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Volo-Werkstatt mit Wolf Schneider: Besser schreiben!

Geschrieben am 15. Mai 2012 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 15. Mai 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Ausbildung.

In der aktuellen Zeit (33/2012) findet jeder Volontärsausbilder eine exzellente Grundlage für eine Sprach-Werkstatt: Eine Deutsch-Stilkunde in 20 Lektionen von Wolf Schneider: „Zählen wir die Silben“ oder „Geizen wir mit Adjektiven“ oder „Mit Satzzeichen Musik machen“.

So  könnte die Werkstatt über ein halbes Jahr arbeiten: In jeder Woche gilt es, eine Regel besonders zu beachten, gute und schlechte Beispiele aus der eigenen Zeitung, den eigenen Texten und anderen Blättern zu notieren.  Nach dem halben Jahr wird sich die sprachliche Qualität der Texte deutlich verbessert haben.

Wer noch intensiver arbeiten will, dem sei Wolf Schneiders Taschenbuch „Deutsch fürs Leben“ empfohlen – mit 50 Regeln, die für eine Jahres-Werkstatt reichen.

Bitte: Mailen Sie mir bitte gelungene und missratene Sätze aus Zeitungen und Magazinen, die Sie in ihren Werkstätten entdecken – an:

PJ@raue.it

 
(zu Handbuch-Kapitel 11-16  „Schreiben und Redigieren“)

Wir brauchen eine neue Journalisten-Ausbildung!

Geschrieben am 27. März 2012 von Paul-Josef Raue.

„Die gängige Rekrutierungs-Praxis ist Geldvernichtung!“, sagte Jens Schröter, Leiter der Burda-Journalistenschule, als sich im vergangenen Jahr Journalisten-Ausbilder mit Wissenschaftlern in der Leipziger „School of Media“ trafen. Was hat sich in den Regionalzeitungs-Verlagen getan?  Am Freitag (30. März 2012) diskutieren beim „Forum Lokaljournalisten“ in Bremerhaven vier Journalisten über neue Formen der Ausbildung, moderiert von Sylvia Egli von Matt, der Direktorin der Schweizer Journalistenschule – zu verfolgen ab 9 Uhr morgens als Livestream bei www.drehscheibe.org

Warum bringt die gängige Rekrutierung unserer Volontäre wenig für die Zukunft der Redaktionen?
Die Volontäre werden meist durch die Ausbildung unterfordert. Sie waren freie Mitarbeiter, kennen den Alltag der Redaktionen; so bringt es wenig, sie im Volontariat dieselben Routinen noch einmal durchlaufen zu lassen.

Was sollte im Volontariat der Zukunft geschehen?
1. Die Volontäre sollen systematisch und fundiert die journalistischen Grundlagen so lernen, dass sie diese am Ende der Ausbildung im Schlaf beherrschen.

2. Die Ausbilder erkennen, entwickeln und fördern schon in der Ausbildung die individuellen Stärken (wie Führung, Lust am Management, Organisations-Talent, Online-Stärken, Recherche-Hartnäckigkeit, Leser-Marketing usw.) – um so auch die Führungskräfte für die Redaktion der Zukunft zu erkennen.

3. Der Nachwuchs arbeitet überwiegend in Projekten, aber immer wieder auch in den Lokalredaktionen, um den Respekt vor den Lesern nicht zu verlieren und keinen Dünkel zu entwickeln. Solche Projekte könnten sein: Entwicklungs-Redaktion für eine Zweit- oder Kompakt- oder Online-Zeitung oder ein Magazin; eine große Serie; Muster-Berichterstattung etwa für Haushaltsplan, Wahlen usw.; eine tiefe Recherche; eine Marketing-Kampagne; Online-Entwicklungen jeder Art; Datenjournalismus u.ä.

4. Volontäre werden eingeführt in unternehmerisches Denken und vertraut mit der Vermarktung von journalistischen Produkten; sie lernen, dabei unbedingt den Marken-Kern der Zeitung – Qualität und Glaubwürdigkeit – zu bewahren. Beim „Forum Lokaljournalismus“ 2011 formulierte Bart Brouwers, Online-Chef der niederländischen Zeitung „Telegraaf“ die These:

„Wir Journalisten müssen auch geschäftlich denken. Es gibt nicht mehr das eine große Geschäftsmodell wie bei der Tageszeitung. Ein Mix aus vielen Geschäftsmodellen muss den Umsatz bringen.“ (Handbuch: Seite 39)

Beim Symposium in Leipzig sagte es Wolfgang Blau, Online-Chef der „Zeit“, ähnlich: Wir brauchen Journalisten mit unternehmerischer Ader! Dünkelhaft ist die alte Denkart: Wir haben nichts mit Umsätzen zu tun!

Wie ist die neue Ausbildung geordnet?
Am Beginn jeder Phase steht ein drei- bis fünftägiges Camp, zum Beispiel ein „Boot-Camp“, von dem Jens Schröter in Leipzig berichtete – auch auf die Frage eingehend, wie Personalentwicklung messbar sein könnte. In einer Woche dringen die Volontäre tief in die Online-Welt tief ein (Facebook, Twitter, Blog, Online-Technik, Community-Management u.ä.). Nach einem Jahr gibt’s eine Inventur: Welche Erfolge können sie verzeichnen? Wie viele Follower? Vielleicht ein eigener Blog? Ihre Fortschritte, Erkenntnisse und Fragen tragen die Volontäre in ein Wiki ein, das für jeden Burda-Mitarbeiter einzusehen ist.

Ich könnte mir noch folgende Camps vorstellen: Recherche-Camp; Datenjournalismus; Sprach-Camp, Management-Camp; Leser- und Markenforschung usw.

Wir sollten uns bei der neuen Volontärs-Ausbildung von Online-Entwicklern leiten lassen, die nicht lange Konzepte schreiben: Einfach beginnen, einfach experimentieren – dem Grundsatz folgend: Wir erlauben uns Fehler; aber wir verbieten, daraus nicht zu lernen.

(zu: Handbuch-Kapitel 58 „Die Ausbildung zum Redakteur“)

Aktualisiert: Die Diskussion moderierte Barbara Stöckli (MAZ) für die erkrankte Egli von Matt

Neue Domain: www.journalismus-handbuch.de

Geschrieben am 15. März 2012 von Paul-Josef Raue.
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Dieser Blog läuft nun auch unter der Domain „journalismus-handbuch.de“ und nicht mehr nur unter „journalisten-handbuch.de“. Die Domain, die zum Handbuch am besten passte (eben „journalismus-handbuch“), gehörte dem Freundeskreis der Dr.-Gregorius-Mättig-Stiftung Bautzen e.V.. Er hat uns die Domain unkompliziert abgegeben.

Ulli Schönbach, Vorsitzender des Freundeskreises, ist Redaktionsleiter der Sächsischen Zeitung in Bautzen; er hatte sich die Domain gesichert. Er schrieb mir zu seinem Motiv:

„Das Projekt, das ich damals im Sinn hatte, war ein Newsletter, der Journalisten über neue praxisnahe Fachbücher informiert. Ich arbeite seit fast zehn Jahren als Redaktionsleiter für die Sächsische Zeitung in Bautzen. Dabei habe ich immer wieder eines festgestellt: Viele Kollegen fordern lautstark Training und Seminare, lassen aber die einfachste Möglichkeit der Weiterbildung ungenutzt. Ein Buch zu lesen, das empfiehlt man höchstens den Volontären.

Dies liegt nach meiner Erfahrung auch daran, dass es zwar viele Neuerscheinungen zu unserem Berufsfeld gibt , aber kaum Orientierungshilfen. Auch die Fachzeitschriften helfen oft nicht weiter. Wem nützen Aussagen wie „richtet sich ebenso an Berufsanfänger wie an erfahrene Redakteure“? Ich habe dieses Projekt leider nicht weiterverfolgen können.“

Es gibt eine ausführliche Literaturliste im Anhang unseres Handbuchs. So greifen wir diese Anregung von Ulli Schönbach gerne auf und freuen uns auf Buch-Hinweise von Leserinnen und Lesern unseres Blogs. Ein neues Buch haben wir schon ausführlich vorgestellt: Henning Noskes „Journalismus“. Erwünscht sind auch Hinweise auf ältere Bücher

Einige Infos zum „Freundeskreis“, dessen Vorsitzender Ulli Schönbach ist:

In Bautzen lebte Gregorius Mättig zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges als Ratsherr und Mediziner. Geprägt durch diese Erfahrung gründete er eine Stiftung zur Förderung von Bildung und Wissenschaft. Von seinem Tod im Jahr 1650 an bestand diese fast 300 Jahre.
Aufgelöst wurde sie erst 1949 durch Befehl der Sowjetischen Militäradministration. Bis zu diesem Zeitpunkt ermöglichte Mättigs Erbe mehr als tausend jungen Menschen aus Sachsen und Schlesien ein Studium oder den Schulbesuch.

Seit 2007 knüpft eine neue Dr.-Gregorius-Mättig-Stiftung an diese herausragende Tradition an. Ins Leben gerufen wurde sie von Nachfahren des einstigen Stiftungsgründers. Seit dem vergangenen Jahr wird die Stiftung durch den Freundeskreis unterstützt.

Wichtigste Projekte von Stiftung und Verein sind die jährliche Vergabe eines Stipendiums für einen jungen Wissenschaftler sowie die Förderung von Projekten an Bautzener Schulen. So wurden bereits der Aufbau einer Schulbibliothek an einer Grundschule und ein umfassendes Bewerbungstraining für die Schüler einer Abendmittelschule finanziert.

Wer den Freundeskreis der Dr.-Gregorius-Mättig-Stiftung e.V. unterstützen möchte:
Konto 100 000 4941
BLZ 855 500 00 (Kreissparkasse Bautzen)

Web- und Mailadresse:
www.freundeskreis-maettigstiftung.de
buero-schoenbach@online.de

 

(zu: Handbuch-Kapitel Service A „Literatur“)

Spagat zwischen Print und Online (Noske-Interview 3)

Geschrieben am 17. Februar 2012 von Paul-Josef Raue.
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Der schönsten Beruf der Welt, die deutsche Sprache,  die Zukunft des Journalismus und schriftlich geführte Interviews: Das sind die Themen im dritten Teil des Interviews, das Paul-Josef Raue mit Henning Noske  über dessen Buch „Journalismus“ führte.

Raue: Wenn ein Journalist wie Sie so intensiv über seinen Beruf nachdenkt, wenn er Leidenschaft zeigt: Ist dies nicht hinderlich in der täglichen Arbeit? Messen Sie sich nicht unentwegt an den eigenen Maximen, auch unter Zeitdruck und bei Kopfschmerzen?

Noske: Ja, davon schreibe ich auch. Es ist die kleine Mühe, der wir uns für den schönsten Beruf der Welt unterziehen. Es bleibt ein Privileg, Journalist zu sein und die Chance zu erhalten, erfolgreich zu arbeiten und zu wirken. Und das entschädigt. Am Ende aber geht es nicht um mich, sondern es sind viele angesprochen: Volontäre, aber auch Redakteure, Online-Redakteure, freie Mitarbeiter, feste Mitarbeiter, Autoren, potenzielle Schreiber, Schüler, Studenten, Eltern, Lehrer, Öffentlichkeitsarbeiter, Pressesprecher, Blogger, Web-Texter, Wissenschaftler.

Eigentlich alle, die einen Traum haben – und bereit sind, auch etwas dafür zu geben. Verständliches Schreiben, unterhaltendes Informieren, übersetzen und kommunizieren mit hoher Glaubwürdigkeit – das ist für sie und für mich gerade in komplizierten Zeiten das Gebot der Stunde. Verstärkung wird noch gesucht.

Raue: Viele Redakteure mögen keine Theorie, sie mögen den Satz „Wir machen hier Zeitung“ und sagen damit: Prinzipien sind was für Seminare und Festreden von Verlegern und Chefredakteuren, sie taugen nicht für den harten Zeitungsalltag. Mögen Sie Ihre Kollegen noch?

Noske: Ja.

Raue: Sie schätzen die deutsche Sprache, widmen sich über viele Seiten der Verständlichkeit. Doch Sie nennen das Geschichten-Erzählen trotzdem „Storytelling“, den Erzähler „Storyteller“ und nennen den Zeitungs-Redakteur „Print-Redakteur“. Können selbst wir uns nicht mehr, sogar in lange durchdachten Texten, gegen die Anglizismen wehren?

Noske: Nein. Dafür sorgt online.

Raue: Sie tummeln sich auch selber in der digitalen Welt, tummeln sich bei Facebook und haben einen eigenen Blog. Dennoch kommt der Online-Journalismus nur am Ende des Buchs in einem Interview vor. Auch im – ungewöhnlich reichen – Glossar findet der Leser nur wenige Online-Begriffe. Ist Online doch nur eine wenig spektakuläre Ableitung des Zeitungs-Journalismus?

Noske: Nein, aber mein Buch bewegt sich gewissermaßen in der Vorstufe. Da, wo alle anfangen. Im Urgrund von Print. Wo wir uns mit ein paar ganz grundlegenden Fragen beschäftigen müssen:
– Was treibt mich eigentlich an?
– Welche Qualitäten muss ich haben?
– Wie finde ich Themen?
– Wie komme ich an Informationen?
– Wie bereite ich Themen und Informationen auf?
– Wie schreibe ich gut?
– Wie mache ich Bilder und gute Überschriften?
– Wie entstehen Fehler und wie kann ich sie vermeiden?
– Wie sichere ich meine Qualität?

Danach kommt dann erst die Entscheidung Print oder Online – ob wir sie selbst treffen oder ob sie für uns getroffen wird. Das Interview, das Sie ansprechen, ist übrigens ein besonderer Werkstattbericht: Mein Kollege Andre Dolle schildert ausführlich, wie er vom Print- zum Online-Redakteur wurde. Das passt prima ins Buch.

Raue: Wir quälen uns alle mit der Frage: Welche Zukunft hat der Journalismus? Welche Zukunft hat die Zeitung? Wer liest uns noch, vor allem wenn wir an die Jungen denken?

Noske: Ich bin sehr optimistisch, vor allem, wenn uns der Spagat zwischen Print und Online wirklich gelingt. Wenn beide irgendwann anfangen, wirklich voneinander zu profitieren. Online to print und print to online, um es auf gut deutsch zu sagen. Die magischen Synergien nicht aus Verlegenheit, sondern mit Plan und Konzept. Dann machen wir ein Buch nur darüber. Abgemacht?

Raue: Wir führen dies Interview schriftlich: Ich schicke Ihnen die Fragen, Sie schreiben per Mail zurück. Sicher, wir beide haben lange zusammen gearbeitet und schätzen uns. Dennoch: Ist das die vorbildliche Art, ein Interview zu führen?

Noske: Am liebsten wandere ich mit Ihnen natürlich auf den Brocken oder auf der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze und lausche Ihnen stundenlang. Das geht natürlich nicht immer, also ist diese Form auch nicht schlecht. Es hat den Vorteil, dass Sie nicht widersprechen können. In der journalistischen Praxis ist das der Nachteil.

Raue: Ja, zu Zeitung und Online: abgemacht. (nicht autorisierter Schlußsatz)

Das Buch: Henning Noske, Journalismus – Was man wissen und können muss. Ein Lese- und Lernbuch. Klartext-Verlag, Essen, 234 Seiten, 17.95 Euro

Teil 1Teil 2

Hingebung, Demut, Dienen (Noske-Interview 2)

Geschrieben am 15. Februar 2012 von Paul-Josef Raue.

Die Organisation eines Klosters und einer Redaktion sowie Fehler und ihr Management: Das sind die Themen im zweiten Teil des Interviews, das Paul-Josef Raue mit Henning Noske  über dessen Buch „Journalismus“ führte.

Raue: Sie sind zum Schreiben des Buchs ins Kloster gegangen. Kann man nur ohne Handy und I-Pad noch konzentriert arbeiten?

Noske: Das Kloster war ein Fehlschlag, wie Sie ja lesen konnten. Ich habe nicht ansatzweise das Pensum geschafft, das ich mir vorgenommen hatte. Um mich herum hatte ich zwar keinerlei Medien, sogar das Massaker auf der Insel Utoya in Norwegen habe ich zunächst nicht mitbekommen. Ich erfuhr davon erst zwei Tage später um 6 Uhr früh in der Predigt. So muss es wohl früher gewesen sein.

Das Kloster und die gestrandeten Menschen dort – das war für mich alles viel zu spannend, um es für meine konzentrierte Arbeit an dem Buch, die ich mir eigentlich vorgenommen hatte, zu ignorieren. Ich bin am Mittagstisch sitzengeblieben, um mit den spannenden Leuten zu reden. Im Buch kann man nachlesen, warum das so wichtig ist. Ich habe es dann zuhause im Urlaub fertiggeschrieben, auf Kosten meiner Frau.

Raue: Sie nennen die Organisation eines Klosters ein zwei Jahrtausende altes Psycho-Programm. Wenn es sich so bewährt hat: Was können Redaktionen von den Mönchen lernen?

Noske: Konzentration auf das Wesentliche, Hingebung, Demut, Dienen. Natürlich kann man eine Redaktion nicht wie ein Kloster organisieren – und niemand hätte Verständnis dafür. Die Kunst ist es heute, die Hingabe an die eigene Profession mit dem Spaß und dem Erfolg zu verbinden. Insofern ist mir das Kloster schlicht zu weltabgewandt, in jeder Beziehung.

Die Redaktion ist im Idealfall ein Tummelplatz von gesprächigen Menschenfreunden, die aus sich herausgehen und nicht nach innen gekehrt sind. Mein Glaube ist, dass nichts gewiss ist. Das sehen die Mönche natürlich ein bisschen anders.

Raue: Was ist Ihr Lieblings-Kapitel im Buch? Ihr Lieblings-Zitat?

Noske: Das ist immer dort, wo ich mich mit Egon Erwin Kisch beschäftige. Und das ist gleich an etlichen Stellen der Fall, wenn es um Details und Erzählkunst geht. Das hat mir am meisten Spaß gemacht. Und mich aber leider auch wieder am meisten Zeit gekostet: Ich habe mich in meine Kisch-Gesamtausgabe aus dem Aufbau-Verlag, noch zu DDR-Zeiten mit Ostmark aus dem Zwangsumtausch erstanden, vergraben und immer wieder festgelesen. Dieser Mann schreibt uns auch heute noch alle an die Wand! Er hat so viel Spaß am Schreiben und Erzählen, er spielt mit Lust damit und mit seinem Leser, den er liebt, hofiert, umgarnt, fordert und fesselt – und man liest es! Ich hätte Lust, ein „Best of Kisch“ zu schreiben.

Und mein Lieblings-Zitat? Da beschäftige ich mich mit Wolf Schneider und seinem legendären Spruch: Qualität kommt von Qual. Ich sage dazu: Nein, verehrter Meister, hier irren Sie. „Qualität kommt von Spaß! Weil ich sage: Wer keinen Spaß hat, braucht sich auch nicht zu quälen. Er wird ohnehin niemals Erfolg haben.“ (Journalismus – Was man wissen und können muss, Seite 84).

Raue: Sie kommen aus dem Wissenschafts-Journalismus, haben dort viele Preise gewonnen und sind an der Braunschweiger Universität bekannter als der Präsident. Was haben Sie für den Journalismus von Wissenschaftlern gelernt, vor allem von Naturwissenschaftlern und anderen, die mit unserem Gewerbe nichts zu schaffen haben?

Noske: Natürlich bin ich dort nicht bekannter als der Präsident – und ich möchte es auch nicht sein. Aber von den Wissenschaftlern habe ich viel gelernt, übrigens gerade von den Naturwissenschaftlern. Sie forschen mit der Attitüde des selbstlosen Rechercheurs – ein Befund reicht ihnen nicht, ein zweiter meistens auch nicht. Sie sind übrigens auch dann zufrieden, wenn sie rauskriegen, dass sie nicht Recht haben. Das ist auch ein Treffer.

Hier sehe ich die Grenze: Journalisten recherchieren, um ihre Geschichte rund- und nicht totzumachen. Wir kommen schneller auf den Punkt, übersetzen, schlussfolgern, schätzen, kommentieren. Damit tun sich die Forscher schwer. Mein Programm ist es, Teams mit ihnen zu bilden. Sie erklären mir die Wissenschaft, beispielsweise, wie die Naturstoffe von Bakterien entschlüsselt und zu Medikamenten umgebaut werden. Und ich zeige ihnen den Weg zu unserem Leser, für den er bislang immer nur chinesisch geredet hat.

Raue: Journalisten geben ungern Fehler zu. Sie schreiben 25 Seiten über das „Fehlermanagement“, sogar drei Kapitel über „Rechtschreib-Hauptfehler“ und bemühen die Hirnforschung. Warum so viele Mühe um unsere Fehler?

Noske: Weil wir zwar ungern Fehler zugeben, aber zu viele machen. Der Fehler ist ein alltägliches Phänomen, nicht nur beim Zeitungmachen. Die Technik, die wir lernen müssen, ist es, bei Qualitätsarbeit im Fehlervermeidungsmodus zu arbeiten. Wir arbeiten jedoch allzu oft in einer Art Fehlermodus: Er suggeriert uns, da würde immer noch einer kommen, der den Fehler schon noch findet und ihn eliminiert. Bloß, dass diese Heinzelmännchen ausgestorben sind.

Was bleibt, sind allzu viele Fehler – und ein Leser, der unsere Zuverlässigkeit liebt und an unseren Fehlern verzweifelt. Es gibt noch einen anderen wichtigen Punkt in diesem Zusammenhang: Fehler zermürben uns, sie durchlöchern unser Selbstbewusstsein. Fehler machen fertig, sind Sargsprossen zum Burnout. Das Verbergen von Fehlern und Defiziten, nicht das Korrigieren, frisst unglaublich Zeit und Energie, lähmt. Bei all dem sage ich: Mit offenem Visier gegen unsere Fehler, auch gemeinsam mit dem Leser, der gerade unsere Ehrlichkeit immer besonders schätzt und gern liest. Der Forscher würde sagen: Jeder Fehler bringt mich weiter.

Raue:  Bleiben wir bei den Fehlern. Das Foto auf dem Buchumschlag zeigt Ihre Zeitung mit einer Schlagzeile, die ein Fall fürs Fehlermanagement wäre: „Hebel aus der Krise“ ist ein schiefes Bild, eher geeignet für den „Hohlspiegel“, den Sie in Ihrer Literaturliste empfehlen. Ist das Titelbild ein Wink in die Redaktion, gefälligst Ihr Buch zu lesen?

Noske: Nein, ich habe das Bild in der Bahnhofsbuchhandlung selbst geschossen – aber auf die Schlagzeile dieses Tages nicht geachtet. Darauf machen Sie mich erst aufmerksam. Ich bewundere Ihren Instinkt, mit dem Sie bei den abgebildeten 45 nationalen und internationalen Blättern im Miniformat untrüglich die Schlagzeile Ihrer Lieblingszeitung entziffern können und sich offenbar immer noch auf eine kleine Rauferei in der Konferenz freuen.

Ich nehme mal die Lupe und lese die ganze Schlagzeile: „Merkel und Sarkozy suchen den Hebel aus der Krise.“ Der Hebel ist im Zusammenhang mit den Euro-Rettungsfonds ist ein blindes Bild, das keiner bislang so richtig begriffen hat. Wir werden die Schlagzeile aber vermutlich nicht im Hohlspiegel finden. Trotzdem sollten alle gefälligst mein Buch lesen. Das hebelt richtig.

*

Der dritte und abschließende Teil des Interviews folgt. Teil 1 – Teil 3.

Eine ausführliche Besprechung des Noske-Buchs hat Armin Maus, Chefredakteur der Braunschweiger Zeitung, geschrieben: „Wie man guten Journalismus macht“ (BZ, 22. Dezember 2012)

Das Buch: Henning Noske, Journalismus – Was man wissen und können muss. Ein Lese- und Lernbuch. Klartext-Verlag, Essen, 234 Seiten, 17.95 Euro

Noske-Interview „Journalismus – Was man wissen muss“

Geschrieben am 14. Februar 2012 von Paul-Josef Raue.

Paul-Josef Raue sprach mit Henning Noske über ein „Lehr- und Lernbuch“, das er gerade  herausgegeben hat: „Journalismus. Was man wissen und können muss“ (Klartext Verlag, Essen, 234 Seiten, 17.95 Euro).  Noske, Jahrgang 1959,  ist Lokalchef Braunschweig der „Braunschweiger Zeitung“ und Lehrbeauftragter an der Technischen Universität Braunschweig.

Raue: Es gibt zwei große Bücher über den Journalismus in unserer Zeit, die sich auch in Ihrer Handbibliothek finden: Den La-Roche und, ohne Bescheidenheit, „Das neue Handbuch des Journalismus“. Was treibt den Redakteur einer Regionalzeitung an, noch ein Journalismus-Buch zu schreiben – statt an einer Serie, die den nächsten Preis holt?

Noske: Ich würde noch „Die Reportage“ von Michael Haller hinzufügen. Mein Buch setzt setzt aber ganz anders an als diese „Klassiker“. Und zwar bei vielen Fragen, die nicht nur ganz am Anfang stehen, sondern noch vor dem Anfang:
– Welche Haltung müssen Journalisten haben?
– Wie engagiert müssen sie sein?
– Welche Tugenden braucht man denn eigentlich, um Themen zu finden, gründlich zu recherchieren – und möglichst wenige Fehler zu machen?
– Warum will ich das eigentlich machen?

Entstanden ist mein Projekt aus Seminaren mit unzähligen Studenten, bei dem ich mich selbst immer gefragt habe: Warum ist Journalist bloß ein Traumberuf für die? Umgekehrt kam nach meinem aufrüttelnden Tugend- und-Themen-Tremolo oft die Frage auf: Kann man das so eindrucksvoll nicht mal nachlesen?

Raue: Sie arbeiten bei einer großen Zeitung, die das Lokale schätzt. Nicht wenige sagen: Der arbeitet in der Provinz – und lächeln leicht. Kränkt Sie das?

Noske:  So wenig wie Sie. Daraus erwächst gerade mein Selbstbewusstsein. Es ist – mit Verlaub – nicht der leichteste Job, den wir in der „Provinz“ tun. Aber im Journalismus der wichtigste. Schon der Begriff Provinz ist seit jeher blödsinnig, denn er qualifiziert die normalen Leute ab. Es ist ein Begriff, mit dem schon immer das Entrücktsein einer Kaste von Eingebildeten verknüpft war. Hoffentlich sind nicht so viele Journalisten dabei. Denn sie sollen direkt neben den Leuten sitzen und das echte Leben aufspüren. Davon handelt mein Buch.

Raue: Was haben Sie in Ihr Buch genommen, was in den anderen Büchern fehlt?

Noske: Die Kapitel über das Schreiben und die Präsentation sind zentral und dann eben sehr praxisorientiert.

Wie anfangen? Mit konkreten Beispielen. Dranbleiben, Übergänge, Tricks für einen eigenen Stil. Mit konkreten Beispielen. Wie versetzt man sich in den Leser hinein? Wie packt man ihn. Zum Beispiel mit einer ganz einfachen Dreifingerregel: Reizen – Informieren – Unterhalten.

Wie bastelt man wirklich eine gute Überschrift? Hier findet man mal einen richtigen Baukasten.

Und was heißt eigentlich „Augenhöhe“ wirklich, von der immer die Rede ist? Da war mal eine kleine Psychologie unseres Lesers fällig.

Und ein eigenes großes Kapitel nur über Fehler und Fehler-Vermeidung? Dazu gehört das Eingeständnis, dass wir täglich regelmäßig Fehler produzieren. Ich zeige: So kriegen wir sie weg.

Raue: Legen Sie Ihre mal Ihre Bescheidenheit beiseite: Warum sollen junge Leute Ihr Buch lesen?

Noske: Wenn es um den Berufswunsch geht, hören wir doch immer wieder: Irgendwas mit Journalismus! Unser Beruf hat immer noch eine magische Anziehungskraft. Und das ist auch gut so. Doch in der Praxis sehen wir ja doch oft auch, wie sehr Vorstellung, Anspruch und Wirklichkeit immer mehr auseinanderklaffen. Dazu gehören ja immer zwei. Da ist die Zeitung beziehungsweise der Verlag, der einen Rund-um-die-Uhr-Job mit viel Stress, Routine und ungesunder Lebensweise zu bieten hat. Und da sind junge Leute, die eben zunehmend auch manches an Einstellung und Qualitäten mitbringen müssen.

Wer rauskriegen will, ob das also wirklich etwas für ihn ist, der sollte mein Buch lesen. In aller Bescheidenheit: Das konnte man bislang noch nirgendwo so gut lesen.

Raue: Sie haben seit Jahren einen Lehrauftrag an der Braunschweiger Universität. Sie entdecken immer wieder Talente, fördern sie. Welche Erfahrungen mit den Studenten sind in Ihr Buch geflossen?

Noske: Das knüpft an das eben Gesagte an. Mir geht es darum, die Leute auch wirklich zu finden, die wir meinen und die wir brauchen. Es gibt sie nicht wie Sand am Meer. Am Ende sind es tatsächlich Talente, die wir entdecken müssen. Wie sie dazu geworden sind, wissen wir nicht wirklich. Sie lesen viel, schreiben tatsächlich zum Spaß, pflegen vielfältige Kontakte, haben was zu sagen, eigene Hobbys, Projekte, eine eigene Haltung.

Ich habe immer gedacht: Das kann ich doch keinem jungen Menschen zwischen 20 und 30 Jahren mehr beibringen. Ich habe mich geirrt. Ein schöner kleiner Werkzeugkasten mit dem nötigen Handwerkszeug und den richtigen Tipps kann zumindest manchmal Wunder wirken. Die Studenten haben sich im Zuge von Bachelor und Master stark verändert: Sie wollen an die Hand genommen werden, warten ab, was ihnen geboten wird. Das nervt, aber es lehrt auch, die Flinte nicht zu früh ins Korn zu werfen.

Raue: Und warum sollten Ihre Kollegen und andere Journalisten Ihr Buch lesen?

Noske: Weil wir uns immer an den Zauber des Anfangs erinnern müssen! Weil wir uns vergewissern müssen, wie weit wir uns möglicherweise von unserem Ideal entfernt haben. Eine Kollegin in der Redaktion hat mir nach der Lektüre meines Buches gesagt: Schön und gut, ich habe es gern gelesen – aber ich komme nicht dazu, so zu arbeiten. Dieser Satz ist wahr, er ist ehrlich. Und er ist Sprengstoff für Redaktionen.

Warum schaffen wir es oft nicht, unsere Träume vom Journalismus im täglichen Redaktionsalltag zu verwirklichen. Und warum tun wir es nicht endlich, verdammt nochmal? Darum habe ich das Buch auch für meine Kollegen geschrieben. Es können nicht nur Anfänger lesen, sondern auch gestandene Redakteure. Mit einer Bedingung: Ich bin scharf auf ihre Reaktionen. Ich will die Diskussion.

Der zweite und dritte Teil des Interviews folgt: Teil 2 – Teil 3

Speed-Desk

Geschrieben am 2. Februar 2012 von Paul-Josef Raue.

Ein neuer Begriff für das Lexikon journalistischer Fachausdrücke, gefunden in einer Stellenanzeige von „Bloomberg“:  Redakteur am Speed-Desk.

„Aufgabe:  Speed-Desk-Redakteure/innen senden bei Breaking News aus Deutschland und aller Welt die jeweils ersten Schlagzeilen und Kurzmeldungen an Bloomberg- Terminal-Kunden und Medienkunden. – Voraussetzungen sind Universitätsabschluss, journalistische Berufserfahrung in Deutschland, Nordamerika oder anderen Weltregionen sowie sehr gute Englischkenntnisse.“

 

(zu: Handbuch Service „Lexikon journalistischer Fachausdrücke“)

Katholische Journalistenschule sucht Volontäre

Geschrieben am 19. Januar 2012 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 19. Januar 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Ausbildung, Service & Links.

Den Service-Teil haben wir im „Neuen Handbuch“ nahezu verdoppelt. Unter den Ausbildungsstätten finden Sie auch das  „Institut zur Förderung publizistischen Nachwuchses (ifp)“,  das bis zum 1. März Bewerber für die Ausbildung in katholischen Medien sucht; Ausbildungsbeginn ist im Oktober.

Die Volontäre durchlaufen eine zweijährige Ausbildung in der katholischen Presse oder im privaten Hörfunk und nehmen an der überbetrieblichen multimedialen Ausbildung des Instituts teil. Außerdem vermittelt das „ifp“. Voraussetzung für das Volontariat ist entweder das Abitur oder die Mittlere Reife sowie eine abgeschlossene Berufsausbildung.

Zu den Absolventen gehören Bettina Schausten (ZDF), Thomas Gottschalk, Dr. Heribert Prantl (SZ), Stefan von Kempis (Radio Vatikan) und Klaus Brinkbäumer (Der Spiegel).

Kontakt und Informationen:

E-Mail: engelke@ifp-kma.de

Internet: www.ifp-kma.de

 

(zu:  Handbuch Service F „Journalistenschulen“)

Seiten:«1234

Journalisten-Handbuch.de ist ein Marktplatz für journalistische Profis. Wir debattieren über "Das neue Handbuch des Journalismus", kritisieren, korrigieren und ergänzen die einzelnen Kapitel, Thesen und Regeln, regen Neues an, bringen gute und schlechte Beispiele und berichten aus der Praxis.

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