Alle Artikel mit dem Schlagwort " Süddeutsche-Zeitung"

Die SZ fragt: Darf ein Chefredakteur Kapuzenpullis tragen? Und dazu noch selbstbewusst auftreten?

Geschrieben am 21. März 2014 von Paul-Josef Raue.

Die Süddeutsche streitet offenbar darüber, ob der Chef der Online-Redaktion in die Chefredaktion aufsteigen darf. Alina Fichter listet in der Zeit sechs Schwächen auf, die gegen Online-Chef Stefan Plöchinger als Chefredakteur sprechen:

1. Fehlendes schreiberisches Profil;
2. fehlende begnadete Schreibe;
3. kein Intellektueller;
4. zu wenig Demut;
5 extrem selbstbewusstes Auftreten;
6. Kapuzenpulli-Träger.

Für ihn spricht laut Zeit nur: Er ist ein sehr guter Redaktions-Manager.

Muss jetzt auch Heribert Prantl in der SZ-Chefredaktion um seine Position bangen? Er trägt zwar Anzüge, aber ist nicht bekannt als demütiger und zurückhaltender Journalist.

Was in dem Zeit-Artikel auffällt:

> Plöchinger sehen wir auf dem Foto nicht mit Kapuzenpulli, sondern mit weißem Hemd und dunklem Jackett: Er kann also auch seriös.

> Für die Demütigung Plöchingers, also die Sechser-Liste, gibt es keine Zeugen: Alle bleiben anonym. Warum ist der Medien-Journalismus so oft eine recherchefreie Zone? Gerüchte werden feil geboten wie im Ein-Euro-Laden.

> In der SZ-Chefredaktion, so die Zeit, werden Kommentare umgeschrieben. Muss man sich die Chefredaktion als Fälscher-Werkstatt vorstellen: Aus einem schwarzen Kommentar wird ein roter? Aus einem Ja ein Nein? Aus einer Vermutung eine Tatsache? Oder ist schlicht „Redigieren“ gemeint?

> Ein wohlfeiler Rat für alternde Chefredakteure ist auch enthalten: Wer als Freund des Internets in Erscheinung treten will, der zeige „seinen iPad“ in der Konferenz. Kurt Kister soll ihn schon zeigen. Aber der Mann ist wirklich ein begnadeter, demütiger Schreiber ohne übertriebenes Selbstbewusstsein. Dafür stehe ich mit meinem Namen ein.

Quelle: Die Zeit 20. März 2014


FACEBOOK-Kommentar von Harald Klipp
(21.3.2014)

Wir wissen doch alle, dass es auf die inneren Werte ankommt. Das wesentliche Kriterium sollte sein, dass er seine Mitarbeiter akzeptiert, mitnimmt und führt und dabei auch der Zeitung eine Perspektive gibt. Selbstbewusstsein ist gut, wenn er es auch für die gesamte Redaktion gegenüber der wirtschaftlichen Unternehmensführung ausstrahlt. Das wären meine frommen Wünsche…

Dialekt und Grammatik: Wie Frau in Wien einen Mann anmacht (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 16. März 2014 von Paul-Josef Raue.

Was ist eine „Schlampenschleuder“? Brät  darin eine Frau ihren Schwarm an?

Nein, wir sind nicht in der Friedhofs-Abteilung „weibliche Unwörter“, sondern beim österreichischen „Tatort“. In der vergangenen Folge, die Anfang März lief, haben  hochdeutsch Geschulte viele Wörter einfach nicht verstanden. 

Wer schon an den Ohrenarzt dachte und beginnende Schwerhörigkeit, der sei getröstet: Er hört noch gut, aber versteht eben schlecht – den österreichischen Dialekt, der  wie eine durchgehende Nuschelei in den Ohren zerrt. 

„Außer koid is der Melanie gar nix mehr“, sagt die Mutter über ihre Tochter, die jahrelang eingesperrt war und der sie gerade eine Wärmflasche gebracht hat. „Koid“ heißt kalt; weiter ist der Satz zumindest grammatisch weit von dem entfernt, was der Duden empfiehlt. Aber so sind Dialekte, und wer sie erhalten will,  muss es ertragen oder darf sich sogar daran erfreuen.
 
Den Hinweis auf die „Untertitel“ im TV-Tatort haben die meisten nicht ernst genommen; aber in der Tat übersetzte die Fernseh-Redaktion das Genuschel ins Hochdeutsche. Ob sie auch die „Schlampenschleuder“ übersetzt hat?

Das Wort war allerdings klar zu vernehmen – und ein Auto war im Bild zu sehen. Die Schlampenschleuder ist ein altes Auto, dem man gut zureden muss, damit es wenigstens eine kurze Strecke fährt. Ob das Wort als  weibliches Unwort beerdigt werden muss, können nur die Österreicher entscheiden.

Die Redaktion der „Süddeutschen Zeitung“, die nahe der österreichischen Grenze erscheint, nannte das Wort ein schönes Wort. Dass in Österreich eine Frau ihren Typ  nicht anmacht, sondern „anbrät“, fanden die Redakteure in München auch schön.

Aufgefallen war den Münchnern auch der fehlende Genitiv, der in vielen Dialekten, nicht nur im österreichischen,  ein Schattendasein führt. „Ich war schon auf beiden Seiten von der Tür“, sagt die Kommissarin und meinte: Sie hat schon Männer aus ihrer Wohnung rausgeworfen; und Männer hätten sie rausgeworfen. 

Wem das passiert, für den ist der falsche Genitiv das geringere Problem.

„Online-Kolumnisten sind die Heinzelmännchen der öffentlichen Meinung“

Geschrieben am 10. März 2014 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 10. März 2014 von Paul-Josef Raue in Aktuelles.

Die meisten Online-Kolumnisten wären gerne Streiflicht-Kolumnisten: Das ist die Kolumne in den deutschen Zeitungen, die Krönung für Journalisten schlechthin. Die großen Zeiten des Streiflichts sind zwar vorbei, als Rhiel-Heyse und andere noch schrieben, aber der Mythos lebt.

So kann sich ein Streiflicht-Autor auch über Online-Kolumnisten lustig machen:

Online-Kolumnisten sind die Heinzelmännchen der öffentlichen Meinung. Sie streuen selber die Erbsen aus, auf denen sie dann in die Herzen und Köpfe der Leser rutschen.

Was für ein Bild! Wenn ein Online-Kolumnist von Erbsen und Köpfen geschrieben hätte, würden sich Streiflicht-Kolumnisten darüber her- und hinmachen. Aber schön sind die Erbsen doch! Aber weiter im Streiflicht: Warum beneidet ihn der Streiflicht-Kolumnist:

Wenn ein Online-Kolumnist ein interessantes Buch gelesen hat, dann schreibt er nicht, ich habe ein interessantes Buch gelesen. Sondern: Ich habe ein Buch gelesen, gegen das ihr alle anderen Bücher knicken könnt. Erstens weil ich es bin, der es gelesen hat…

Warum steht vor „Sondern“ ein Punkt und kein Komma? Weil es ein Streiflicht ist?

Zu einem nichts sagenden Satz in einer Online-Kolumne, viel schlechter als der mit den Erbsen, schreibt der Streiflicht-Kolumnist:

Solche Sätze kamen früher von diesen endlos daherlabernden Dödeln auf dem Oberstufenhof, mit denen gerade wieder mal und logischerweise ein Mädchen Schluss gemacht hatte.

Da haben wir es: Das Streiflicht ist für Leute geschrieben, die zumindest Dödeln oder mehr auf dem Oberstufenhof waren, also Elite-Nachwuchs und nicht Provinzler, die Online-Kolumnen schreiben und die „Glocke“ lesen. Aber – aha, so etwas hat sich auch der Streiflicht-Kolumnist gedacht:

Manchmal finden Online-Journalisten alle Menschen sehr dumm und intolerant.

Das stimmt, aber: Finden das nur Online-Kolumnisten? Und was ist mit den Streiflicht-Dödeln?

Als Online-Kolumnist schreibe ich demnächst nur: Ich habe ein interessantes Streiflicht gelesen.

Quelle: SZ 8. März 2014

Kritiker als etablierte Spießer und – ein Lob der Verrisse

Geschrieben am 16. Februar 2014 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 16. Februar 2014 von Paul-Josef Raue in 37 Kommentar, L 47 Newsdesk und Ressorts.

Meine Karriere gründet auf Verrissen. Das würde heute nicht mehr gehen. Das ging in den Sechzigern, als es noch „Wir gegen die“ hieß und die Kritiker etablierte Spießer waren. Die schluckten den Köder. Heute sind alle Kritiker hip… Jeder ist nun einmal hip heute. Das ist auch der Grund, weshalb ich kein heute „Outsider“ mehr sein will… Jeder versteht sich heute als Outsider, sogar Obama! Früher wollte niemand so genannt werden, das war eine Beleidigung, jetzt ist das umgekehrt.

Der Regisseur John Waters (67) in einem SZ-Interview vom 8. Februar 2014

Burn-out bei Journalisten

Geschrieben am 15. Februar 2014 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 15. Februar 2014 von Paul-Josef Raue in B. Die Journalisten, Friedhof der Wörter.

Wer ausgebrannt ist, muss vorher gebrannt haben.

(nach einem „Streiflicht“ der Süddeutschen vom 14.2.2014, in dem von einer Langzeit-Studie unter Lehrern berichtet wird: „Viele Lehrer, die sich als ausgebrannt zurückzögen, hätten sowieso nie richtig gebrannt.“)

Was ist Journalismus? Mehr Quatschen, weniger Konferenzen

Geschrieben am 31. Januar 2014 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 31. Januar 2014 von Paul-Josef Raue in B. Die Journalisten, L. Die Redaktion.

Journalismus ist Quatschen auf dem Flur.

Henri Nannen, zitiert im SZ-Bericht über neue Redaktionsgebäude: „Deren Architektur verrät viel darüber, wie sich die Bauherren ihre künftigen Geschäftsmodelle vorstellen“ (SZ,25.1.14)

Gegen die Lanz-Petition: Die Mausklick-Demokratie entwertet die Politik

Geschrieben am 25. Januar 2014 von Paul-Josef Raue.

Höflichkeit gehört nicht zur Berufsbeschreibung von Journalisten. Eigentlich gehört es sogar zu den grundlegenden Moderatorenpflichten, dass sie den Redefluss von Politikern stoppen, die stur ihr Parteiprogramm herunterbeten.

Andrian Kreye im SZ-Leitartikel zur Online-Petition, die mehr als 170.000 anklickten, gegen den ZDF-Moderator Markus Lanz; er war in seiner Talkshow der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht mehrfach ins Wort gefallen. Vorwerfen könne man Lanz allenfalls, dass er seine kritische Moderation öffentlich bedauert habe.

Ins Gericht geht Kreye auch mit der „Mausklick-Demokratie“, die kein „Ausdruck eines politischen Willens, sondern Abbild momentaner Launen“ sei. Er spricht von einer „Entwertung der Politik durch die Passivität des politischen Klickens“.

Bedenklich findet Kreye auch – zu Recht -, dass sich Zeitungen und Magazine verleiten lassen, die hohen Klickzahlen als Abbild der Volksmeinung aufzuwerten: „Ein paar Hunderttausend Petionsklicker sind keine Bewegung“. Das Aufsetzen einer Petition dauere nicht lange auf der Webseite www.openpetition.de; dort findet man auch Petitionen wie „Freiheit für die KURVE + mehr STEHPLÄTZE in der Allianz Arena“ oder „Keine Moschee in Leipzig/Gohlis – Bürgerinitiative: Gohlis sagt Nein!“

Quelle: SZ 25.1.2014

Lexikon journalistischer Fachausdrücke:
Mausclick-Demokratie

Schafft im Internet viele lokale Systeme! Und der Bürger wird sich freuen

Geschrieben am 20. Januar 2014 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 20. Januar 2014 von Paul-Josef Raue in C 5 Internet-Revolution, Online-Journalismus.

Sollen wir zufrieden sein, dass wir theoretisch Kontakt zu jeder Person in Uganda aufnehmen können – eine Möglichkeit, welche die meisten von uns nicht nützen -, auch wenn wir dafür jegliche Kontrolle über die staatliche Technologiepolitik aufgeben?

So fragt der Harvard-Wissenschaftler Evgeny Morozov und plädiert gegen Facebook und Google für die Schaffung vieler lokaler Systeme, „die entkoppelt wären von den Geschäftsinteressen der großen Technologie-Unternehmen“. Es werde Zeit, aus dem geistigen Winterschlaf aufzuwachen!

Der Blick auf Standardisierung und Vereinheitlichung, die durchaus vorteilhaft sind, hat uns laut Evgeny Morozov davon abgehalten, mit lokaler Kommunikation im Netz zu experimentieren. „Wir sind angetreten, ein globales Dorf zu bauen – doch gelandet sind wir in einem globalen Panoptikum.“

Quelle: SZ, 20. Januar 2014

Dieter Hildebrandt: Ich komme wieder

Geschrieben am 12. Januar 2014 von Paul-Josef Raue.
1 Kommentar / Geschrieben am 12. Januar 2014 von Paul-Josef Raue in D. Schreiben und Redigieren.

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Ich glaube, dass ich irgendwann wiederkomme, als Tisch, als Autoreifen oder als Schrank.

Was für ein Bild! Dieses Zitat von Dieter Hildebrandt krönt eine Todesanzeige von Renate Hildebrandt, in der sie für die „unglaubliche Anteilnahme beim Tod meines geliebten Dieter“ dankt.

Quelle: Süddeutsche Zeitung, 11. Januar 2014

Der unverständlichste Germanisten-Satz des Jahres – und ein Toast auf Hermann Unterstöger und sein Sprachlabor

Geschrieben am 4. Januar 2014 von Paul-Josef Raue.

Das Schönste am Samstagmorgen ist die Lektüre des „Sprachlabors“ von Hermann Unterstöger in der Süddeutschen. Über die Feiertage haben offenbar auch seine Leser keine Lust, Fehler in der Zeitung zu suchen, zu kritisieren und überhaupt so zu kritteln, dass sich ein Preuße graust (vielleicht gab es auch keine Fehler, weil der Genuss von Zimtsternen und Neujahrs-Champagner die journalistischen Sprachsinne schärft).

So bedient sich Unterstöger im ersten Labor des Jahres eines Leser-Klassikers der Sprachkritik: Die Stundenkilometer. Die standen „kürzlich“ in der SZ – übrigens auch ein Klassiker: „Kürzlich“ mögen vor allem Lokalredakteure, wenn sie einen Termin verpennt haben oder der Praktikant erst nach zwei Wochen zum Schreiben der Konzertkritik kommt – und die Nachrichten-Regel, stets das „Wann“ präzise anzugeben, als peinlich empfunden wird.

Also – die Stundenkilometer. Die Sprache sei, so Unterstöger treffend, nicht immer logisch; sie müsse „allem Prägnanten, Treffenden und Knappen gegenüber offen sein“ – so zitiert er die „Gesellschaft für deutsche Sprache“. Da er offenbar unentwegt in einem der vielen Sprachbücher liest (was nur selten ein Vergnügen ist), fand er in Eichingers „Deutsche Wortbildung“ einen schönen Beleg für „die Vielzahl von Relationen zwischen den Bestandteilen“ eines Worts: Tagwerk ist ja auch nicht Tag mal Werk, sondern: Das im Lauf eines Tages zu leistende Werk.

Herrn Unterstöger empfohlen seien zum Thema „Das Vergnügen, Bücher von Sprachwissenschaftlern zu lesen“ drei Sätze von Professor Peter Eisenberg aus dem Buch „Reichtum und Armut der deutschen Sprache“:

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts bilden die Anglizismen so etwas wie einen Worthaufen mit wenig Struktur. Strukturiertheit liegt insofern vor, als die Stärke der Wortarten bei den entlehnten Wörtern der Entlehnbarkeitshierarchie entspricht und als das Deutsche unmittelbar seine Kompositionsfreudigkeit auf die entlehnten Einheiten überträgt. Schließlich auch insofern, als bei den morphologisch einfachen Wörtern einige phonologisch und graphematisch wirksame Integrationsmechanismen greifen, die sich flexionsmorphologisch auswirken.

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