Politik: Ist das Gesicht wichtiger als das Thema?
Sie kriegen politischen Inhalt nicht ohne Gesicht rüber. Aber ein politisches Gesicht ohne Inhalt.
Aus dem Poesiealbum eines politischen Sprechers.
(zu: Handbuch-Kapitel 20 Waschzettel und Verlautbarungen + 24 Woraus wird eine Nachricht?)
Das Leitmedium eines Regierungssprechers
Welches ist das Leitmedium für einen Regierungssprecher? Früher war es die Zeitung, heute ist es Spiegel Online, gefolgt vom Radio, dem Fernsehen und der Zeitung.
Das hat wenig mit der Wichtigkeit des Mediums zu tun, erklärt der Sprecher, sondern mit der Schnelligkeit. Wer zuerst eine Nachricht bringt, die von anderen Journalisten gelesen wird, der ist für mich wichtig. So entstehen schnell Reaktionen, auf die wieder Reaktionen folgen – die dann von den langsameren Medien aufgenommen, weiter gesponnen und im Idealfall vertieft werden, beispielsweise durch ein Interview.
(zu: Handbuch-Kapitel 52 Wie Öffentlichkeits-Arbeiter informieren)
Reisejournalismus, PR und Leitlinien
Auch Mitarbeiter des Springer-Verlags nehmen Einladungen von Veranstaltern an und schreiben über die Reise. Doch sie teilen es vorbildlich ihren Lesern mit:
Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von Studiosus Reisen. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter www.axel-springer.de/unabhaengigkeit
Ähnlich ist der Hinweis auf den Auto-Seiten, etwa „Die Reise zur Präsentation des B-Max wurde unterstützt von Ford“ oder „Die Reise nach Pebble Beach wurde unterstützt von Mercedes und Bugatti“.
Statt des unsäglichen Worts „Standards“ heißt es auf der Webseite: „Leitlinien“.
Quelle: Welt vom 25. August 2012 „Noch einmal Albanien“ / „Freiheit für Hinterbänkler“ / „Oldtimer als Wertanlage“
(zu: Handbuch-Kapitel 51-52 Pressesprecher und PR + 48-49 Presserecht und Ethik + Service B Medien-Kodices)
Der schmale Grat zwischen PR und Journalismus
„Dieses Gerät verändert die Kultur des Kaffeetrinkens“ und „das köstlich duftende Pulver“ und die Überschrift „Perfekte Kaffee“ – PR oder journalistische Information?
Auf der Wissenschaftsseite (!) der Welt von Samstag (11. August 2012) ist die Kaffeemaschine zu sehen inklusive eines Lobpreises – im redaktionellen Teil, Rubrik „Was gibt’s Neues“.
Dank an Thomas Mrazek und seinen Kommentar:
Vielleicht ist es für die Leser hilfreich, den entsprechenden „Artikel“ auf der Website der „Welt“ zu sehen; als Service gibt es dort noch einen Link auf die Seite des Kaffee-Startups aus Berlin: http://www.welt.de/print/die_welt/wissen/article108573726/Besonderer-Genuss.html
Ich kommentiere das nicht weiter, es spricht m. E. für sich.
(zu: Handbuch-Kapitel 20 Waschzettel und Verlautbarungen + Service B Pressekodex, Richtlinie 7.2 „Redaktionelle Veröffentlichungen, die auf Unternehmen, ihre Erzeugnisse, Leistungen oder Veranstaltungen hinweisen, dürfen nicht die Grenze zur Schleichwerbung überschreiten.“)
„Der Präsident verträgt keine Austern“
Wer systematisch kritische Fragen abwehrt, bekommt vom „Netzwerk Recherche“ als vergifteten Preis die „verschlossene Auster“. Die Fifa bekommt ihn in diesem Jahr, nahm ihn an, aber nicht entgegen. „Ich wäre gerne zur Veranstaltung gekommen, da ich Austern mag, aber ich bin zurzeit in Brasilien“, schrieb Fifa-Kommunikationsdirektor Walter De Gregorio. Und weil er zumindest schön formuliert, noch einige Gregorio-Sätze:
Der Präsident selber verträgt keine Meeresfrüchte, zudem ist seine Agenda proppenvoll. Grundsätzlich glaube ich, dass Sie zu spät sind mit der Auszeichnung. Die Auster hat sich inzwischen geöffnet. Es geht in der Regel eine Weile, bis auch Recherchierjournalisten das merken. Die Austern im Kopf bleiben oft über das Verfalldatum hinaus geschlossen.
In der Pressemitteilung von „Netzwerk Recherche“ wird die Preisvergabe so begründet:
„Die FIFA hat in den vergangenen Jahren alle Versuche kritischer Journalisten, über Korruption und Ungereimtheiten bei der Postenvergabe zu recherchieren abgeblockt“, sagte Oliver Schröm, Vorsitzender von netzwerk recherche, zur Jurybegründung. „Gerichtsverfahren werden gegen Millionenzahlungen der FIFA eingestellt, gegen eine Offenlegung der entsprechenden Gerichtsbeschlüsse wehrt sich Blatter weiter mit allen Mitteln.“
Das bestätigte bei der Jahrestagung von netzwerk recherche auch der Laudator der verschlossenen Auster, der ehemalige FIFA-Mitarbeiter und heutige Schweizer Nationalrat Roland Büchel. Selbst die bereits vor vier Jahren gerichtsfest bewiesenen Schmiergeldzahlungen von mehr als 140 Millionen Franken, die zu einem großen Teil an die Spitzenfunktionäre der FIFA gingen, hätten an Blatters Selbstverständnis nicht viel geändert. „Dass dieser von Demokratie nicht viel hält, ist augenscheinlich“, so Büchel. Als Beispiel nannte Büchel das weiterhin völlig intransparente System von Löhnen, Aufwandsentschädigungen und Boni bei der FIFA. „Im letzten Jahr schüttete die FIFA 96,8 Millionen Dollar an Löhnen, Zahlungen an Ehrenamtliche und Boni aus – nicht übel für einen nicht gewinnorientierten Verein mit extremen steuerlichen Privilegien und einem ideellen Zweck“, so Büchel. Anstatt kritische Medien-Anfragen zu diesem Thema zu beantworten, belohne die FIFA lieber positive Berichterstattung.
(zu: Handbuch-Kapitel 17 „Die eigene Recherche“)
Online-Zeitung an die Börse
Wie können Zeitungen online Geld verdienen? Ein Blick nach China könnte lohnen: Die kommunistische Parteizeitung, die Volkszeitung, geht an die Börse mit der Online-Ausgabe, gibt fast 70 Millionen Aktien aus und will 63 Millionen Euro einnehmen (AFP, Süddeutsche vom 7. April 2012).
Auch die staatliche Nachrichtenagentur und das Staatsfernsehen wollen an die Börse gehen. Der Staat behält in jedem Fall die Mehrheit.
(zu: Handbuch-Kapitel 5: Die Internet-Revolution)
Nur geträumt: Wie Frank Plasberg mit Fehlern umgeht
Wie die New York Times vorbildlich mit Fehlern umgeht, davon berichtete Arthur S. Brisbane in „The Error Iceberg“, in diesem Blog vorgestellt am 29. Februar.
Und wie geht Frank Plasberg mit Fehlern um? Ein Griff in den Zettelkasten brachte einen Artikel der FAZ-Sonntagszeitung ans Licht. Im „Teledialog ultra“ vom 27. Dezember 2009 steht unter der Überschrift „Nur geträumt“ ein längeres Zitat von Frank Plasberg , der – so der Traum – zu Beginn seiner Sendung „Hart, aber fair“ die vergangene Sendung reflektiert:
„Wir hatten uns der Pharma-Industrie gewidmet und dabei auch eine angebliche Wundersalbe gegen Neurodermitis vorgestellt. Wir sind dafür scharf angegriffen worden, und nach einer genauen Überprüfung muss ich Ihnen sagen: nicht zu Unrecht. Der Eindruck, den wir erweckt haben, dass zahlreiche wissenschaftliche Studien die Wirkung dieser Salbe bestätigen, war falsch.“
Dann folgt ein Satz, auch nur geträumt:
„Zu meinem Verständnis von verantwortungsvollem, kritischem Journalismus, für den ich seit Jahren nicht zuletzt mit dieser Sendung stehe, gehört es auch, eigene Fehler einzuräumen, und deshalb wollen wir uns jetzt noch einmal eine Viertelstunde lang selbstkritisch mit dem Thema beschäftigen. Übrigens kann ich Ihnen versprechen, dass diesmal auch kritische Zuschauerkommentare in unserem Sendungsforum im Internet nicht gelöscht werden.“
Zu dieser Sendung von Frank Plasberg schrieb Stefan Niggemeier im FAZ-Fernsehblog. Im „Spiegel“ räumte Plasberg handwerkliche Fehler im Ablauf der Sendung ein.
Deutsche Bahn streicht den Journalistenrabatt
Am 15. April läuft der Journalistenrabatt für die „Bahncard 50“ aus. Seit acht Jahren bekamen alle, die einen Presseausweis vorweisen können, die Bahncard zum halben Preis.
Bettina Marchl, Leiterin Kundenbindung der Bahn, begründet die Streichung so:
„Nach eingehender Prüfung ist die Deutsche Bahn zu der Überzeugung gelangt, dass dieser Journalistenrabatt nicht mehr zeitgemäß ist: Nicht nur die Medienwelt hat sich grundlegend verändert, auch die gesellschaftliche Sicht der Dinge wandelt sich, ebenso die Diskussionen innerhalb des journalistischen Berufsstands.“
Schon seit Jahren, aber verstärkt während der Wulff-Affäre fragten Journalisten: Nehmen wir nicht Vorteile an, für die wir Politiker tadeln? Beginnt Korruption nicht auch bei uns im Kleinen, etwa den Journalistenrabatten?
„Wir hoffen, dass unsere Entscheidung Ihr Verständnis findet“, beendet Bettina Marchl von der DB ihren Brief an die Journalistenrabatt-Kunden.
(zu: Handbuch-Kapitel 51 „Wie man in der PR arbeitet“ und 48ff „Presserecht und Ethik“)
Wie bekommen Abgeordnete Stoff für ihre PR-Meldungen?
Bundesarbeits-Ministerin von der Leyen (CDU) informiert Abgeordnete der Regierungs-Fraktionen exklusiv mit Meldungen über Projekt in ihrem Wahlkreis. Thomas Öchsner berichtet darüber in der Samstagausgabe der Süddeutschen Zeitung (Wirtschaft, Seite 23).
Lokalredaktionen kennen die Mails oder Faxe: Der Abgeordnete teilt mit, dass er sich besonders eingesetzt habe für die Förderung einer Arbeitslosen-Initiative; wie er vertraulich erfahren habe, werde sein Einsatz belohnt und der Bescheid in den nächsten Wochen versandt. Die Redaktionen drucken es ab, meist ohne weiter zu recherchieren – oder geraten in den Zorn des Abgeordneten, wenn sie die Pressemitteilung nicht bringen.
Wie die Informationen in Berlin laufen, ahnen die Redakteure; die SZ zitiert ein internes Schreiben, das zeigt, wie es wirklich läuft:
- Steht eine Förderung kurz vor der Bewilligung, sucht die Fachabteilung heraus, ob das Projekt im Wahlkreis eines CDU-, CSU- oder FDP-Abgeordneten liegt.
- Für die Informationen gibt es zwei Muster-Schreiben.
- Die Fachabteilung informiert den zuständigen parlamentarischen Staatssekretär unmittelbar per Mail, „d.h. nicht auf dem Dienstweg“.
- Der Staatssekretär informiert den Abgeordneten möglichst schnell, damit der Abgeordnete vor der Projekt-Bewilligung Bescheid weiß.
(zu: Handbuch-Kapitel 55 „Der neue Lokaljournalismus“ + 57 „Wie können Zeitungen überleben“)
Presserabatte und Schnäppchenjäger
„Eine der wichtigsten Aufgaben von Journalisten ist es, Sachverhalte auch moralisch zu bewerten. Aber wer bewertet eigentlich die Moral der Journalisten?
Man kann verstehen, wenn das Publikum in diesen Tagen gleich doppelt genervt ist: vom Staatsoberhaupt, das sich ans Amt klammert. Und von Journalisten, die nun »enthüllen«, dass die Präsidentengattin zu bestimmten Anlässen kostenlose Abendgarderobe trug – als ob die Medien nicht selbst ein Problem mit Presserabatten und Schnäppchenjägern hätten. Journalisten werfen Politikern ja gern so etwas wie Volksverdummung vor. Aber leider tragen die Medien manchmal genau dazu bei.“
(Marc Brost in „Die Zeit“ vom 12. Januar „Die Machtprobe“)
zu: Handbuch-Kapitel 49 „Wie Journalisten entscheiden sollten“
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