Wie wird eine Zeitung erfolgreich? Die sieben Buffett-Regeln

Geschrieben am 14. Oktober 2012 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 14. Oktober 2012 von Paul-Josef Raue in Lokaljournalismus.

In Städten und Orten mit einem starken Gemeinschaftsgefühl gibt es keine wichtigere Einrichtung als die Lokalzeitung. Sie hat eine gute Zukunft, wenn sie weiter Informationen liefert, die man nirgends sonst findet.

So spricht der Finanzmanager und Milliardär Warren Buffett. Er kaufte im Sommer mehrere Dutzend von Lokalzeitungen in den USA, mit denen er auch Gewinn machen will. In seinem Engagement steckt der Hinweis, wie Zeitungen erfolgreich werden können:

1. Sei lokal! Berichte von den Nachbarn der Menschen, die eine Zeitung abonnieren.

2. Sei ein Teil der Gemeinschaft! Nimm das Gemeinschaftsgefühl wahr, entdecke es bis in Details, berichte darüber ohne Überheblichkeit.

3. Stärke das Gemeinschaftsgefühl! Ist es schwach ausgeprägt, haben Journalisten den Auftrag, es zu stärken: Zeige Beispiele und Vorbilder.

4. Sei exklusiv mit lokalen Nachrichten!

5. Sei aktuell mit lokalen Nachrichten!

6. Habe keine Angst vor der Provinz! Jeder Mensch, der Nachbarn schätzt, lebt in einer Provinz. Lasse Dir nicht einreden, keine Frau von Welt oder kein Mann von Welt mehr zu sein, wenn Du mehr in die Nachbarschaft schaust als in die Paläste.

7. Nimm Warren Buffett als Beispiel, der ein Mann von Welt ist, ein reicher dazu, weil er die Provinz mit ihren Menschen liebt!

(zu: Handbuch-Kapitel 53-57 Die Zukunft der Zeitung)

Der Presserat braucht dringend eine Reform: Die Brand-Eins-Affäre

Geschrieben am 12. Oktober 2012 von Paul-Josef Raue.
19 Kommentare / Geschrieben am 12. Oktober 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, PR & Pressestellen, Presserecht & Ethik.

Bisweilen fällt es schwer, den Presserat zu schätzen. Seine Rüge gegen Brand Eins deckt die Schwächen des Presserats auf und lässt um seine Zukunft bangen.

Vorweg: Erstens – wir brauchen in Deutschland den Presserat. Zweitens – wir brauchen dringend eine Reform des Presserats.

Blicken wir kurz zurück: In der Adenauer-Ära wollte der Staat immer mehr die Presse kontrollieren, erwog staatliche Pressekammern, schlug vor fünfzig Jahren in der Spiegel-Affäre dramatisch zu und wurde erst 1966 vom Verfassungsgericht gebremst. Danach einigten sich Verleger und Journalisten auf eine Selbstkontrolle und übergaben dem Bundespräsidenten 1973 den Pressekodex.

Diese Selbstkontrolle sollten wir bewahren – aber ohne Selbstherrlichkeit, die in der Brand-Eins-Affäre wie in einem Brennglas sichtbar wird:

1. Transparenz fehlt – Die Sitzungen des Presserats finden hinter verschlossenen Türen statt; selbst die Beschuldigten werden nicht geladen. Der Einwand trägt nicht, ein höherer Aufwand sei den Ehrenamtlichen im Presserat nicht zumutbar. Immerhin geht es um die Ehre von Redakteuren, Zeitungen und Zeitschriften – und es gibt Telefon- oder Videokonferenzen. Vor allem: Was spricht gegen die Teilnahme der Beschuldigten?

2. Unschuldsvermutung fehlt – In Ziffer 13 des Pressekodex heißt es: „Der Grundsatz der Unschuldsvermutung gilt auch für die Presse.“

Offenbar gilt er nicht für den Presserat. Der Beschuldigte kann sich zuvor nur schriftlich äußern, er kann nachher keine Beschwerde einlegen. Die Briefe des Presserats sind bisweilen kryptisch, die Vorwürfe nicht klar erkennbar. Erst nach dem Aussprechen der Rügen ist mitunter zu entdecken, wogegen sich eine Redaktion hätte wehren müssen.

Gerade kleinere Redaktionen tun sich schwer mit dem Verfahren und rutschen schnell in eine Mißbilligung oder Rüge hinein. Größere Redaktionen kümmern sich schon nicht mehr um den Presserat und lassen Anwälte oder ihre Rechtsabteilungen antworten (was nicht im Sinne der Selbstkontrolle der Journalisten ist).

Sinnvoll wäre eine Art Schlichtungsverfahren, wenn der Presserat auf eine Teilöffentlichkeit in den Sitzungen weiter verzichten will: Der Presserat entscheidet und gibt – nicht öffentlich – den Beschuldigten die Chance auf zu begründenden Widerspruch.

Unehrenhaft ist die Art der Verkündung durch eine Pressemitteilung. Nach der Geheimsitzung bekommt nicht der Beschuldigte die Entscheidung zugeschickt, vielmehr erfährt er es über Nachrichtenagenturen oder Mediendienste im Internet. Die Begründung wird nur bröckchenweise geliefert, erst Wochen später im vollen Wortlaut.

3. Unterstützung der Journalisten fehlt. – Die Arbeit in den Redaktionen wird immer schwieriger, vor allem durch den wirtschaftlichen Druck. Was ist journalistisch zulässig, ohne die Unabhängigkeit zu verlieren?

Redaktionen wie Verlagen suchen nach neuen Wegen, mit gutem Journalismus – und nicht selten auch mit schlechtem – Geld zu verdienen. Da ist den Redaktionen nicht mit Rügen geholfen, vielmehr brauchen sie klare Hinweise: Wo sind die Grenzen? Welchen Spielraum haben die Journalisten? Was müssen die Verlage tun?

Neue Geschäftsfelder suchen fast alle, nicht nur Brand Eins. Was ist mit „Euro extra“? Mit „Icon“ aus der Welt-Gruppe? Den Beilagen der FAZ wie „Auf in die Zukunft“? Der „Vinothek“ oder „Cinemathek“ der Süddeutschen? Der Beilage „Vital“ der Rheinischen Post?

Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Will der Presserat jetzt endlos rügen? Oder den Redaktionen und Verlagen helfen?

Der schlechteste Weg ist der über die Juristen. Der Pressekodex ist eben kein Gesetz, sondern eine ethische Grundsatz-Erklärung, der Hippokratische Eid der Journalisten. Brand Eins wusste sich, offenbar zu Recht, nicht anders als juristisch zu wehren. Wenn das zum Normalfall wird, ist der Presserat als Selbstkontrolle der Journalisten am Ende.

Die Chronik der Brand-Eins-Affäre

Ende Juni 2012: Brand Eins erscheint, Abonnenten bekommen auch das Magazin beigelegt „Hilfe! Zwischen Krankheit, Versorgung und Geschäft – Ein Magazin über die Pharmaindustrie“; das Magazin ähnelt dem Design von Brand Eins, ohne dass auf Brand Eins Bezug genommen wird oder auf dem Cover auftaucht.

27. September: Pressemitteilung des Presserats über die Rügen, die in der vergangenen Sitzung ausgesprochen worden sind

BRAND EINS wurde gerügt wegen eines Verstoßes gegen den in Ziffer 7 des Pressekodex festgeschriebenen Grundsatz der klaren Trennung von Redaktion und Werbung. Die Redaktion des Wirtschaftsmagazins hatte – im Auftrag des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie – eine Publikation geschrieben, die mit einer regulären Ausgabe der Zeitschrift verteilt wurde. Das Heft unter der Überschrift ‚Hilfe! – Zwischen Krankheit, Versorgung und Geschäft‘ wurde auf der Titelseite als „Ein Magazin über die Pharmaindustrie“ bezeichnet.
Der Beschwerdeausschuss sah mit dieser Publikation die gebotene klare Trennung von Redaktion und Werbung verletzt. Für den Leser erweckte sie den Eindruck einer Sonderausgabe von BRAND EINS. Es handelte sich jedoch um eine Auftragsproduktion, die von einem Verband finanziert wurde. Das Gremium ging davon aus, dass dessen Interessen Einfluss auf die Grundrichtung des Heftes genommen haben. Durch diese Art von Publikation und das dahinter stehende Geschäftsmodell gerät die Glaubwürdigkeit der Presse in Gefahr.

Online ist die Passage zur Rüge gegen Brand Eins mittlerweile gestrichen. Die Rüge richtete sich gegen das Heft „Hilfe!“

28. September Deutschlandradio Kultur – Kulturnachrichten / Presserat rügt Wirtschaftsmagazin „Brand Eins“

„Durch diese Art von Publikation gerät die Glaubwürdigkeit der Presse in Gefahr.“ So urteilt der Deutsche Presserat über eine Beilage des Wirtschaftsmagazins „Brand Eins“ und hat ihm deshalb eine Rüge erteilt. Die Beilage wurde im Auftrag des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie erstellt. Nach Ansicht des Presserats entstand aber der Eindruck, es handele sich um eine Sonderausgabe von „Brand Eins“. Damit habe das Magazin gegen die Trennung von Redaktion und Werbung verstoßen.
28. September Pressemitteilung: brand eins rügt Presserat

Der Presserat hat gestern eine Pressemitteilung verbreitet, in der er über eine gegen brand eins ausgesprochene Rüge berichtet. Über die Rüge – die brand eins bisher nicht vorliegt – heißt es in der Pressemitteilung:

„Die Redaktion des Wirtschaftsmagazins (sc. brand eins) hatte – im Auftrag des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie – eine Publikation geschrieben …“.

Dies entspricht nicht den Tatsachen. Nicht nur im Impressum der gerügten Publikation, sondern auch in der Stellungnahme, die die brand eins Redaktions GmbH & Co. KG im Rahmen des Beschwerdeverfahrens gegenüber dem Presserat abgegeben hat, wird ausdrücklich mitgeteilt, dass es sich um eine Publikation der Verlagstochter brand eins Wissen GmbH & Co. KG handelt.

Dabei handelt es sich um die Corporate Publishing-Gesellschaft der brand eins Medien AG, mit eigener Geschäftsführung und eigener Redaktion, die seit 2001 Publikationen im Auftrag erstellt. Die Redaktion des Wirtschaftsmagazins brand eins war zu keinem Zeitpunkt in die Arbeit an dieser Fremdproduktion involviert.

brand eins wird gegen die Falschmeldung des Presserats juristisch vorgehen.

 

2. Oktober von 1633 bis 16.36 vier Tweets von Brand Eins:

Der Presserat hat gegenüber brand eins eine Unterlassungserklärung abgegeben.

Er verpflichtet sich, nicht weiter zu behaupten, dass brand eines eine Publikation im Auftrag der pharmazeutischen Industrie geschrieben habe.
Für den Fall der Zuwiderhandlung hat sich der Presserat zur Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichtet und zum Ersatz des der brand eines Redaktions GmbH & Co aus der Verbreitung der Äußerungen entstandenen Schadens.

Neben der Unterlassungserklärung verpflichtete sich der Presserat noch im Fall der Zuwiderhandlung zur Zahlung einer Vertragsstrafe. Zudem ist der Trägerverein des Deutschen Presserats bereit, Brand Eins den aus der Verbreitung der Äußerungen entstandenen Schaden zu ersetzen.

 

4. Oktober: Meedia.de meldet im Nachtrag zum Bericht über die Unterlassungserklärung am 2. September:

Die Unterlassungserklärung bezieht sich allerdings nicht auf die Rüge, sondern nur auf eine Formulierung aus der Pressemitteilung. Diese lautete: „Die Redaktion des Wirtschaftsmagazins hatte – im Auftrag des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie – eine Publikation geschrieben, die mit einer regulären Ausgabe der Zeitschrift verteilt wurde.“

 

Pressekodex Ziffer 7 – Trennung von Werbung und Redaktion
Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten beeinflusst werden. Verleger und Redakteure wehren derartige Versuche ab und achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken. Bei Veröffentlichungen, die ein Eigeninteresse des Verlages betreffen, muss dieses erkennbar sein.

 

(zu: Handbuch-Kapitel 48-50 Presserecht und Ethik + Service B Medien-Kodizes + 51-52 Pressesprecher und PR + 20 Waschzettel und Verlautbarungen)

LINK: http://www.djv-brandenburg.de/cms/nachrichten/2012-10-15_Presserat-reformbedeuerftig.php

Lass ich mein Interview autorisieren? Ja, es wird besser

Geschrieben am 11. Oktober 2012 von Paul-Josef Raue.

Wir lassen keine Zitate mehr autorisieren!, verkündet Jill Abramson, die Chefredakteurin der New York Times. Ist das klug? Gar ein Vorbild für deutsche Zeitungen?

Nein, und es ist in der Regel eine Frage des Respekts und eine Frage der Qualität. Wenn ich meinem Gast anbiete, er könne Interview oder Zitat gegenlesen, dann sind die Chancen größer als das Risiko. Ich schenke meinem Gast Vertrauen und hoffe auf sein Vertrauen. Er erzählt mehr als einer, der um jeden Satz fürchten muss; er vergisst in vielen Fällen das Diktiergerät und ignoriert meinen Block.

Wenn ich jemanden aufs Glatteis führen will, dann muss er schon reichlich dumm oder verwegen sein – oder er wird übervorsichtig. Die Chance, so jemanden zu überlisten, liegt unter einem Prozent.

Die Qualität eines Interviews liegt nicht in der Enthüllung und dem Jubelschrei: Ich habe ihn überführt! Die Qualität eines Interviews liegt in der schönen Formulierung, in der feinen Entwicklung eines roten Fadens, in der Erklärung einer komplizierten Sache, in der Zeichnung einer Persönlichkeit, im zugespitzten Disput (wobei ein cleverer Gast scharfe, aber respektvolle Fragen schätzt, weil sie ihm die Chance zu einer klaren, aber auch scharfen Replik öffnet).

Das Lesen eines guten Interviews macht Spaß und bringt Gewinn. Nach einem guten Interview versteht der Leser entweder eine Sache oder einen Menschen besser.

Das geht aber meist nur, wenn ich selber nach einem guten, oft auch langen Gespräch zum Nutzen meiner Leser manipulieren darf; wenn ich das Wichtigste oder Unterhaltsamste an den Anfang stelle, obwohl es erst am Ende des Gesprächs gefallen ist; wenn ich alles kürze, oft das meiste, weil es wenig interessant ist; wenn ich zuspitzen und meine Fragen neu formulieren will.

Ich mache meinen Gast stark, und ich mache mich stark. So ist es nur fair, wenn ich meine Manipulationen dem Gast zur Kontrolle gebe mit dem Recht auf Änderung. Ich kämpfe um jeden Satz, wenn mir seine Änderungen nicht gefallen, weil sie den Charakter des Gesprächs fälschen. Am Ende des Kampfs – und ein Interview ist ein Kampf – entscheide ich, ob ich die Änderungen akzeptiere oder nicht.

Das Handelsblatt hatte nach einem Interview mit einem Banker den Kampf aufgegeben, aber nicht komplett: Es veröffentlichte nur die Fragen. Das war aber mehr journalistischer Hochmut als Aufklärung. Der Banker musste ja nicht antworten, und wahrscheinlich war er sich schon der Brisanz seiner Antworten bewusst und hatte Furcht vor den Folgen.

Bei einem Politiker wäre die Verweigerung ehrlicher Antworten allerdings von Bedeutung: Er hat dem Volk, das er vertritt, Rechenschaft zu geben, er hat zu erklären, und zwar verständlich und ohne Ausweich-Manöver. Ihn entlarvte die Liste der Fragen – ohne Antworten.

Ein weiterer Grund, ein Interview oder Zitat autorisieren zu lassen: Ich stelle sicher, dass es stimmt – gerade nach Gesprächen mit Wissenschaftlern oder Spezialisten, die Kompliziertes zu erklären haben. Der Redakteur liegt schnell daneben, wenn er verständlich sein will, wenn er Schweres einfach macht. Sicher werden Gespräche mit Wissenschaftlern oder Chefärzten nicht leicht, wenn sie ihre Fachausdrücke retten wollen und ihren guten Ruf bei den Kollegen; aber auch da gilt: Kämpfen für den Leser, der ein Recht hat, alles zu verstehen.

In den meisten Regionalzeitungen, erst recht in Lokalredaktionen sind die Fragen nach der Autorisierung eh recht theoretisch: Es gibt nur wenige Interviews und darunter noch zu viele banale – weil die Redakteure den Aufwand scheuen, ihnen die Routine fehlt und ein Training. Wenn sie im Lokalen ein Interview führen, dann oft ein kurzes zur Sache: Wie sind die neuen Öffnungszeiten im Zoo? Wann öffnet das Bürgerbüro auch am Abend? Wie werden die Anliegerbeiträge berechnet?

Meist sind die Antworten so hölzern, dass ein Bericht spannender zu lesen wäre als ein Interview. Zudem entstehen zu viele Interviews am Telefon oder sogar per Email. Beim schriftlichen Interview lade ich den Gast förmlich zum PR-Jargon ein; in der Tat werden viele Antworten in den Presseabteilungen geschrieben und vom Minister oder Bürgermeister noch nicht einmal vor dem Abschicken geprüft.

Es ist immer von Vorteil, wenn ich meinem Gast in die Augen schauen kann, sehe, wie sein Körper spricht – aber er auch mich beobachten kann.

Henning Noske, der Braunschweiger Lokalchef der Braunschweiger Zeitung, hat aus der Not des Lokalredakteurs eine Tugend gemacht: Das 5-Minuten-Gespräch, das auch im Blatt so genannt wird. Er sucht sich einen Gast aus, der etwas zu sagen hat oder prominent genug ist, er überlegt sich genau seine Fragen, hakt auch nach, sagt zuvor dem Gast, dass es keine Autorisierung geben wird, glättet nur die Ähs und Öhs und offensichtlichen Versprecher – und bekommt ein schnelles und in der Regel gut lesbares Interview.

(zu: Handbuch-Kapitel Das Interview)

Her mit den Synonymen! Totholzmedium

Geschrieben am 9. Oktober 2012 von Paul-Josef Raue.
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Das Totholzmedium Print ist nach wie vor ziemlich lebendig.

Stefan Winterbauer auf Meedia am 19.6.2012, als er fünf erfolgreiche Zeitschriften vorstellt. Den Autor treibt die unbändige Journalisten-Lust, Gegensätzliches in poetische Worte zu fassen, also Tod und Leben, was wichtiger klingt als: Vorhersage und Wirklichkeit.

Was wollte der Journalist sagen? Zeitschriften sind nach wie vor lebendig. Ist das zu schlicht?

(zu: Handbuch-Kapitel 13 Der heilige Synonymus + 57 Wie können Zeitungen überleben)

Was ist guter Lokaljournalismus? Themen setzen, die die Menschen bewegen

Geschrieben am 8. Oktober 2012 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 8. Oktober 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Lokaljournalismus.

Alle Redaktions-Projekte, ausgezeichnet mit dem Deutschen Lokaljournalistenpreis, haben nichts mit Terminkalender-Journalismus zu tun, sind nicht Ergebnis  irgendeiner Pressekonferenz.

Alle Redaktionen brillieren, weil sie Themen setzen.

So Jury-Sprecher Dieter Golombek in seinen Schlussgedanken beim Gespräch mit den Preisträgern im Bonner Post-Tower; dies Gespräch findet traditionell am Vorabend der Preisverleihung statt und wird von Preisträgern als der heimliche Höhepunkt gepriesen. Die Redakteure, die sich den Preis erarbeitet haben, erzählen von der Lust, aber auch von den Schwierigkeiten bei ihrem Projekt. Auf einer DVD fände man es unter: The Making Of.

In all den  Jahren fällt auf: Da die meisten Konzepte und Aktionen neu sind, als Idee noch unvollkommen, zudem so nirgends verwirklicht, kommen die meisten Widerstände aus den Redaktionen selbst. Wer die gewohnten Wege verlässt, muss in vielen Redaktionen offenbar mit Unverständnis rechnen. Davon ist bei der Preisverleihung aus guten Gründen selten etwas zu hören; da überwiegt, auch aus guten Gründen, die Freude über ein großes Projekt.

Was zeichnet konkret die Preisträger in diesem Jahr aus? Dieter Golombek:

Alle Preisträger waren viel unterwegs, die Freiburger Badische Zeitung über tausend Kilometer bei ihren Touren durch die Stadtteile, die Thüringer Allgemeine dreihundert Kilometer bei ihren Wanderungen die alte innerdeutsche Grenze entlang, die Augsburger Allgemeine bei ihren Ausflügen in über zweitausend Jahre Zeitgeschichte, der Bremer Weser Kurierbei seinem Versuch, ein Schwein ein Schweineleben lang zu begleiten. Und nicht zuletzt die Reporter aus Hameln (Deister-und-Weserzeitung) und der Stuttgarter Zeitung, die sich zu Reisen in die Zeit aufgemacht haben.

Sie tun es nicht, weil sie unbedingt Lust auf das Thema haben, sie tun es im Interesse ihrer Leser. Sie greifen die Themen auf, die die Menschen bewegen, den regionalen Verkehrskollaps ebenso wie die Energiepolitik der Stadtwerke, die Alltagsprobleme von Familien ebenso wie das E-Auto, das die Wirtschaftskraft einer Region bedroht.

Die Redakteure nehmen also nicht die Themen, die ihnen, ihren Bekannten und Freunden gefallen, sondern sie hören zu, worüber die meisten Menschen in ihrer Stadt und ihren Dörfern reden oder reden wollen. Sie bewältigen die größte Schwierigkeit der Lokalredakteure: Sie müssen sich außerhalb ihrer Gemeinschaft umhören, dort wo sich nicht die hoch gebildeten Eliten versammeln, den Meinungsträger, die Bestimmer.

Mehr zu den Konzepten der Preisträger auf www.drehscheibe.de

Die Preisträger, ausgesucht unter 588 Einsendungen (so viele wie nie zuvor):

1. Preis: Bonner General-Anzeiger für das Konzept einer Familienzeitung.
Die Zeitung macht Familien, deren Alltagsprobleme und Herausforderungen, deren Wünsche und Träume zur Richtschnur für ihre redaktionelle Arbeit. Die Redaktion liefert in einer gigantischen Serie, die über Jahre läuft, Familien Gesprächsstoff und Lebenshilfe und macht sie zu Mitgestaltern der Zeitung.

2. Preis, geteilt: Die Mittelbayerische Zeitung für das Konzept der Themenwochen

Die Westfälische Rundschau für ihr Konzept der Themenpräsentation.

Kategorien-Preisträger:

Augsburger Allgemeine für die Serie „Augsburgs starke Geschichte“ (Kategorie Geschichte),
Badische Zeitung für das Projekt „BZ-Stadtteilcheck“ (Kategorie Service),
Deister- und Weserzeitung für die Serie „Zeitgeschichten“ (Kategorie Alltag),
Rhein-Zeitung für die Reportage „Lobo, der Wolf vom Zentralplatz“ (Kategorie Reportage),
Süderländer Tageblatt für die Serie „Höchst elektrisierend – die neue Mobilität“ (Kategorie Wirtschaft),
Saarbrücker Zeitung für die Serie „Nix verstehen?!“ (Kategorie Integration),
Stuttgarter Zeitung für die Serie zur Zeit (Kategorie Alltag),
Thüringer Allgemeine für die Serie „Auf dem Kolonnenweg“ (Kategorie Zeitgeschichte),
Weser Kurier für das Projekt „Ein Schweineleben“ (Kategorie Verbraucher).

(zu: Handbuch-Kapitel 55 Der neue Lokaljournalismus + Service C Erste Adressen: Journalistenpreise, Seite 381)

Das Spiel der Jungen mit den Sprachmuskeln

Geschrieben am 7. Oktober 2012 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 7. Oktober 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles.

„Lassen Sie Ihr Geld für sich arbeiten. Sie arbeiten schließlich auch für Ihr Geld.“

Wer hat den Werbespruch ausgedacht?

Der Schriftsteller und frühere Journalist Martin Suter, als er jung war, für die Schweizerische Volksbank. Heute urteilt er hart darüber:

Ich habe mich später auch lange dafür geschämt. Ich hatte damals einfach nach guten Formulierungen gesucht, man war jung und spielte mit den Sprachmuskeln.

(Quelle: FAZ, 25.8.2012)

(zu: Handbuch-Kapitel 49 Schreiben und Redigieren)

Der digitale Habitus und das Ende des Journalismus

Geschrieben am 7. Oktober 2012 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 7. Oktober 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Online-Journalismus.

Wenn alle mit allen kommunizieren können, dann brauchen wir in unserer Wirklichkeit keine Vermittler mehr, keine Parlamente, keine Politiker, keine Ausschüsse, keine klassischen Journalisten mehr. Das Netz wird zur ersten und einzigen Instanz, zum wahren öffentlichen Raum.

So verändert sich unser Denken, unser gesamtes Erscheinungsbild, unser Habitus. Es ist der Habitus des Menschen, der nur auf eine Taste drückt und sofort ein Ergebnis sehen will, eine Information erhalten oder eine Entscheidung herbeiführen.

Der Kulturwissenschaftler Byung-Chui Han, Professor an der Berliner Universität der Künste, hat den digitalen Habitus beschrieben:

  • Der digitale Habitus lässt Dinge nicht zu, die langsam reifen müssen; was Zeit braucht, wird als intransparent  wahrgenommen.
  • Der digitale Habitus kann keine Zukunft gestalten, ist nur auf das Jetzt fokussiert.
  • Zum digitalen Habitus gehören Ungeduld, Nicht-Warten-Können, die Unfähigkeit zur Langeweile (als eine Quelle der Kreativität).
  • Zum digitalen Habitus gehören Unverbindlichkeit, Beliebigkeit und Kurzfristigkeit; es schwächt das Verantwortungsgefühl.
  • Zum digitalen Habitus gehört die selbständige Produktion von Zeichen, unabhängig von der Qualität.

Wie verändert der digitale Habitus die Politik? Es gibt eine „Echtzeit- oder Präsenz-Politik“, es folgt die „Abschaffung der Repräsentation, also der politischen Repräsentanten, denn diese verursachen einen Zeit- und Informationsstau“. Dieser Habitus sei, so Byung-Chui Han, verantwortlich für die Krise der repräsentativen Demokratie.

Quelle: FAZ, 4. Oktober 2012 (Byung-Chui Han: Im Schwarm – Wir fingern heute nur noch, statt zu handeln. Souverän ist, wer über die Shitstorms des Netzes verfügt. Das ist das Ende der Politik.)

(zu: Handbuch-Kapitel 5 Die Internet-Revolution)

 


Die Schutzheilige der Reportage

Geschrieben am 6. Oktober 2012 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 6. Oktober 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles.

Wir sollten Ariadne aus Kreta zur Schutzheiligen der Reportage ernennen. Sie hat den roten Faden gefunden, der den Weg aus einem Labyrinth zeigt.

Die gute Reportage ist ein Labyrinth; ohne roten Faden verirrt sich der Leser und gibt auf.

(zu: Handbuch-Kapitel 32 Die Reportage)

Ein Buffet aus Spreewaldgurken? For Journalisten-Ossis only

Geschrieben am 3. Oktober 2012 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 3. Oktober 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles.

Juliane Wiedemeier schreibt in ihrem Blog zum 30. Oktober:

Für den Deutschen Journalistenverband bietet dieses historische Datum den richtigen Rahmen, um am Wochenende zum Ostdeutschen Journalistentag zu laden. Dem ersten, wie der DJV selbst schreibt, dem ersten nur für Ossis, wie ich meine.

Schließlich gibt es viele gute Gründe, Journalisten in Ost- und Westdeutschland fein säuberlich voneinander zu unterscheiden, von denen mir spontan nur leider kein einziger einfällt. Nicht mal die Bezahlung. Wir bekommen ja mittlerweile alle unter Tarif.

Und nein, ich werde hier und jetzt kein Wort darüber verlieren, dass dies vielleicht ein wichtigeres Arbeitsfeld für den Verband Deutscher Journalisten sein könnte als die Organisation von Tagen für Ostdeutsche oder Reisen unter der Flagge von Wiesenhof.

Doch zurück zum Ostdeutschen Journalistentag, denn wenn es ihn schon gibt, kann man sich wenigstens kurz fragen, was ihn denn so besonders macht und von seinem westlichen Vetter unterscheidet. Ein Buffet aus Spreewaldgurken wird es wohl nicht sein, auch wenn man im Allgemeinen die Bedeutung von Buffets für den Journalismus ja nicht unterschätzen darf.

 

(zu: Handbuch-Kapitel 2-3 Die Journalisten)

Wie viel Pfeffer ist im Pfifferling? (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 3. Oktober 2012 von Paul-Josef Raue.
1 Kommentar / Geschrieben am 3. Oktober 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Friedhof der Wörter.

Wer lächelt, der irrt. Der Wirt ist nicht dumm, der sein Schnitzel mit „Pfefferlingen“ anpreist – auch wenn die übliche Schreibweise den Pfeffer in einen „Pfiffer“  verwandelt hat.

Der Pfifferling ist ein würziger Pilz, er leiht sich seine Bedeutung vom Pfeffer – schon seit Jahrhunderten.  Früher war der Pfefferling ebenso beliebt wie weit verbreitet – aber recht wertlos, weil ihn jeder in den Wäldern massenhaft finden und zum Kochen abholen konnte.

„Das ist mir keinen Pfifferling wert“, so lautet noch heute eine Redewendung, die sagt: Was ich kaufen soll, ist wertlos.

Pfefferling oder Pfifferling – in der Aussprache sind die beiden Wörter ähnlich. So dürfte auch der Pfeffer sich in Pfiffer verwandelt haben –  gegen den Sinn des Wortes.

Wer also dem Pilz seine ursprüngliche Bedeutung zurückgeben will, der folge dem Wirt am Erfurter Domplatz. Wer ein Kopfschütteln oder den roten Fehlerstrich der Lehrerin vermeiden will, der folge der üblichen Schreibweise.

Wer weder das eine noch das andere Wort mag, weder Pfefferling noch Pfifferling, der borge sich für den würzigen Pilz einen Namen bei unseren österreichischen Sprachnachbarn: Eierschwammerl.

Ein Nachtrag:

Ein Leser schreibt: Mir war auf dem Foto zunächst gar nicht mal aufgefallen, dass da „Pfefferling“ und nicht Pfifferling geschrieben steht. Vielmehr lächelte ich, weil da geschrieben wurde: „… mit Pfefferlinge“, ohne „n“ am Ende. Heißt das nicht . . . mit Pfefferlingen (Dativ plural)?

Der Leser hat Recht. Das ist ein Fall für den Dativ!

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