Alle Artikel der Rubrik "K. Wie man Leser gewinnt"

Von Überschriften und vom Verschweigen (Zitate des Journalismus 8)

Geschrieben am 30. Oktober 2013 von Paul-Josef Raue.

Es sprach der Zeitungsredakteur: Eine Schlagzeile muß her!
Ich glaube fast das isse: Hornist erschlägt Hornisse

Erhard Horst Bellermann, Bauingenieur, Dichter und Aphoristiker (Lodz, 1937)

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Schlimm ist nicht, was die Journalisten schreiben.
Schlimm ist, was sie verschweigen

Gerhard Kocher, Schweizer Publizist (Bern, 1939)

Quelle: Jahresprogramm der ABZV

Noch einmal: Lob der Kürze (Zitate des Journalismus 7)

Geschrieben am 29. Oktober 2013 von Paul-Josef Raue.

Kürze ist die Seele des Verstandes

William Shakespeare, englischer Dramatiker (Stratford-upon-Avon, 1564-1616)

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Geiz isst Gaul

Hamburger Morgenpost, Aufmacher-Überschrift am 19. Februar 2013 anlässlich des Fleischskandals, bei dem u.a. Pferdefleisch in Fertiggerichten entdeckt wurde

Quelle: Jahresprogramm der ABZV

Bedingungen fürs Interview: Fotos löschen bei Missgefallen

Geschrieben am 9. Oktober 2013 von Paul-Josef Raue.

Alle Fotos sind vorzulegen; bei Missgefallen dürfen die Porträts nicht gedruckt werden. Das ist Bedingung 1 fürs Interview. Unanständig? Ja, und der Spiegel würde sie nicht akzeptieren, wenn Angela Merkel oder Udo Lindenberg zum Interview erschiene. Aber ein Diktator, über den die ganze Welt spricht?

Bei Assad akzeptierte der Spiegel – und so hätte wohl jeder Journalist entschieden. Dieter Bednarz und Klaus Brinkbäumer, die das Interview führten, akzeptierten auch Bedingung 2: Keine Fotos von Giftgasopfern auf der Interview-Strecke im Blatt.

Vorbildlich erzählen die Reporter ihren Lesern, unter welchen Bedingungen das Interview zustande kam: Drei Stunden dauerten die Verhandlungen am Tag vor dem Interview.

Die Reporter stellten alle Fragen, auch alle harte Fragen, die zu Assad einfallen: „Wären Sie ein aufrichtiger Patriot, dann würden Sie zurücktreten…“ und „Die Legitimität Ihrer Präsidentschaft bestreiten nicht nur wir…“ und „Zurück zu den Chemiewaffen… Chemiewaffen sind kein Grund zum Lachen…“

Assad autorisierte das Interview ohne Änderungen. Ein starkes Interview!

Quelle: Spiegel 41/21ß

Die Einheitsfrage mutet die „Zeit“ nur ihren Ost-Lesern zu

Geschrieben am 3. Oktober 2013 von Paul-Josef Raue.

„Ist der Westen noch der Maßstab?“, fragt die Zeit 18 Deutsche, davon die Mehrheit im Westen geboren. Sie nennt die Frage die „Einheitsfrage“ und stellt fest: Das Verhältnis zwischen Ost und West hat sich grundlegend geändert.

Das mag sein – aber nicht für die Zeit. Denn die Antworten auf die Frage stehen nur in der Ost-Ausgabe, also nahezu unter Ausschluss der bundesdeutschen Öffentlichkeit. Den Lesern im Westen mutet man weder Frage noch Antworten zu. Kann eine Redaktion deutlicher machen, was sie von den Menschen im Osten hält?

Die klügste Antwort gibt die Schauspielerin Claudia Michelsen, die bald ihre Premiere feiern darf als Kommissarin im Magdeburger „Tatort“. Sie stellt eine Gegenfrage:

Die Frage, inwieweit der Westen noch Maßstab ist, klingt für mich fast wie eine Drohung. War der Westen jemals Maßstab?

Die Ost-Leser bekommen die „Zeit im Osten“ als vier zusätzliche Seiten am Ende des ersten Buchs. Da geht das schönste Stück Übersichtlichkeit für die Ost-Zeitler verloren: Die komplette Inhalts-Übersicht auf der letzten Seite des ersten Buchs ist ein exzellenter Service. Der Inhalt, auf eine viertel Seite geschrumpft, steht im Osten auf der drittletzten Seite. Welch ein Verlust!

Sollen Journalisten in der Zeitung ihr Gesicht zeigen?

Geschrieben am 13. September 2013 von Paul-Josef Raue.

Die Debatte entzweit Redaktionen: Dürfen Journalisten, auch im Lokalen, bei Kommentaren ihr Porträt-Foto zeigen? Journalisten, die lange Debatten lieben, debattieren darüber mit Inbrunst, als gehe es um die Zukunft der Zeitung.

Wir spielen uns in den Vordergrund!, ist das am meisten erwähnte Argument. Wir sind nicht wichtig, es geht um die Sache, die Meinung, nicht um mich!, lautet ein ähnliches Argument. Die Leser wollen das nicht!, ist das beliebteste Hilfs-Argument, das allerdings von keiner Leserbefragung gedeckt wird.

Anton Sahlender, Leseranwalt der Mainpost (Würzburg), hält in seiner wöchentlichen Kolumne ein Plädoyer: „Mit ihren Autoren können Tageszeitungen mehr Gesicht zeigen“:

In einer Zeit, in der Absender von Botschaften in Internet-Netzwerken sich weltweit profilieren, sollten Zeitungen in lokaler Nähe mehr Gesicht zeigen – nicht alleine in Bildern zu Kommentaren oder persönlich gehaltenen Kolumnen. Einige im TV oft präsente Moderatoren genießen fast Kultstatus. Zeitungen bieten dagegen mit gesetzlich vorgeschriebenen Impressen leblose Verzeichnisse von Namen und Aufgaben.

Mit persönlichen Anmerkungen sollten aber nur stilistisch markante Artikel oder solche mit aufwendigen Recherchen verlängert werden. Geeignet erscheinen mir auch Themen, zu denen die Autorin oder der Autor einen besonderen Bezug haben, aber auch solche, bei denen sie Neuland betreten. Sie können besondere Beweggründe nennen, etwa für eine ungewöhnliche Form, in der das Thema dargestellt ist.

Manche Autoren sind sogar Teil ihres Themas. Das müssen Leser ohnehin erfahren. Sie sollten aber nicht ständig denselben Lebenslauf eines Autors geboten bekommen. Es sind Sätze, die vom Beitrag zum Autor führen, die den Inhalt weiter erschließen können.

Journalismus-Lehrer fordern vor dem Hintergrund der komplett veränderten Medienlandschaft längst mehr Transparenz für Tageszeitungsredaktionen. Über ihre Autoren können sie wiedererkennbarer und damit unverwechselbarer werden.

Gesicht zeigen ist zudem Teil einer guten Kommunikation. Inhalte bekommen eine persönliche Note, wenn neben den Quellen gleichermaßen die Autoren besser erkennbar werden. Es erhöht Glaubwürdigkeit und zeigt Streben nach Objektivität, wenn auch Subjektivität bei Journalisten offen sichtbar gemacht wird.

Der Dialog wird gefördert. Es ist leichter, einen Redakteur anzusprechen oder anzuschreiben, der zuvor selbst etwas von sich preisgegeben hat. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Der Autor solle nie wichtiger werden als der Inhalt. Journalistischen Starkult brauchen wir nicht. – Was denken Sie?

Anlass für Sahlenders Ansprache an seine Leser war ein flott geschriebener Vorschau-Text auf das Bundesliga-Derby zwischen Bayern München und dem 1. FC Nürnberg, unter dem der Autor mit Bild zu sehen war.

Wann wird ein Gesicht gepixelt? (Frage eines Lesers)

Geschrieben am 7. September 2013 von Paul-Josef Raue.

Warum werden Straftäter, auch wenn sie eindeutig gesucht werden und entlarvt sind, in Videos und Fotos oft verpixelt dargestellt?

Ein Leser fragt, in der Samstag-Kolumne antwortet der TA-Chefredakteur:

Solange ein Bürger nur angeklagt und nicht verurteilt ist, gilt die Vermutung der Unschuld. Also dürfen weder Polizei noch Zeitungen die Gesichter zeigen, es sei denn die Angeklagten sind öffentlich bekannte Persönlichkeiten wie beispielsweise der ehemalige Bundespräsident Wulff, der sich bald vor Gericht verantworten muss.

Wäre Wulff ein einfacher, kaum bekannter Bürger, käme sein Bild nicht in die Zeitung – bei einem relativ geringen Vorwurf wie der Vorteilsnahme.

Wer nur für kurze Zeit ins Gefängnis geht, hat auch ein Recht, dass sein Gesicht nicht öffentlich gezeigt wird: Hat er seine Strafe abgesessen, soll er ein normales Leben führen dürfen. Kennen viele Menschen sein Gesicht, wirkt ein Foto wie ein lebenslanger Pranger und eine lebenslange Strafe.

Sucht die Polizei einen mutmaßlichen Gewaltverbrecher, der auf der Flucht ist, gibt sie zur Fahndung ein Foto heraus, das auch von unserer Zeitung gedruckt wird ohne eine Verfremdung des Gesichts.

Unproblematisch ist dies nicht: Im Internet wird dies Foto für alle Zeiten sichtbar sein, auch wenn sich die Unschuld herausstellen sollte.

Dankbar bin ich Ihnen für diese Zeilen am Ende Ihres Briefs:

Die TA schreibt meinen Namen unter meinen Leserbrief, weil ich mit meinem Namen auch zu dem stehe, was ich sage. Das aber beweist meine Naivität. Schlaue Kommentatoren schreiben nämlich unter Pseudonym oder verfassen böse Briefe mit falschem Namen. Leider ist in solchen Fällen eine ehrliche mutige Diskussion nicht möglich.

Ich versichere Ihnen: Sie sind nicht naiv, Sie beweisen im Gegenteil Zivilcourage! Wer sich in die öffentliche Diskussion einmischt, sollte sein Gesicht zeigen – von wenigen Ausnahmen abgesehen, wenn sich ein Leser sorgt um Leib und Leben.

Auch wenn uns ein Leser informiert über Machenschaften, beispielsweise in einer Behörde, dann garantieren wir ihm Anonymität – auch gegenüber Staatsanwalt und Polizei.

Leser, die unter falschem Namen schreiben, sind nicht schlau, vielmehr betrügen sie die anderen Leser unserer Zeitung. Doch kommt dieser Betrug nur sehr selten vor, weil wir in der Regel die Identität prüfen.
Dass Leser mir ihrem guten Namen für ihre Meinung einstehen, ist der große Vorzug der Zeitung vor dem Internet. Dort wird zu oft beleidigt, beschimpft, besudelt – von Menschen, die sich hinter einem Pseudonym verstecken. Ich stelle mir eine Demokratie anders vor, eben so wie wir in der Zeitung miteinander umgehen und diskutieren.

Thüringer Allgemeine, Kolumne „Leser fragen“, 7. September

„Kundenanwalt“ verboten: Was wird aus dem Leseranwalt?

Geschrieben am 26. August 2013 von Paul-Josef Raue.

Den Ombudmann in den Zeitungen, der die Interessen der Leser vertritt, nennen wir meist „Leseranwalt“ – so wie es Anton Sahlender tut, der stellvertretende Chefredakteur der Mainpost (Würzburg); er hat auch die deutsche „Vereinigung der Medien-Ombudsleute“ gegründet und ist ihr Sprecher.

Aber ist der Begriff „Leseranwalt“ korrekt? Schauen wir in ein Urteil des Düsseldorfer Landgerichts: Es hat einer Versicherungsgruppe untersagt, die Bezeichnung „Kundenanwalt“ zu nutzen. „Die Kunden gewinnen den falschen Eindruck, der ,Kundenanwalt‘ vertrete wie ein Rechtsanwalt allein ihre Interessen, obwohl er in die Hierarchie der Versicherung eingebunden ist“, sagte ein Sprecher der Berliner Rechtsanwaltskammer, die die Klage angestrengt hatte.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Versicherung geht in Berufung mit dem Argument, der Kundenanwalt vertrete im Unternehmen die Interessen der Kunden.

Der „Leseranwalt“ hätte, würde einer klagen, ähnliche Probleme: Auch er ist in die Hierarchie des Verlags, meist in der Chefredaktion, eingebunden. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand klagt, ist allerdings gering. Und der Leseranwalt ist eine hervorragende Institution, die Redaktionen verführt, den Leser und seine Interessen ernst zu nehmen (was immer noch nicht überall der Fall ist).

Quelle: dpa 1. August 2013 / Versicherung ist Ergo

Was Leser fragen: Apostrophen, Anwälte und der Viadukt

Geschrieben am 23. August 2013 von Paul-Josef Raue.

B. B. aus Weimar arbeitet auch als Korrektorin und ärgert sich über den falschen Apostrophen in unserer Zeitung. Worum geht’s: Wenn in einem Wort ein oder mehrere Buchstaben ausgelassen werden, setzen wir einen Beistrich –wie eben in „geht’s“:

„Ich weiß nicht, ob man hier der Technik die Schuld in die Schuhe schieben kann, denn in der Online-Version stellt sich der Apostroph völlig unauffällig dar.
In der Druckversion jedoch verkommt der Apostroph zu einem einfachen Ausführungszeichen: Er wird regelmäßig falsch herum gedruckt.“

Chefredakteur Paul-Josef Raue antwortet:

Sie haben Recht, wir werden es ändern: Der korrekte Apostroph ist ein Bogen der sich von rechts oben nach links unten neigt.

Bei Mails kommt in der Tat meist ein einfacher Strich zum Vorschein. Aber auf gedruckten Seiten, ob im Buch oder der Zeitung, sollten wir die Kultur der Schrift, die Typografie, in Ehren halten.

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D. K. aus Friedrichroda fragt:
Wer bezahlt die Gelder für die Anwälte im Zschäpe-Prozess?

Chefredakteur Paul-Josef Raue antwortet:

Der Angeklagte bezahlt seine Verteidiger. Wird er freigesprochen, zahlt der Staat, weil er folgenlos angeklagt und den Prozess provoziert hatte. Fehlt den Angeklagten das Geld, wie wohl im Zschäpe-Prozess, zahlt auch der Staat, weil er allen Bürgern die gleichen Chancen in der Verteidigung bieten muss – unabhängig ob einer reich ist oder arm.

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F.K. aus Eisenach kritisiert das Geschlecht des Viadukts: „Das historische Viadukt in Angelroda“ schrieben wir im Thüringenteil. „Laut Fremdwörterbuch ist ein Viadukt männlich und nicht sächlich.“

Chefredakteur Paul-Josef Raue antwortet:

Sie haben Recht, Herr Kalkbrennen. Der Viadukt ist die korrekte Form, aber – wie so oft – lässt der Duden auch das Viadukt gleichberechtigt zu.
Über Jahrhunderte war die hohe Brücke über ein Tal männlich, abgeleitet aus dem lateinischen Wort „aquaeductus“, das auch ein männliches Geschlecht hat. Aber ein Wort muss nur lange genug falsch gebraucht werden, dann lenkt der Duden ein.


Thüringer Allgemeine
, Samstagskolumne „Leser fragen“, 24. August 2013

Der Blog oder das Blog? Und viele Liveticker – sogar von der Kreisliga

Geschrieben am 15. Juni 2013 von Paul-Josef Raue.

Woran erkennt man einen richtiger Blogger? Er sagt: Das Blog. Macht einer den Blog zu einem männlichen Substantiv, wird er belächelt und als digitaler Staatenloser an den Katzentisch gesetzt.

Philipp Ostrop, Lokalchef der Ruhr-Nachrichten in Dortmund, dürfte der agilste Onliner in deutschen Lokalzeitungen sein. Bei der Jahreskonferenz des Netzwerk Recherche tapste er in die Falle:

Der Blog, nee, das Blog, glaube ich… Sonst krieg ich wieder Ärger auf Twitter

David Schraven von der konkurrierenden WAZ stellte einige Coups des Dortmunders vor, der in seiner Redaktion Zeitung und Online zusammen organisiert an einem fünfköpfigen Desk, dem 15 Reporter zuliefern:

+ Der Live-Ticker zu einer Giraffe im Zoo, die umgefallen war (nebst Shitstorm: Seid Ihr bekloppt – so was als Liveticker);

+ Live-Ticker von einem plötzlichen Unwetter am Abend, der vor allem hundert Tweets von Lesern nutzte und auch unbestätigte mitnahm, weil die Redaktion sie als wichtig ansah: „Offenbar Wasser in der U-Bahn-Haltestelle Stadtgarten. Wir können es nicht verifizieren. Hier der Tweet von Kevin. Danke!“;

+ Liveticker von der Räumung wegen einer Fliegerbombe;

+ „Lokalredaktion London“ während des Champion-League-Finales; nach diesem Vorbild soll es in einem schwierigen Dortmunder Gebiet ab 1. Juli die „Lokalredaktion Nordstadt“ geben;

+ „Wir livetickern sogar Kreisliga“ (Ostrop).

Die Zukunft des SPIEGEL (1): Wohin führt Büchner das Magazin?

Geschrieben am 8. Juni 2013 von Paul-Josef Raue.

Wird der Spiegel wieder das Magazin, das die Themen in Deutschland setzt? Das exklusive Nachrichten anbietet? Das Politiker das Fürchten lehrt? Zur Zeit treibt der Spiegel wie eine Brücke, die einmal eine wichtige Verbindung war, und nun weggespült ist.

Nehmen wir das Titelbild der aktuellen Ausgabe. Da wird alles falsch gemacht, was ein Redakteur falsch machen kann: 19 Wörter, eine „nicht“-Aussage, ein altes, nichtssagendes Datum („08.02.2012“), eine kleine Bildmontage am unteren Rand des Bildes. Die Wörter sind kalt, blitzen nicht sofort ins Gedächtnis: abschätzbar, technisch, zeitlich, finanziell. „Drohne“ – das Wort, das alleine schon Leser gereizt hätte, kommt klein in einem Kuppelwort am Ende vor: „Drohnen-Affäre“. Eine Woche zuvor hieß die Affäre noch gewaltig „Drohnen-Desaster“, als Störer klein über „DER SPIEGEL“ gezogen.

Das Mini-Bild soll an Janoschs Tiger-Ente erinnern: Der Minister zieht eine Drohne wie eine Ente hinter sich her. Wenn doch wenigstens die Drohne nicht grau, sondern schwarz-gelb gestreift wäre!

Laut Impressum gibt’s vier Redakteure allein fürs Titelbild, gibt’s weit über hundert Redakteure, darunter die besten der Republik. Wenn die über den Titel reden, debattieren, streiten und kämpfen, müsste allemal was Besseres raus kommen als „Betreff Euro Hawk“.

Dass der Aufmacher respektabel geschrieben ist, eine gut recherchierte Spiegel-Geschichte, vergrößert das Dilemma: Den Text konnte nur lesen, wen das Titelbild zum Kauf animiert hatte. Offenbar braucht selbst die beste Redaktion Deutschlands einen Kopf, der ein Themen-Trüffelschwein ist, der ein Gespür für die beste Zeile und das emotionale Bild hat, der den gemeinen Spiegel-Leser nicht theoretisch entwirft, sondern kennt und spürt.

Redakteure neigen allerdings dazu, jeden Unsinn intellektuell rechtfertigen zu wollen – nicht selten aus rhetorischem Übermut heraus, nicht aus Überzeugung und Eifer. So bringt auch die Konferenz der Edlen nicht unbedingt das Thema und den Titel, die die Käufer zum Kauf locken, aber sie hilft dem Mann an der Spitze, sichtet ihm die Argumente, macht ihn locker (wenn er’s zulässt).

Auf Wolfgang Büchner wartet ein harter Job. Bei dpa hat er bewiesen, dass er eine Redaktion umkrempeln kann und modernisieren – auch gegen den Widerstand der Beamten-Fraktion. Beim Spiegel wird er beweisen müssen, dass er Deutschland bewegen kann. Nichts anderes ist der Wert des Magazins, sein Markenkern.

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