Alle Artikel der Rubrik "Presserecht & Ethik"

Bio-Journalismus – was ist das?

Geschrieben am 15. März 2014 von Paul-Josef Raue.

Miriam Meckel führt ein neues Wort ein: „Biojournalismus“ (Englisch: „organic journalism“). Sie denkt dabei weniger an Bio-Läden und Müsli, an Bio-Fleisch und strickende Studentinnen, also an grüne Visionen; sie führt den Begriff auf das altgriechische und lateinische Wort „Bios“ zurück, das Leben bedeutet.

Sie will Biojournalismus als Abgrenzung zu „standardisierten algorithmischen Produkten“ verstehen:

„Biojournalismus“ ist das Differenzierungskriterium in einem weitgehend technisierten und standardisierten Medienmarkt, geprägt durch Haltung, Stil und individuelles Erzählen. „Biojournalismus“ ist vielleicht das letzte Gefäß für das, was wir heute noch als Ethos des Journalismus bezeichnen…

„Biojournalismus“ kann für nachhaltige Moral sorgen, für ein Gerüst moralischer Orientierung, ohne dass unsere Gesellschaft zu einer geistigen Wegwerfgesellschaft verkommen kann.

Abgesehen von modischem Wortgeklingel wie „nachhaltig“ und „moralische Orientierung“ ist „Biojournalismus“ irreführend: Bios ist auch der Name für einen Speicher, der einen Computer schnell funktionsfähig, also lebendig macht. Aber gegen die Technik und Standards der Computerwelt will Meckel den Journalismus der Zukunft positionieren. Da brauchen wir also ein besseres Wort.

(Miriam Meckel führte den Begriff ein in einem Vortrag zum 25-Jahr-Jubiläum der Holtzbrinck-Journalistenschule, abgedruckt im Handelsblatt, 14.3.2014)

Die Astronautenperspektive ist die beste für einen Journalisten

Geschrieben am 9. März 2014 von Paul-Josef Raue.

Wichtig war mir, nicht zu werten. Ich versuche beim Schreiben, die Astronautenperspektive einzunehmen: So weit wie möglich weg, erst dann sieht man, dass die Erde eine Kugel ist. Danach nähere ich mich wieder an, doch weiterhin mit dieser Erfahrung des Abstands. Dann kann man differenzieren.

Frank Schätzing, dessen neues Buch „Breaking News“ zum Palästina-Konflikt eine Startauflage von einer halben Millionen hat (Quelle: FAZ, 1.3.2014).

Diese Astronautenperspektive ist auch Journalisten zu empfehlen. In den ersten Auflagen des Handbuch des Journalismus zählten wir zu einer der vier Spielarten des bedenklichen Journalismus den „missionarischen Journalismus“, also Journalisten, die ihren Blick auf die Welt als den einzig gültigen halten: Die Erde ist eine Scheibe. Wir zitierten Johannes Gross, einst Capital-Chefredakteur und Gruner+Jahr-Vorstand:

Der Journalist hat nicht Überzeugungen feilzuhalten oder für Glaubensbekenntnisse zu wüten, sondern Nachrichten zu formulieren und Analysen auszuarbeiten. Die Ethik des Journalismus ist eine Service-Moral.

Damit wir nicht missverstanden werden: Dass ein Journalist seine Meinung formuliert und deutlich als Meinung markiert, gehört selbstverständlich dazu.

Müssen sich Journalisten bei Wulff und ihren Lesern entschuldigen? Nein – warum auch

Geschrieben am 28. Februar 2014 von Paul-Josef Raue.

Denken Journalisten nie über sich  und ihre Ethik nach? Machen sie sich nur her über andere, vor allem Mächtige und Möchtegern-Mächtige, haben keine Regeln und sind unfähig zur Selbstkritik?

Der Tag nach dem Wulff-Freispruch ist der große Tag der Hohepriester in unserer Zunft, die ihren  Zeigefinger in die Höhe recken. Günther von Lojewski, Ex-Intendant des SFB,  schreibt in der FAZ über „Wir Journalisten“:

Es ist wohl an der Zeit, dass wir, wir Journalisten, die wir so gern alles (besser) wissen und jeden kritisieren, einmal uns selbst zum Gegenstand öffentlichen Diskurses machen, unsere Standards, unser Ethos und unser Verhältnis zu Freiheit und Macht.

Das Büßergewand steht uns nicht, ist heuchlerisch. Wir haben Standards: Der Pressekodex regelt, wie wir mit unserer Macht umzugehen haben; er sanktioniert jeden, der dagegen verstößt; er regt immer wieder Debatten an über Persönlichkeitsrechte, Schleichwerbung, Vorverurteilung, Diskriminierung von Ausländern usw. 

> Frage an den (Besser-) Wisser von Lojewski: Gegen welche Regel im Pressekodex haben Journalisten in der Wulff-Affäre verstoßen? Wenn es solche Regelverletzung gegeben hat: Haben Sie Beschwerde eingelegt?

> Zweite Frage: Debattieren Journalisten nicht unentwegt über ihre Profession? Gibt es irgendeine Akademie, die Journalismus und seine Ethik nicht mindestens einmal im Jahr zum Thema macht? Diskutieren – beispielsweise – nicht Lokaljournalisten mehrmals im Jahr in einwöchigen Modellseminaren  über ihre Profession (organisiert vom Lokaljournalistenprogramm)? Etablieren nicht immer mehr deutsche Zeitungen einen Ombudsmann, der sich um Fragen und Beschwerden von Lesern kümmert? Ist es nicht eher ein Problem, dass sich die Öffentlichkeit kaum oder gar nicht für unsere Debatten interessiert?

> Dritte Frage: Klärt nicht unser Grundgesetz das Verhältnis der Presse zu Freiheit und Macht? Hat nicht unser Verfassungsgericht klar bestimmt, wie wertvoll die Presse ist in der Kontrolle der Macht? Wollen Sie Artikel 5 ändern? Korrigieren? Einen staatlichen Presserat einrichten?  (Keine Sorge: Es geht nicht.)

> Vierte Frage: Gehört die Kontrolle der Mächtigen nicht zu unseren wichtigsten Aufgabe? In Ihrer Aufzählung der „Grundregeln“ kommt sie nicht vor – aus Versehen?

Schauen wir uns Lojewskis Grundregeln an, die angeblich alle in der Wulff-Affäre von „zahllosen Journalisten“ verletzt wurden:

1. Fakten vor Gerüchten. Das einzige schwerwiegende Gerücht, an das ich mich erinnere, betraf die Vergangenheit der Ehefrau; aber das hat Wulff selber im TV-Interview thematisiert. Journalisten in Niedersachsen war das Gerücht schon lange bekannt; keiner hat es öffentlich gemacht.

War nicht das Problem, dass zu viele Fakten über Wulffs Leben bekannt wurden und vor allem über sein Verhältnis zum Geld?  Fragen konnte man sich in der Tat, ob manche Fakten eine öffentliche Diskussion wert waren.

Übrigens hatte der Bundespräsident ein gestörteres Verhältnis zu Fakten als Journalisten. Wenn wir Halbwahrheiten als Gerücht klassifizieren, dann war darin Wulff der Meister.

2. Sorgfalt vor Schnelligkeit.  Da hätte ich gerne Beispiele. Schauen Sie sich den Fragekatalog der Journalisten an, im Internet  zu lesen: Sie haben in der Regel auf Wulffs Antworten gewartet. Das Problem war bisweilen die Dumpfheit der Fragen, um nicht von Dummheit zu schreiben, aber nicht die Geduld und die Sorgfalt der Journalisten. Das Problem waren die Antworten Wulffs. 

3. Nachricht vor Meinung. Die Regel ist unsinnig: Ein guter Journalist trennt deutlich Nachricht und Meinung, aber er bietet beides an.

4. Unparteilichkeit vor Vorurteil. Die Regel verstehe ich nicht. Ein Journalist ist unparteilich in der Recherche und parteilich im Kommentar. Was das mit Vorurteilen zu tun hat, erschließt sich nicht.

Ob sich wohl ein einziger Journalist öffentlich entschuldigen wird, bei ihm (Wulff) und bei seinem Publikum?

fragt Günther von Lojewski. Ist in Hannover ein Prozess gegen Journalisten geführt worden? Oder hat die Staatsgewalt einen Prozess gegen den Bundespräsidenten vorangetrieben? Und eine andere Staatsgewalt ihn freigesprochen?

Ich fand es unsinnig, dass gegen Wulff ermittelt wurde. Ich finde es meist unsinnig, wenn sich Staatsanwälte in das politische Geschäft einmischen; Politik gehört in Parlamente und in Untersuchungsausschüsse und nicht in Gerichtssäle. Ich finde es richtig, ja notwendig, wenn Journalisten die Mächtigen kontrollieren, auch den Bundespräsidenten. Wir schaden der Demokratie, wenn wir es nicht tun.

Ich entschuldige mich nicht.

Presserabatt für schlüsselfertige Ein- und Zweifamilienhäuser

Geschrieben am 29. Januar 2014 von Paul-Josef Raue.

Dass es so etwas noch gibt – entdeckt auf Facebook (jouurnalismus.com)::

Für Bild- oder Fotojournalisten:
Die Datacolor AG bietet mit der Spyder4 Produktpalette Monitor- und Kamerakalibrierung, sowie Druckerprofilierung an. Auf alle Produkte gibt es 25 Prozent Presserabatt.

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Der Elektronik-Versandhändler ELV bietet JournalistenInnen 10% #Presserabatt auf alle Katalogartikel bis auf wenige Ausnahmen.

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HNA zitierte aus Ermittlungsakten: Das ist verboten, aber Verfahren wurde eingestellt

Geschrieben am 28. Januar 2014 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 28. Januar 2014 von Paul-Josef Raue in Presserecht & Ethik, Recherche.

Horst Seidenfaden, Chefredakteur der HNA in Kassel, ließ wörtlich aus Ermittlungsakten zitieren, zwei Redakteuren wurden angeklagt und bekamen einen Prozess – der heute (28. Januar 2014) schnell wegen Geringfügigkeit eingestellt wurde. Amtsrichter, Staatsanwalt und Verteidiger waren damit einverstanden.

Laut dpa hatten die HNA-Redakteure über einen Häftling berichtet, der 2012 im Gefängnis ermordet woren war und dann aus den Ermittlungsakten wörtlich zitiert – vor der Gerichtsverhandlung; das ist verboten, aber lange schon umstritten.

„HNA“-Chefredakteur Horst Seidenfaden sagte laut dpa:

Ich bin froh über das Verfahren, denn es habe Journalisten deutlich gemacht, dass man hier in eine Falle tappen könne. Ich fordere den Gesetzgeber auf, die Regelung zu überarbeiten. Allerdings zeigt die Einsicht von allen Seiten, dass dieses Gesetz umstritten ist, dass investigativer Journalismus eine Chance hat in diesem Land.

Wann muss ein Gesicht verpixelt werden?

Geschrieben am 6. Januar 2014 von Paul-Josef Raue.

„Ein verpixeltes Gesicht ist ein Witz“ schreibt ein Leser:

Ich komme mir etwas „veräppelt“ vor. Was soll das? Füllt man so billig die Seiten? Wann erscheint der erste Artikel, der geschwärzt ist? Ich bin der Meinung, in Fällen, wo Personen aus irgendwelchen Gründen nicht erkannt werden sollen: Foto einfach weglassen!

In der TA-Rubrik „Leser fragen“ habe ich geantwortet (hier ausführlichere Antwort):

Deutsche Gerichte schützen auch Angeklagte und sichern ihnen Anonymität zu. Das Verfassungsgericht entschied vor fünf Jahren im „Holzklotz-Fall“: Gerade wenn eine Tat besonders grausam und verwerflich ist, hat ein Angeklagter das Recht, dass sein Bild nicht in der Zeitung erscheint – weil er sich auch nach einem Freispruch vom Makel des Tatvorwurfs nur schwer befreien könne.

Das Recht auf Anonymität und die Unschuld-Vermutung verhindern also, dass Verdächtige und Angeklagte mit ihrem Porträt in der Zeitung gezeigt werden können. Ist allerdings das öffentliche Interesse sehr groß, darf auch eine Angeklagte wie etwa Beate Zschäpe im NSU-Prozess gezeigt werden. Die Bürger wollen wissen: Welcher Mensch steht hinter einer solchen Tat? Dies, aber nicht Sensations-Lust, rechtfertigt ein unverpixeltes Gesicht.

Aber auch wenn ein Gesicht verpixelt werden muss, kann ein Foto sinnvoll sein: Wie versteckt sich ein Angeklagter? Wie ist seine Körpersprache? Sind seine Hände gefesselt? Wie hat er sich gekleidet? Wie sieht seine Umgebung aus: Verteidiger, Polizisten, der Saal? Was liegt vor ihm auf dem Tisch?

Sie haben allerdings Recht: Wenn nur ein verpixelte Gesicht zu sehen ist und sonst nichts, dann ist es sinnvoller, das Foto einfach wegzulassen.

INFO – Was ist der Holzklotz-Fall?

Aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. November 2008:

Die Antragstellerin betreibt einen privaten Rundfunksender. Sie beabsichtigt, die im Zuge ihrer Berichterstattung über das am Landgericht Oldenburg (Oldb) anhängige Strafverfahren gegen N.H. (Geschäfts-Nr. 5 Ks 8/08) gefertigten Fernsehaufnahmen von dem Angeklagten in nicht anonymisierter Form zu veröffentlichen. Gegenstand des Strafprozesses ist der sogenannte „Holzklotz-Fall“.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, am 23. März 2008 von einer in Oldenburg gelegenen Autobahnbrücke einen von ihm mitgebrachten Holzklotz auf die Fahrbahn der BAB 29 geworfen zu haben. Der Holzklotz soll die Windschutzscheibe eines sich nähernden Pkw durchschlagen und die Beifahrerin getroffen haben, die an ihren Verletzungen verstarb. Der Fall hat bundesweites Aufsehen erregt und eine umfangreiche Medienberichterstattung ausgelöst, auch weil die Verstorbene Mutter zweier Kinder ist und ihre Familie sich zur Tatzeit mit ihr im Auto befunden hat.

Der Täter wurde rechtskräftig wegen Mordes und versuchten Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt.

Thüringer Allgemeine, Kolumne „Leser fragen“ 4. Januar 2014

Warum so viel Schumacher? Oder: Wann ist eine Nachricht wichtig?

Geschrieben am 5. Januar 2014 von Paul-Josef Raue.

Tagesschau-Chefredakteur Kai Gniffke reagiert auf die Beschwerden und das Unverständnis, warum die seriöse Nachrichtensendung Michael Schumacher tagelang als Top-Thema gebracht hat und tagelang als Aufmacher. Er nennt im Tageschau-Blog die Nachrichten-Faktoren, die für die Redaktion entscheidend waren – und seinen „journalistischen Kompass“:

1. Popularität:

Es war mehr als einer von vielen hundert Skiunfällen: „Wenn zwei Menschen das gleiche tun, ist es nicht das gleiche – dieser Satz gilt auch bei Nachrichten. Millionen von Menschen nehmen Anteil an seinem Schicksal und möchten wissen, wie es ihm geht… Er gehört in eine Kategorie populärer Persönlichkeiten, die eine umfangreiche Berichterstattung rechtfertigt, ohne dass wir damit Tagesschau-Grundsätze aufgeben“

2. Nachrichtenarme Zeit:

„In diesen eher nachrichtenschwachen Tagen würden wir unsere Sendungen krampfhaft mit sogenannten B-Themen füllen.“

3. Keine Mutmaßungen, keine Gerüchte:

„Zu einer gewissenhaften und verantwortungsbewussten Berichterstattung gehört auch die Präsenz vor Ort… Dabei haben wir peinlich genau darauf geachtet, dass wir uns aus Mutmaßungen, Spekulationen, vor allem aber aus Gerüchten und Dramatisierungen heraushalten.“

4. Nur Neuigkeiten, keine Themen-Kampagne

„Wenn wenn die Tagesschau keine Meldung macht, ahnen die Leute wohl, dass es nichts Neues gibt. Wir greifen das Thema also wieder auf, wenn es eine neue Information gibt.“

KOMMENTARE auf Facebook (5. Januar 2014)

Martin K. Burghartz

Wann ist eine Nachricht wichtig? Wenn es genug PR-Agenturen mit Millionenetats gelungen ist, die wenigen Nachrichtenagenturen derart gleichmäßig mit Informationen zu impfen, dass (deutsche) Journalisten das für die Wahrheit halten und darüber berichten und das Geschehen kommentieren. Beispiele sind die Berichterstattung über USA, Syrien, Iran, Israel,… Staatsräson? Dummheit? Zeitnot? Diese Diskussion vermisse ich im „Handbuch“, die Berichterstattung der Tagesschau über Schumacher ist da eher eine Randnotiz…

Paul-Josef Raue

Das ist mir zu viel Weltverschwörung. Welche PR-Agentur hat Snowden engagiert? Warum sterben Reporter in Syrien und Afghanistan? Warum kann jeder Journalist ungehindert nach Israel reisen und auch ins Westjordanland, nach Ramallah?

In der Tat sind PR-Agenturen ein großes Problem, davon handelt im „Handbuch“ auch das Kapitel 20 „Waschzettel und Verlautbarungen“, das in der nächsten Auflage noch schärfer formuliert werden muss – weil gerade im Netz, in den Blogs und Internet-Zeitungen die Trennung von PR und Redaktion noch weniger beachtet wird, ja die Nichtachtung bisweilen die geschäftliche Grundlage ist.

Zudem gibt es im „Handbuch“ ein eigenes PR-Kapitel mit einem Zitat von Klaus Kocks: „Wir sind der Parasit einer freien Presse, wir haben kein Interesse daran, dass das Wirtstier derart schwächelt.“

Und wie beginnt das „Handbuch“? Mit Kapiteln über den guten Journalisten, der Rückgrat haben soll, um den „vielfältigen Versuchungen und Pressionen zu widerstehen, die auf ihn eindringen“ usw.

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Ist das eine korrekte Überschrift: „Türke trainiert Hannover“?

Geschrieben am 4. Januar 2014 von Paul-Josef Raue.

Eine Leserin ruft an und beschwert sich über die Wortwahl in der Überschrift auf der Sport-Seite: „Türke trainiert Hannover“.

In seiner Samstag-Kolumne antwortet der TA-Chefredakteur:

Warum stört uns das Wort „Türke“? Stünde da „Österreicher“ oder „Schweizer“ protestierte keiner. Aber – der „Türke“ sorgt bei vielen für ein mulmiges Gefühl.

Dabei ist die Überschrift sachlich in Ordnung: Seit über dreißig Jahren ist es das erste Mal, dass ein türkischer Trainer eine Bundesliga-Mannschaft übernimmt. Das ist eine Überschrift wert.

Doch bei Wörtern schwingt bisweilen eine Bedeutung mit, die mit dem ursprünglichen Wort nichts gemein hat. Diesen Unterton meinen Sie, wenn sie „Türke“ lesen ohne jeden Zusatz wie etwa „türkischer Trainer“. Sie vermuten, dass Vorurteile bedient werden – wie sie beispielsweise Neonazis schüren und Fremdenfeinde und Verächter des Islam.

Ist das der Fall, sollten wir in der Wortwahl bedächtiger sein, aber gleichwohl die Frage stellen: Dürfen die Feinde der Demokratie unschuldige Wörter aus unserer Sprache vertreiben?

Thüringer Allgemeine, 4. Januar 2014

Der neue Paparazzi-Trick an Schumachers Krankenbett: Die letzte Ölung

Geschrieben am 1. Januar 2014 von Paul-Josef Raue.

Die Jagd nach Fotos und Informationen aus verbotenen Zonen ist ebenso wenig neu wie der Abscheu, der stets geäußert wird, wenn es herauskommt. Der neueste Fall: Die letzte Ölung als Paparazzi-Trick. Ein Journalist hat sich als Priester verkleidet, um den todkranken Michael Schumacher zu sehen – allerdings ohne Erfolg.

Sabine Kehm, Schumachers Managerin, sagte: „In meinen Augen ist das abscheulich.“

Was der falsche Priester da nur wollte? Sprechen kann Schumacher nicht; auf der Intensivstation sehen alle Patienten gleich aus, so dass ein Foto wenig bringt. Allerdings gäbe es einige auf dem Boulevard, die nach dem Ski-Unfall trotzdem viel Geld für ein Schumacher-Foto zahlten.

Beim Boulevard erzählt man gerne mit Bewunderung die Erfolge eines Reporters, der zwar nicht schreiben konnte, aber an jede Information aus den Krankenhäusern herankam: Er schmeichelte den Krankenschwestern und gab bisweilen alles. Auf die Idee mit dem Priester war er nicht gekommen.

Journalisten manipulieren und inszenieren: Die Femen-Aktion zu Weihnachten im Kölner Dom

Geschrieben am 30. Dezember 2013 von Paul-Josef Raue.

„Viele Ereignisse werden eigens inszeniert, damit über sie berichtet werden kann“, steht im Handbuch-Kapitel „Die meisten Journalisten sind unkritisch“. Hans Leyendecker deckt in der Süddeutschen Zeitung auf, dass der Tanz einer halbnackten Philosophie-Studentin inszeniert war – während der Weihnachtsmesse auf dem Altar im Kölner Dom, vor den Augen des Kardinals Meissner.

1. Femen bekommen ein spezielles Training für ihre Nackt-Provokationen.

2. Die Paparazzo-Agentur „Hans Paul Media“ aus Sydney will eine Nachricht aus dem Umfeld der Frau bekommen haben, wollte exklusiv berichten und stellte einen Kameramann in den Dom. Hans Paul zu Leyendecker: „Leider kam unserem Paparazzo in Köln der Express in die Quere und nahm uns die Exklusivität.“ Dadurch sei ein Schaden von hunderttausend Eurp entstanden, auch wenn die Fotos an die englische Sun, in die USA und nach Südamerika verkauft werden konnten.

3. Der Kölner Express fotografierte die Studentin vor ihrer Aktion, als sie mit Kopftuch und Kleidung in der ersten Reihe saß. Der Fotograf jagte auch hinter der Frau her, als beim ersten Lied nach vorne stürmte und sich die Kleider vom Leib riß, auf dem „I am God“ geschrieben war.

4. Die Chefredaktion des Express berief sich laut Leyendecker auf Informantenschutz und verurteilt solche Aktionen prinzipiell – nachdem die Zeitung die Bilder gedruckt hatte: „So missbrauchen Aktivisten unseren Dom“.

5. Leyendecker rechnet mit einer Bewährungsstrafe für die Feministin und gegen den Fotografen möglicherweise mit einem Verfahren wegen Beihilfe.

Quelle: Süddeutsche, „Halbnackte Wahrheit“ vom 30. Dezember 2013

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