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Joachim Braun: Ein junger Wilder wird Chefredakteur des Jahres

Geschrieben am 27. Dezember 2012 von Paul-Josef Raue.

Joachim Braun ist ein ungewöhnlicher Chefredakteur: Kein Manager, dem Zahlen wichtiger sind als Recherchen; kein Presseclub-Dauergast, der die Welt erklärt; kein Liebling der Mächtigen in der Provinz, auch wenn sie ihn umarmen wollen. Joachim Braun ist Chefredakteur des Nordbayrischen Kurier in Bayreuth, ist Regional-Chefredakteur des Jahres – und feiert heute Geburtstag (27. Dezember).

Braun plädiert für eine strikt journalistische Haltung

Das alte Sowohl-als-auch, wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass, zählt nicht mehr. Journalisten müssen sich bekennen, müssen Orientierung geben, Hintergründe aufarbeiten, darstellen und vor allem: Sie müssen Klartext schreiben. Nur so bekommen sie Relevanz und erreichen ihre Leser auch emotional.

So steht es in seinem Blog „An(ge)kommen in Bayreuth“, eine ebenfalls ungewöhnliche Chronik eines Chefredakteurs, der vom ersten Tag an notierte und öffentlich machte, was ihm in der Redaktion und in der Stadt auffällt und missfällt.

So machte er sich nicht überall beliebt – auch nicht bei allen in seiner Redaktion, vor allem nicht bei jenen, die – so steht es in seinem Blog – „immer noch glauben, sie hätten in den vergangenen 25 Jahren alles richtig gemacht,

  • weil ihnen die Abonnenten nicht davon gelaufen sind,
  • die soziale Netzwerke standhaft ablehnen, weil sie glauben, sie verrieten dort ihre Ideale,
  • die eine Schulverbandsversammlung 60 Zeilen lang ins Blatt hieven, obwohl sie der Text nicht interessiert,
  • denn: Das haben wir schon immer so gemacht.

Dazu passt eines der Lieblings-Zitate von Braun, das er in einem Interview mit Jürgen Klopp, dem Meistertrainer von Borussia Dortmund, gelesen hat:

Sollten wir einen finden, den ich nicht mehr motivieren kann – der wäre hier auch nicht mehr so glücklich.

Der regionale Chefredakteur des Jahres, den eine Jury des Medium Magazin  wählt, kommt am Ende einer langen Liste von Journalisten, die unsere eitle Zunft als die wahren Journalisten preist: Dreimal FAZ, einmal Spiegel, Welt und dpa, je einmal WDR und ZDF.  Mit der Provinz will man sich nur am Rand ein wenig schmücken, wenn man sich feiert „unterstützt von der Metro group und otto group“.

Die Jury- Begründung für Joachim Braun ist jedoch vorzeigbar:

Er steht für einen unerschrockenen Journalismus, wie man sich ihn nur wünschen kann in einer Region: Gradlinig und kantig scheut er keine Konfrontation mit der Obrigkeit (was u.a. 2012 dazu führte, dass der Bayreuther Oberbürgermeister nicht wiedergewählt wurde). Ebenso wenig scheut er sich davor, alte redaktionelle Zöpfe abzuschneiden (z.B.Vereins- und Honoratioren-Berichterstattung). Er selbst geht mit gutem Beispiel voran und gibt mit seinem kritischen Blog „An(ge)kommen in Bayreuth“ täglich die journalistische Haltung vor, die er auch von seiner Redaktion erwartet.

Da ist allerdings noch ein Rest von Verachtung der Provinz zu lesen: Vereinsberichterstattung als alter Zopf, der abzuschneiden ist – als ob der Bürger, der sich engagiert und selbst organisiert, unserer Gesellschaft schadet. Da wird Lokalberichterstattung gerühmt, nur wenn sie Skandale entdeckt und Bürgermeister absägt – als Provinz-Spiegel sozusagen.

Diese Kopf-ab-Mentalität ist nicht Brauns Sache. Er mag seine Leser, er mag den  Stolz der Menschen auf ihre Heimat, er mag die Provinz, aber nicht das Provinzielle. In seinem Blog ist zu lesen:

Um’s klar zu stellen: Der Nordbayerische Kurier ist weder CSU noch SPD, weder rechts noch links, weder für noch gegen Festspielhaus. Er ist ausschließlich der Wahrhaftigkeit verpflichtet und damit seinen Lesern.

Bei allem Übermut, der Joachim Braun bisweilen überfällt, ist das die rechte Haltung. Glückwunsch,  lieber Joachim Braun!

(zu: Handbuch-Kapitel 2-4 Die Journalisten + 55 Der neue Lokaljournalismus)

 

Diskriminieren wir Frauen in der Zeitung? (Friedhof der Wörter)?

Geschrieben am 23. Juli 2012 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 23. Juli 2012 von Paul-Josef Raue in Friedhof der Wörter.

Ist es eine Beleidigung wenn Zeitungen, über Frauen schreibend, weder Vornamen noch Funktion erwähnen? Wenn sie nur schreiben: „Merkel sagte“ statt: „Bundeskanzlerin Merkel sagte“ oder „Angela Merkel sagte“ oder „Frau Merkel sagte“?

Also noch einmal die Sprache und das weibliche Geschlecht: Gelten für Frauen andere Regeln als für Männer? Diskriminiert die Sprache, weil die Mehrzahl der auf Menschen bezogenen Wörter männlich sind – also der Mensch ohne Menschin, man ohne frau, jemand ohne jefraud und niemand ohne niefraud?

Eine Leserin sieht die Frauen in der Zeitung diskriminiert – und im Zweifelsfall die Männer auch, wenn sie sprachlich nackt in den Zeilen stehen. Zu bequem? Gar faul?

Nein, es ist Gewohnheit. Es gilt in den meisten Redaktionen die Regel: Bei der ersten Erwähnung im Text wird der komplette Name nebst Berufs- oder Funktionsangabe geschrieben, also „Bundeskanzlerin Angela Merkel“; danach geizen die Redakteure mit den Wörtern, sie schreiben nur noch ein Wort, entweder „Merkel“ oder „die Kanzlerin“.

Diese Regel war in der Frühzeit der Übermittlung von Nachrichten nützlich: Wer ein Telegramm schrieb, geizte mit den Buchstaben; wer zuschauen konnte, wie sich im Nachrichten-Ticker die Wörter aufbauten, der wollte so schnell wie möglich die Nachricht senden und verzichtete auf alles, was überflüssig war.

Doch auch in den frühen Jahren des Journalismus galt die Höflichkeit mehr als die Schnelligkeit: Frauen bekamen immer „Frau“ als Vornamen, die Männer nicht den „Herrn“ (was nicht sonderlich auffiel, weil zu den Mächtigen in der Regel nur Männer zählten). Diese altmodisch erscheinende Höflichkeit gilt immer noch in der konservativen „Frankfurter Allgemeinen“: Merkel ist stets „Frau Merkel“, doch der französische Präsident schrumpft zu „Hollande“, ohne Herr.

Aber diskriminiert man/frau die Frauen nicht schon,wenn man/frau sie anders beschreibt als die Männer?

(aus: Thüringer Allgemeine vom 23. Juli 2012)

Im Hausbuch von „dpa“ von 1998 steht unter dem Stichwort „Frauen“:

Bei der Nennung von Frauen verzichten wir auf die Anrede, nachdem wir den Vornamen erwähnt haben. Also nicht „Frau Süssmuth sagte…“, sondern „Süssmuth sagte…“

Hinweise auf das Geschlecht von Personen sind nur dann zulässig, wenn sie von Bedeutung für die Sache sind. Ob eine Regierungschefin verheiratet, unverheiratet, Mutter oder kinderlos ist, ist ebenso wenig oder ebenso sehr wie bei ihren männlichen Kollegen erwähnenswert.

Diskriminierende Bemerkungen über das Geschlecht sind zu unterlassen…

Im Stylebook von AP von 2007 steht unter dem Stichwort „courtesy titles“:

Use the courtesy titles Mr., Miss, Ms. oder Mrs. only in direct quotations.

Wie eine Lokalzeitung diskutiert, was ins Blatt kommt

Geschrieben am 25. Januar 2012 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 25. Januar 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Lokaljournalismus.

„Warum am Samstag kein Platz für den Terror in Nigeria war“,  überschreibt Nachrichtenredakteur Henning Wandel einen Blog-Eintrag des Mindener Tageblatts. Er erläutert, wie in einer Redaktion Entscheidungen fallen:

„Sieben Tote, viele Verletzte – diese Zahlen meldete die Nachrichtenagentur DPA noch am späten Freitagabend nach Anschlägen auf mehrere Polizeistationen in Nigeria. Gegen die Themen, die zu diesem Zeitpunkt auf der außenpolitischen Seite des MT für Samstag vorgesehen waren, konnte sich der wiederholte Terror in Westafrika nicht durchsetzen.

Nicht einmal 17 Stunden später war bereits von 120 Toten die Rede, bis Samstagabend stieg die Zahl auf 165, letztlich verloren an diesem Wochenende wohl fast 200 Menschen in Nigeria bei den Anschlägen ihr Leben. War die Entscheidung am Freitagabend also eine Fehleinschätzung?

Jede dieser Entscheidungen fällt schwer, doch sie sind trauriger Alltag in der Nachrichtenredaktion, die sich unter anderem um die politischen Themen kümmert.

  • – Wann wird ein Anschlag zur Meldung?
  • – Ist es nur die Zahl der Toten?
  • – Ist es die Nähe zu Deutschland? Oder zu Europa? Bei Angriffen auf deutsche Soldaten gibt es ausführliche Berichte – auch wenn es keine Verletzten gibt. Aber Bomben in Nigeria?
  • – Sind Attacken auf Polizeistationen weniger schlimm als Anschläge gegen Christen, mit denen wir uns kulturell eher verbunden fühlen?
  • – Und die wiederum sind nicht zu vergleichen mit Horrormeldungen aus Ägypten, wo viele Deutsche schon einmal Urlaub gemacht haben?

Die Entscheidung von Freitag war in erster Linie nüchtern abgewogen und damit wohl weder falsch noch richtig. Allenfalls unglücklich.

Unglücklich ist in diesem Zusammenhang zudem, dass auch in Zukunft immer wieder ähnliche Entscheidungen getroffen werden müssen und damit so mancher Krisenherd an den Rand gedrängt wird, der eigentlich laut aufschreien lassen müsste. Vor allem, da ein umstrittener Bundespräsident und eine (wohl vorübergehende) Finanzkrise im Angesicht von Terror, Krieg und Hunger bemerkenswert klein erscheinen.“

(zu: Handbuch Kapitel 23 „Was ist eine Nachricht?“ und Kapitel 22 „Warum alles Informieren so schwierig ist“)

Die Sprache der „dpa“ – Segbers zum 60.

Geschrieben am 10. Januar 2012 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 10. Januar 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Friedhof der Wörter.

Michael Segbers, Vorsitzender der „dpa“-Geschäftsführung, feiert heute, am 10. Januar, seinen 60. Geburtstag. Der Manager, der zuvor als Journalist gearbeitet hatte, schuf zusammen mit dem neuen Chefredakteur Wolfgang Büchner eine andere, eine freundliche Agentur: Statt von oben herab den Redakteuren die Welt zu erklären, nimmt sie die „Kunden“ ernst, bittet um Fragen und Anregungen, reagiert schnell – und schreibt endlich deutsch, also klar und verständlich im Lutherschen Sinn (zumindest bemüht sie sich).

In der Neuauflage des Handbuchs ist die Kritik an den Agenturen auch milder als in den Auflagen zuvor:

Die Klage der Redaktion: Das blutleere, verschachtelte Deutsch. Agenturen hängen an der Floskelsprache der Politiker und fügen ihre eigenen scheußlichen Sprachklischees hinzu. Doch wollen sie sich davon verabschieden; im „Entstaubungsprogramm“ zur Agentursprache heißt es im internen dpa-Kompass, einem Wiki-Handbuch für die Redakteure:

„Agentursprache gibt es nicht – es gibt nur gute Sprache. Was wir schreiben, muss sich für die ganze Spanne zwischen Print, Online, Hörfunk und Fernsehen eignen. Ein Radiohörer kann nicht zurückblättern. Ein Internetnutzer oder ein Zeitungsleser macht das aber auch nicht gern.“ (Seite 115)

(zu: Handbuch-Kapitel 19 „Die Nachrichtenagenturen“)

LINK:

http://www.presseportal.de/pm/8218/2177790/vorsitzender-der-dpa-geschaeftsfuehrung-feiert-60-geburtstag-mit-bild

 

Seiten:«123

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