Auch Journalisten fehlt Respekt vor dem Publikum
Der Blogger Richard Gutjahr sieht Ähnlichkeiten zwischen Politikern und Journalisten, wenn es um die eigenen Unzulänglichkeiten geht. In einem Interview mit Welt kompakt sagt er:
Die Politiker müssen immer wieder beweisen, wie toll sie sind. Sie haben nicht begriffen, dass man heute damit nicht mehr durchkommt. Auch Journalisten werden gezwungen, die Politiker härter anzufassen. Früher wäre die Wulff-Affäre vielleicht in den Hauptstadtclubs weggenuschelt worden. Die alten Spielregeln zwischen den Mächtigen und Kontrolleuren funktionieren heute aber so nicht mehr, denn auch die Kontrolleure haben heute Kontrolleure.
Auf die Frage „Was können Politiker aus der Wulff-Affäre für die Zukunft lernen?“:
Politiker sind darauf trainiert, keine Schwächen zu zeigen. Aus der Wulff-Affäre sollten sie lernen, besser mit eigenen Unzulänglichkeiten umzugehen und ihr Publikum zu respektieren. Ich habe den Eindruck, weder Politiker, noch wir Journalisten haben den nötigen Respekt vor dem Publikum.
Zeitunglesen schützt vor Demenz
„So schützen Sie sich vor Demenz“ überschrieb die Bildzeitung am 9. Januar ihre Ratgeber-Seite und empfahl:
„Auch das morgendliche Zeitunglesen ist ein ideales Gehirntraining. Ständiges Fernsehen schadet dem Gehirn!“
(zu: Handbuch Kapitel 39 „Wie man Leser gewinnt: Ein heikler Souverän“ +53 „Was die Leser wollen “ + 56 „Service und Aktionen“)
Wulff: Ich bin nachtragend bei Journalisten
„Ich werde bei Kritik manchmal sehr grimmig“, sprach Christian Wulff, als er Ministerpräsident von Niedersachsen war. Während des Landtagswahlkampfs 2008 antwortete er so auf die Frage eines kleines Mädchens bei der Kinderpressekonferenz der Braunschweiger Zeitung.
Marcel Rosenbach vom „Spiegel“ hat den kurzen Film von dieser Pressekonferenz im Netz entdeckt bei der Recherche für seinen Wulff-Artikel im aktuellen Spiegel.
Der komplette Wortlaut auf die Kinder-Frage, wie gut er denn Kritik vertragen könne:
„Ich glaube, dass ich mit Kritik gut umgehen kann, wenn sie nur einleuchtend ist. Wenn ich also sage: Okay, der hat Recht, der hat da eine Schwäche bei mir entdeckt, ich hab da einen Fehler gemacht, jetzt wird der Fehler hervorgehoben.
Wenn Kritik unberechtigt ist, bin ich – glaube ich – genauso ärgerlich wie jeder, der sich kritisiert fühlt, aber es nicht einsehen will. Wenn Eure Eltern Euch etwas sagen und sie haben Recht – sagt Ihr auch: Naja, okay. Wenn sie nicht Recht haben nach Eurer Meinung, sagt Ihr auch: Ist überhaupt nicht okay und schmollt und zieht euch zurück. Ich glaube, es ist bei Erwachsenen auch so.
Insofern bin ich bei Kritik, wenn sie unberechtigt ist, manchmal sehr grimmig. Ich weiß es vor allem noch 20 Jahre später. Manchmal schaffe ich Redakteure, die in der Zeitung etwas geschrieben haben und sage: Damals, 1981, linke Spalte, dritte Seite – und das nehmen die mir manchmal übel, 20 Jahre später, dass ich das noch weiß und nicht vergessen habe.
Wenn Journalisten mal kritisiert werden, dann kann ich Euch sagen, dann ist was los. Die können überhaupt keine Kritik ertragen, die kennen das gar nicht. Wir Politiker werden ja ständig kritisiert. Wir haben ein ganz dickes Fell.
Ich möchte aber, dass Menschen mit dünnem Fell in der Politik sein können. Das ist manchmal schwierig. Man liest jeden Tag was über sich in der Zeitung und das ist nicht immer positiv.“
Die Braunschweiger Zeitung organisierte und organisiert viele solcher Leser-Debatten, -Interviews und –Foren; sie bekam für das Konzept der „Bürgerzeitung“ 2010 den Deutschen Lokaljournalistenpreis, im Braunschweiger Dom verliehen von Wulffs Vorgänger im Amt des Bundespräsidenten, Horst Köhler. Die Kinderpressekonferenz mit allen Spitzenkandidaten ist eine von mehr als 50 BZ-Leseraktionen, ins Leben gerufen während eines langweiligen Landtag-Wahlkampfs.
(Zu Handbuch-Kapitel 56 Service und Aktionen in „Die Zukunft der Zeitung“)
Das Vertrauen in Journalisten
Die Märkte trauen der Politik nicht. Die Bürger trauen der Politik nicht. Ein Dilemma? Nein, die Märkte können die Bürger nicht beeinflussen und nicht kontrollieren, aber die Politiker können sie beeinflussen.
Das Dilemma können die Journalisten lösen. Sie müssen den Bürgern klar machen, dass sie die Politik sind, sie die Politiker wählen, sie sich selber beteiligen können und einmischen, sie nicht machtlos sind, sondern mächtig. Macht setzt Wissen voraus, Einordnung von Informationen, Bereitschaft zum Gespräch und zur Debatte in der Gesellschaft. Dieses Wissen zu liefern ist Bring-Schuld der Redakteure; dies Wissen in Debatten münden zu lassen ebenso.
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