Native Werbung ist Betrug am Leser (Zitat der Woche)
Native will den Leser überlisten – Journalisten wollen überzeugen.
Lars Reckermann, Chefredakteur Schwäbische Post. in einem Tweet vom Verleger-Kongress in Berlin – als Reflex auf FAZ-Online-Chef und Ex-Spiegel-Chefredakteur Mathias Müller von Blumencorn, der gegen native Werbung argumentierte (also Werbung, die wie ein redaktioneller Beitrag aussieht): „Einzige Überlebenschance der Zeitung im Netz: Glaubwürdigkeit“.
Quelle BDZV Intern Ende September 2014
Fachausdruck: Native advertising
Die Debatte geht weiter: Wieviel Mantel braucht eine Regionalzeitung? (Interview der „Drehscheibe“)
Viele Besucher kamen in meinem Blog, um die Eröffnung einer Debatte über Newsdesk, Lokales, Qualität und die richtige Gewichtung in einer Regionalzeitung zu lesen. Eine Debatte ist nicht aufgekommen. Noch nicht? Die Drehscheibe ist jetzt eingestiegen mit einem Interview:
Herr Raue, Sie fordern auf Ihrem Blog einen anderen Umgang mit dem Desk. Wie sieht für Sie der ideale Desk aus?
Es gibt keine gängigen Modelle in deutschen Zeitungen, nahezu jeder Desk ist ein Unikat. Das verwirrt Redaktionen, Verleger und Manager. Der klassische Desk ist einfach: Am Tisch, den der Boulevard „Balken“ nennt, sitzen die „Editors“, die Blattmacher: Sie sind die Textchefs, die auf Verständlichkeit, Logik und Korrektheit achten ebenso wie auf das Einhalten von rechtlichen und ethischen Normen, auf die Linie des Blatts usw.
Die Reporter recherchieren und schreiben, sie sind die Streetworker der Redaktion, befreit von den zu Recht beklagten Einschränkungen durch Technik: Sie sind keine Layouter und Redaktionshocker mehr, sie brauchen nur noch ihren Laptop, eine kleine Kamera und ein Smartphone für die schnellen Meldungen ins Netz. Das ist der eigentliche, wohl auch der ideale Desk.
Wäre damit der klassische Mantelteil, gefüllt mit dpa-Material, überholt?
„Mantel“ ist ein Begriff aus der alten Zeit der zwei Welten: Hier die große Welt, die eigentliche; dort die kleine Welt, die lokale. Heute verlangt der Leser, dass die Zeitung die Welt, die komplette Welt, aus seiner Perspektive sieht, dass sie ihm die Welt ordnet in wichtig und unwichtig für sein Leben – und nicht für das Leben des Redakteurs.
Jede Regional-Zeitung muss selber erkennen, wie viele nicht-lokale Seiten sie bietet, das wird in Flensburg anders sein als in Düsseldort. Diese Seiten sind auch nicht die entscheidenden für Abo und Kiosk. Die Entscheidung fällt im Lokalen, dort muss die Qualität zu Hause sein.
Die Bedeutung des Lokalen für die Zeitung der Zukunft dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben. Was hindert viele Verlag noch daran, diesen Weg – die Stärkung des Lokalen – entschlossen zu gehen?
Nichts hindert sie. Aber dem Denken und vor allem dem Handeln eine neue Richtung zu geben, fällt vielen schwer. Im Zweifelsfall holt sich der Verleger doch einen Korrespondenten als Chefredakteur, weil er eben stolz ist, wenn die Kanzlerin auch seinem Blatt ein Interview gewährt.
Vielleicht gibt es auch zu wenige, die aus dem Lokalen kommen und zum Chefredakteur taugen. Da rächt sich, dass über Jahrzehnte das Lokale kaum beachtet und oft belächelt wurde. Vielleicht fehlt auch immer mehr Chefredakteuren die Leidenschaft für den schönsten Beruf in einer Demokratie: Sie lassen sich eher von Excel-Tabellen faszinieren als von starken Themen und guten Recherchen.
Interview: Stefan Wirner
Link zur Drehscheibe:
http://www.drehscheibe.org/im-lokalen-muss-die-qualitaet-zu-hause-sein.html
Facebook-Kommentare
von Frank Fligge
Provokant wäre die Fragestellung: Braucht Regionalzeitung einen Mantel?
Joachim Widmann
Eine Regionalzeitung, die im klassischen Sinne einen Mantel hat (z.B. weil sie ihn als typischen dpa-Sampler von einem anderen Anbieter bezieht), vergibt ihre Chance, mit blattmacherisch überzeugender regionalisierter Berichterstattung über nationale und internationale Top-Themen Lesern in ihrem Verbreitungsgebiet nahe zu kommen. Das heißt, dass sie bei relevanten Themen Verzicht übt oder schwächelt, was gerade das kritische jüngere Publikum fernhalten dürfte. Ergo: kein Mantel (im klassischen Sinne) ist besser, aber die wichtigsten Mantelthemen gehören unbedingt mit eigenem Dreh und Inhalt sowie hoher Erklärqualität in die Zeitung und müssen von ihr kommentiert und auf Social Media auch mit ihren Lesern diskutiert werden.
Raimund Hellwig:
Provokant wäre: Brauchen wir Regionalzeitungen. Oder tun`s Lokalblätter auch?
Lars Reckermann
Lokalblätter klingt so abwertend gegenüber RegionalZEITUNGEN. Lokales macht auch Zeitung. Ihnen, lieber Herr Raue, pflichte ich bei: Desk ist nicht gleich Desk. Ich muss auf der Ostalb nicht 18 Lokalredaktionen vereinen. Ich muss durch den Desk wieder unsere Reporter zu Reportern machen und sie von Verwaltern zu Gestaltern machen. Damit beginnen wir intensiv im Oktober. Und wir bleiben brutal lokal. Ja, auch mit Vereinen. Ja, auch mit Berichten aus jeder Ecke der Ostalb, in der wir täglich Nachrichten finden (müssen). Wir sind digital auch nicht mehr kostenlos. Wir sind so selbstbewusst, dass wir unsere Lokalnachrichten nicht verschenken. Auch diese Koordination muss ein Desk, nein, muss UNSER Desk übernehmen. Eine Online-Redaktion haben wir nicht. Wir haben EINE Redaktion für unsere Nachrichten. Ich glaube zudem, dass wir mir all dem „alles-muss-sich-ändern“ unseren treuen Leser vor den Kopf stoßen. Lasst uns gute Geschichten schreiben, die gefallen treuen und neuen Lesern. Mir kommt es immer so vor, als hätten wir vor der Einführung von Desks nur schlechte Nachrichten geschrieben – das ist Blödsinn. Ein Desk sorgt nur für bessere Koordination, nicht für bessere Geschichten.
Frank Fligge
DER Desk ist eine Erfindung von Unternehmensberatungen, die vorgeben, von außen kommend, Universallösungen parat zu haben. Das ist Bullshit, den phantasielose Verlagsmanager in ihrer Einfallslosigkeit allerdings sehr gerne glauben. Ein Desk muss auf die ganz speziellen Bedürfnisse der Redaktion/en, für die er arbeitet, ausgerichtet sein. Dann, und nur dann, macht er Sinn. Im Optimalfall arbeitet ein Desk auch nicht FÜR Redaktionen, sondern HAND IN HAND mit ihnen.
Paul-Josef Raue
Der Desk ist älter als jede Unternehmensberatung: Desks gibt es im angelsächsischen Raum seit langem, die Trennung von Editor und Reporter ist weltweit die normale Redaktions-Organisation. Nur Deutschland und die deutschsprachigen Nachbarn gingen nach dem Krieg einen Sonderweg – außer Zeitschriften und Boulevard (der Balken bei Bild).
Frank Fligge
. . . und dann haben findige Berater den Desk zum Sparmodell erklärt, sich selbst ein wunderbares Geschäftsmodell erschlossen und zur weiteren Irritation Begrifflichkeiten wie „Producerdesk“ und „Entscheiderdesk“ eingeführt. Da krieg‘ ich Pickel, wenn ich das höre.
Lars Reckermann
Also ich habe sogar selbst als Volo layoutet und getextet – ich wusste, welches Layout das Blatt hat (4:3) und das jede Seite einen Aufmacher mit harten Facts und eine bunte Geschichte benötigt. Da war mir der angelsächsische Raum, ehrlich gesagt, ziemlich Schnuppe.
Frank Fligge
Als ich Ende der 90er als Jungredakteur in der Lokalredaktion Unna eine zentrale Produktion der Seiten für Unna, Fröndenberg, Holzwickede und Bönen eingeführt habe, also so eine Art internen Mini-Desk, muss Angelsachsen auf einem anderen Planeten gelegen haben.
Frank Jungbluth
Da fällt mir mein geschätzter früherer Kollege #Hans-Albert Limbrock ein, mit dem wir in der WP-Lokalredaktion Soest 1994 eine Revolution veranstaltet haben, die nicht allen Kollegen gefiel: Er spiegelte als stellv. Lokalchef fünf bis sechs Seiten, wir drei anderen Lokalredakteure waren Draußen und recherchierten, schrieben, teilweise auch Zuhause, weil’s manchmal schneller ging. Abends wurde vorgeplant: Wie sieht’s mit der und der Geschichte aus? Rat machen wir aktuell! Ich fand’s großartig, konnte unterwegs sein, mit den Leuten reden, alles einsammeln, was alle „offiziellen“ Verlautbarer uns nie erzählt haben und hätten. Wir sind schlicht und ergreifend hingefahren zu den Leuten und haben nicht nur angerufen. Wir waren nahe dran und besser als die weitaus auflagenstärkere Konkurrenz … Layouten konnten wir alle, auch Filme entwickeln und Negative scannen oder vorher Positive abziehen, im Sonntagsdienst musste man das auch, aber mit dem „Lokaldesk“ 😉 war einfach mehr Zeit für das Wesentliche: Den Journalismus!
Paul-Josef Raue
Der Desk ist einfach ein Tisch, mehr nicht. Es geht um die Organisation der Arbeit, es geht um den Journalismus: Die einen recherchieren, die anderen machen das Blatt. Frank Jungbluth beschreibt es sehr genau, und er beschreibt es so, dass selbst eine kleine Lokalredaktion davon einen großen Nutzen hat. Der Redaktroniker war nie das Ideal des Journalismus: Layouter, Fotograf, Planer, Rechercheur und Schreiber in einem. Sicher gab es begnadete Redakteure, die 12 Stunden im Einsatz waren und alles gestemmt haben; aber ich bin mehr für Professionalität statt für Gnade. In zu vielen Redaktionen sind die meisten nicht mehr rausgegangen: Sie haben mühsam layoutet, auf die Freien gewartet, zwischendurch ein paar Mal telefoniert, Pressemitteilungen umgeschrieben usw. Der Desk macht aus Redaktronikern wieder Journalisten.
Zudem: Die Talente sind in der Regel auch ungleichmäßig verteilt, der eine kann gut recherchieren und mag die Menschen; der andere kann gut redigieren und organisieren und mag seine Kollegen.Und ich bin sicher, verehrter Herr Reckermann: Wenn Sie immer schon wie in der NewYork Times gearbeitet hätten, wären Sie in der Chefredaktion des Spiegel.
Frank Fligge
Ich glaube, den Widerspruch, auf den es hier gerade hinaus läuft, gibt es in Wahrheit gar nicht.
Lars Reckermann
Paul-Josef Raue Es gibt keinen Widerspruch. Ich bin ganz bei Ihnen, wie ich es auch jüngst in meinem Blog beschrieben haben. Den Kollegen das vor-Ort-sein ermöglichen -das muss der Desk. Aber dennoch sei mir, verehrter Herr Raue, erlaubt zu ergänzen: Wer sagt denn, dass ich zum SPIEGEL will. Ich bin Lokalredakteur und das gerne.
Frank Fligge
Wer will schon zum Spiegel?
Paul-Josef Raue
Lieber Herr Reckermann, es war pure Wertschätzung – in jeder Hinsicht.
Wo leben und arbeiten die Print-Grufties? (Zitat der Woche)
Die Redaktionen der Funke-Mediengruppe sind die „Heimstätte bemitleidenswerter Print-Grufties“, so zitiert der kressreport ungenannte Kritiker (22. August 2014).
Neu im Journalisten-Wörterbuch: Freudscher Verschreiber
Sigmund Freud hat den Freudschen Versprecher erfunden, die FAZ den Freudschen Verschreiber – zu finden in einer kleinen Feuilleton-Notiz:
Nicht „frische Lust“, sondern „frische Luft“ hatte im Münchner Residenz Theater der Titelheld von Harold Pinters „Hausmeister“ im Sinn. (F.A.Z. vom 3. April). Wir bitten den Freudschen Verschreiber zu entschuldigen. F.A.Z.
Die psychischen Ursachen des Verschreibens wäre einige Zeilen wert gewesen, so wie sie Sigmund Freud beim Versprecher entlarvt hatte:
Ein Mann erzählt von irgendwelchen Vorgängen, die er beanstandet, und setzt fort: Dann aber sind Tatsachen zum ‚Vorschwein‘ gekommen. Auf Anfrage bestätigt er, dass er diese Vorgänge als ‚Schweinereien‘ bezeichnen wollte.)‚“Vorschein“ und „Schweinerei“ haben zusammen das sonderbare ‚Vorschwein‘ entstehen lassen.
Quelle: FAZ, 7. April 2014
Bio-Journalismus – was ist das?
Miriam Meckel führt ein neues Wort ein: „Biojournalismus“ (Englisch: „organic journalism“). Sie denkt dabei weniger an Bio-Läden und Müsli, an Bio-Fleisch und strickende Studentinnen, also an grüne Visionen; sie führt den Begriff auf das altgriechische und lateinische Wort „Bios“ zurück, das Leben bedeutet.
Sie will Biojournalismus als Abgrenzung zu „standardisierten algorithmischen Produkten“ verstehen:
„Biojournalismus“ ist das Differenzierungskriterium in einem weitgehend technisierten und standardisierten Medienmarkt, geprägt durch Haltung, Stil und individuelles Erzählen. „Biojournalismus“ ist vielleicht das letzte Gefäß für das, was wir heute noch als Ethos des Journalismus bezeichnen…
„Biojournalismus“ kann für nachhaltige Moral sorgen, für ein Gerüst moralischer Orientierung, ohne dass unsere Gesellschaft zu einer geistigen Wegwerfgesellschaft verkommen kann.
Abgesehen von modischem Wortgeklingel wie „nachhaltig“ und „moralische Orientierung“ ist „Biojournalismus“ irreführend: Bios ist auch der Name für einen Speicher, der einen Computer schnell funktionsfähig, also lebendig macht. Aber gegen die Technik und Standards der Computerwelt will Meckel den Journalismus der Zukunft positionieren. Da brauchen wir also ein besseres Wort.
(Miriam Meckel führte den Begriff ein in einem Vortrag zum 25-Jahr-Jubiläum der Holtzbrinck-Journalistenschule, abgedruckt im Handelsblatt, 14.3.2014)
Gegen die Lanz-Petition: Die Mausklick-Demokratie entwertet die Politik
Höflichkeit gehört nicht zur Berufsbeschreibung von Journalisten. Eigentlich gehört es sogar zu den grundlegenden Moderatorenpflichten, dass sie den Redefluss von Politikern stoppen, die stur ihr Parteiprogramm herunterbeten.
Andrian Kreye im SZ-Leitartikel zur Online-Petition, die mehr als 170.000 anklickten, gegen den ZDF-Moderator Markus Lanz; er war in seiner Talkshow der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht mehrfach ins Wort gefallen. Vorwerfen könne man Lanz allenfalls, dass er seine kritische Moderation öffentlich bedauert habe.
Ins Gericht geht Kreye auch mit der „Mausklick-Demokratie“, die kein „Ausdruck eines politischen Willens, sondern Abbild momentaner Launen“ sei. Er spricht von einer „Entwertung der Politik durch die Passivität des politischen Klickens“.
Bedenklich findet Kreye auch – zu Recht -, dass sich Zeitungen und Magazine verleiten lassen, die hohen Klickzahlen als Abbild der Volksmeinung aufzuwerten: „Ein paar Hunderttausend Petionsklicker sind keine Bewegung“. Das Aufsetzen einer Petition dauere nicht lange auf der Webseite www.openpetition.de; dort findet man auch Petitionen wie „Freiheit für die KURVE + mehr STEHPLÄTZE in der Allianz Arena“ oder „Keine Moschee in Leipzig/Gohlis – Bürgerinitiative: Gohlis sagt Nein!“
Quelle: SZ 25.1.2014
Lexikon journalistischer Fachausdrücke:
Mausclick-Demokratie
Das Wort des Jahres: GroKo, #Raute, Matt und Knochenbruch (Friedhof der Wörter)
Deutsche sind sparsame Menschen, die Werbung wie „Geiz ist geil“ nett finden. Deutsche sparen auch mit Worten, geizen um jede Silbe – findet die „Gesellschaft für deutsche Sprache“, die das „Wort des Jahres“ wählt.
In diesem Jahr ist das Wort kein Wort, sondern eine seltsam geschriebene Abkürzung: „GroKo“; das bedeutet: „Große Koalition“. Nun kenne ich viele sparsame, ja sogar geizige Menschen, aber ich kenne keinen, der „GroKo“ sagt; alle sagen: „Große Koalition“, wenn sie sich überhaupt für die Koalition interessieren.
Die meisten, die ich nach „GroKo“ fragte, vermuteten einen Papageien-Namen; einer tauchte sogar tief ab in die Geschichte und erinnerte sich an Hitler, den „Gröfaz“, den größten Feldherrn aller Zeiten.
Häufig geschrieben wird „GroKo“ allerdings in der Twitter-Welt: Wer eine solche Nachricht
im Internet sendet, muss sich kurz fassen – denn nach 140 Zeichen ist Schluss. Da geizt man mit jedem Buchstaben und nutzt gerne einen „Hashtag“, ein Schlagwort, vor das man eine Raute (#) setzt.
Wer „#GroKo“ eingibt, kann Tausende von Kurznachrichten lesen über die Große Koalition, wobei das seltsam große „K“ auch folgenlos klein geschrieben werden kann.
Groko wird, so sei orakelt, in spätestens fünf Jahren auf dem Friedhof der Wörter ruhen – wie „Glykol“, das in den achtziger Jahren ebenso „Wort des Jahres“ war wie die „Nulllösung“.
Die #-Raute bedeutet im Schach: Matt – und in der Medizin: Knochenbruch. Das passt doch zum „Wort des Jahres“.
Korrespondent in Israel: Mittags als Reporter im Krieg, abends als Familienvater zu Hause
Korrespondent in Israel – das ist wohl der einzige Platz in der Welt, wo man als Reporter von einem ausgewachsenen Krieg berichten und abends bei der Familie schlafen kann. Sagt Christian Sievers, Leiter des ZDF-Studios in Tel Aviv. „Alles ist ganz nah“ – und stellt fest, dass Israel ein flächenmäßig kleines Land ist, umgeben von Ländern mit Krieg, Aufruhr, Terror und instabilen politischen Verhältnissen.
Dennoch stehen Krieg und Unfrieden bei den Nachbarn nicht ganz vorne in den israelischen Medien, sondern mehr die sozialen Unruhen in Israel – die kaum bezahlbaren Mieten, die teure Milch, die schwindenden Karriere-Chancen in der Mittelschicht. „So jagen die israelischen Medien jeden Tag eine neue Sau durchs Land, aber am nächsten Tag ist davon nichts mehr zu sehen. Es fehlt das nachfassende Element“, stellt der ZDF-Korrespondent Sievers fest und nennt diese Art von Aufmachern „One-Day-Stories“.
So träumen immer mehr israelische Jugendliche vom Ausstieg aus dem Land, sind die Flüge von Tel Aviv nach Berlin stets ausgebucht. „Das ist schon fast eine Schieflage, wie begeistert die jungen Israelis von Berlin sind, von Deutschland überhaupt“, kommentiert Gisela Dachs, seit zwei Jahrzehnten Korrespondentin der Zeit in Israel. „Die jungen Deutschen werfen den Israelis ihre Probleme mit den Palästinensern vor; die jungen Israelis werfen den jungen Deutschen nichts mehr vor.“
Für die Enkelgeneration steht die Shoa offenbar nicht mehr im Vordergrund. „Die jungen Israelis interessiert der Rechtsextremismus in Deutschland nicht, auch nicht die Morde der NSU“, stellt Gisela Dachs fest.
Der junge Torsten Teichmann ist Leiter des ARD-Hörfunks in Tel Aviv. „Ich bringe viele Geschichten in den Jugendwellen der einzelnen Sender unter“, erzählt er; offenbar ist das Interesse an Israel bei den jungen Deutschen groß.
Das Interesse an Israel, dem Iran und dem Nahen Osten in Deutschland scheint in der Tag groß zu sein, nicht nur bei den Jungen: So plant Richard Schneider, seit vier Jahren Chef des ARD-Studios in Tel Aviv, für den 31. März einen 90-Minuten (!)-Film über den Nahen Osten.
Schneider ist Jude und wollte schon vor 15 Jahren als Korrespondent nach Israel. „Damals schickte man mich nicht nach Israel, weil ich Jude bin. Vor 8 Jahren schickte man mich doch. Die Zeiten hatten sich geändert.“
Quelle: Diskussion mit Israel-Korrespondenten in Tel Aviv bei einer Reise der Bundeszentrale für politische Bildung anlässlich von „50 Jahren Studienreise nach Israel“
Printen wir die Zeitung? Oder drucken wir noch?
Die letzte Printausgabe von Newsweek erscheint, sagt die Moderatorin in Deutschlandradio Kultur. Printausgabe? Werden Zeitungen nicht gedruckt?
Print ist einer der überflüssigen Anglizismen. „Druckausgabe“ hat nicht einen Buchstaben und nicht eine Silbe mehr. Noch schöner, auch wenn dreisilbig, ist: gedruckte Ausgabe.
(zu: Handbuch-Kapitel 16 Lexikon unbrauchbarer Wörter + Service H Lexikon journalistischer Fachausdrücke)
„iDarwinismus“
Schießerei auf der Straße. Reaktion der Passanten 1992: Deckung suchen. 2012: Handy zücken und filmen. Man nennt es auch iDarwinismus.
Tweet des Tages in Welt Kompakt (9.8.2012), geschrieben von „Privatsprache“
(zu: Handbuch-Kapitel 5 Der Online-Journalismus + 56 und Aktionen + Anhang-Service H Lexikon journalistischer Fachausdrücke)
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