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Der erste Band der „Bibliothek des Journalismus“: Hans Hoffmeister – Harmonie ist mir suspekt

Geschrieben am 31. August 2013 von Paul-Josef Raue.

Er ist ein Getriebener, ein Schwarz-Weiß-Seher, ein Himmelhochjauchzendundzutodebetrübter, atemlos mit dem geschriebenen wie dem gesprochenen Wort.

So schreibt Thüringens Wirtschaftsminister Matthias Machnig über Hans Hoffmeister, 22 Jahre Chefredakteur der Thüringischen Landeszeitung; er wurde, der am Freitag in den Ruhestand verabschiedet wurde (30. August 2013). Machnig war einer der 250 Gäste, die zum Abschied in den Weimarer „Elephant“ gekommen waren. Machnig, auch ein Politiker starker Worte. schreibt weiter:

Das feine Florett war nicht Hoffmeisters Waffe, eher die schwere Nagelkeule.

Machnigs Einschätzung ist zu lesen in einem Interview-Buch, das Paul-Josef Raue, Autor dieses Blogs, über Hans Hoffmeister verfasst hat; es ist der erste Band der neu gegründeten „Bibliothek des Journalismus“, die im Klartext-Verlag erscheint mit Raue als Herausgeber:

Paul-Josef Raue: Hans Hoffmeister – Harmonie ist mir suspekt. Klartext-Verlag, 163 Seiten, 13,95 Euro

„Wir haben nicht über die Wende berichtet. Wir haben sie gemacht“, sagt Hans Hoffmeister in dem fünfstündigem Interview, in dem der scheidende Chefredakteur ausführlich seinen Anfang in Thüringen direkt nach der Wende erzählt. Die Kapitel-Überschriften führen durch das Buch wie durch das Hoffmeistersche Leben. In der ersten Hälfte sind die Wende und die folgenden Jahre das Thema:

> „Eine Affekthandlung“ – Hoffmeisters Aufbruch in den Osten
> „So war der wilde Osten“ – Der Start der „Tagespost“ in Eisenach
> „Wie sollten sie denn plötzlich Demokraten sein?“ – Die ersten Tage in der Weimarer Redaktion
> „Nicht nur nicken, auch handeln“ – Die ersten Jahre der TLZ
> „Harmonie ist mir suspekt“ – Wie es dem Westdeutschen im Osten erging.

Im zweiten Teil erzählt Hans Hoffmeister aus seinem Leben und von seinen Anfängen als Journalist im Westen: „Es wurde unfassbar viel gesoffen“. Immer wieder räsonieren die beiden Chefredakteure auch über den Journalismus, seine Werte und Regeln.

Zwei Auffassungen von Journalismus prallen in dem Interview aufeinander:

> Hoffmeister bekennt sich zur Einmischung der Redaktion in die Politik, er nimmt Partei, ist gegen die Trennung von Nachricht und Meinung und begründet dies so: „Ich will nicht, dass dieses Land, mein Land, Schaden nimmt“.

> Paul-Josef Raue, Chefredakteur der konkurrierenden Thüringer Allgemeine (TA), plädiert dagegen für eine Distanz, die dem Leser die Freiheit lässt, selber ein Urteil zu bilden, und zitiert den TV-Moderator Friedrich: „Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten.“

Im Anhang antworten 21 Prominente auf die Frage „Hatten Sie Angst vor Hans Hoffmeister:

Erfurts MDR-Funkhaus-Chef Werner Dieste:

Viel spannender ist die Frage: Hat Hans Hoffmeister in den vielen Jahren in der Weimarer Marienstraße manchmal Angst gehabt – gar vor sich selbst?

TA-Redakteur Henryk Goldberg:

Ich habe ein wenig Angst vor einer Fähigkeit, die Hans Hoffmeister auszeichnet, und die mir seit 1990 abhandenkam: Sich so ganz, so rückhaltlos einer Sache hinzugeben.“
Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht: „Wir sind stolz darauf, dass er Bürger unseres Landes ist.

Ex-Jenoptik-Chef Lothar Späth:

Parlaments- und Regierungsvertreter hatten bei ihm kaum eine Chance, ihre Sicht der Dinge vorzutragen. Am liebsten hätte er das Ganze selbst übernommen.

Thüringens Vize-Ministerpräsident Christoph Matschie über Hoffmeisters Samstagkommentar, das „Schlüsselloch“:

Im Schlüsselloch ließ Hans Hoffmeister nicht selten das Fallbeil auf Politiker nieder. Mich traf es auch, aber ich lebe noch.

Machtspiele oder: Wovon Spiegel-Redakteure träumen

Geschrieben am 27. August 2013 von Paul-Josef Raue.

Der Spiegel muss zu alter Stärke zurückfinden, sind sich die Ressortleiter einig. Wir dürfen nicht mehr der Süddeutschen allein die tiefen und überraschenden Recherchen überlassen, wollen selber in Offshore-Leaks schauen, sagen sie dem neuen Chefredakteur, sogar einmütig, was sonst nur bei Aufständen gelingt. Wir wollen wieder das Gewissen der Nation werden, das Sonntags- und Montags-Gespräch der Deutschen. Wir wollen über Deutschland, Gott und die Finsternis der Welt reden statt nur über uns. Wir müssen die Kraft, Intelligenz und Phantasie der Redaktion nutzen, vor allem beim Finden des Titels, der über den Verkauf und damit über unser Gehalt entscheidet – statt einer kleinen Autisten-Runde zuzuschauen, die sich am Freitag einschließt und die Kollegen am Samstag überrascht, wenn der Bote die neue Ausgabe bringt. Wir wünschen uns „Hausmitteilungen“, die nicht die schwächsten Beiträge gleich zu Beginn des Heftes sind, und wir wünschen uns einen guten und starken Chefredakteur, der vieles macht, der zuerst zuhört und dann entscheidet, in dieser Reihenfolge; der sich gegen die Berufs-Bedenker in der Redaktion durchsetzt und sei es mit leichter Ironie. Wir wollen einen guten, einen besseren Spiegel – den nicht nur wir brauchen.

Es wäre nützlich, edel und gut gewesen, wenn sich die Spiegel-Ressortleiter am Montag so ihrem neuen Chefredakteur präsentiert hätten. Nach allem, was zu hören und zu lesen war, ging’s nicht um Recherchen und Themen, um Titel und Hausmitteilungen, sondern um das Spiel der Macht – das Redakteure nun einmal nicht beherrschen, ja sie finden nicht einmal zur Einsicht, dass sie vieles können, nur dies nicht.

Die versammelte Intelligenz der Spiegel-Ressortleiter ist die höchste in deutschen Redaktionen. Aber was spricht aus der Resolution der Ressortleiter? Ist es Phantasielosigkeit und intellektuelle Armut , die sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigt: Wir sind dagegen?

Deutschland braucht keine Spiegel-Redaktion, die sich lähmt und verkämpft und am Ende nur verliert. Deutschland braucht eine Spiegel-Redaktion, die stark ist, für starke Geschichten kämpft und am Ende aufklärt, vielleicht nicht Gott, aber die Bürger und die Welt.

Journalisten über Journalisten: Einfach draufhauen!

Geschrieben am 2. August 2013 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 2. August 2013 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, B. Die Journalisten, Recherche.

Journalisten schreiben selten nett über Journalisten. Einige Medienseiten überraschen die Leser immer wieder mit recherchefreier Häme, wie wir sie sonst nur aus dem Netz kennen; einzig tröstlich ist, dass sie kaum ein Leser zur Kenntnis nimmt – außer Journalisten, die online bei den einschlägigen Medien-Diensten zumindest die Kurzfassungen lesen und sich freuen: „Mich hat es nicht erwischt!“

Neu auf der nach oben offenen Häme-Skala ist das ausschließliche Zitieren von Anwälten der Verleger. Im Juli-Journalist wird ein nicht benannter Madsack-Anwalt bemüht, der Bernd Hilder, dem Ex-Chefredakteur der LVZ, vorwirft „keinen Draht zur Redaktion gefunden zu haben“; „zudem habe Hilder den Trend zum Lokalen und zu mehr Online ignoriert, sich ohnehin mehr für das Repräsentieren als für das Blattmachen interessiert“.

Recherche? Nur bei den Verlegern, aber nicht in der Redaktion und nicht beim Beschuldigten selbst – jedenfalls fehlt jeder Hinweis, dass der Autor die Gegenseite gefragt hat. Also – einfach draufhauen und die Splitter einsammeln oder zündeln und sich am Feuer wärmen.

In solch recherchefreien Zonen lässt sich fein spekulieren und Gerüchten nachhängen. Mit Journalismus hat das wenig zu tun.

Der Journalist war lange Zeit nicht gerade berühmt wegen seiner gründlich recherchierten Geschichten, sondern berüchtigt wegen seiner klaren Standpunkte und seiner strikten Missachtung von Ziffer 2 des Pressekodex: Er hatte mehr gekämpft als recherchiert.

Die Qualität hatte sich unter der neuen Chefredaktion verbessert: Es lohnte sich wieder, zumindest einige der Artikel zu lesen. Ist der kurze Frühling schon vorüber?

Als alle Journalisten – egal wie blöd – einen Job fanden

Geschrieben am 28. Juli 2013 von Paul-Josef Raue.

Wenn sich alternde Chefredakteure, Chefreporter und Journalisten-Stars bei Kongressen treffen, die mindestens tausend Euros kosten, wenn sie abends an der Bar hocken mit melancholischer Untergangs-Miene, dann klagen sie:

Wir retteten den Journalismus, wir retteten Zeitungen und andere darbende Medien – wenn wir nicht so viele schwache, schwächelnde und einfach dumme Redakteure hätten. Alle, die an ihrem Whiskey nippen, nicken wie früher das Negerlein in den katholischen Kirchen, wenn man einen Groschen einwarf (ich entschuldige mich für das Negerlein, aber – um der historischen Wahrheit wegen: so hieß es nun mal).

Wenn man kein Chefredakteur mehr ist, in Weisheit alt geworden und einfach nur noch Bestseller-Autor, dann darf man auch öffentlich schreiben, was die Jüngeren verplaudern:

Dass früher alles besser war und alle sowieso, behaupten alle, die früher nicht besser waren als heutige Journalisten. Weil aber fast alle Jungen damals einen Job fanden auf dem Medienmarkt, ganz egal, wie blöd sie auch sein mochten, hielten sie sich bereits nach der ersten gedruckten Zeile zu Höherem, mindestens zum Chefredakteur berufen. Auf diesem Irrglauben beruht die Ballade von den guten alten Zeiten der sogenannten Vierten Gewalt.

So schreibt Michael Jürgs zu den „Trauerfeiern“ nach dem Verkauf des Hamburger Abendblatt und Hörzu und anderen Springer-Blättern „ins Ruhrgebiet“; die WAZ- oder Funkegruppe erwähnt er in seinem Fünfspalter nicht einmal.

Ins Poesiealbum journalistischen Überlebenskünstler seien noch einige Jürgschen Merksätze geschrieben:

Verleger tranken, egal welcher Couleur, den Champagner aus den Gehirnschalen ihrer Besten. Bis auf Rudolf Augstein, der Bier vorzog.

Jürgs ist ein exzellenter Schreiber. Warum beugt er sich der Marotte, die als modern gilt: Unvollständige Sätze laufen frei herum und bellen wie ein Hauptsatz („Bis auf Rudolf Augstein…“) So schriebe es ein Jürgs in besten Zeiten: „- bis auf Rudolf Augstein, der Bier vorzog“.

> Eigentümer – jeder auf seine Art im Herzen mehr Journalist als Kaufmann.

> Allen Verlegern ging es – je nach Perspektive – um den wahren Journalismus und nie nur um die Ware Journalismus.

>Bleibt heute nur der Blick zurück im Zorn über das Heute? Ach was. Wehmut ist zwar erlaubt, aber Schwermut unnötig.

> An den Seilen der Totenglöckchen ziehen die üblichen Seilschaften der Theoretiker.

Quelle: Süddeutsche Zeitung 27. Juli, Medienseite „Schaut auf diese Stadt“

Einer der großen deutschen Chefredakteure: Andreas Tyrock zum 50.

Geschrieben am 24. Juli 2013 von Paul-Josef Raue.

Es gibt laute Chefredakteure, und es gibt stille Chefredakteure, und es gibt schwache, und es gibt starke. Zu den leisen und starken zählt Andreas Tyrock, der Chefredakteur des Bonner Generalanzeiger, der heute seinen 50. Geburtstag feiert – mit Kaffee und Kuchen in seiner Redaktion.

Kaffee und Kuchen in seiner Redaktion? Das ist typisch für den ruhigen Norddeutschen, der seine Redaktion in einem atemraubenden Tempo modernisiert hat, nur vergleichbar dem Tempo und der Qualität, mit der Wolfgang Bücher die dpa-Redaktion umgebaut hat. Für beide war die Modernisierung nicht das Ziel, sondern ein Mittel zum Zweck – für eine höhere Qualität.

Was bedeutet Qualität in Bonn? Tiefe Recherchen – die möglich sind dank des Zeitgewinns durch eine effiziente Desk-Struktur; exzellente Autoren, die Freiraum bekommen, um ihre Stärken zu stärken; und vor allem: Respekt vor dem Leser. So lobte die Jury des Deutschen Lokaljournalistenpreises:

Der Generalanzeiger macht Familien, ihre Alltagsprobleme und Herausforderungen, ihre Wünsche, Träume und Ideen zur Richtschnur für die redaktionelle Arbeit.

Im vergangenen Jahr bekam die Redaktion für ihre große Familienserie den ersten Preis.

So oft preisgekrönt wie Andreas Tyrock mit seiner Redaktion dürfte kein anderer Chefredakteur in Deutschland sein: Lokaljournalistenpreis, Wächterpreis und „nur“ Platz 3 bei der Wahl zum Chefredakteur des Jahres mit der beeindruckenden Begründung:

Andreas Tyrock hat den traditionsreichen General-Anzeiger zu einem intelligenten regionalen Leitmedium mit Mut zu Tiefe, Bekenntnis zu Recherche, Kraft für Langzeit-Serien und Schwerpunktthemen gemacht.

In dieser Begründung wird die Schwere der Tyrockschen Arbeit beschrieben: Der General-Anzeiger als Hauptstadt-Zeitung ächszte vor ihm unter der Bürde der Tradition, war erstarrt und hatte den hohen Wert des Lokalen noch gar nicht entdeckt. Diese Erstarrung löste Andreas Tyrock.

Sein Weg ist auch vergleichbar dem von Büchner bei dpa: Eine zunächst – freundlich ausgedrückt – skeptische Redaktion, schwere Personal-Entscheidungen – und am Ende bei dem einen der Spiegel-Chefposten und bei Andreas Tyrock der Deutsche Lokaljournalistenpreis, den er im Bonner Wasserwerk feiern ließ.

Bei Andreas Tyrocks Karriere ist also nach oben noch Luft. Mit 50 fängt das Chefredakteurs-Leben erst richtig an.

AP-Chef: Regierung muss Journalisten vor Abhör-Aktion warnen

Geschrieben am 24. Juni 2013 von Paul-Josef Raue.

Die amerikanische Regierung soll die Verfassung achten, vor allem die Pressefreiheit beachten, statt sie auszuhöhlen, schreibt AP-Chef Gary Pruitt im Blog seiner Nachrichtenagentur. Er reagiert auf das Abhören gegen AP-Journalisten im vergangenen Monat.

Pruitt stellt fünf Forderungen auf, um die Pressefreiheit dauerhaft zu sichern:

1. Das US-Justizministerium muss die Presse vor Abhör-Aktionen warnen und anhören, bevor es sich Zugriff auf ihre Aufzeichnungen verschafft.

2. Gerichte müssen sicherstellen, dass die Gewaltenteilung ebenso strikt eingehalten wird wie die Verfassung und journalistische Rechte nicht durch die Selbstermächtigung der Exekutive untergraben werden.

3. Die Richtlinien, die besagen, dass Journalisten keiner Auskunftspflicht unterliegen, müssen an die modernen Kommunikationsformen wie Mails oder SMS angepasst werden.

4. Zur Durchsetzung dieser journalistischen Schutzrechte brauchen wir ein strenges Bundesgesetz.

5. Das Justizministerium muss eine Vorschrift erlassen, die auch künftige Regierungen verpflichtet, keinen Reporter zu kriminalisieren, nur weil er seinen Job macht.

(Zusammenfassung und Übersetzung: Felix Voigt)

AP beruft sich auf den ersten Zusatz der US-Verfassung, verabschiedet im Dezember 1791:

Congress shall make no law respecting an establishment of religion, or prohibiting the free exercise thereof; or abridging the freedom of speech, or of the press; or the right of the people peaceably to assemble, and to petition the Government for a redress of grievances.

Der Kongress darf kein Gesetz machen, das die Einführung einer Staatsreligion zum Gegenstand hat, die freie Religionsausübung verbietet, die Rede- oder Pressefreiheit oder das Recht des Volkes einschränkt, sich friedlich zu versammeln und die Regierung um die Beseitigung von Missständen zu ersuchen.

(Übersetzung: Wikipedia)

Die Zukunft des SPIEGEL (1): Wohin führt Büchner das Magazin?

Geschrieben am 8. Juni 2013 von Paul-Josef Raue.

Wird der Spiegel wieder das Magazin, das die Themen in Deutschland setzt? Das exklusive Nachrichten anbietet? Das Politiker das Fürchten lehrt? Zur Zeit treibt der Spiegel wie eine Brücke, die einmal eine wichtige Verbindung war, und nun weggespült ist.

Nehmen wir das Titelbild der aktuellen Ausgabe. Da wird alles falsch gemacht, was ein Redakteur falsch machen kann: 19 Wörter, eine „nicht“-Aussage, ein altes, nichtssagendes Datum („08.02.2012“), eine kleine Bildmontage am unteren Rand des Bildes. Die Wörter sind kalt, blitzen nicht sofort ins Gedächtnis: abschätzbar, technisch, zeitlich, finanziell. „Drohne“ – das Wort, das alleine schon Leser gereizt hätte, kommt klein in einem Kuppelwort am Ende vor: „Drohnen-Affäre“. Eine Woche zuvor hieß die Affäre noch gewaltig „Drohnen-Desaster“, als Störer klein über „DER SPIEGEL“ gezogen.

Das Mini-Bild soll an Janoschs Tiger-Ente erinnern: Der Minister zieht eine Drohne wie eine Ente hinter sich her. Wenn doch wenigstens die Drohne nicht grau, sondern schwarz-gelb gestreift wäre!

Laut Impressum gibt’s vier Redakteure allein fürs Titelbild, gibt’s weit über hundert Redakteure, darunter die besten der Republik. Wenn die über den Titel reden, debattieren, streiten und kämpfen, müsste allemal was Besseres raus kommen als „Betreff Euro Hawk“.

Dass der Aufmacher respektabel geschrieben ist, eine gut recherchierte Spiegel-Geschichte, vergrößert das Dilemma: Den Text konnte nur lesen, wen das Titelbild zum Kauf animiert hatte. Offenbar braucht selbst die beste Redaktion Deutschlands einen Kopf, der ein Themen-Trüffelschwein ist, der ein Gespür für die beste Zeile und das emotionale Bild hat, der den gemeinen Spiegel-Leser nicht theoretisch entwirft, sondern kennt und spürt.

Redakteure neigen allerdings dazu, jeden Unsinn intellektuell rechtfertigen zu wollen – nicht selten aus rhetorischem Übermut heraus, nicht aus Überzeugung und Eifer. So bringt auch die Konferenz der Edlen nicht unbedingt das Thema und den Titel, die die Käufer zum Kauf locken, aber sie hilft dem Mann an der Spitze, sichtet ihm die Argumente, macht ihn locker (wenn er’s zulässt).

Auf Wolfgang Büchner wartet ein harter Job. Bei dpa hat er bewiesen, dass er eine Redaktion umkrempeln kann und modernisieren – auch gegen den Widerstand der Beamten-Fraktion. Beim Spiegel wird er beweisen müssen, dass er Deutschland bewegen kann. Nichts anderes ist der Wert des Magazins, sein Markenkern.

Die Leiden des Chefredakteurs in seiner Redaktion (Zitat der Woche)

Geschrieben am 30. Mai 2013 von Paul-Josef Raue.

Ich habe (einen Leser) eingeladen, sich persönlich in der Redaktion davon zu überzeugen, dass auch der Chefredakteur nur einer unter vielen Redakteuren ist und mit lauter Redakteuren zusammenarbeitet, die sich von ihm nichts sagen lassen, sondern eine eigene Meinung haben.

Joachim Braun, Chefredakteur des Nordbayerischen Kurier (Bayreuth) in seinem Blog „Angekommen in Bayreuth“, als zu einem öffentlichen Treffen mit dem Chefredakteur gerade mal zwei Leser gekommen waren.

Chefredakteure und Verlagsmanager wählen vorzugsweise Grün

Geschrieben am 1. Mai 2013 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 1. Mai 2013 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, B. Die Journalisten.

Wie ginge eine Bundestagswahl unter Verlagsmanagern und Chefredakteuren aus? Die Grünen siegen mit 13 Prozent knapp vor der CDU mit 12 Prozent; deutlich dahinter die SPD mit 8 und die FDP mit 5 Prozent; alle anderen Parteien liegen unter einem Prozent.

Allerdings sagt fast die Hälfte, sie fühle sich keiner Partei verbunden. Ermittelt haben dies Professor Klaus-Dieter Altmeppen und andere von der Katholischen Universität Eichstätt in einer Umfrage unter rund 750 Managern und Chefredakteuren in Deutschland.

Die Grünen sind mittlerweile tief im bürgerliche Milieu angekommen, zu dem sich Manager und Chefredakteure zählen; so begründet Altmeppen mit Bezug auf andere Studien den Erfolg der Grünen. Auch die Nähe von Grünen und CDU überrasche nicht. Er zitiert den Parteienforscher Franz Walter aus Göttingen: „Bei den formal Hochgebildeten kamen die Grünen zuletzt bei den Landtagswahlen etwa in Baden-Württemberg auf 34 Prozent der Stimmen, die CDU lag drei Prozentpunkte dahinter.“

Fast alle Manager und Chefredakteure sind im Christentum verwurzelt, gleich aufgeteilt nach Katholiken und Protestante.

Annika Bengtzon (7): Journalisten als Gewerkschaftler – quengelig, unbegabt, arbeitsscheu

Geschrieben am 7. April 2013 von Paul-Josef Raue.

Wer wird neuer Betriebsrats-Vorsitzender? Ein Politikredakteur wird vorgeschlagen. Der besitzt doch keine Eigenschaft dafür, sinniert der Chefredakteur. „Sjölander war smart, witzig und beliebt. Solche Leute blieben nie lange Gewerkschaftsfunktionäre. Wer sich entschied, die Gewerkschaftsarbeit zum Hauptberuf zu machen, war meistens quengelig, unbegabt oder arbeitsscheu.“
(Lebenslänglich, 206)

Und das im Roman von Liza Marklund, einer schwedischen Autorin!

Seiten:«12345678»

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