Alle Artikel der Rubrik "Aktuelles"

Deutsch lernen mit Luther (5): Die und-und-und-Marotte (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 9. März 2016 von Paul-Josef Raue.

Luther mochte das „und“, dies unscheinbare, keinen Sinn tragende Wort. Viele Absätze, nicht nur in der Kreuzigungs-Geschichte, beginnt er mit „und“:

„Und als er zu Jerusalem einzog“; „Und als er in den Tempel kam“; „Und als er auf dem Ölberg saß – und, und, und.

Luther hatte eine „Und“-Marotte – und eine „Da“-Marotte“. Wenn er einen Absatz nicht mit „Und“ begann, nutzte er oft das „Da“, ebenso unscheinbar und sinnfrei:

„Da versammelten sich die Hohenpriester und Schriftgelehrten“; „Da ging hin der Zwölfen einer mit Namen Judas“; „Da sie aber aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und brach‘s und gab’s den Jüngern“; da, da, da.

Luther war mehr als ein Übersetzer, er war ein Dichter, ein großer dazu. Dichter haben ihre Eigenarten, ihre eigene Meisterschaft, ihren eigenen Stil, der kaum zu erklären ist: Er ist, wie er ist. Wer ihn kopieren will, macht sich lächerlich.

Es gibt allerdings eine Szene in der Leidensgeschichte, in dem Luther dem „und“ eine erkennbare Funktion gibt: Es steigert die Dramatik immer weiter und weiter. Sie beginnt mit einem kurzen Satz: „Aber Jesus schrie abermals laut und verschied.“ Auf das „laut“ hätte Luther sogar verzichten können, den „schreien“ ist immer laut. Geriet Luther der Satz, der Gottes Ende erzählt, doch zu kurz? Oder er wollte den Schrei noch lauter machen, den Schrei der Verzweiflung?

Es folgen zwei Sätze, in denen acht Mal „und“ erscheint: Was für eine Spannung, die ohne das Und-Stakkato ungleich schwächer ausfiele!

Und siehe da, der Vorhang im Tempel zerriss in zwei Stück von oben an bis unten aus. Und die Erde erbebte, und die Felsen zerrissen, und die Gräber taten sich auf und stunden auf viele Leiber der Heiligen, die da schliefen, und gingen aus den Gräbern nach seiner Auferstehung und kamen in die heilige Stadt und erschienen vielen.

41 Wörter in einem Satz, nimmt man den vorgeschalteten Satz hinzu sind es 58: Ein Beispiel für lange, aber gut verständliche Sätze, denen die Und-Marotte zusätzlich gut tut. Meisterhaft!

Deutsch lernen mit Luther (3): Kurze Wörter, nicht unbedingt kurze Sätze (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 6. März 2016 von Paul-Josef Raue.

Wie hält es Luther mit kurzen Sätzen? Je kürzer, desto besser?

Kürze propagieren moderne Sprachtrainer, weil in unserer Welt alles schneller wird: Filme haben hektische Schnitte, Bücher abgehackte Sätze, oft nicht einmal vollständig; Comics schätzen Gestammel: Aääh, bäh, brumm; gähn, plopp, urg. Ein Ratgeber für Blog-Schreiber, also Tagebücher im Internet, beginnt mit dem kurzen Satz: „Der kurze Satz gewinnt!“

Nun lebte Luther ein halbes Jahrtausend vor dem Internet. Aber in einem hätte er sich mit den Bloggern und Twitterern verbrüdern können: Schreibt so, dass die Leute Euch verstehen! Dafür braucht man keine kurzen Sätze.

In der Lukas-Geschichte der Kreuzigung bildet Luther immer wieder Sätze mit mehr als zwanzig Wörtern:

Die Männer aber, die Jesus hielten, verspotteten ihn und schlugen ihn, verdeckten ihn und schlugen in sein Angesicht und fragten ihn und sprachen…

Der Satz hat 23 Wörter: Warum stört uns die Länge nicht? Warum klingt er wie ein kurzer, gut verständlicher Satz? Nicht die Zahl der Wörter entscheidet über die Verständlichkeit, sondern vor allem die Zahl der Silben. In der Folter-Geschichte hat die Hälfte der Wörter nur eine Silbe; gerade mal drei Wörter haben drei.

Je kürzer ein Wort, desto einprägsamer ist es: „Recht und Schlecht“ geht sofort in den Kopf, eine Wendung aus dem alttestamentlichen Buch der Sprüche.

Aber nicht der Geiz mit den Silben allein schafft attraktive Sätze: In der Folter-Szene finden wir nur einen Nebensatz mit gerade mal drei Wörter. Der Hauptsatz dominiert, in ihm erzählt Luther eine komplette Geschichte und erzeugt mit dem Stakkato der Aufzählung eine Atmosphäre des Schreckens – ohne ein einziges Adjektiv.

Noch ein 24-Wörter-Satz aus der Leidensgeschichte: Wieder nur ein Hauptsatz, sogar mit zwei viersilbigen Wörtern – doch nicht minder verständlich:

Und als es Tag wurde, sammelten sich die Ältesten des Volks, die Hohenpriester und Schriftgelehrten, und führten ihn hinauf vor ihren Rat und sprachen…

 

 

 

 

Sloterdijks Journalistenschelte in München: Sie brauchen einen Deutschkurs!

Geschrieben am 5. März 2016 von Paul-Josef Raue.

Der Philosoph Peter Sloterdijk bezeichnet sich ironisch als „linkskonservativ“. Als er im  Münchener Literaturhaus las, erntete er rasch Beifall, als er sich in Medienkritik übte; so berichtet Michael Stallknecht in der Süddeutschen Zeitung. Sloterdijk weiter:

Ebenso dringend wie die Flüchtlinge brauchen die Journalisten einen Deutschkurs. Nichts haben sie gelesen von all den Büchern, die die aktuellen Umbrüche seit Langem voraussagen.

„Unverantwortliche Journalisten“ entdeckt Sloterdijk, weil sie die Migration von Milliarden Menschen ignorierten – „weil sie origineller sein wollen als die klügsten Köpfe dieses Landes.“

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Quelle: SZ,  5. März 2016, Seite 17 „Deutschkurs“

SZ-Chefredakteur über die unsozialen Netzwerke: Schnellstgerichtsbarkeit (Zitat der Woche)

Geschrieben am 4. März 2016 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 4. März 2016 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, C 5 Internet-Revolution.

Die manchmal in die Nähe der Existenzvernichtung gehende digitale Schnellstgerichtsbarkeit ist eine der unangenehmsten Erscheinungen in der schönen neuen Welt der Allzeit-sofort-Kommunikation.

Kurt Kister in seinem Leitartikel „Moral und Moralisten“ (SZ, 4. März 2016), in dem er auch eine Politiker-Typologie entwirft:

Auf der einen Seite die Moralisten, Fundis und „Gutmenschen“ (meistens links), auf der anderen Seite die flexiblen Pragmatiker, ich-bezogenen Machiavellisten und effizienten Verwalter.

Grammatik-Fallen: Wenn das Subjekt an die zweite Stelle rutscht

Geschrieben am 4. März 2016 von Paul-Josef Raue.
1 Kommentar / Geschrieben am 4. März 2016 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, D. Schreiben und Redigieren.

Im Wirtschafts-Teil der FAZ ist auf Seite 19 eine Sensation versteckt:

Das Wirtschaftsnachrichtenportal „Business Insider“ hatte Springer im vergangenen Jahr komplett übernommen.

Haben wir da etwas komplett übersehen? Ein kleines Internet-Portal übernimmt einen Milliarden-Konzern? Nein, der Grammatik-Teufel hat zugeschlagen: Springer ist das Subjekt, und das Portal ist das Objekt. So wäre es korrekt:

Springer hatte im vergangenen Jahr das Wirtschaftsnachrichtenportal „Business Insider“ komplett übernommen.

So verständlich es auch ist, mal ein wenig mit der Grammatik zu spielen, die Subjekt-Objekt-Reihenfolge zu verändern kann tückisch sein. Da wäre selbst eine Passiv-Konstruktion besser, wenn auch nicht schön: „Das Wirtschaftsnachrichtenportal „Business Insider“ wurde von Springer im vergangenen Jahr komplett übernommen.“

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Quelle: FAZ 4. März 2016 „Springer sorgt sich um selbst erzeugte Verwirrung

Leidenschaft! Ohne Leidenschaft ist Journalismus wenig wert (4. Teil der Serie „Zukunft des Journalismus“)

Geschrieben am 2. März 2016 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 2. März 2016 von Paul-Josef Raue in Aktuelles.

Für Journalisten gilt der Spruch, den US-Präsident Truman prägte und den Politiker gerne nutzen: “If you can’t stand the heat, get out of the kitchen.“ (Hältst Du die Hitze nicht aus, geh raus aus der Küche!). Aber brauchen wir noch diese eitlen, sich selbst inszenierenden, jede Hitze überstehenden Typen?

Wir sind nicht mehr allein im Universum der Information: Jeder, wirklich jeder, kann reden, schreiben, belehren, fluchen – und damit die ganze Welt beeindrucken oder belästigen. Brauchen wir also Journalisten überhaupt nicht mehr, weil ein alter Traum in Erfüllung gegangen ist, eine Utopie verwirklicht: Alle reden mit?

Ja, wir brauchen weiter Journalisten, die recherchieren, einordnen und das Selbstgespräch der Gesellschaft moderieren. Aber welche Journalisten brauchen wir genau? Davon handelt die vierte Folge meiner Serie auf kress.de über die Zukunft des Journalismus und kommt zu dem Schluss:

Wir brauchen Journalisten, die den Menschen helfen, besser leben zu können. Das ist der Wert von Journalismus im Leben der Menschen, der Gesellschaft und der Demokratie. Das scheinen salbungsvolle Worte zu sein, für manche zu hymnisch, zu abgehoben. Aber es gibt keine Freiheit ohne die Pressefreiheit – und keine Pressefreiheit ohne Journalisten mit Leidenschaft, wo immer sie auch schreiben.

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Link:

http://kress.de/news/detail/beitrag/134159-paul-josef-raue-ueber-den-journalismus-der-zukunft-welche-journalisten-brauchen-wir.html

 

 

Deutsch lernen mit Luther (2): Traue keinem Adjektiv!

Geschrieben am 27. Februar 2016 von Paul-Josef Raue.

Krimis sind beliebt. In Buchhandlungen stehen die Tische mit Blut- und Horror-Geschichten in der Nähe des Eingangs.

Krimis wimmeln von Adjektiven:

 Die Terroristen, blutrünstige und finstere Gesellen, zogen dem zutiefst verängstigten Mann sein dunkles fleckiges Hemd aus und seine ärmliche schmutzige Hose, hängten ihm einen tiefroten Mantel um und gossen übelsten Spott über ihn aus. Sie jagten ihm spitze Nägel in den schief hängenden Kopf, bis er einer silbernen Krone glich. Sie spuckten ihn voller Verachtung an und schlugen ihm mit einem dicken Rohrstück auf sein müdes Haupt.

Ein gutes Dutzend Adjektive steht in diesen drei Sätzen, fast alle überflüssig. Wer seiner Erzählung nicht traut, verpasst ihr ein paar Adjektive; wer Gefühl beim Leser wecken will, verführt ihn so – als ob der genaue Bericht nicht reicht, um ein Bild oder einen Film im Kopf zu erzeugen.

So beschreibt Luther die berühmteste Foltergeschichte der Weltliteratur:

 Da nahmen die Kriegsknechte des Landpflegers Jesus zu sich und zogen ihn aus und legten ihm einen Purpurmantel an und flochten eine Dornenkrone und setzen sie auf sein Haupt und spotteten ihn an und schlugen mit dem Rohr sein Haupt.

Sieben starke Substantive, sieben kräftige Verben und kein einziges Adjektiv: So nimmt Luther den Leser ernst, vertraut dessen Phantasie und Vorstellung. Wer Adjektive braucht, um seinen Text zu schmücken, der gleicht einer Mutter, die ihr Kind an die Hand nimmt, statt es alleine gehen zu lassen.

Georges Clemenceau war Ende des 19. Jahrhunderts einer der großen Journalisten in Frankreich. Den Redakteuren seiner Zeitschrift „L’Aurore“, die Morgenröte, ordnete er an:

Wenn Sie ein Adjektiv verwenden wollen, kommen Sie zu mir in die dritte Etage und fragen, ob es nötig ist.

Dramatik geht am besten ohne Adjektive. Lies Luther:

 Der Vorhang im Tempel zerriss in zwei Stücke von oben an bis unten aus. Und die Erde bebte und die Felsen zerrissen und die Gräber taten sich auf…

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Thüringer Allgemeine, Friedhof der Wörter,  29. Februar 2016

Welchen Lokaljournalismus brauchen die Leser? (Zukunft des Journalismus: 2. Teil)

Geschrieben am 26. Februar 2016 von Paul-Josef Raue.

Das Lokale ist das Herz des Journalismus: Wer hier wirkt, kennt die Straßen, Schleichwege, Gassen und Holzwege. Wer hier wirkt, ist der Navigator der Bürger, dem sie vertrauen können; wer hier wirkt, hat alles, was er weiß, selbst erkundet, geprüft und für tauglich erklärt; wer hier wirkt, versteht die Menschen, die Orte, die Stimmungen, die Dinge, die ihn umgeben; wer hier wirkt, spürt jede Veränderung: Er wird zum Seismographen der Gesellschaft; wer hier wirkt, beschreibt längst vor den großen Erschütterungen schon die kleinen: Er wird zum Mahner und Warner.

Doch wäre es töricht, den Lokaljournalismus, wie er vielen Lesern begegnet, grundlos zu preisen. Zu oft ist er der letzte Hort des Terminjournalismus und unkritischer Begleiter einer Gesellschaft, die vermeintlich Ruhe als Bürgerpflicht schätzt. Vor zwanzig Jahren ordneten wir in der ersten Auflage des „Handbuch des Journalismus“ das Lokale ein in die Kategorie „Verknöcherter Journalismus“:

Seine Kalk-Ablagerungen finden sich in jenen saturierten Abonnementszeitungen, die mit journalistischen Mitteln gar nicht ruiniert werden können.

Lokalteile, zugepflastert mit Vereinsberichten und unverständlicher Präsentation des städtischen Haushalts, verkaufen sich immer noch gut – in wohlhabenden Regionen auf dem Land, wo die Welt in Ordnung ist. Was begründet den Erfolg?

Dieser Lokaljournalismus tut das, was Lokaljournalismus ausmacht: Er bedient ein Lebens-, ein Weltgefühl. Als der amerikanische Milliardär Warren Buffett 2012 über sechzig Provinz-Zeitungen kaufte, hielten ihn einige für verrückt. Buffett erwiderte den Skeptikern, die ihm vorwarfen, er ignoriere den Siegeszug des Internets: „In Städten und Orten mit einem starken Gemeinschaftsgefühl gibt es keine wichtigere Einrichtung als die Lokalzeitung. Zeitungen haben eine gute Zukunft, wenn sie weiter Informationen liefern, die man nirgends sonst findet.“

Wir leben in einer Zeit des Übergangs: Ein Teil der Leser ist mit dem sanften, wenn nicht gar spießigen Lokaljournalismus zufrieden, ein anderer möchte einen recherchierenden Journalismus, der die Bürger zum Mitdenken, Mitreden und Engagement einlädt; wieder andere wollen beides in unterschiedlichen Dosierungen.

Mehr dazu in meiner Serie „Zukunft des Journalismus“ in Kress.de: Welchen Lokaljournalismus brauchen die Leser?

 

All Journalism is local – nur welchen Lokaljournalismus brauchen die Leser? (Serie: Zukunft des Journalismus 2))

Geschrieben am 16. Februar 2016 von Paul-Josef Raue.

Was ist das Lokale? Es ist das Herz des Journalismus: Wer hier wirkt, kennt die Straßen, Schleichwege, Gassen und Holzwege. Wer hier wirkt, ist der Navigator der Bürger, dem sie vertrauen können; wer hier wirkt, hat alles, was er weiß, selbst erkundet, geprüft und für tauglich erklärt; wer hier wirkt, versteht die Menschen, die Orte, die Stimmungen, die Dinge, die ihn umgeben; wer hier wirkt, spürt jede Veränderung: Er wird zum Seismographen der Gesellschaft; wer hier wirkt, beschreibt längst vor den großen Erschütterungen schon die kleinen: Er wird zum Mahner und Warner. So beginnt die zweite Folge meiner Serie „Die Zukunft des Journalismus“ bei kress.de.

Aber im Gegensatz dazu steht die Realität:

Zu oft ist der Lokaljournalismus aber auch der letzte Hort des Terminjournalismus und unkritischer Begleiter einer Gesellschaft, die vermeintlich Ruhe als Bürgerpflicht schätzt. Zudem verkaufen sich Lokalteile, zugepflastert mit Vereinsberichten,  immer noch gut – in wohlhabenden Regionen auf dem Land, wo die Welt in Ordnung ist. Was begründet den Erfolg? Dieser Lokaljournalismus tut das, was Lokaljournalismus ausmacht: Er bedient ein Lebens-, ein Weltgefühl.

Weder das, was wir Qualitätsjournalismus nennen, ist richtig, noch ist der Terminjournalismus falsch. Ich komme zu dem Schluss:

Wir leben in einer Zeit des Übergangs: Ein Teil der Leser ist mit dem sanften, wenn nicht gar spießigen Lokaljournalismus zufrieden, ein anderer möchte einen recherchierenden Journalismus, der die Bürger zum Mitdenken, Mitreden und Engagement einlädt; wieder andere wollen beides in unterschiedlichen Dosierungen.

Also sollten Lokalredaktionen experimentieren! Wer experimentiert, wird Herr über alle Veränderungen bleiben. Denken wir uns einen Regionalverlag als Garagenfirma!

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Der komplette Artikel:

http://kress.de/mail/news/detail/beitrag/134095-kressde-serie-zukunft-des-journalismus-all-journalism-is-local-nur-welchen-lokaljournalismus-brauchen-die-leser.html

 

 

Vorbildlich: Welt-Chef Aust begründet seinen Lesern, warum er einen Redakteur entlässt

Geschrieben am 16. Februar 2016 von Paul-Josef Raue.

Der Welt-Redakteur Günther Lachmann berichtet über die AfD, bot aber gleichzeitig der Partei seine Beratung an – ohne den Welt-Chefredakteur zu informieren und seine Nebentätigkeit genehmigen zu lassen; er wusste wohl, dass er diese Genehmigung nie bekommen würde; nicht belegt ist, ob er ein Honorar dafür verlangte, wie der AfD-Politiker und Europa-Abgeordnete Marcus Pretzell behauptet.

Mails des Welt-Redakteurs belegen allerdings, dass er seine Dienste angeboten hat; laut Aust räumte der Redakteur ein, Autor der Mails zu sein. Daraufhin trennte sich der Welt-Chefredakteur  von seinem Redakteur mit der Begründung:

Glaubwürdigkeit ist das wichtigste Kapital des Journalismus. Wer diese aufs Spiel setzt, schadet nicht nur der Zeitung oder Zeitschrift, für die er arbeitet. Er schadet der gesamten Publizistik.

So hätten viele Chefredakteure entschieden, aber nur wenige hätten auch ihre Leser informiert. „Liebe Leserinnen, liebe Leser!“ begann Stefan Aust sein Editorial, in dem er unter anderem schreibt:

 Die E-Mails allein sind grobe Verstöße gegen fundamentale journalistische Grundsätze. Ein Journalist, der sich als PR-Berater einer Partei andient, hat seine Unabhängigkeit verloren, seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel gesetzt – und damit seinen Job… Es ist nicht das erste Mal, dass Mitarbeiter eines Unternehmens, auch eines Presseunternehmens, gegen ihren Arbeitsvertrag, den generellen Presse-Kodex oder andere eigentlich selbstverständliche Grundsätze verstoßen. Das macht die Sache nicht besser.

Wir können aber nichts anderes tun, als den Fall lückenlos aufzuklären und die Vorgänge so offenzulegen, wie es arbeitsrechtlich irgend möglich ist. Dazu gehört auch, Herrn Lachmanns Berichterstattung über die AfD nachträglich kritisch zu hinterfragen. Ein Vorgang dieser Art wird weder geduldet noch vertuscht oder beschönigt. Das sind wir Ihnen, den Leserinnen und Lesern, den journalistischen Kollegen bei der „Welt“, das sind wir uns selbst schuldig.

**

Quelle: Die Welt 15.2.2016 (Online: http://www.welt.de/politik/deutschland/article152256168/Warum-sich-die-Welt-von-Guenther-Lachmann-trennt.html)

 

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