Googeln macht blöd und lässt das Gehirn schrumpfen
Die dunklen Seiten von Online werden im Sommer seitenweise beschrieben; die Warnungen vor dem Computer, der unsere Kinder verdirbt und Familien zerstört, haben Konjunktur. Erst schreibt der Stern seine Titelgeschichte zu „iSolation – Immer online, aber sprachlos: Wie die digitale Welt unser Familienleben verändert“ (33/2012 vom 9. August), dann füllt die Süddeutsche in einem Spezial sieben Seiten ihrer Wochenend-Beilage, schließlich warnt der Ulmer Gehirnforscher Manfred Spitzer unentwegt, Kinder zu früh vor den Computer zu setzen. Er warnt in seinem neuen Buch „Digitale Demenz“, er warnt in Bild (13. August) „Bringt uns das Internet um den Verstand“, und er warnt in einem Interview mit dem Kurier (Österreich) „Macht googeln blöd“:
Wenn wir geistige Arbeit an Maschinen abgeben – und digitale Medien sind nichts anderes als Denkmaschinen – findet die geistige Arbeit nicht mehr in unserem Hirn statt. Beispiel: Wer Auto fährt, benutzt nicht seine Muskeln zur Fortbewegung, sondern einen Motor. Wenn man nun mit Navi fährt, erledigt nicht unser Gehirn das Navigieren, sondern das kleine Kästchen. Beim einen schrumpfen die Muskeln, beim anderen schrumpft das Gehirn.
VERBLÖDUNG: In Alabama wurden 15.000 Computer an Schüler verteilt. Hoffnung: Ihre Bildung zu verbessern. Das Experiment wurde nach drei Jahren abgebrochen, weil der Bildungsstand der Schüler sich gegenüber jenen deutlich verschlechtert hatte, die keine Computer hatten.
MULTI-TASKING: Angeblich müssen wir das Multitasking lernen, damit wir in der modernen, digitalen Welt erfolgreich sein können. Doch die Menschen sind schlichtweg nicht dafür gebaut, mehr als einem Handlungsstrang zu folgen. Versuchen Sie mal zwei Unterhaltungen gleichzeitig zu führen! Es geht nicht! Tut man es trotzdem, trainiert man sich eine Aufmerksamkeitsstörung an. Multitasker beherrschen alle geistigen Fähigkeiten, die sie zum Multitasken brauchen (Unwichtiges wegdrücken, Aufgabenwechsel) schlechter als Leute, die nicht Multitasken. Und: Sie haben nachweislich Probleme bei der Kontrolle ihres Geistes.
Bild bringt Spitzers sieben Thesen:
1. Wir denken weniger selbst
2. Wir verlernen, uns zu orientieren
3. Wir merken uns weniger
4. Wir lernen schlechter
5. Wir werden einsamer
6. Wir werden unkonzentrierter
7. Wir verlieren die Selbstkontrolle(zu: Handbuch-Kapitel 5 Die Internet-Revolution)
Untergang des Journalismus: Willkommen im Krisenzirkus!
Der Qualitätsjournalismus ist am Ende, rufen die apokalyptischen Reiter, die gerade „APuZ “ erobert haben, eine Zeitschrift der Bundeszentrale für politische Bildung. Harald Staun schaut sich für die FAS im „Krisenzirkus“ um:
Im Licht sinkender Zeitungsauflagen und anhaltender Budgetkürzungen in den Redaktionen scheint es auf die Schlüssigkeit der Argumente nicht mehr anzukommen. Die These von der Krise des Qualitätsjournalismus ist längst too big to fail. Selbst Indizien, die ihr entgegenstehen, können da noch als Beleg durchgehen.
Am 25. Juli wunderten wir uns in diesem Blog über die Zeitschrift „Aus Politik und Zeitgeschichte“, in der neben dem Untergang des Qualitätsjournalismus auch das Elend des Lokaljournalismus beschrieben wird – just von der Bundeszentrale für politische Bildung, die so viel für die Qualität des Lokaljournalismus getan hat wie kaum jemand anders.
Am 29. Juli schrieb auch Harald Staun in der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung über diese seltsame Juni-Beilage: „Das Beschwören des Untergang des Qualitätsjournalismus ist ein eigenes Berufsfeld geworden“; und: „sensationsgeile Blogger stehen zur Wachablösung bereit“.
Margreth Lünenborg, Professorin für Kommunikationswissenschaften an der Freien Universität Berlin, läutet auch in APuZ die Todesglocke. Staun stellt fest:
Von ihren Auftritten als Diagnostiker dieser Krise können heute ganze medienwissenschaftliche Fakultäten leben, auch einige Medienjournalisten lesen ihren Kollegen hauptberuflich die Leviten…
Wöchentlich beten in irgendeinem deutschen Kongresszentrum besorgte Wanderprediger verunsicherten Zuhörern ihr Mantra vom Verfall journalistischer Standards vor. Nur leider lassen sich die neuen, mächtigen Akteure auf dem Spielfeld, Konzerne wie Google oder Apple, nicht davon einschüchtern, wenn alle nur laut genug herumappellieren und im Chor die gesellschaftliche Bedeutung des Journalismus betonen.
Der FAS-Artikel ist im Netz nicht frei verfügbar.
(zu: Handbuch-Kapitel „Welche Zukunft hat der Journalismus“)
„Google gefährdet die freie Presse“
Google warnt die deutschen Verleger, die ein Leistungsschutzrecht fordern, vor einem „Eingriff in die Informationsfreiheit“. Einer der Verleger, Harald Wahls aus Braunschweig, widerspricht: „Die Auswertung und Nutzung dieser fremd erbrachten Leistung (Verlag/Autor) für ein eigenes Geschäftsmodell (Google und Co.) ist ein parasitäres Verhalten.“
Wahls greift Google direkt an: „Google ist ein kalifornisches Unternehmen, unterhält in Deutschland nur wenige Arbeitsplätze, zahlt kaum Steuern, verhandelt nicht mit Gewerkschaften und gefährdet Zigtausende von journalistischen Arbeitsplätzen in den Verlagen. Deutsche Verlage sind Tarifpartner der Gewerkschaften, beschäftigen viele Tausende von Journalisten, nehmen ihnen das eigene unternehmerische Risiko ab, zahlen ihnen sichere und gute Gehälter.“
Mit Harald Wahls, dem Geschäftsführer des Braunschweiger Zeitungsverlags, sprach BZ-Chefredakteur Armin Maus über das Leistungsschutzrecht für Presseverlage:
Die Zeitungsverlage fordern ein eigenes Leistungsschutzrecht. Die Bundesregierung will es nun schaffen. Warum die Extrawurst?
Wahls: Ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage ist keine Extrawurst, sondern schließt eine Lücke, da die Presseverlage im Onlinebereich heute schlechter gestellt sind als Werkvermittler in anderen Branchen.Warum reicht Ihnen das Urheberrecht nicht?
Wahls: Das Urheberrecht schützt den Autoren, berücksichtigt jedoch nicht ausreichend die Vervollkommnung des Herstellungsvorgangs von Presseprodukten. Diese verlegerische Leistung ist bisher juristisch ungeschützt.
Deshalb muss dieser Bereich durch ein Leistungsschutzrecht zusätzlich zum eigentlichen Urheberrecht geregelt werden. Andere Kreativbranchen, wie zum Beispiel die Filmindustrie, sind bereits seit den 60er Jahren geschützt.Kritiker sagen, die Verlage dürfen sich nicht wundern, wenn Google und andere Aggregatoren die Zeitungsinhalte nutzen. Schließlich stellen die Verlage sie gratis ins Netz. Stimmt der Vorwurf?
Wahls: Der Vorwurf ist absurd. Die Verlage stellen ihre Inhalte zur Gratis-Nutzung für die Endverbraucher ins Netz. Dieses Verhalten stammt aus der Experimentierphase des Internets, wo alle Inhalte frei waren und die Zeitungsverlage ihre Webangebote als Ergänzungsservice zu ihren gedruckten Zeitungen betrachtet haben.
Dieses verändert sich, je mehr Menschen sich nur noch im Internet informieren und keine Zeitung mehr abonnieren. Damit wird das kostenlose Internetangebot für die Verlage ruinös.
Die wirtschaftliche Ausbeutung einer fremden Leistung, durch Google, ist ein Rechtsbruch, der schick erscheint, aber gerade Deutschland mit seinen vielen geistigen Patenten ins Mark trifft. Lassen wir dieses in der Zukunft weiter zu, müssen wir uns nicht wundern, wenn Patentklau und Raubkopieren in unserer Gesellschaft nur als Kavaliersdelikte betrachtet werden.Die Zeitungen setzen für Ihr Geschäft auf journalistische Inhalte, Google erzeugt keine Inhalte, verdient aber an der Werbung in diesem Umfeld. Klingt ungerecht.
Wahls: Das ist es auch. Die Auswertung und Nutzung dieser fremd erbrachten Leistung (Verlag/Autor) für ein eigenes Geschäftsmodell (Google und Co.) ist ein parasitäres Verhalten. Aktuell hat der Pressesprecher von Google, Kay Oberbeck, sogar unsere Argumente indirekt bestätigt. Er verweist darauf, dass pro Minute 100000 Clicks von Google in Richtung Verlagswebsites weitergeleitet würden. Daran können Sie erstens sehen, wie nachgefragt dieser journalistische Content ist, und zweitens sehen Sie daran, welche immensen Umsätze Google mit seinen umfeldorientierten Werbeangeboten auf diesen Übersichtsseiten verdienen muss. Daran lässt Google aber die Verlage nicht teilhaben. Google nutzt diese fremdproduzierten Inhalte, um sich daran zu bereichern. Google gewährt den Produzenten der Inhalte keinen Anteil an der Wertschöpfung.Was hat das mit den Bürgern zu tun? Gegner des Leistungsschutzrechts sagen, der Plan gehe gegen die Verbraucherinteressen.
Wahls: Google ist ein kalifornisches Unternehmen, unterhält in Deutschland nur wenige Arbeitsplätze, zahlt kaum Steuern, verhandelt nicht mit Gewerkschaften und gefährdet zigtausende von journalistischen Arbeitsplätzen in den Verlagen. Deutsche Verlage sind Tarifpartner der Gewerkschaften, beschäftigen viele Tausende von Journalisten, nehmen ihnen das eigene unternehmerische Risiko ab, zahlen ihnen sichere und gute Gehälter.
Eine unabhängige deutsche Presse ist dezentral organisiert, es gibt keine staatlichen Einflüsse durch Landesmedienanstalten. Dies haben die Väter des Grundgesetzes so gewollt, um die Unabhängigkeit vom Staat und von der Politik sicherzustellen. Millionen von Arbeitsplätzen sind so über die Jahrzehnte geschaffen worden. Das Geschäftsmodell von Google wertet diese unternehmerische Leistung für sich aus und gefährdet damit eine freie und dezentral organisierte Presse.Können Sie sich erklären, warum der Bundesverband der Deutschen Industrie gegen das Leistungsschutzrecht ist? Man sollte doch meinen, dass er die Bedeutung des Schutzes geistigen Eigentums in deutschen Unternehmen kennt – viele klagen ja über Produktpiraterie und Patentdiebstahl.
Wahls: Unsere Branche war sehr irritiert über die Bemerkungen des BDI. Der Verband verlangt Präzisierungen. Das finde ich verständlich, jedoch kann man auch eine andere Zielsetzung für die getroffen Aussagen unterstellen. Die Kritik an dem Leistungsschutzrecht ist meines Erachtens leider durch ein elementares Eigeninteresse des BDI getrieben. Auch Verbände nutzen für die Mitglieder-Pressespiegel den Umstand, fremde Leistungen kostenlos auszuwerten. Hier scheint der Eigennutz vor der gesellschaftlichen Aufgabe des Verbandes zu überwiegen. Sonst wäre ein derartiges Verhalten nicht zu erklären. Die Argumente jedenfalls, die der BDI in diesem Zusammenhang vorgetragen hat, sind kaum substanziell zu untermauern.
aus der Braunschweiger Zeitung vom 6. August 2012
(zu: Handbuch-Kapitel 5 „Internet-Revolution“)
„Wir fahren nicht auf der Titanic“ (dapd-Interview 1)
Die Nachrichtenagentur dapd kündigt ein langes Interview an, das heute gesendet wird:
Erfurt (dapd-lth). Der Chefredakteur der „Thüringer Allgemeinen“, Paul-Josef Raue, bezeichnet Google und Facebook als „Schmarotzer“. Diese Internetmedien seien „gemeingefährlich“ und „mächtig“, sagte er im dapd-Interview in Erfurt. Die Verlagsbranche habe sich von der Entwicklung im Internet überrollen lassen. „Hätten sich die großen Verlage, vor allem in den USA, wo alles begann, dieselben Gedanken gemacht wie Steve Jobs und Mark Zuckerberg, wären diese gigantischen, die Freiheit bedrohenden Netze unter Kontrolle von Journalisten und weisen Verlegern“, sagte Raue.
Ein Auszug aus dem Interview, das dapd-Redakteur Ulrich Meyer führte:
Sind Google und Facebook nur Schmarotzer oder symbiotische Partner der „klassischen“ Medien?
Raue: Sie sind Schmarotzer, sie sind gefährlich, gemeingefährlich, aber sie sind da, und sie sind mächtig. Wir sollten sie nutzen, benutzen, aber nicht mehr. Hätten sich die großen Verlage, vor allem in den USA (wo alles begann), dieselben Gedanken gemacht wie Steve Jobs und Mark Zuckerberg, wären diese gigantischen, die Freiheit bedrohenden Netze unter Kontrolle von Journalisten und weisen Verlegern. Aber das sagt sich so leicht, und es ist der Fehler von gestern.
Mehr Sorgen bereitet, dass auch in Deutschland Startups entstehen, die schnell millionenschwer werden: Sie werden selten von Verlagen gegründet, sondern von jungen Tüftlern, die kein Geld für teure Marktanalysen und ausführliche Business-Pläne haben und keine Lust auf lange Konferenzen.
Warum entdecken wir diese Leute nicht? Stimmt unsere Ausbildung, unsere Talent-Suche nicht mehr? Haben wir das Gespür für Ausgewogenheit verloren, wenn wir Risiko, Neugier, Spontanität und Mut in die eine Waagschale legen und Wirtschaftlichkeit, Seriosität, Kontrolle und Kontinuität in die andere?
(zu: Handbuch-Kapitel 5 „Die Internet-Revolution“)
Wie kritisch sind wir gegen Google und Web-Monopolisten?
Volontäre sollen bloggern, twittern, googeln – und den Bürgermeister kritisieren, wenn er sich nicht an die Regeln hält. Aber lehren wir auch intensiv, kritisch gegenüber Google und Facebook zu sein? Und zu recherchieren, wie mächtig sie sind und wie wenig sie Regeln beachten? Und lehren wir, Bloggern zu mißtrauen?
Der EU-Kommissarin Neelie Kroes fiel bei der „Re:publica“-Konferenz, Anfang Mai in Berlin, auf: Die Politik muss handeln, um Google und andere Monopolisten in die Schranken zu weisen – so eine oft zu hörende Forderung. Dieselben Kritiker streicheln derweil ihren „iPad“, googeln und hinterlassen ihre Spuren bei Facebook. (nach FAZ vom 5. Mai)
Dieser Text ist auf dem I-Pad geschrieben und wird auf Facebook veröffentlicht.
(zu: Handbuch-Kapitel 5 und 7 „Die Internet-Revolution“ + 58 „Die Ausbildung zum Redakteur“)
Das Scharia-Internet
Google spioniert Euer Privatleben aus! Boykottiert Google!
Mit solchen Warnungen begründen die Mächtigen im Iran die staatliche Blockade von weiten Teilen des Internets wie Facebook oder Twitter und kündigen an, ein Scharia-Internet aufzubauen. (SZ, 4. April 2012)
(zu: Handbuch-Kapitel 5: „Die Internet-Revolution“ / Das Internet wirbelt die Mächtigen durcheinander, Seite 25)
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