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Thomas Bärsch wird 50 – ein Lokaljournalist und Satiriker, der Statistiken liebt

Geschrieben am 8. Dezember 2013 von Paul-Josef Raue.

Es verwundert mich bisweilen, welche Journalisten einen Preis bekommen – und welche nicht. Thomas Bärsch hat noch keinen bekommen. Könnte ich einen verleihen, dann bekäme er ihn – und nicht allein weil er heute seinen 50. Geburtstag feiert. Warum ist er preiswürdig? Es dürfte kaum einen Journalisten geben, der sich so intensiv mit dem Lokaljournalismus beschäftigt hat, mit seinen Lesern und mit den Redakteuren, die sich um die Leser kümmern oder auch nicht.

Der Leser braucht nicht mitzudenken, weil ich das schon für ihn getan habe.

Das ist ein Satz von Thomas Bärsch, den man nur verstehen kann, wenn man weiß: Der Mann ist ein Satiriker, einer der die Wahrheit kennt und sie durch ihr Gegenteil benennt. Der Satz verweist auf den Hochmut mancher Redakteure, nicht nur im Osten, die dem Leser sagen, wo es lang geht. Es ist die feudale Sicht auf die Gesellschaft: Der Fürst bestimmt, was und wie seine Untertanen zu denken haben.

Wer ist Thomas Bärsch? Das Porträt auf seiner Facebook -Seite zeigt ihn als Fan von Loriot. Doch im Ernst: Als die Wende kam, studierte er in Moskau. Als Deutschland vereint war, wurde er Lokaljournalist tief in der sächsischen Provinz, wo schon bald die ersten Wölfe auftauchen sollten: Zittau, Weißwasser, Hoyerswerda. Dann wurde er Korrespondent in Moskau, um zu schauen, was aus der Revolution in Russland geworden ist.

Als er feststellte, dass sich wenig in Moskau gewendet hatte, kam er zur Sächsischen Zeitung zurück, wurde Chef vom Dienst und Geschäftsführender Redakteur. Dann machte er sich frei, wurde Berater, Ausbilder und Trainer – und Schreiber. In seiner SZ-Kolumne macht er sich lustig über alle, die diese Welt, besonders unsere kleine deutsche Welt, zu ernst nehmen:

Es gilt als allgemein anerkannt, dass unsere Sprache mehr und mehr verfällt und, genau genommen, fast nicht mehr zu retten ist. Umso ehrfürchtiger ziehen wir den Hut vor dem Vorhaben zwölf kühner Kommunen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, eine Straße der deutschen Sprache zu gründen. Wie aber soll so eine Straße der deutschen Sprache funktionieren? Grundsätzlich gelten auf ihr die Regeln der deutschen Sprachstraßenverkehrsordnung. Es ist auf dieser Straße verboten, zusammengesetzte Wörter gewaltsam zu trennen oder getrennte Wörter gegen ihren Willen zusammenzuführen.

Zur Teilnahme am deutschen Sprachstraßenverkehr sind nur Sätze zugelassen, die mindestens mit Subjekt und Prädikat ausgestattet sind. Plötzliche Redewendemanöver müssen mit Rücksicht auf die anderen Verkehrsteilnehmer vermieden werden. Leere Worthülsen sind in die dafür vorgesehenen Behälter zu entsorgen. Als absolut unzulässig gilt es, ohne vernünftigen Grund vom zweiten in den dritten Fall hochzuschalten.

Mit dieser Kolumne könnte er glatt auf meinem „Friedhof der Wörter“ liegen. Der Mann ist so perfekt mit seiner Satire, dass es wohl die meisten gar nicht merken und den feinen Spott als deftigen Ernst nehmen. Der Mann ist aber wirklich so: er schaut immer so ernst, als ob er Bundeskanzler werden wollte. Auf jeden Fall schreibt er über das Macht-Oberhaupt:

Kanzlerin Angela Merkel erwägt nun, ein Bundesphantomministerium zu gründen. Das könnte wichtige Entscheidungen einfach dadurch herbeiführen, dass es gar nicht existiert. An der Spitze eines solchen Ministeriums müsste ein Phantom stehen. Aus SPD-Kreisen hieß es, mehrere geeignete Kandidaten stünden für diesen Posten bereit.

Und was nimmt dieser Mann ernst? Die lokale Zeitung und ihre Leser. Seit zwei Jahren findet er heraus, was die Leser wirklich lesen. Zusammen mit Denni Klein als Projektleiter bei der SZ hat er „Lesewert“ entwickelt: Hundert Leser nehmen jedes Mal, wenn sie die Zeitung aufschlagen, einen Scanner in die Hand, so groß wie ein Marker, und scannen die Zeile, bei der sie aufhören, einen Artikel zu lesen.

Für Lokalredakteure öffnet sich eine neue Welt. Nicht mehr das Bauchgefühl allein entscheidet und der Rat der Freunde beim Rotwein-Abend, sondern die tägliche Rangliste der meistgelesenen Artikel:

Es gibt in jeder Stadt Orte, die so prominent sind, dass alle Artikel über sie gelesen werden und sei es täglich;
es gibt Themen, die Leser wochenlang interessieren, während Redakteure spätestens nach dem dritten Beitrag „Schluss“ rufen;
es gibt feuilletonistische Überschriften, Fremdwörter, Fachbegriffe, Zahlen-Kolonnen und ähnliche Widrigkeiten mehr, die kaum einer liest.

Thomas Bärsch wird heute 50. Ob das stimmt? Bei einem Satiriker, der Statistiken macht und entziffern kann, bleibe ich skeptisch. Immerhin will er an einem Tag geboren sein, der in der katholischen Kirche ein Marien-Feiertag ist: Der Engel kam und verkündete, dass die Jungfrau schwanger werde – ohne Mann. Damit haben nicht nur Satiriker ihre Probleme.

Korrespondent in Israel: Mittags als Reporter im Krieg, abends als Familienvater zu Hause

Geschrieben am 21. Oktober 2013 von Paul-Josef Raue.

Korrespondent in Israel – das ist wohl der einzige Platz in der Welt, wo man als Reporter von einem ausgewachsenen Krieg berichten und abends bei der Familie schlafen kann. Sagt Christian Sievers, Leiter des ZDF-Studios in Tel Aviv. „Alles ist ganz nah“ – und stellt fest, dass Israel ein flächenmäßig kleines Land ist, umgeben von Ländern mit Krieg, Aufruhr, Terror und instabilen politischen Verhältnissen.

Dennoch stehen Krieg und Unfrieden bei den Nachbarn nicht ganz vorne in den israelischen Medien, sondern mehr die sozialen Unruhen in Israel – die kaum bezahlbaren Mieten, die teure Milch, die schwindenden Karriere-Chancen in der Mittelschicht. „So jagen die israelischen Medien jeden Tag eine neue Sau durchs Land, aber am nächsten Tag ist davon nichts mehr zu sehen. Es fehlt das nachfassende Element“, stellt der ZDF-Korrespondent Sievers fest und nennt diese Art von Aufmachern „One-Day-Stories“.

So träumen immer mehr israelische Jugendliche vom Ausstieg aus dem Land, sind die Flüge von Tel Aviv nach Berlin stets ausgebucht. „Das ist schon fast eine Schieflage, wie begeistert die jungen Israelis von Berlin sind, von Deutschland überhaupt“, kommentiert Gisela Dachs, seit zwei Jahrzehnten Korrespondentin der Zeit in Israel. „Die jungen Deutschen werfen den Israelis ihre Probleme mit den Palästinensern vor; die jungen Israelis werfen den jungen Deutschen nichts mehr vor.“

Für die Enkelgeneration steht die Shoa offenbar nicht mehr im Vordergrund. „Die jungen Israelis interessiert der Rechtsextremismus in Deutschland nicht, auch nicht die Morde der NSU“, stellt Gisela Dachs fest.

Der junge Torsten Teichmann ist Leiter des ARD-Hörfunks in Tel Aviv. „Ich bringe viele Geschichten in den Jugendwellen der einzelnen Sender unter“, erzählt er; offenbar ist das Interesse an Israel bei den jungen Deutschen groß.

Das Interesse an Israel, dem Iran und dem Nahen Osten in Deutschland scheint in der Tag groß zu sein, nicht nur bei den Jungen: So plant Richard Schneider, seit vier Jahren Chef des ARD-Studios in Tel Aviv, für den 31. März einen 90-Minuten (!)-Film über den Nahen Osten.

Schneider ist Jude und wollte schon vor 15 Jahren als Korrespondent nach Israel. „Damals schickte man mich nicht nach Israel, weil ich Jude bin. Vor 8 Jahren schickte man mich doch. Die Zeiten hatten sich geändert.“

Quelle: Diskussion mit Israel-Korrespondenten in Tel Aviv bei einer Reise der Bundeszentrale für politische Bildung anlässlich von „50 Jahren Studienreise nach Israel“

Der deutsche Blogger: männlich, unerfahren, arm (= weniger als 300 Euro im Monat)

Geschrieben am 29. Juli 2013 von Paul-Josef Raue.

Zwei Drittel aller Blogger verdienen weniger als 300 Euro im Monat, nur 13 Prozent verdienen mehr als 1000 Euro durch Werbe-Einnahmen. Das hat der Blogvermarkter Rankseller durch eine Umfrage unter mehr als 2.300 deutschen Bloggern ermittelt.

Der Großteil der Autoren schreibt fünf bis zehn Artikel pro Monat über Themen wie „Heim und Garten“, „Erotik und Liebe“ oder „Gesundheit und Ernährung“. Zwei Drittel der Blogger sind Männer, von denen nur 15 Prozent eine journalistische Ausbildung haben.

(aus einer Pressemitteilung des Ernst-Schneider-Preises des DIHK)

FAZ enthüllt neuen Beruf: Enthüllungsjournalist

Geschrieben am 1. Juli 2013 von Paul-Josef Raue.

Hart aber fair Zu Gast: Günter Wallraff (Enthüllungsjournalist und Buchautor)

FAZ, 1. Juli 2013, Medienseite

Journalist – ein Traumberuf ohne Festanstellung

Geschrieben am 28. April 2013 von Paul-Josef Raue.

Online! Online! Online! Nein, am Lehrplan der Deutschen Journalistenschule hat sich grundlegend nichts geändert:

Eine Nachricht ist eine Nachricht, ein Kommentar ist ein Kommentar, ganz gleich, für welches Medium man arbeitet.

sagt Jörg Sadrozinski, Leiter der Journalistenschule und Ex-Chef von tagesschau.de, in einem FAZ-Interview . Was ist neu im Lehrplan?

  • Selbstvermarktung von freien Journalisten, weil nur noch 30 Prozent der Abgänger eine feste Stelle bekommen;
  • Tipps zur Gründung von Redaktionsbüros;
  • Online-Technik (CMS), denn „ohne Technik geht im Journalismus nichts mehr“.

Immerhin bewerben sich jedes Jahr noch 1500 junge Leute für einen der 45 Plätze an der Schule, ein Viertel weniger als vor einigen Jahren. Also, sagt Jörg Sadrozinski, „Journalist ist nach wie vor ein Traumberuf“.

Es gibt laut Sadrozinski viele Freie, die gut leben können; die meisten arbeiten ein Drittel ihrer Zeit in einer Nachrichtenredaktion, ein Drittel an Buchprojekten, ein Drittel an Magazingeschichten.

Auf die Frage von Julia Löhr, ob es ihm weh tue, wenn Journalisten PR machten und für Unternehmen arbeiteten, kommt die Antwort „relativ gelassen“:

Wichtig ist, dass sie ihren Job gut machen, also präzise recherchieren, verständlich schreiben und mit Begeisterung bei der Sache sind. Die Kundenmagazine einiger großer Unternehmen unterscheiden sich in ihrem Anspruch und ihrer Aufmachung kaum von den klassischen Publikumszeitschriften. Das ist mitunter richtig guter Journalismus.

Quelle: FAZ, Beruf und Chance, 27. April 2013

Anton Sahlender hat auf Facebook kommentiert:

Eine Nachricht ist zwar eine Nachricht, aber ihre Online-Präsentation, ihre Sprache und ihr Aufbau sollten in vielen Fällen wohl anders aussehen. An dem, was j
journalistische Sorgfalt betrifft, darf sich nichts ändern…

*

Ich denke, es lohnt sich auch über eine Veränderung der „Ansprache“ in meinungsbetonten Beiträgen ernsthaft nachzudenken.

Seiten:«123

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