Alle Artikel mit dem Schlagwort " Politiker-und-Journalisten"

„Die Journalisten bekommen ihr Gehalt eigentlich vom Leser“

Geschrieben am 23. Februar 2012 von Paul-Josef Raue.

„Ein Problem in der Summe der im Internet kursierenden Informationen ist ja, das vieles nicht stimmt. Es gibt moderne Märchen, die sich imInternet schnell verbreiten“, sagt WAZ-Geschäftsführer Christian Nienhaus (52) im Interview mit BZ-Chefredakteur Armin Maus. „Der Nutzer muss sich genau ansehen, aus welcher Quelle die Informationen stammen, und er braucht die Sicherheit, dass Informationen aus unseren Medien verlässlich sind.

Zu lesen ist das auführliche Interview in der Beilage „65 Jahre Innovation“, in dem die Braunschweiger Zeitung ihren neuen Internetauftritt vorstellt.

Nienhaus plädiert, besonders auf die Glaubwürdigkeit im Journalismus zu achten:

„Was als journalistischer Beitrag gekennzeichnet ist, darf niemals parteiisch und gefärbt oder den wirtschaftlichen Interessen anderer untergeordnet sein… Die Pflicht zur guten Recherche, zu ordentlicher, sauberer Arbeit und vor allen Dingen zur Bekämpfung der eigenen Vorurteile gehören zum freien Journalismus.
Aber der Verlag muss eine Brandmauer errichten, um die Interessen der von uns ebenfalls geschätzten Anzeigenkunden deutlich abzutrennen.“

Die Kernleistung der Zeitungen ist für Nienhaus das Lokale und Regionale:

„Man kann Synergien auf allem möglichen Feldern schaffen, aber muss vor Ort aktiv mit eigenen Journalisten tätig sein. Wir brauchen in den Städten der Region Journalisten, die unabhängig sind, die unabhängig von Interessengruppen schreiben, ob die Haushaltsrede des Bürgermeisters im Stadtrat ordentlich war oder nicht, und ob der Sportverein gut gespielt hat, und ob die Sanierung der Fußgängerzone vernünftig von statten geht, oder wo zu viele Baustellen sind.
Das alles sind Dinge, die man nicht über Blogs im Internet, mit staatlichen Pressestellen und interessengesteuerten Einträgen organisieren kann. Da braucht man eine Instanz, von der man weiß, dass sie unabhängig ist. Die Journalisten bekommen ihr Gehalt eigentlich vom Leser, sind deswegen nur dem Leser verpflichtet. Guten kritischen Journalismus – den wird es auch in 35 Jahren geben.“

(zu: Handbuch-Kapitel 55 „Der neue Lokaljournalismus“ und Kapitel 49 „Wie Journalisten entscheiden sollten“ und Kapitel 3 „“Warum die Gesellschaft bessere Journalisten braucht“)

Kommentare zu: Medien und Christian und Bettina Wulff

Geschrieben am 21. Februar 2012 von Paul-Josef Raue.

Die Medien und den Rücktritt des Bundespräsidenten  thematisieren nur wenige Kommentatoren. Auf der Titelseite des Samstag-Feuilletons der FAZ greift Michael Hanfeld, nach achtzig Zeilen „Ende einer Hetzjagd?“, eine sensible Frage auf: Warum beschäftigte sich selbst die Bildzeitung nicht mit Frau Wulff und ihrer Vergangenheit?

„Von ehrverletzenden Gerüchten über Bettina Wulff, die man bei einer Google-Suche im Internet sofort angezeigt bekommt, war, wenn wir es richtig überblicken, in der deutschen Qualitätspresse nirgends zu lesen, nicht einmal in der „Bild“-Zeitung. Blogs hingegen sind voll davon. Und hingedeutet darauf hat niemand anderes als Wulff selbst – in seinem Interview mit ARD und ZDF.“

Im englischen oder amerikanischen Boulevard wäre die Vergangenheit der First Lady schnell ein Thema gewesen, vielleicht als Pretty-Woman-Story, vielleicht als Skandal. Niedersächsische Zeitungen wussten schon davon zu Zeiten, als Wulff Ministerpräsident in Hannover war. Sie brachten nichts darüber trotz der Verärgerung, dass Wulff seine Trennung, Scheidung und neue Freundin exklusiv über „Bild“ öffentlich gemacht hatte.

Michael Hanfeld verteidigt, nach einigen Seitenhieben, die Recherche-Leistung der deutschen Zeitungen: „Es sind ohne Zweifel Pharisäer unter uns. Es gibt auch keinen Grund, zu jubeln. Doch eine Presse, die ihre Arbeit ernst nimmt, kann auf Recherchen und auf die entsprechenden Berichte und Kommentare nicht verzichten. Den Gegenstand dafür hat Christian Wulff produziert. Er hat sich politisch selbst zerstört.“

Dass auch Zeitungsleser die Medien genau beobachten,  zeigt ein Leserbrief aus Gotha, den die „Thüringer Allgemeine“ in der Dienstag-Ausgabe (21.2.2012)  veröffentlicht:

„Unfraglich hat sich Christian Wulff mehr als ungeschickt und in keiner Weise auf dieses Amt vorbereitet verhalten. Wahrscheinlich sollte man die Stellenbeschreibung für das Amt des Bundespräsidenten bis ins Detail präzisieren. Denn wer immer auch bereit sein sollte, für dieses Amt zu kandidieren, muss wissen, dass es für ihn keine Privatspäre und keinen Datenschutz geben wird.

Er muss wissen, dass der große Bruder, die Presse, ihm ständig über die Schulter schaut und auch die kleineste Verfehlung in Vergangenheit und Gegenwart bis ins Detail zu recherchieren vermag. Und die Macht der letzteren ist nicht zu unterschätzen, denn wer mit uns im Fahrstuhl hochfährt, fährt auch wieder mit uns runter, lautet eine eiserne Regel der Klatschpresse.“

Positiv über die Leistung der Journalisten urteilt auch Kurt Kister, der Chefredakteur der „Süddeutschen“, im Leitartikel am Samstag:

„Die Medien übrigens, vor allem die Printmedien, haben in der Angelegenheit Wulff im Großen und Ganzen jene Rolle gespielt, die sie spielen sollten: Es waren professionelle Journalisten, die jene hundert Kleinigkeiten, aber auch die paar sehr relevanten größeren Dinge herausgefunden und veröffentlicht haben. Gewiss, auch dabei gab es Fehler. Übertreibungen und Bizzarrerien wie etwa einen Reime schmiedenden FAZ-Herausgeber oder die Vielzahl der posaunierenden Kollegen, die ein Bobbycar für 30 Silberlinge hielten und jeden Tag dreimal Wulffs Rücktritt forderten.

Ohne die manchmal auch in Sackgassen führende Recherche und durchaus auch das Räsonieren der Journalisten aber hätten die Kontrollmechanismen so versagt, wie sie über Jahre hinaus in Niedersachsen nicht funktioniert haben.“

(zu: Handbuch-Kapiteln 2-3  „Die Journalisten“ und 91 „Recherche“)

 

Wulff-Affäre: Medien haben Ansehen und Vertrauen verloren

Geschrieben am 26. Januar 2012 von Paul-Josef Raue.
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„Es gibt bei diesen Vorgängen rund um den Bundespräsidenten keine Gewinner. Alle haben an Ansehen und Vertrauen verloren: der Amtsinhaber, das Amt selbst sowie die Medien. Das ist bedauerlich.“ (Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer, CDU, im Focus 4/2012)

(zu: Handbuch Kapitel 3 „Warum die Gesellschaft bessere Journalisten braucht“)

Scheibchen-Journalismus

Geschrieben am 16. Januar 2012 von Paul-Josef Raue.
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So wie der Bundespräsident die Wahrheit in Scheibchen serviert, tun dies auch einige Zeitungen. Nehmen wir die FAZ. Aus einem Seite-3-Beitrag von Eckart Lohse, „Christian Wulffs Gratwanderung“, in der Sonntagszeitung lässt sich diese Chronik zusammenstellen:

28. November: Die Bildzeitung fragt beim Bundespräsidenten wegen der Finanzierung seines Hauses.
ca. 10. Dezember: Der Bundespräsident bittet die Bildzeitung um Aufschub; er wird gewährt.
12. Dezember: Der Bundespräsident spricht dem Chefredakteur der Bildzeitung auf die Mailbox; er bittet, droht und spricht von „Krieg führen“.
16. Dezember: Die Sonntagszeitung der FAZ schreibt Olaf Glaeseker, dem Sprecher des Bundespräsidenten, eine SMS, wünscht eine Stellungnahme zum Mailbox-Anruf und erwähnt Worte aus dem Anruf wie: „Krieg führen“ und „der Rubikon ist überschritten“.
„Danach“: Olaf Glaeseker informiert die Bildzeitung über die FAZ-Anfrage.
Erst danach“: Glaeseker schreibt eine SMS an die FAS: „Es gab Differenzen. Diese sind zwischen Christian Wulff und Kai Diekmann sollständig ausgeräumt.“

Offenbar wollte die Bildzeitung nicht direkt mit dem Wulff-Anruf in die Öffentlichkeit. Ihr Chefredakteur hatte offenbar Skrupel (was ihn ehrte); wenn man davon ausgeht, dass Kai Diekmann alle Fäden in der Hand hält, ist zu folgern: Er ließ in aller Eile eine Informations-Brücke zur FAZ bauen. Sie war und ist offenbar stabil, auf jeden Fall war die FAZ gut über die Kontakte zwischen Wulff, der Bildzeitung und der Spitze des Springer-Verlags informiert.

Dies „über-die-Bande-spielen“ ist ein eingeübtes Verfahren unter Rechercheuren:

• Ist der Geschäftsführer oder Verleger gegen eine Veröffentlichung (oder denkt man, er sei es), dann steckt man die Fakten einem bekannten Journalisten;
• versucht ein Chefredakteur eine Recherche zu verhindern, spricht man mit einem Kollegen und bekommt so seine Geschichte doch noch ins Blatt (wenn auch unter einem anderen Namen: „Nach Informationen des SP-Magazins…“);
• will ein Chefredakteur oder Verleger den delikaten Erpressungs-Versuch eines Politikers öffentlich machen, tut er dies in der Regel nicht im eigenen Blatt, sondern nimmt den Politiker noch genauer in den Blick und erzählt den Vorfall anderen; er aber kann nur bei Staatsaffären davon ausgehen, dass andere Journalisten dies veröffentlichen und eine Debatte anstoßen.

Es dürfte für Politiker in Deutschland nahezu unmöglich sein, die stimmige Recherche eines Journalisten zu unterdrücken. Dass er sie in Scheibchen serviert, hat mit der Sorge zu tun, von Richtern gestoppt zu werden.

Es ist für geübte Rechtsanwälte einfach, gegen eine Tatsachen-Behauptung eine Unterlassung zu erwirken mittels einer einstweiligen Verfügung. Da ist es hilfreich, noch weitere Fakten und Vorwürfe recherchiert zu haben, denn Verfügungen können nicht vorbeugend erlassen werden. Da helfen nur Drohungen mit Anwälten, wie es offenbar auch der Bundespräsident in seinem Anruf auf die Diekmann-Mailbox getan hat: Ich werde gegenüber Journalisten Strafanträge stellen; die Rechtsanwälte sind beauftragt.

Erfahrene Rechercheure kennen den Grundsatz: Habe bei schwierigen Recherchen immer noch einen Pfeiler im Köcher. Dies trifft sich übrigens mit der Kriegs-Metapher des Bundespräsidenten: Einige Politiker sehen sich im ständigen „Krieg“ mit Journalisten (umgekehrt aber auch).

Der Unterschied zwischen dem Scheibchen-Journalismus und der Scheibchen-Wahrheit des Bundespräsidenten liegt auf der Hand: Die einen wollen aufklären, der andere will verhindern – alles dazwischen ist Taktik.

(zu: Handbuch Kapitel 17 „Die eigene Recherche“)

Journalisten als Skalp-Jäger

Geschrieben am 13. Januar 2012 von Paul-Josef Raue.
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Zur Debatte über Bundespräsident Wulff:

Es  reicht. Die Frage muss unbeantwortet bleiben, ob ein Freund dem Bundespräsidenten, als er noch in der Jungen Union war, kostenlos die Haare geschnitten hat.

Zum einen war der Wulffsche Haarschnitt nie bemerkenswert, zum anderen wäre solch eine Recherche nur noch peinlich. Seit Tagen kommt nichts ans Licht, das rechtfertigte, die Affäre Wulff durchzuhecheln.

Es ist schon erstaunlich, wie lange ein Hinterbänkler der CDU brauchte, um, den Rücktritt fordernd, in die Schlagzeilen zu streben. Doch der stählerne Politiker Wulff hat fast ein Jahrzehnt als Oppositionsführer in Niedersachsen durchgehalten, er kennt das: ausharren, was auch immer geschieht. Wulff tritt von sich aus nicht zurück.

Ein Rücktritt ist, wenn keine Gesetze grob verletzt werden, eine Frage des Charakters. Köhler ist zurückgetreten, weil er die Nerven verloren hat nach eher milder Kritik. Ministerpräsidenten wie Koch oder Stolpe blieben im Amt, obwohl die Vorwürfe massiv waren.

Nur wenn alle Vorwürfe öffentlich sind und hundertfach abgewogen, dann ist es nicht Aufgabe der Medien, einen Rücktritt zu erzwingen. Journalisten kontrollieren ohne Rücksicht und Pardon, aber sie verachten nicht die Demokratie.

Kontrolliert haben sie exzellent; aufgedeckt haben sie, was aufzudecken war. Der Bundespräsident, für das Volk eigentlich ein Bollwerk der Moral, steht da wie ein armer Sünder. Das reicht.

Journalisten sind keine Skalp-Jäger. Verachtung sollten sie sich nicht leisten, auch das ist eine Frage des Charakters.

(Leitartikel Thüringer Allgemeine“ vom 13. Januar 2012)

 

Ein Journalist, der anonym bleiben möchte, schreibt dazu:

„Ich möchte Ihnen ausdrücklich danken für Ihren heutigen Kommentar zu Christian Wulff. Dieser Ton war überfällig! Er drückt genau das aus, was mich seit Tagen beschäftigt und zunehmend belastet. Danke vor allem auch für Ihren (hoffentlich erfolgreichen) Versuch zur Ehrenrettung unseres Berufsstandes. Ich hatte eigentlich gehofft, dass mit Überwindung auch der zweiten Diktatur auf deutschem Boden die erbarmungslose Jagd auf Menschen endgültig überwunden worden sei. Haben die denn alle den Verstand verloren?

Dieses unreflektierte Herdenverhalten unter den ach so klugen und fehlerfreien „Journalisten“ kotzt mich mehr und mehr an! Ich vermisse Stimmen wie die Ihre – und habe Angst, dass wir in unserer Zunft ethisch immer weiter abdriften Und ohne Wulff Recht geben zu wollen: Der Rubikon ist überschritten!

 

(zu: Handbuch Kapitel 3 „Warum die Gesellschaft bessere Journalisten braucht“)

Braun: Leser verzeihen keinen Kampagnen-Journalismus

Geschrieben am 12. Januar 2012 von Paul-Josef Raue.
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In seinem Blog „Ankommen in Bayreuth“ schreibt Joachim Braun, Chefredakteur des „Nordbayerischen Kuriers“, über Politiker, die Redakteure einzuschüchtern versuchen:

„Gestern hat’s wieder einer probiert. Nein, keine Drohung, kein Stahlgewitter, und auch vom Rubikon war keine Rede. Obwohl der Mann Lateiner ist. Der Hobbypolitiker sprach lediglich von der “oberfränkischen Version von Pressezensur”, von “Gutsherrenart” (nicht Guttenberg, wohlgemerkt). Irgendwie blöd jedenfalls. Und als ich ihn anrief, schimpfte er am Telefon, dass Kollege M. bei der CSU angeblich nicht schreiben durfte, was er wollte, bei der FDP hingegen schrieb, was er wollte, aber nicht sollte. Das gefiel ihm dann auch nicht. Sie haben Recht, so ein Verhalten ist eher lächerlich. Das ist keine Kriegsdrohung, kein Wulffen – das ist Alltag in der Lokalredaktion.

Kein Lokalredakteur, schon gar kein Chefredakteur wundert sich über das, worüber zurzeit die Republik diskutiert. Dass nämlich Politiker versuchen, Journalisten einzuschüchtern, Berichterstattung zu verhindern, zu drohen. Das war schon immer so, und daran wird sich auch nichts ändern.

Als der Nordbayerische Kurier kürzlich zwei wichtigen oberfränkischen Politikern mitteilte, man werde vor das Verwaltungsgericht ziehen, um eine vom Presserecht gedeckte, von den beiden Herren aber verweigerte Auskunft zu bekommen, da ging erst mal die Post ab.

Einer der beiden, der weniger coole, rief sofort beim Kurier-Geschäftsführer an und schimpfte und drohte: Niemals werde er die gewünschte Auskunft gehen. Lieber gehe er in Beugehaft. Und außerdem: Eine solche Klage werde sich äußerst negativ auf die Beziehungen zwischen seiner Behörde und der Zeitung auswirken. Das sei ja wohl klar.

Mit mir wollte der Mann erst gar nicht sprechen. Schade eigentlich.

Die Sache ging ihren Gang.

Kurz darauf gab’s darum noch einen ”Schlichtungsversuch”. Gesprächstermin bei einem der beiden Politiker. Nun wollte man auch mit mir reden. Eine Stunde Hin-und-Her-Geeiere. Und dann der letzte Coup: “Ich gebe Ihnen jetzt die gewünschte Auskunft, aber Sie versprechen mir, dass Sie sie nicht veröffentlichen.” So etwas Törichtes hätte ja nicht einmal unser Bundespräsident probiert.

Die Klage ist eingereicht. Demnächst ist Verhandlungstermin.

Der (all)tägliche Wulff.

Den probierte weiland auch ein inzwischen pensionierter Landrat aus dem Oberbayerischen, den meine Berichte und Kommentare mächtig ankotzten. Zwei Mal saß er beim Verleger im Büro, und beim Starkbier-Anstich auf dem Andechser Klosterberg ging er erneut auf Tuchfühlung zu meinem obersten Dienstherrn. Den nervte das, zumal klar war, dass die Recherchen stimmten, und die mitgereisten Bürgermeister-Kollegen des Landrats waren beschämt. Wulff regierte da übrigens noch in Hannover.

So ist das seit jeher zwischen (Lokal-)Politikern und (Lokal-)Journalisten. Und daran wird sich auch durch die jüngsten Diskussionen nichts ändern, obwohl auch Landräte und Bürgermeister auf die Verfassung – und damit auf die Pressefreiheit – vereidigt sind.

Warum soll sich auch was ändern? Das gehört zum Spiel. Journalisten können schreiben, was sie wollen – beklagen jedenfalls die Politiker. Und obwohl sie nicht gewählt sind, mischen sie sich in Dinge ein, die sie nichts angehen. Das kann man so sehen, aber nur wenn man das Grundgesetz nicht gelesen hat.

Journalisten sitzen am längeren Hebel, das glauben auch viele Menschen. Die machen Politik, die halten Nachrichten zurück, die kochen ihre eigene Suppe. Wie jetzt die Bild-Zeitung, die Wochen wartete, bis sie die Nachricht von der Mailbox-Botschaft des Bundespräsidenten durchsickern ließ und anschließend deren genaue Inhalte auch noch verbreitete.

Das aber unterscheidet die Bild-Zeitung von regionalen Blättern wie dem Kurier. Wir könnten uns so etwas nie leisten. Wir wüssten auch nicht, warum wir das tun sollten. Unser Regulativ sind unsere Kunden, die Leser. Und die verlangen Offenheit und Glaubwürdigkeit. Die würden uns Kampagnenjournalismus nicht verzeihen. Zu Recht…“

 (zu: Handbuch-Kapitel 55 „Der neue Lokaljournalismus“ und 49 „Wie Journalisten entscheiden sollten“)

Auch Journalisten fehlt Respekt vor dem Publikum

Geschrieben am 11. Januar 2012 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 11. Januar 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles.

Der Blogger Richard Gutjahr sieht Ähnlichkeiten zwischen Politikern und Journalisten, wenn es um die eigenen Unzulänglichkeiten geht. In einem Interview mit Welt kompakt sagt er:

Die Politiker müssen immer wieder beweisen, wie toll sie sind. Sie haben nicht begriffen, dass man heute damit nicht mehr durchkommt. Auch Journalisten werden gezwungen, die Politiker härter anzufassen. Früher wäre die Wulff-Affäre vielleicht in den Hauptstadtclubs weggenuschelt worden. Die alten Spielregeln zwischen den Mächtigen und Kontrolleuren funktionieren heute aber so nicht mehr, denn auch die Kontrolleure haben heute Kontrolleure.

Auf die Frage „Was können Politiker aus der Wulff-Affäre für die Zukunft lernen?“:

 Politiker sind darauf trainiert, keine Schwächen zu zeigen. Aus der Wulff-Affäre sollten sie lernen, besser mit eigenen Unzulänglichkeiten umzugehen und ihr Publikum zu respektieren. Ich habe den Eindruck, weder Politiker, noch wir Journalisten haben den nötigen Respekt vor dem Publikum.

Es ist nicht Aufgabe der Medien, Rücktritt zu erzwingen

Geschrieben am 10. Januar 2012 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 10. Januar 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Presserecht & Ethik.

Heribert Prantl ist einer der größten Kritiker der Mächtigen, aber ihm reicht die Hatz:

 „Es ist nicht Aufgabe der Medien, einen Rücktritt zu erzwingen… Wenn der Bundespräsident nicht zurücktritt, mag man das bedauern. Heikel und gefährlich wird es, wenn aus dem kräftigen Bedauern präpotente Rechthaberei wird zwischen der Presse und dem Präsidenten.“ (SZ, 9. Januar 2012)

Wulff: Ich bin nachtragend bei Journalisten

Geschrieben am 10. Januar 2012 von Paul-Josef Raue.

Ich werde bei Kritik manchmal sehr grimmig“, sprach Christian Wulff, als er Ministerpräsident von Niedersachsen war. Während des Landtagswahlkampfs 2008 antwortete er so auf die Frage eines kleines Mädchens bei der Kinderpressekonferenz der Braunschweiger Zeitung.

Marcel Rosenbach vom „Spiegel“ hat den kurzen Film von dieser Pressekonferenz  im Netz entdeckt bei der Recherche für seinen Wulff-Artikel im aktuellen Spiegel.
Der komplette Wortlaut auf die Kinder-Frage, wie gut er denn Kritik vertragen könne:

„Ich glaube, dass ich mit Kritik gut umgehen kann, wenn sie nur einleuchtend ist. Wenn ich also sage: Okay, der hat Recht, der hat da eine Schwäche bei mir entdeckt, ich hab da einen Fehler gemacht, jetzt wird der Fehler hervorgehoben.

Wenn Kritik unberechtigt ist, bin ich – glaube ich – genauso ärgerlich wie jeder, der sich kritisiert fühlt, aber es nicht einsehen will. Wenn Eure Eltern Euch etwas sagen und sie haben Recht – sagt Ihr auch: Naja, okay. Wenn sie nicht Recht haben nach Eurer Meinung, sagt Ihr auch: Ist überhaupt nicht okay und schmollt und zieht euch zurück. Ich glaube, es ist bei Erwachsenen auch so.

Insofern bin ich bei Kritik, wenn sie unberechtigt ist, manchmal sehr grimmig. Ich weiß es vor allem noch 20 Jahre später. Manchmal schaffe ich Redakteure, die in der Zeitung etwas geschrieben haben und sage: Damals, 1981, linke Spalte, dritte Seite – und das nehmen die mir manchmal übel, 20 Jahre später, dass ich das noch weiß und nicht vergessen habe.

 Wenn Journalisten mal kritisiert werden, dann kann ich Euch sagen, dann ist was los. Die können überhaupt keine Kritik ertragen, die kennen das gar nicht. Wir Politiker werden ja ständig kritisiert. Wir haben ein ganz dickes Fell.

 Ich möchte aber, dass Menschen mit dünnem Fell in der Politik sein können. Das ist manchmal schwierig. Man liest jeden Tag was über sich in der Zeitung und das ist nicht immer positiv.“

 Die Braunschweiger Zeitung organisierte und organisiert viele solcher Leser-Debatten, -Interviews und –Foren; sie bekam für das Konzept der „Bürgerzeitung“ 2010 den Deutschen Lokaljournalistenpreis, im Braunschweiger Dom verliehen von Wulffs Vorgänger im Amt des Bundespräsidenten, Horst Köhler. Die Kinderpressekonferenz mit allen Spitzenkandidaten ist eine von mehr als 50 BZ-Leseraktionen, ins Leben gerufen während eines langweiligen Landtag-Wahlkampfs.

(Zu Handbuch-Kapitel 56 Service und Aktionen in „Die Zukunft der Zeitung“)

Welche Zeitung schreibt auch über Politiker-Drohungen?

Geschrieben am 6. Januar 2012 von Paul-Josef Raue.
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Wer als Journalist mit Politikern zu tun hat, kennt die Anrufe, in denen gedroht und geschrien wird. Nach der Bildzeitungs-Enthüllung hat in der gestrigen Ausgabe der „Thüringischen Landeszeitung“ Chefredakteur Hoffmeister aufgezählt, welche Landespolitiker ihm in seiner langen Amtszeit schon gedroht hätten oder den Geschäftsführer angerufen. Er nennt Namen, erzählt Geschichten.
Wer hat auch solche Anrufe in seiner Zeitung dokumentiert? Wer hat solche Artikel gelesen? Ich bitte um Hinweise, entweder als Kommentar oder per Mail:
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