Meistgeklickt: PR und Online-Zeitungen + die beliebtesten Zitate (letzte Oktobverwoche)
Stefan Niggemeier hat entdeckt: Die Huffington Post bringt Burda-PR als journalistische Nachricht und verwischt die Grenzen. Ist das typisch für Online-Zeitungen? Auf jeden Fall war dieser Blog „PR als Nachricht“ der am meisten geklickte in der letzten Oktoberwoche.
Während meiner Israel-Reise gab es täglich ein Zitat über Journalismus: Die beliebtesten gingen übers Stehpult und kurze Sätze sowie über den Unterschied zwischen Literatur und Journalismus.
Platz 4 und 5 meiner Wochen-Liste sind zwei Blogs über Diskussionen in Israel:
4) Bezahlschranke bei Haaretz und die Kritik des ehemaligen Chefredakteurs: Je mehr Online, desto weniger tiefe Recherche
5) Blogger in Israel und das kurze Porträt einer mutigen Frau
Noch einmal: Lob der Kürze (Zitate des Journalismus 7)
Kürze ist die Seele des Verstandes
William Shakespeare, englischer Dramatiker (Stratford-upon-Avon, 1564-1616)
***
Geiz isst Gaul
Hamburger Morgenpost, Aufmacher-Überschrift am 19. Februar 2013 anlässlich des Fleischskandals, bei dem u.a. Pferdefleisch in Fertiggerichten entdeckt wurde
Quelle: Jahresprogramm der ABZV
Erfolgreiche Bezahlschranke, aber weniger tiefe Recherche
„Wir zahlen nichts“, sagten die Leser der Online-Seiten von Haaretz. „Sie haben gelogen“, sagt Lior Kodner, der Online-Chef der israelischen Zeitung. In einem Land, in dem es mehr Smartphones gibt als Bürger, scheint es zu gelingen: Die Online-Leser zahlen für guten Journalismus.
Es gibt keine eigene Online-Redaktion. Die dreihundert Redakteure sitzen in einem Newsroom, schreiben für die gedruckte Zeitung wie für Online – auch wenn das viele noch üben müssen. Nach dem Wochenende sitzen die Redakteure in der Sonntags-Konferenz zusammen und sprechen über die am meisten gelesenen Artikel der Online-Seiten der vergangenen Woche und des Sabbats.
Was alle noch verstehen müssen: „Wie schreiben wir eine Geschichte in der digitalen Welt?“ Dazu gehören, so Lior Kodner, auch Töne – wenn beispielsweise eine Lokomotive in der Story vorkommt – oder auch kleine Filme. So weit wie Haaretz ist offenbar noch keine große Zeitung in Israel. Der Markt für hebräische Online-Seiten ist auch klein: Gerade mal sieben Millionen potentielle Nutzer in Israel; zwei Millionen davon gehen im Monat auf die Haaretz-Seiten. Weil die Konflikte in Israel und den Nahen Ost auch außerhalb von Israel interessieren, bietet Haaretz nicht nur eine gedruckte Ausgabe in englischer Sprache an, sondern auch eine englische Online-Version, die – je nach Konfliktlage – zwischen zwei und drei Millionen Leser anzieht.
Haaretz musste experimentieren und online gehen, weil die Einnahmen immer mehr zurückgehen – wie nahezu überall in der westlichen Welt. Doch der Journalismus verliert Kraft, „power“, beobachtet Hanoch Marmori, der zehn Jahre lang Chefredakteur von Haaretz war: Weniger investigative Recherche, weniger Bohren in der Tiefe. Der Grund? Die Redakteure wollen das Management nicht aufschrecken, sie wollen keine Risiken eingehen und schauen zu, nur noch Geschichten zu bringen, die die Leute lesen wollen.
Nur auf die Online-Liste der meistgelesenen Artikel zu schauen, sei falsch, meint der Online-Chef Lior Kodner. Man dürfe die gedruckte Zeitung nicht allein nach den Einschaltquoten von Online ausrichten. Man solle sie zur Kenntnis nehmen und berücksichtigen, aber die Zeitung habe schon ein eigenes Gewicht.
Arabische Journalisten schreiben kaum für die israelische Zeitung. Das beklagt auch der frühere Chefredakteur: Es gibt einen arabischen Kolumnisten, der sehr populär ist, aber sonst keine, auch nicht in den anderen Zeitungen. „Sie wollen nicht“, sagt Hanoch Marmari, und fügt leise an: „Vielleicht schaffen sie es auch nicht.“
Die Israelis scheinen Journalismus bei der Armee zu lernen, guten, unabhängigen Journalismus, wie fast alle versichern. „Die Armee ist die einzige wichtige Journalismus-Schule“, sagt Marmari, und alle nicken, weil auch alle drei Jahre in der Armee dienen (Frauen zwei Jahre) und jedes Jahr zu Reserve-Übungen eingezogen werden: Die Armee als Schule der Nation.
Quelle:
Diskussion am 27. Oktober 2013 im „Israel Democracy Institute“, zusammen mit der Adenauer-Stiftung und der Bundeszentrale für politische Bildung (anläßlich von 50 Jahre Israel-Reisen #bpb50israel)
Pressefreiheit und Menschenrechte
Pressefreiheit ist Teil der Menschenrechte.
Entscheidung des Obersten Gerichtshof in Israel vor einigen Jahren; Israel hat keine Verfassung. Mitgeteilt in einer Diskussion in Jerusalem von der Medien-Wissenschaftlerin Tehilla Shwartz-Altshuler
#bpb50israel
Der dritte Mann, Blogger in Israel und Recherchen auf Facebook
Wer ist ein Journalist in der digitalen Ära? Wer genießt Schutz – wenn es etwa um die Vertraulichkeit der Quellen geht?
Frage von Tehilla Shwartz Altshuler, einer jungen israelische Medien-Wissenschaftlerin, bei einer Diskussion in Jerusalem. In Israel bekommen Blogger nur einen Presseausweis, wenn sie mindestens 10.000 Besucher im Monat nachweisen können; der Ausweis ist wichtig, damit Behörden und Politiker überhaupt reagieren.
Tal Schneider, Israels prominenteste Politik-Bloggerin, kritisiert: Bloggt man über Mode oder Kochen, dann kommt man leicht über 10.000; bloggt man über Politik, wird es schon schwierig. Schneider schafft es, obwohl die Besucher für ihren Blog (auf hebräisch) zahlen müssen. Sie war für Haaretz, die fast hundert Jahre alte Zeitung, Korrespondentin in Washington und wurde kurz nach ihrer Rückkehr gefeuert. Als sie zwei Jahre lang gesucht hatte und keine gute Anstellung gefunden, fing sie an zu bloggen – mit erstaunlichem Erfolg: Wer sich in Israel für Politik interessiert oder Politiker ist, kommt an ihrem Blog nicht vorbei, sagen ihre Kollegen.
Sie erzählt einen ihrer Erfolge: Sie bekam ein Foto zugespielt, das drei Leute in einem vertraulichen Bereich des Parlaments zeigte – zwei von ihnen bekannte Politiker, einer, von dem nur der Rücken zu sehen war, blieb unbekannt.
Wer ist der dritte Mann auf dem Foto?, fragte Schneider auf Facebook und bekam fünfzig Reaktionen – darunter den Namen des Mannes, der ein verurteilter Bombenlager war. Sie recherchierte weiter und fragte die beiden anderen Politiker: Was haben sie mit dem Mann zu tun? Die Geschichte nahmen viele Zeitungen auf, sie wurde zum nationalen Thema.
„Der Blogger ist allein, er hat keinen Editor, der prüft, redigiert, kritisiert“, sagt Tal Schneider. Ihr Editor sind die Leser, ihre Prüf-Instanz ist die Gemeinschaft im Netz, the crowd. Doch ihre Leser sind noch mehr: „Jeder ist ein Reporter, der ein Smartphone hat und ein Foto machen kann.“
Quelle:
Diskussion am 27. Oktober 2013 im „Israel Democracy Institute“, zusammen mit der Adenauer-Stiftung und der Bundeszentrale für politische Bildung (anläßlich von 50 Jahre Israel-Reisen #bpb50israel)
Ein Lob der kurzen Texte (Zitate des Journalismus 6)
Ich bemühe mich konsequent,
aus hundert Zeilen zehn zu machen
Alfred Polgar, österreichischer Schriftsteller und Aphoristiker (Wien – Zürich, 1873-1955)
**
Die Ungerechtigkeit der Geschichte besteht darin,
dass wir die gleichen Augen und Ohren haben wie unsere Vorfahren,
obwohl wir weit mehr hören und sehen als sie
Ernst-Reinhold Hauschka, Lyriker (Aussig – Regensburg, 1926-2012)
Quelle: Jahresprogramm der ABZV
Der Unterschied zwischen Literatur und Journalismus (Zitate des Journalismus 5)
Der Unterschied zwischen Literatur und Journalismus besteht darin,
dass der Journalismus unlesbar ist und die Literatur nicht gelesen wird
Oscar Wilde, irischer Schriftsteller (Dublin – Paris, 1854-1900)
**
Tu erst das Notwendige,
dann das Mögliche,
und plötzlich schaffst du das Unmögliche
Franz von Assisi, italienischer Ordensgründer und katholischer Heiliger (Assisi, 1181 oder 1182-1226)
Quelle: Jahresprogramm der ABZV
PR als Nachricht: Das Geschäftsmodell von Online-Zeitungen wie Huffington Post
Stefan Niggemeier entdeckt bei der Huffington Post, deren deutsche Ausgabe zu Burda gehört, Pressemitteilungen von Burda, die „als normale Nachrichten“ verkauft werden. Das ist die Geschäftsidee von einigen Online-Zeitungen: Ich verwische die Grenze zwischen PR und Journalismus und lasse mich zweimal bezahlen – zuerst von meinem PR-Auftraggeber und dann vom Online-Nutzer.
Diese Praxis verstößt gegen den Pressekodex. Aber wer beschwert sich schon über Online-Zeitungen beim Presserat? Gehen wir schon davon aus, dass es normal ist in dem Sinne: Womit sollen die Onliner sonst ihr Geld verdienen?
Zumindest können sie PR als PR kennzeichnen.
Niggemeiers Quellen: Pressemitteilung von Burda
http://t.co/83xUhFSP4s
@HuffPostDE:
http://http://t.co/R2E1jr1ssk
DEBATTE
Joachim Widmann
weist zu Recht in Facebook darauf hin, dass die Glaubwürdigkeit ruiniert wird, wenn die „Tranzparenzhinweise“ nicht zu lesen sind. Er weist zudem darauf hin, dass auch die klassischen Zeitungen „in eigener Sache oder bei guten Freunden und Kunden nicht gerade zimperlich sind“.Er berichtet von Redakteuren, die Pressemitteilungen übernehmen und mit eigenem Kürzel veröffentlichen. So sei es einseitig, das Problem nur online zu sehen.
Meine Antwort:
Okay und Dank für den Hinweis – dies ist die berühmte Sache mit dem Glashaus. In der Tat drucken zu viele Redaktionen Pressemitteilungen ohne Not ab, ohne Quellenangabe – und sie tun es meist ohne Druck von oben. Denn zumindest die Quelle kann jeder nennen: Wer will das verbieten? – Bei den lokalen Online-Zeitungen geschieht die PR-Veröffentlichung nicht selten aus der Not heraus, zu überleben. Und da ist die große Huffington Post, die in einem Konzern erscheint, einfach ein schlechtes Vorbild.
Der Oberlehrer im Journalisten (Zitate des Journalismus, 4)
Manche Journalisten scheinen ihre Aufgabe darin zu erblicken, anderen zu erklären, was sie selber nicht verstehen
Markus M. Ronner, Schweizer Theologe, Publizist und Journalist (Bern, 1938)
**
Nicht weil es schwer ist, wagen wir es nicht, sondern weil wir es nicht wagen, ist es schwer
Lucius Annaeus Seneca, römischer Philosoph und Dichter (Corduba – Rom, 4v. Chr.-65 n.Chr.)
Quelle: Programmheft ABZV
Stehpult, kurze Sätze und leidenschaftliche Neugier (Zitate des Journalismus, 3)
Autoren sollten stehend an einem Pult schreiben. Dann würden ihnen ganz von selbst kurze Sätze einfallen
Mein Lieblingszitat von Ernest Hemingway, seitdem ich in meinem Arbeitszimmer keinen Schreibtisch mehr stehen habe, sondern nur noch ein großes Stehpult (Hemingway – Reporter, Kriegsberichterstatter und Nobelpreisträger für Literatur (Oak Park – Ketchum, 1899-1961))
Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig
Albert Einstein, Nobelpreisträger für Physik (Ulm-Princeton, 1879-1955)
Quelle: Programmheft der ABZV
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