Fotografie 1921 von Max Halberstadt. Foto: Wikipedia

Durch die Digitalisierung verändert sich vieles: Für die Massenproduktion von Texten und Bildern brauchen wir keine Druckmaschinen mehr und für Fotos keine Negative, um in der Dunkelkammer Positive, also Bilder zu produzieren, die der Wirklichkeit entsprechen. So werden manche Sprachbilder für die digitalen Ureinwohner unverständlich. Ein Beispiel aus dem Text von Sigmund Freud über das Unbewusste, vor einem Jahrhundert geschrieben:

Eine grobe, aber ziemlich angemessene Analogie dieses supponierten Verhältnisses der bewußten Tätigkeit zur unbewußten bietet das Gebiet der gewöhnlichen Photographie. Das erste Stadium der Photographie ist das Negativ; jedes photographische Bild muß den »Negativprozeß« durchmachen, und einige dieser Negative, die in der Prüfung gut bestanden haben, werden zu dem »Positivprozeß« zugelassen, der mit dem Bilde endigt.

Wer als Lokalredakteur oder Fotograf vor vierzig Jahren mit seiner Kamera in die Dunkelkammer ging (die sich oft in der Toilette befand), kennt diesen Prozess; wer seine Fotos gleich auf dem Display der Kamera oder des Smartphones betrachtet, hat vom „Negativ“ allenfalls einen theoretischen Begriff.

Das Wissen eines Journalisten

Geschrieben am 6. August 2018 von Paul-Josef Raue.
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„Das Wissen eines Journalisten ist weit wie der Ozean und tief wie eine Pfütze.“ (Ein Journalist)

Tweet von Stephan Dörner, Chefredakteur von Online

Sprachbild aus alten Zeiten: Löschpapier

Geschrieben am 9. Oktober 2017 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 9. Oktober 2017 von Paul-Josef Raue in K 44 Überschrift.

Lautschreierische Überschriften, verbunden mit ungefähr so viel Informationsgehalt wie geschreddertes Löschpapier, ist zu einer gewinnbringenden Kombination geworden.

Michael Moorstedt in der SZ vom 9. Oktober 2017 über Fakenews, ein Bild aus der Vor-Digital-Welt nutzend und einen falschen Singular

Wieviel Spielerei verträgt eine Überschrift?

Geschrieben am 30. August 2016 von Paul-Josef Raue.
Panorama-Seite der Süddeutschen Zeitung vom 30. August 2016

Panorama-Seite der Süddeutschen Zeitung vom 30. August 2016

Wanne heikel

Überschriften sollen den Leser informieren und so klar machen, ob die Lektüre des Artikels für ihn lohnt. Überschriften sollen auch locken – mit raffinierter Sprache und kleinen Spielereien. Aber die Reihenfolge muss stimmen: Erst die Information, dann die feuilletonistischen Reize.

Wer weiß, wie Leser lesen – zuerst das Bild, dann die Überschrift -, wer also die Anziehung eines Bildes kennt, kann die Kraft des Bildes auch nutzen und in der Überschrift spielen – wie die Süddeutsche Zeitung heute auf der Panorama-, der vermischten Seite:

„Wanne heikel“ spielt auf die teure Badewanne des ehemaligen Limburger Bischofs Tebartz-von-Elst an und nimmt kalauernd den Städtenamen Wanne-Eickel auf. Gab es zuvor mal die Überschrift: Wanne eitel?

Christian Lindner, Chefredakteur der Koblenzer Rhein-Zeitung,  hat sogar eine „Hall of Fame der „#rzHeadlines“ auf Twitter eingerichtet, aktuell ist er bei Folge 1273:

„Lochte geht baden“ = Zeile auf Sport zur Abkehr der Sponsoren von US-Schwimmer Ryan Lochte.

Weitere Koblenzer Hall-of-Fame-Kandidaten aus jüngerer Zeit:

  • „Deutsche finden Anglizismen eher uncool“ | Zeile auf Panorama zu Sprach-Umfrage
  • „Wir wollen doch nur spielen“ | Zeile auf Wirtschaft zur Gamescom
  • „Früher waren mehr BHs“ | Zeile auf Kultur extra über den Wandel bei  NatureOne
  • „Deutsch, deutscher, Dackel“ | Zeile auf Panorama zur Dackelschau des Deutschen Teckelclubs
  • „Wo man den Wald vor lauter Bäumen sieht “ | Zeile im Reiseteil zu Überblick über Baumwipfelpfade
  • „Erdogan im Ausnahmezustand“ | Zeile auf Tagesthema
  • „Lochte geht baden“ | Zeile auf Sport zur Abkehr der Sponsoren von US-Schwimmer Ryan Lochte
  • Und ein Blick nach nebenan: Goldverdächtige Schlagzeile der Bild  zur pro-russischen IOC-Entscheidung im Sinne Thomas Bachs: „So geht Olympia den Bach runter“.

Auf der Panorama-Seite zitiert die SZ heute (30. August 16) die Überschrift einer nicht genannten Lokalzeitung, die über den Bericht zu einer 68-köpfigen Gänse-Schar schrieb, die alle vom Blitz getroffen stürzten:

Das Schlaraffenland liegt in Niedersachsen – Gänse fielen gegrillt vom Himmel

 

„Die Welt geht doch nicht unter“: Ein Lob dem letzten Satz (Die Reportage)

Geschrieben am 10. Juli 2016 von Paul-Josef Raue.
Süddeutsche Zeitung, 9. Juli 2016: Seite 3 mit der EM-Reportage von Holger Gertz

Süddeutsche Zeitung, 9. Juli 2016: Seite 3 mit der EM-Reportage von Holger Gertz

Der erste Satz! Wie viele Dichter und Journalisten haben Angst vor ihm, denken stunden-, gar tagelang über ihn nach, bekommen Schreibblockaden, schrumpfen innerlich zusammen, wenn der Chef sagt: Wenn sie den ersten Satz vermasseln, liest keiner mehr den Rest. Reißen Sie sich zusammen!

Aber kaum einer bekommt eine Schreibblockade, wenn er an den letzten Satz denkt, den Rausschmeißer. Zwar steht in den Reportage-Ratgebern: Er ist wichtig, bleibt im Kopf, regt zum Weiterdenken an! Aber bei den meisten Reportern ist die Luft am Ende raus, alle Sprachbilder aufgebraucht, die wirklichen Bilder erst recht. Man stiehlt sich irgendwie aus der Reportage raus, feuilletonisiert ein wenig, öffnet das Fenster einen Spalt für den Weltgeist – Ende.

Holger Gertz‘ Reportage über Frankreich bei der Europameisterschaft beweist das Gegenteil: Ein müder Einstieg, ein umwerfender Schluss, dazwischen eine starke, weil nachdenkliche Reportage, die von Terror und Fußball, dem Lebensgefühl der Franzosen und Schweinsteigers Hand im Strafraum erzählt. Allein die Zwischentitel reizen zum Lesen, einer verführerischer als der andere – und stärker als „Am Ende der Tage“, einer langweiligen Überschrift aus dem Text-Baukasten:

  • Wie viel innere Stärke muss eine Stadt haben, die nach allem, was war, wieder so offen sein kann

  • Der Fußball erdrückt sich mit seinem immer pralleren Programm gerade selbst

  • Und in der Welt passiert so viel, dass manche gar nicht wissen, warum jetzt Schweigeminute ist

  • Deutsche Effizienz? Wir packen uns die Bälle im Strafraum neuerdings mit der Hand

Und dann der letzte Absatz, der sogar mit Assoziationen an Sieg-Heil spielen kann, ohne peinlich zu wirken; der an die Isländer und ihren derb-neckischen Schlachtruf erinnert und im letzten Satz mit dem Terror und unserer Angst ironisch ins Gericht geht:

Die deutschen Fußballfans haben die furchtbarsten Lieder und Rufe, aber vor einer Bar in einer warmen Nacht in Bordeaux brüllen sie nicht „Sieg!“, sie rufen „Hu!“ Ein Fortschritt. Und ein Hinweis darauf, dass die Welt doch noch nicht untergeht.

 

 

Killer-Sprache im Sportjournalismus – nicht nur zur EM: „Instinktlos“

Geschrieben am 7. Juli 2016 von Paul-Josef Raue.
Leserbrief in der FAZ vom 18. Juni

Leserbrief in der FAZ vom 18. Juni 2016

Bei großen Sportereignissen kennen Sportjournalisten keine Freunde mehr, zumindest in der Sprache. „Kein Killerinstinkt“ titelte die FAZ, oft für den besten Sportjournalismus ausgezeichnet, einen Bericht über die Schweizer Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft. Ein Leser empörte sich – nicht nur über den „Killerinstinkt“, sondern auch über den Tag, an dem die Überschrift in seine Zeitung kam:

Instinktlos

Wer ist nicht entsetzt über die brutalen Hooligans bei der Europameisterschaft in Frankreich, und Sie überschreiben in Ihrer Ausgabe vom 15. Juni einen Artikel über die Schweizer Fußballmannschaft dick mit „Kein Killerinstinkt“. Welch unerhörte Instinkt- und Verantwortungslosigkeit!

Schon vor der Europameisterschaft war der „Killerinstinkt“ in die Sport-Sprachmode gekommen. „Kein Killerinstinkt“ überschrieb Sport-Bild einen Online-Bericht im Februar, nachdem sich Eintracht Frankfurt und der HSV in der Bundesliga torlos verabschiedet hatten.

Auch Trainer mögen „Kein Killerinstinkt“: Jose Mourinho klagte so medienwirksam, nachdem sein FC Chelsea nur 1:1 in Istanbul gespielt hatte; wenig später wurde er entlassen.

Auch Sportler mögen den „Killerinstinkt“. Die FAZ zitierte Roger Federer im März 2014 vor einem Tennismatch mit seinem Freund Tommy Haas: „Gegen einen Freund ist der Killerinstinkt nicht so da.“ NBA-Star Stephen Curry erzählt, wie er sich verwandelt: „Wenn ich spiele, bin ich eine ganz andere Persönlichkeit. Dann bin ich konzentriert, verbissen und hungrig nach Erfolg. Diesen Killerinstinkt brauchst du, dann respektieren dich deine Mitspieler und der Gegner.“

Selbst in solch friedlicher Sportart wie Volleyball vermisst der Bundestrainer den nötigen Killerinstinkt (vor wenigen Tagen in der FAZ).

Martialische Sprachbilder waren gebräuchlich im Sportjournalismus, aber sie sind weitgehend aus dem Wortschatz verschwunden. In diesem Blog war die Sprache des Sports beim vorletzten Großereignis, der WM in Brasilien, schon mal ein Thema:

Zur Ehrenrettung der Sportreporter sei angefügt: Vor einigen Jahrzehnten waren die Bilder vom Krieg und vom Lärm der Schlachten noch übermächtig; heute verschwinden sie gemächlich aus dem Wortschatz der Sportjournalisten, in deren Reihen sich offenbar mehr Friedensfreunde tummeln als Leutnants.

Heute suchen Sportreporter ihre Sprachbilder eher in der Bibel. „Griezmann erlöst Frankreich“, schrieb die Süddeutsche Zeitung nach dem EM-Sieg gegen Irland in der Vorrunde. Nach der Erlösung kam „Im Fegefeuer“: So titelte die SZ in derselben Ausgabe einen Bericht über die italienische Mannschaft.

Buße, um nicht ins Fegefeuer zu kommen, leistete die FAZ-Redaktion vorbildlich: Sie veröffentlichte den kritischen Leserbrief, und sie veröffentlichte ihn ungewöhnlich schnell.

Tag der Pressefreiheit: „Türkei hat die Gruppe verlassen“

Geschrieben am 3. Mai 2016 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 3. Mai 2016 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, M. Presserecht und Ethik.
Pressefreiheit Profil 2016

Anzeige zum „Tag der Pressefreiheit“ 2016 im österreichischen Magazin Profil.

Eine Anzeige im österreichischen Magazin Profil zum „Tag der Pressefreiheit“: Ein Chat-Eintrag auf dem Smartphone zum 3. Mai:

Türkei hat die Gruppe verlassen.

Daneben einige handschriftliche Notizen:

  • Angriffe auf Redaktionen
  • Einreisesperren für Journalisten
  • Missachten der Presse- und Meinungsfreiheit
  • Inhaftierung von Journalisten
  • Ausweisung von Journalisten
  • Zwangsverwaltung von Medienhäusern
  • Nachrichtensperren

Unten auf der Seite lesen wir (gut gemeint, aber mit einem schrägen Sprachbild):

Wer die Pressefreiheit untergräbt, macht die Demokratie verwundbar.

„Du bist auf dem Holzweg“ (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 11. April 2016 von Paul-Josef Raue.
Totholz

Totholz (Foto: PJ Raue)

Holz lautet ein alter Name für Wald. Im Holz sind Wege, die meist verwachsen jäh im Unbegangenen aufhören. Sie heißen Holzwege.

So schreibt Martin Heidegger über den Holzweg als ein Sprachbild, das wir im Alltag oft gebrauchen, ohne den ursprünglichen Sinn noch zu kennen.

„Du bist auf dem Holzweg“ bedeutet: Du hast dich verlaufen, du kommst nicht weiter, du musst umkehren – denn der Weg ist gemacht, um Bäume zu schlagen und nicht, um zu einem Dorf, einem Haus oder einem anderen Weg zu kommen. Doch, so schreibt Heidegger weiter, gibt es schon Leute, die auf dem Holzweg sind und sich nicht verlaufen haben:

Holzmacher und Waldhüter kennen die Wege. Sie wissen, was es heißt, auf einem Holzweg zu sein.

Juristen bedienen sich auch der Sprache der Waldarbeiter: „Totholz“ sind Bestimmungen in einer Verfassung, die wirkungslos sind – etwa der Artikel 21 über die Todesstrafe in der hessischen Verfassung.  Im Artikel 102 des Grundgesetzes allerdings ist die Todesstrafe abgeschafft, und da Bundesrecht das niedrigere Landesrecht bricht, braucht auch Hessen keinen Henker mehr.

Totholz nennen die Waldarbeiter Bäume und Äste, die abgestorben sind: Stehendes Totholz für Bäume, die noch nicht gestürzt sind, und liegendes Totholz, wenn sie auf den Boden gefallen sind. So gesehen ist der Artikel 21 der hessischen Verfassung stehendes Totholz, das jedoch bald zum liegenden erklärt werden soll. Es soll gelöscht werden, was aber nicht einfach ist: Das Volk muss darüber abstimmen.

Das ist schon reichlich Aufwand für totes Holz, liegend wie stehend.

**

  • Quelle Totholz juristisch: FAZ 9. April 2016 „Rauschen im Verfassungswald“
  • Das komplette Heidegger-Zitat:

Holz lautet ein alter Name für Wald. Im Holz sind Wege, die meist verwachsen jäh im Unbegangenen aufhören.
Sie heißen Holzwege.
Jeder verläuft gesondert, aber im selben Wald. Oft scheint es, als gleiche einer dem anderen. Doch es scheint nur so.
Holzmacher und Waldhüter kennen die Wege. Sie wissen, was es heißt, auf einem Holzweg zu sein.

 

 

 

 

Metaphern-Suppenköche im Einsatz: Das zerschnittene Tischtuch (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 11. Februar 2016 von Paul-Josef Raue.

Was wären die anonymen Streifbild-Autoren der Süddeutschen ohne geglückte und vor allem missglückte Sprachbilder. In der heutigen Folge zerschneiden sie das Tischtuch.

Winfried Kretschmann, Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg, will im Wahlkampf keine Tischtücher zerreißen (statt zerschneiden!) und bekommt vom Streiflicht-Autor sogar einen Vorschlag für seinen Wahlkampf:

Papierservietten zerreißen, um aus den Fetzen buntes Konfetti für die Wahlparty zu gewinnen.

Und wie heißt es nun: Das Tischtuch zerschneiden oder zerreißen?

Bei Google kommt „zerreißen“ auf eine dreimal höhere Trefferquote als die sprichwörtliche Fassung „zerschneiden“. Bei „zerreißen“ bietet Google auch gleich werbend die passende Tischdecke dazu: Weinrot mit Punkten aus Wachstuch.

Da das Zerreißen eines Tischtuchs recht gewalttätig ist, endet der Streiflicht-Autor lukullisch und findet in seinem Fundus den „Esstisch der internationalen Metaphern-Suppenköche“. Bitte nur nicht versalzen!

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Quelle: Süddeutsche Zeitung 11. Februar 2016

Gemeinplätze fürs Volk: Was Roger Willemsen über Merkels „Wir schaffen das“ dachte (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 10. Februar 2016 von Paul-Josef Raue.

Wir schaffen das!

dürfte der meist wiederholte Satz der vergangenen Wochen sein: Drei kurze Wörter, vier Silben. So sind die großen Sätze der Weltgeschichte gebaut, ob man sie mag oder verabscheut.

Yes we can!

lauteten die drei Wörter, die Barack Obama ins Weiße Haus beförderten. Man könnte Obamas Wahlslogan als Vorbild von Merkels „Wir schaffen das“ betrachten. Aber noch einer nutzte den Slogan – vor Obama, vor Merkel.

Am 1. Juli 1990 gab’s die D-Mark für alle, trat die deutsch-deutsche Währungsunion in Kraft – und Helmut Kohl sprach im Fernsehen:

Wir werden es schaffen.

Das „werden“ macht den Satz allerdings kraftloser: Ein Wort zu viel – und schon merken sich die Leute stattdessen „die blühenden Landschaften“, die zudem die Phantasie fliegen lassen.

Obama und Merkel – oder wohl ihre Redenschreiber – machten es besser. Merkel hatte bei der ersten großen Krise, der Finanz- und Griechenland-Krise, schon einmal geübt: „Gemeinsam können wir es schaffen“, sagte Merkel in ihrer Neujahrs-Ansprache; mit der Analyse dieser Rede eröffnet Roger Willemsen, der am Sonntag verstorbene Schriftsteller, sein Buch „Hohes Haus“. Ein Jahr lang saß Willemsen im Bundestag, hörte zu und schrieb auf, was er sah und dachte.

Willemsen geht den Wörtern auf den Grund:

Was ist dieses »es«? Wo ist der Schauplatz für dieses »gemeinsam«? Und wie belastbar ist diese Rhetorik?

Die Wörter sind leer: Was bedeutet „es“? Was bedeutet „das“ in „Wir schaffen das“? Doch die Leere ist gewollt: Unter „es“ und „das“ kann sich jeder seine eigenen Gedanken machen und glaubt, es seien die Gedanken der Kanzlerin. Das ging in der Finanzkrise gut, in der aktuellen Flüchtlings-Krise geht es nicht mehr gut: Das Volk macht sich seine eigenen Gedanken über das „das“.

„Wer an der Macht nicht auffällt und sich mit dem Volk auf Gemeinplätzen verabredet, kann immer weiter herrschen“, schrieb Roger Willemsen – und ein paar Zeilen weiter: „Sie weiß, was wir hören wollen.“ Eben kurze Sätze, drei Wörter, vier Silben.

**

Roger Willemsen starb, 60 Jahre alt, am Sonntag, 7. Februar 2016

Thüringer Allgemeine, Friedhof der Wörter, 15. Februar 2016

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