Alle Artikel mit dem Schlagwort " Süddeutsche-Zeitung"

Fundstücke: Ist der Verleger wichtiger oder die Redaktion?

Geschrieben am 7. Dezember 2012 von Paul-Josef Raue.
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Das Publikum kommt nicht wegen des Zirkusdirektors in den Zirkus.

Was ist wichtiger: Die Redaktion oder der Verleger? Dirk Ippens Understatement, zu lesen in der „Süddeutsche Zeitung“ (4. Dezember 2012, nach Turi.de). Ippen hat seine Zeitungen zu einem Lokalzeitungs-Imperium ausgebaut nach dem Grundsatz „Jedes Geschäft ist lokal“. Vor vierzig Jahren wurde er belächelt, heute gilt das Lokale als die Zukunft der Zeitung.

Fundstücke: Wenn der Chefredakteur durchdreht

Geschrieben am 3. Dezember 2012 von Paul-Josef Raue.
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Es gibt Chefredakteure, die während der Redaktionskonferenzen schon mal in Stücke gerissene Zeitungsseiten kauten (Nichts merkwürdiger als der Mensch, insbesondere, wenn er Journalist ist).

SZ-Reporterchef Hans Leyendecker in der Süddeutschen Zeitung 30. November 2012

(zu: Handbuch-Kapitel 46 Wer hat die Macht?)

Wickert zum 70.: „Es reicht, keine Angst zu haben“

Geschrieben am 2. Dezember 2012 von Paul-Josef Raue.
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Wieviel Misstrauen braucht ein Journalist? Wenig, meint Ulrich Wickert, der heute, am 2.  Dezember 2012, seinen  70. Geburtstag feiert. „Eine der wichtigen Eigenschaften eines Journalisten sollte sein, Vertrauen zu schaffen“, sagt Ulrich Wickert in einem Interview mit der Thüringer Allgemeinen.

Eigentlich wollte er kein Journalist zu werden. Dämlich habe er sich im ersten Gespräch mit einem Fernsehdirektor angestellt: Wer das in seinem neuen Buch „Neugier als Lebensmotto“ lese, werde sich biegen vor Lachen. „Aber ich wurde Journalist, weil dies wohl – ohne dass ich es bewusst als Lebensziel sah – meiner tiefen Neigung entsprach.“

Hans Leyendecker schreibt in der Süddeutschen Zeitung (1.12.2012), ein wenig resignierend über den Beruf des Journalisten: „Wickert gehört zu den Glücklichen, die einen Sinn in all dem Schaffen erkennen können.“

Was ist Wickerts Glück, Leyendecker folgend:

  • Rheinischer Optimismus
  • Der nie beirrte Glaube an den Sinn journalistischer Arbeit
  • Der nie schwindende Glaube an die Aufklärung (der bei anderen in der Regel mit dem Alter abhanden kommt)
  • Fehlender Zynismus („Zynismus wird in diesem Beruf  Erfahrung genannt“)
  • Realismus statt Resignation
  • Weltenbummler
  • Nachrichtenversessen (liest morgens Herald Tribune, Le Monde und drei weitere Zeitungen,  schaut Tagesschau, Tagesthemen und Dokumentationen bei Arte)
  • Charmant, sehr gelassen, erstaunlich normal (im TV-Studio wie beim Einkaufen im Gemüseladen)

Einem jungen Menschen gibt Wickert im Interview der Thüringer Allgemeine den Rat, Journalist zu werden – „wenn er Neugier als Lebensmotto anerkennt, dann soll er es versuchen“.

Im Gegensatz zu seiner Generation, die eine „Generation ohne Angst“ war, erlebten die jungen Leute in ihrer Generation heute „schon von jung an die Sorgen des Lebens: Sie lebt in der Schule unter Erfolgsdruck, sie fragt nach der Ausbildung: Bekomme ich einen Beruf, in dem ich angemessen verdiene? Kann ich mir eine Wohnung leisten? Muss ich mir Gedanken über meine Zukunft bis hin zur Rente machen?“

Sein Rat lautet: „Es reicht, keine Angst zu haben. Das ist eine der wichtigsten Erkenntnisse meines Lebens.“

Kritisch geht Wickert, der die Welt kennt, mit seinem Heimatland um: „In Deutschland heißt es häufig: Das haben wir noch nie gemacht! Das geht nicht! Das ist verboten – eine besonders beliebte Phrase! Dafür fehlen die Richtlinien! usw. Allein die Gründung von Microsoft in einer Garage wäre an Bestimmungen gescheitert, weil man in einem Raum ohne Fenster nicht arbeiten darf!“

Das komplette TA-Interview: Freiheit ja viel damit zu tun, dass man machen kann, was man für richtig hält

(zu: Handbuch-Kapitel 2-4 Der Journalist)

Ude (2): Die hohe Kunst des Lokaljournalismus

Geschrieben am 19. November 2012 von Paul-Josef Raue.
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Wenn Münchens Oberbürgermeister verstehen will, was seine Verwaltung schreibt, schaut er in den Lokalteil der Zeitungen: „Ich verstehe viele Vorlagen nicht. Aber seriösen Zeitungen gelingt es, den wesentlichen Inhalt zu vermitteln.“ Das eine, die Leistung der Lokaljournalisten, sei eine Kunst; das andere, die Verwaltungssprache, ein Milieu-Schaden.

So sprach Christian Ude bei der Lokaljournalismus-Konferenz des Netzwerk Recherche in München (9. November 2012). Daraus abzuleiten ist die Forderung an die Lokaljournalisten: Übersetze die Verwaltungssprache in ein verständliches Deutsch, damit es nicht nur der Oberbürgermeister verstehen kann, sondern jeder Bürger deiner Stadt!

Eine weitere Kunst, die Lokaljournalisten beherrschen, lobte Ude: Aus einer neunstündigen Sitzung das Wesentliche zu destillieren. „Wir profitieren davon!“ – und meinte mit „wir“ die Politiker. Auch daraus kann man eine Forderung formulieren.

Eine dritte Kunst hob Ude hervor: „Als Korrespondent in Südamerika ist es völlig wurscht, was sie schreiben, im Lokaljournalismus muss jede Zahl und jeder Vorname stimmen, zumindest bei einem Stadtrat. Die öffentliche und soziale Kontrolle ist nirgends so enorm wie im Lokaljournalismus.“ Daraus folgert Ude: „Das hohe Selbstwertgefühl der Lokaljournalisten ist durchaus berechtigt.“

So lassen sich die Ude-Regeln der Lokaljournalisten-Kunst formulieren:

1. Schreibe so, dass dich jeder versteht, sogar der Oberbürgermeister!
2. Hole das Wesentliche aus jeder langen Sitzung, aus jeder Versammlung heraus!
3. Recherchiere sorgfältig, weil dich jeder kontrollieren kann!

Eine vierte Regel fügte er an: Kontrolliere die Mächtigen! Sei Wächter der Demokratie! Diese Regel formulierte Ude als Kompliment: „Man muss Lokaljournalisten fürchten!“

Die Wächterfunktion sei notwendig, denn – so Ude – „alle Menschen jeglicher Couleur neigen zum Machtmissbrauch, wenn sie nicht von außerhalb kontrolliert werden.“ Zu schreiben, was verschwiegen werden soll, sei die vornehme Aufgabe der Lokaljournalisten.

Wie er selber einmal in seiner Jugend wenig sorgfältig, aber dennoch erfolgreich gewesen war, erzählte er vor hundert Gästen im Restaurant der Süddeutschen Zeitung:

Ich habe eine Musikkritik in der SZ geschrieben, ohne dabei gewesen zu sein. Ich hatte keine Lust, bin ins Textarchiv gegangen, habe mir eine entsprechende Kritik von Joachim Kaiser angesehen, die besten Passagen abgeschrieben – und mir stattdessen einen unvergesslichen Abend im Biergarten gegönnt.

Der Konzertverein hat sich bedankt: „Der Kritiker hat mit viel Herzblut geschrieben.“ Die Plattenfirma hat meine Kritik aufs nächste Plattencover gesetzt.

Die Macht des Lokaljournalisten erlebte Ude bei den großen Studenten-Demonstrationen 1968, bei denen die Schätzungen der Teilnehmer zwischen Polizei und Zeitung immer stark differierten – bis eines Tages der Polizeichef auf Ude zukam und ihn fragte: „Wären Sie mir 3000 einverstanden?“

Der Lokaljournalismus ist für Ude kein Sprungbrett nach oben, er ist schlicht der folgenreichste Journalismus, der Ernstfall, wo es auf jedes Wort ankommt. „Nirgendwo ist die publizistische Wirkung so erfolgreich.“

Ude plädierte für Seriosität und Hintergründigkeit gerade im Lokaljournalismus: „Ich wundere mich, wie viele Journalisten sich auf den Wettlauf um Aktualität einlassen, statt auf Qualität und Ausführlichkeit zu setzen. Der recherchierende Journalist wird immer wichtiger – und deswegen sage ich es auch in Anwesenheit der Geschäftsführung.“

(zu: Handbuch-Kapitel 48-49 Presserecht und Ethik + 55 Der neue Lokaljournalismus + 3 Warum die Gesellschaft bessere Journalisten braucht)

„Die Gesellschaft ist angewiesen auf reichhaltige Presse“

Geschrieben am 18. November 2012 von Paul-Josef Raue.
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Die Bundesrepublik wurde auch erbaut auf den herrlichen Bleiwüsten ihrer großen und leidenschaftlichen Debatten, aus dem Zusammenwirken von politischem Journalismus, kultureller Reflexion und akademischer Brillanz…

Länder mit miserabler Presse sind schlechter regiert und haben mehr extremistische Parteien, da helfen schlaue Blogs bisher wenig…

Diese Gesellschaft ist viel zu komplex, viel zu angewiesen auf Analyse und Kritik, um auf eine reichhaltige Presse verzichten zu können.

Gustav Seibt „Wo die Demokratie lebt“, Leitartikel in der Süddeutschen zur Insolvenz der Frankfurter Rundschau (17.11.2012)

(zu: Handbuch-Kapitel Welche Zukunft hat der Journalismus (Seite 341))

Drei Gründe für den Niedergang der Frankfurter Rundschau

Geschrieben am 14. November 2012 von Paul-Josef Raue.
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Die Frankfurter Rundschau meldet Insolvenz an. Der ökonomischen Absturz folgte der Hybris, als eine überregionale Zeitung gelten zu wollen; aber „Karstadt“ auf der Zeil als Werbekunde interessierte sich nicht für den Oberstudienrat in Husum, so dass die Expansion in grüne Deutschland mehr Geld kostete als sie einbrachte. Parallel war der journalistische Niedergang zu beobachten. Der hat drei Gründe:

1. Die Redaktion hat sich mehr mit sich selber als mit den Lesern beschäftigt. Es gab nach den achtziger Jahren, als die Grünen aufstiegen, keinen regionalen Lesermarkt mehr für eine politische Richtungs-Zeitung. Überregional hatte sich die Süddeutsche Zeitung als liberale, leicht nach links strebende Zeitung etabliert; die SZ hatte die stärkeren Autoren, recherchierte mehr und tiefer – sie bot eben mehr als starken Meinungsjournalismus.

Der Aufmacher der Montagausgabe (12.11.2012) ist aufschlußreich: „Grüne Wende“ beschreibt die Öffnung der Grünen „hin zu größeren Wählerschichten“. Was den Grünen  gelang, hat die FR nicht geschafft: Sie öffnete sich nicht, sie blieb in ihrem alten Milieu.

2. Die FR hat sich nie als die Stadtzeitung für Frankfurt und den reichen Speckgürtel verstanden. Immerhin erscheint die Zeitung in der reichsten Region Deutschlands, hat eine potentielle Leserschaft, die für jeden Werber interessant sein musste. Doch in der Stadt und im Umland stiegen Bild-Frankfurt und die Frankfurter Neue Presse zu den Stadtzeitungen auf, die das Bürgertum bedienten. Noch ein Blick in die Montagausgabe: Von acht Themen, die auf der Titelseite angerissen werden, ist keines aus dem Rhein-Main-Gebiet.

3. Das Tabloid-Format ist ungeeignet für eine Regionalzeitung, die vor allem Familien erreichen will: Wer die Zeitung nicht teilen kann (Lokal-Sport-Mantel), sondern nur in einem Stück lesen kann, der verliert in der Familie den Überblick. Der gefeierte Tabloid-Fortschritt war ein Rückschritt, wahrscheinlich der entscheidende. Die Redaktion samt Verlag hat die Leserschaft, zumindest eine ausreichend große Leserschaft, nicht respektiert, erst recht nicht verstanden.

 

Dazu der Leitartikel von Gustav Seibt in der Süddeutschen vom 17. November 2012:

Als die Krise nicht mehr zu leugnen war, reagierten die Verantwortlichen panisch: Sie warfen ein altes, nur renovierungsbedürftiges Layout über Bord, änderten aber wenig an Kommentaren, die ausrechenbar geworden waren.

(zu: Handbuch-Kapitel 57 Wie können Zeitungen überleben)

„Journalisten sind wie Schnittlauch“

Geschrieben am 12. November 2012 von Paul-Josef Raue.
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Heribert Prantl zitiert Heinz Pürer, den Münchner Kommunikationswissenschaftler:

Journalisten sind wie Schnittlauch. Sie schwimmen auf jeder Suppe.

In Prantls Rede beim Lokaljournalismus-Forum des Netzwerk Recherche im Hochhaus der Süddeutschen am Freitag, 9. November 2012; Pürer, so Prantl, habe ihn fast vom Journalismus abgebracht.

Ude (1): Kein Berufsstand so mimosenhaft wie Journalisten

Geschrieben am 11. November 2012 von Paul-Josef Raue.
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Schon die Bemerkung, dass eine Jahreszahl in der Zeitung verwechselt wurde, gilt als ein Anschlag auf die Pressefreiheit. Kein Berufsstand ist so mimosenhaft wie der der Journalisten – obwohl es doch ihr Beruf ist zu kritisieren. Das Phänomen habe ich nicht ergründen können.“

Christian Ude, Münchens Oberbürgermeister, in seiner Rede beim Lokaljournalismus-Kongress des Netzwerk Recherche.

Kritik ist das Lebenselixier der Demokratie, sagen Journalisten zu Recht. Warum sind sie dann so mimosenhaft? Politiker teilen auch aus und stecken ein und gehen nachher ein Bier trinken. Das wünsche ich mir auch von Journalisten.

Warum Münchens OB redete und den Mantel nicht auszog

Geschrieben am 11. November 2012 von Paul-Josef Raue.
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Es war ein milder Herbstabend – und Ude im dicken schwarzen Mantel. „Warum zieht der Mann seinen Mantel nicht aus?“, fragte Christian Ude, Münchens Oberbürgermeister, als er anhob, eine Rede zu halten zur Lage des Lokaljournalismus. Ude befürchtete: Die gut hundert Journalisten würden wohl recherchieren, warum er im Mantel reden würden. Denn – das Netzwerk Recherche hatte ins SZ-Hochhaus zum ersten Lokaljournalismus-Kongress geladen.

Ude, einst selbst SZ-Mitarbeiter, stoppte alle Recherchen: „Ich habe mir an einem Nagel eine Triangel in meine Hose gerissen und mich gefragt: Ziehe ich mich um und komme eine Stunde zu spät? Oder sehe ich lieber befremdlich aus? Ich habe mich fürs zweite entschieden.“

Der erste Satz: Flop und Top

Geschrieben am 9. November 2012 von Paul-Josef Raue.
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Zunächst ein paar unnütze Statistiken.

Süddeutsche, Sport in der Region (Aufmacher), 8.11.2012

**

Kiffst du?

Deniz Aykanat in Süddeutsche, München-Lokalteil(Aufmacher Seite R 7), 8.11.2012

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