Alle Artikel mit dem Schlagwort " Spiegel"

Wulffs Staatsanwalt: Ich will meinen Namen nicht in der Zeitung lesen

Geschrieben am 21. Februar 2012 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 21. Februar 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Presserecht & Ethik.

Den Namen des Staatsanwalts in Hannover, der die Aufhebung der Immunität Wulffs beantragte, nennt der „Spiegel“ nicht in der aktuellen, schon am Samstag erschienenen Ausgabe – mit dem Hinweis: „Dieser Mann ist seit nicht einmal einem Vierteljahr auf seinem Posten. Er ist Oberstaatsanwalt, seinen Namen will er nicht in der Zeitung lesen.“

Am Samstag, als der „Spiegel“ erscheint, schreibt die Süddeutsche ein Porträt über Clemens Eimterbäumer – mit Foto.

Die FAZ bringt das Eimterbäumer-Porträt erst am Montag, eingeleitet mit dem Satz: „Noch zur Wochenmitte hatte Clemens Eimterbäumer großen Wert darauf gelegt, dass zum Schutz seiner Famili sein Name nicht genannt werde – Ende der Woche aber gab die hannoversche Staatsanwaltschaft dem Drängen der Medien nach.“

 

(zu: Handbuch-Kapitel 50 „Presserecht“)

Die Jungen wollen nicht mehr wissen, was auf der Welt los ist

Geschrieben am 10. Februar 2012 von Paul-Josef Raue.
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Was ist nur mit den jungen Leuten los?, fragt Wolf Schneider im zweiten und abschließendem Teil seiner Dankesrede, nachdem ihm im Mai 2011 der Henri-Nannen-Preis für sein Lebenswerk verliehen worden war (erster Teil: 8. Februar in diesem Blog):

„Dazu kommt nun eine schlimme Entwicklung, die noch wenig beredet wird. Dass alles Gedruckte bedroht ist, das wissen wir ja. Die viel schlechtere Nachricht lautet: Eine wachsende Zahl von unter 30jährigen (Allensbach behauptet: schon die Hälfte!) will gar nicht mehr wissen, was auf der Welt los ist!

Peter Frey vom ZDF sieht es so: „In einer Art Slalom zappt die Klientel um alles herum, was nach Information riecht.“ Matthias Müller von Blumencron vom Spiegel sagt: „Viele Leute lassen sich eher bei Facebook durch ihre Freunde informieren als durch die Medien – das ist unsere neue Konkurrenz.“ Schon hört man von Redaktionen, die die Auswahl und die Aufmachung ihrer Stoffe danach ausrichten, dass sie die Chance haben, via Facebook möglichst oft weiterempfohlen zu werden. „Es ist Facebook, das den ,Küchenzuruf’ organisiert“, sagt der Chef von stern.de.

Und Rupert Murdoch hat gerade The Daily auf den Markt gebracht, eine Tageszeitung fürs iPad: Texte, Bilder, Töne – Nachrichten, Klatsch und vie-le Spiele. Die gute Nachricht lautet: Bisher ist The Daily ein Misserfolg. Und dabei durften und sollten die Nutzer der Redaktion dauernd schreiben, was sie sich wünschen.

Was sie sich wünschen! Eben. Damit wird die journalistische Tugend torpediert, den Bürgern auch Informationen zu vermitteln, die sie haben sollten, ob sie sie sich gewünscht haben oder nicht. Und es wird obendrein eine große journalistische Chance verspielt: nämlich zu wittern, wofür sie sich morgen interessieren werden! Selbst Leser alten Stils wissen das bekanntlich nie – anbieten muss man ihnen, was sie mögen werden! So, wie Henri Nannen Anfang der 60er Jahre dem Sternleser plötzlich Politik zumutete – zum Entsetzen von Bucerius und mit der Wirkung, dass der Stern dramatisch an Gewicht gewann, die Auflage steigerte und dem Weltruhm zustrebte.
Also: Begnadete Journalisten gesucht, die erschnuppern, womit man 18jährige zurückgewinnen kann! „Rastloser Planet sucht neuen Journalismus“, inseriert die Welt Kompakt, und sie hat recht: einen Journalismus, dessen Küchenzurufe bis in Clubs und Discos schallen.

Dabei würde uns jene Gesinnung helfen, die mir an Henri Nannen am meisten imponiert hat – er beschrieb sie nicht so, aber er strahlte sie ab, er lebte sie vor, er forderte sie ein: „Dass wir die Größten und die Großartigsten sind – das ist uns selbstverständlich viel zu wenig! Leute, krempelt die Ärmel auf!“

Und so rufe ich allen Journalisten (und zumal den hier Versammelten) zu: Dass Sie guten, dass sie brillanten Journalismus machen, das ist zu wenig, wenn der Journalismus überleben soll: Ideen müssen her! Krempeln wir die Ärmel auf!“

(zu Handbuch: Kapitel 54 „Die neue Seite 1 (Küchenzuruf)“ und Kapitel 46 „Die Redaktion: Wer hat die Macht“ und Schlußkapitel „Welche Zukunft hat der Journalismus“)

Wulff: Ich bin nachtragend bei Journalisten

Geschrieben am 10. Januar 2012 von Paul-Josef Raue.

Ich werde bei Kritik manchmal sehr grimmig“, sprach Christian Wulff, als er Ministerpräsident von Niedersachsen war. Während des Landtagswahlkampfs 2008 antwortete er so auf die Frage eines kleines Mädchens bei der Kinderpressekonferenz der Braunschweiger Zeitung.

Marcel Rosenbach vom „Spiegel“ hat den kurzen Film von dieser Pressekonferenz  im Netz entdeckt bei der Recherche für seinen Wulff-Artikel im aktuellen Spiegel.
Der komplette Wortlaut auf die Kinder-Frage, wie gut er denn Kritik vertragen könne:

„Ich glaube, dass ich mit Kritik gut umgehen kann, wenn sie nur einleuchtend ist. Wenn ich also sage: Okay, der hat Recht, der hat da eine Schwäche bei mir entdeckt, ich hab da einen Fehler gemacht, jetzt wird der Fehler hervorgehoben.

Wenn Kritik unberechtigt ist, bin ich – glaube ich – genauso ärgerlich wie jeder, der sich kritisiert fühlt, aber es nicht einsehen will. Wenn Eure Eltern Euch etwas sagen und sie haben Recht – sagt Ihr auch: Naja, okay. Wenn sie nicht Recht haben nach Eurer Meinung, sagt Ihr auch: Ist überhaupt nicht okay und schmollt und zieht euch zurück. Ich glaube, es ist bei Erwachsenen auch so.

Insofern bin ich bei Kritik, wenn sie unberechtigt ist, manchmal sehr grimmig. Ich weiß es vor allem noch 20 Jahre später. Manchmal schaffe ich Redakteure, die in der Zeitung etwas geschrieben haben und sage: Damals, 1981, linke Spalte, dritte Seite – und das nehmen die mir manchmal übel, 20 Jahre später, dass ich das noch weiß und nicht vergessen habe.

 Wenn Journalisten mal kritisiert werden, dann kann ich Euch sagen, dann ist was los. Die können überhaupt keine Kritik ertragen, die kennen das gar nicht. Wir Politiker werden ja ständig kritisiert. Wir haben ein ganz dickes Fell.

 Ich möchte aber, dass Menschen mit dünnem Fell in der Politik sein können. Das ist manchmal schwierig. Man liest jeden Tag was über sich in der Zeitung und das ist nicht immer positiv.“

 Die Braunschweiger Zeitung organisierte und organisiert viele solcher Leser-Debatten, -Interviews und –Foren; sie bekam für das Konzept der „Bürgerzeitung“ 2010 den Deutschen Lokaljournalistenpreis, im Braunschweiger Dom verliehen von Wulffs Vorgänger im Amt des Bundespräsidenten, Horst Köhler. Die Kinderpressekonferenz mit allen Spitzenkandidaten ist eine von mehr als 50 BZ-Leseraktionen, ins Leben gerufen während eines langweiligen Landtag-Wahlkampfs.

(Zu Handbuch-Kapitel 56 Service und Aktionen in „Die Zukunft der Zeitung“)

Die Premium-Auswahl

Geschrieben am 3. Januar 2012 von Paul-Josef Raue.
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Am Tag des großen Euro-Gipfels (am 9. Dezember 2011) liefen die Nachrichten im Minuten-Takt. Er sei abgestumpft von der Masse der Euro-Meldungen, zitiert der „Spiegel“ den Derivate-Händler Ben Koch an der New Yorker Wall Street: „Es gibt zu viel Gelaber.“

Statt Fakten gebe es Meinung.

„Was bleibt den Politikern anderes übrig, als eine positive Message an das Volk zu schicken, auch wenn sie sie nur so verpacken.“ (Spiegel 50, Seite 69, Link)

Radio, Fernsehen, Interview haben wenige Fakten, haben auch keine Chance zur Recherche, sie reihen Stellungnahme an Stellungnahme, Meinung an Meinung: Regierung sagt X, Opposition sagt Y, Experte A orakelt so, Experten B orakelt anders. All dies prasselt auf die Leser, Hörer und Zuschauer ungeordnet nieder.

Die Chance der Zeitung ist die Premium-Auswahl der Fakten, die Recherche und – stark unterschätzt – die Analyse. Gerade wenn’s unüberschaubar ist, sind Analysen hilfreicher als Kommentare; deshalb sind viele Leitartikel und Kommentare auch Mogelpackungen, sie sind Analysen, die sich als Meinung tarnen und so gerne auf schlüssige, an Fakten orientierte Begründungen verzichten.

Analysen müssen keine klare Meinung haben, sie müssen sich nicht auf eine Seite schlagen, sie können im Sowohl-Als auch verharren. Aber sie müssen Fakten und Einschätzungen so ordnen, dass sie dem Leser die Zuversicht gibt, die Welt gehe noch nicht unter und er wisse den Grund dafür.

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