Verkürzung und Vereinfachung, Polemik und Emotion (Zitate des Journalismus, 2)

Geschrieben am 22. Oktober 2013 von Paul-Josef Raue.

Journalismus, wenn er erfolgreich sein soll, lässt sich nicht ohne Verkürzung und Vereinfachung, Polemik und Emotion betreiben, was immer unsere puristischen Sonntagsredner dazu sagen mögen

Horst Stern, Journalist, Filmemacher und Schriftsteller (Stettin, 1922)

Was wäre das Leben, hätten wir nicht den Mut, etwas zu riskieren

Vincent van Gogh, niederländischer Maler (Groot-Zundert – Auvers-sur-Oise, 1853-1890)

Quelle: ABZV-Bildungsprogramm

Meistgeklickt in der 42. Woche (Oktober): Das Abendblatt setzt dem Redakteur ein Denkmal

Geschrieben am 21. Oktober 2013 von Paul-Josef Raue.
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Die Ministerpräsident mit dem großen Herzen für die Anzeigenblätter und eine kurze, aber heftige Debatte dazu, größtenteils aber auf Facebook – das ist auch in der zweiten Woche mit Abstand der meistgeklickte Blog der Woche:

1. Ministerpräsidentin lobt Anzeigenblätter

2. Der Redakteur – “ein bisschen Messias, Kommissar X und Mutter Teresa
Die Porträt-Kolumne des Hamburger Abendblatt am Tag des Jubiläums war dem Redakteur gewidmet

3. Der Teesack-Schlepper
Der „Friedhof der Wörter“ über den US-Haushaltsstreit und Wörter, die ihre Unschuld verlieren.

Auf den Plätzen 4 und 5 finden sich zwei Klassiker: Die kurze StillehreLange Sätze, kurze Sätze und das Drei-Sekunden-Gesetz“ sowie der Papst mit seiner Feststellung „Chefredakteure sind häufig Narzissten„.

Korrespondent in Israel: Mittags als Reporter im Krieg, abends als Familienvater zu Hause

Geschrieben am 21. Oktober 2013 von Paul-Josef Raue.

Korrespondent in Israel – das ist wohl der einzige Platz in der Welt, wo man als Reporter von einem ausgewachsenen Krieg berichten und abends bei der Familie schlafen kann. Sagt Christian Sievers, Leiter des ZDF-Studios in Tel Aviv. „Alles ist ganz nah“ – und stellt fest, dass Israel ein flächenmäßig kleines Land ist, umgeben von Ländern mit Krieg, Aufruhr, Terror und instabilen politischen Verhältnissen.

Dennoch stehen Krieg und Unfrieden bei den Nachbarn nicht ganz vorne in den israelischen Medien, sondern mehr die sozialen Unruhen in Israel – die kaum bezahlbaren Mieten, die teure Milch, die schwindenden Karriere-Chancen in der Mittelschicht. „So jagen die israelischen Medien jeden Tag eine neue Sau durchs Land, aber am nächsten Tag ist davon nichts mehr zu sehen. Es fehlt das nachfassende Element“, stellt der ZDF-Korrespondent Sievers fest und nennt diese Art von Aufmachern „One-Day-Stories“.

So träumen immer mehr israelische Jugendliche vom Ausstieg aus dem Land, sind die Flüge von Tel Aviv nach Berlin stets ausgebucht. „Das ist schon fast eine Schieflage, wie begeistert die jungen Israelis von Berlin sind, von Deutschland überhaupt“, kommentiert Gisela Dachs, seit zwei Jahrzehnten Korrespondentin der Zeit in Israel. „Die jungen Deutschen werfen den Israelis ihre Probleme mit den Palästinensern vor; die jungen Israelis werfen den jungen Deutschen nichts mehr vor.“

Für die Enkelgeneration steht die Shoa offenbar nicht mehr im Vordergrund. „Die jungen Israelis interessiert der Rechtsextremismus in Deutschland nicht, auch nicht die Morde der NSU“, stellt Gisela Dachs fest.

Der junge Torsten Teichmann ist Leiter des ARD-Hörfunks in Tel Aviv. „Ich bringe viele Geschichten in den Jugendwellen der einzelnen Sender unter“, erzählt er; offenbar ist das Interesse an Israel bei den jungen Deutschen groß.

Das Interesse an Israel, dem Iran und dem Nahen Osten in Deutschland scheint in der Tag groß zu sein, nicht nur bei den Jungen: So plant Richard Schneider, seit vier Jahren Chef des ARD-Studios in Tel Aviv, für den 31. März einen 90-Minuten (!)-Film über den Nahen Osten.

Schneider ist Jude und wollte schon vor 15 Jahren als Korrespondent nach Israel. „Damals schickte man mich nicht nach Israel, weil ich Jude bin. Vor 8 Jahren schickte man mich doch. Die Zeiten hatten sich geändert.“

Quelle: Diskussion mit Israel-Korrespondenten in Tel Aviv bei einer Reise der Bundeszentrale für politische Bildung anlässlich von „50 Jahren Studienreise nach Israel“

Vielsprachen-Zeitungsland Israel – zerrissen bis in die Sprachen hinein

Geschrieben am 20. Oktober 2013 von Paul-Josef Raue.

In Deutschland gibt es, wenn ich richtig schaue, gerade mal eine Zeitung, die nicht in deutscher Sprache erscheint: Die sorbische am östlichen Rand Deutschlands; dazu kommen einige türkische Zeitungen mit deutscher Redaktion. Wir haben noch nicht einmal eine englisch-sprachige Zeitung.

Das ist im Vielvölkerstaat Israel, einem deutlich kleineren Land, völlig anders: Hier erscheinen Tageszeitungen in zwanzig verschiedenen Sprachen! Das erzählt in Tel Aviv Grisha Alroi-Arloser, Präsident der israelisch-deutschen Gesellschaft. Auch dies zeigt die Zerrissenheit der israelischen Gesellschaft – und die Einigkeit der deutschen. Schaut nur auf die Sprachen!

Falsche Freunde in der Sprache: Hyygelig und handy (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 20. Oktober 2013 von Paul-Josef Raue.

Wer nach Dänemark fährt und durch die Dünen wandert, schnappt eines der schönsten Wörter der dänischen Sprache auf: hyygelig. Man denkt an die Sandhügel, über die man stapft: Sie ähneln sich schon unsere Sprache, hügelig ist es, hyygelig.

Schon ist man in die Sprachfalle getappt. Eine Reihe von Wörtern sind zwar im Klang gleich, aber nicht in der Aussprache. So bezeichnet hyygelig im Dänischen das Lebensgefühl unserer Nachbarn: Gemütlich. Die Kaffeetafel am Ferienhaus im Sommer, und der Kamin, um den die Freunde sitzen und Rotwein trinken – das ist hyygelig; wahrscheinlich steckt in hyygelig noch mehr als in dem deutschen Wort „gemütlich“ oder „heimelig“, eben hyygelig.

Hermann Unterstöger erzählt in seiner Kolumne „Sprachlabor“, jeden Samstag in der Süddeutschen, von den falschen Freunden in der Sprache und zählt weitere auf:

Novellistin ist eine Autorin, die Romane schreibt, ein Romancier (gibt es laut Duden nur männlich). „Novel“ ist im Englischen der Roman, aber ein „novellist“ läuft in der englischen Sprache nicht herum.

> Moose heißt nicht Moos, sondern Elch.

> Flipper ist kein Flipper, sondern eine Flosse.

> handy ist kein Mobiltelefon, sondern „geschickt“ oder „passend“.

> Sense ist nicht die Sense, sondern der Sinn; so wird der Roman „Sense and Sensibility“ der „Novellistin“ Jane Austen auch nicht „Sense und Empfindsamkeit“ übersetzt.

Fügen wir noch einige hinzu:

> Die Obama-Administration ist die Verwaltung des Weißes Hauses, nicht die Regierung.

> Der City Call der Telekom ist eine Erfindung; der Engländer sagt „Local Call“.

> Wer in England joggt, der schlurft über die Fluren oder stolpert gar.

> Wer in New York „live“ singt, der ist lebendig. In Deutschland können auch Tote live singen, etwa „Frank Sinatra live in der Carnegie Hall“ – was bedeuten soll „im Konzert“.

Wer kennt noch mehr falsche Freunde?

Ein Lese-Tipp für alle, die noch mehr von einem der besten Sprachkritiker lesen wollen: Hermann Unterstögers „Da platzt Dir die Hutschnur! Vergnügliches aus dem Sprachlabor“, erschienen in der „Süddeutsche Zeitung Edition“ (232 Seiten, 12.90 Euro). Einfach hyygelig!

Quelle (Unterstöger): SZ, 28. September 2013

Thüringer Allgemeine, geplant für 21. Oktober 2013

Die schönsten Zitate zum Journalismus (1): Pressefreiheit

Geschrieben am 19. Oktober 2013 von Paul-Josef Raue.

Pressefreiheit nützt nur,
wenn es unbequeme Journalisten gibt

Gerhart Kocher, Schweizer Publizist (Bern, 1939). Dies ist eines der Zitate, die als Appetithappen im Programmheft der ABZV stehen, der „Akademie Berufliche Bildung der deutschen Zeitungsverlage“. In den kommenden Tagen bin ich in Israel unterwegs und werde ein paar der schönsten Happen präsentieren – wie diesen:

Es gehört oft mehr Mut dazu,
seine Meinung zu ändern,
als ihr treu zu bleiben

Friedrich Hebbel, Dramatiker und Lyriker (Wesselburen – Wien, 1813-1863)

Sprachbilder: Der Ozean und der Wassertropfen

Geschrieben am 19. Oktober 2013 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 19. Oktober 2013 von Paul-Josef Raue in D. Schreiben und Redigieren.

Das war ein Gefühl, als ob ich einen Ozean in einen Wassertropfen reinbringen müsste.

Die Medienmanagerin Christine zu Salm, als sie in der Ausbildung zur Sterbebegleiterin ihren eigenen Nachruf schreiben sollte – in fünfzehn Minuten. (Zu lesen in einem beeindruckenden SZ-Interview, 19. Oktober 2013)

Meistgeklickt: Anzeigenblatt-Verbeugung, Assad und der Papst (2. Oktoberwoche)

Geschrieben am 15. Oktober 2013 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 15. Oktober 2013 von Paul-Josef Raue in Aktuelles.

Eine Ministerpräsidentin verbeugt sich vor Anzeigenblättern, weil dort so viel Werbung steht: So oft war schon lange nicht mehr ein Blog geklickt worden. Das sind die Top-5 in der zweiten Oktoberwoche:

1. Ministerpräsidentin lobt Anzeigenblätter

2. Bedingungen fürs Interview: Fotos löschen bei Missgefallen

Der Spiegel ging für ein Interview mit Assad auf seine Bedingungen ein: Er durfte die Fotos aussuchen! Aber die Redaktion informierte ihre Leser darüber.

3. Lange Sätze, kurze Sätze und das Drei-Sekunden-Gesetz

Ein Dauerbrenner aus dem Juni: Eine Stillehre in wenigen Sätzen

4. Der Papst über Chefredakteure: Häufig sind sie Narzissten

Der Papst geht mit den Mächtigen ins Jüngste Gericht. Mehr Ich als Wir.

5. Der Teesack-Schlepper oder: Wenn die Wörter ihre Unschuld verlieren (Friedhof der Wörter)

Der neue Friedhof aktuell zum Haushaltsstreit in den USA.

Der Redakteur – „ein bisschen Messias, Kommissar X und Mutter Teresa“

Geschrieben am 14. Oktober 2013 von Paul-Josef Raue.
2 Kommentare / Geschrieben am 14. Oktober 2013 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, B. Die Journalisten, H 34 Porträt.

Eigentlich hat er sich recht gut gehalten in den vergangenen 400 Jahren, seit 1605 die erste Zeitung erschien – der Redakteur.

So beginnt Jörg Schiffmann das „Menschlich gesehen“ in der Ausgabe des Hamburger Abendblatt am Tag des Jubiläums; das Porträt auf der Titelseite gibt es seit 65 Jahren – vom ersten Tag an, es ist das Markenzeichen. Die Jubiläumsausgabe haben ehemalige Redakteure geschrieben, wie eben Schiffmann, von 1984 bis 1993 Redakteur beim Abendblatt, heute Chef vom Dienst bei den Lübecker Nachrichten Eine phantastische Idee – und Realisation!

Und wie geht’s weiter mit dem „Redakteur“:

Heute haben PC, Internet und Globalisierung den Job verändert, die Fülle an Informationen zwingt den Redakteur, stets auf der Hut zu sein im weltweiten Labyrinth der Wahrheiten, Irrtümer und Lügen. Aber hat er einmal wohlbehalten den Weg zum Ausgang gefunden, dann ist es fast wie früher.

Er taucht ab ins Meer der Wörter und Begrifflichkeiten, um das Monstrum namens „Text“ zu bändigen, sei es 15 oder 150 Zeilen lang. Dabei immer ein bisschen Messias, ein bisschen Kommissar X und ein bisschen Mutter Teresa. Und mit dem Wunsch, den Leser, dieses unbekannte Wesen, mitzunehmen auf die Reise durch das Leben mit seinen vielen Facetten.

Quelle: Hamburger Abendblatt, 14. Oktober 2013

Der Teesack-Schlepper oder: Wenn die Wörter ihre Unschuld verlieren (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 12. Oktober 2013 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 12. Oktober 2013 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Friedhof der Wörter.

„Du Teesack-Schlepper, du!“ Man muss Amerikaner sein, um den eintönigen Beruf zum Schimpfwort zu erwählen. „Tea-bagger“, also Teesack-Schlepper – so nennt der älteste Politiker im US-Senat, der 87-jährige John Dingell, seine ärgsten politischen Gegner bei den Republikanern. Und im Streit um den Haushalt und die drohende Pleite des Staates ist jedes Schimpfwort recht.

Wer das Tee-Baggern verstehen will, muss in die amerikanische Geschichte reisen: 1773 warfen Bostoner Bürger, verkleidet als Indianer, 350 Tee-Säcke von einem britischen Schiff ins Hafenwasser – aus Protest gegen Steuern, die die Kolonialherren in London erhöht hatten, und gegen die Besatzer überhaupt. Die Bostoner „Tea-Party“ ging in die Geschichte ein, das Museum gehört zu den meistbesuchten in Boston, und die radikalsten Konservativen in den USA nennen sich nach den alten Widerstandskämpfern stolz: Tee-Partei, „tea-party“.

Dieser kleine radikale Flügel der Republikaner mag weder einen starken Staat noch Steuern und blockiert den Haushalt der Weltmacht. Diese Geschichte aus der Geschichte liegt in dem Schimpfwort „Teesack-Schlepper“.

Aber damit nicht genug: Der „Tea-bagger“ ist auch schlüpfrig geworden, gibt neuerdings einer eher ungewöhnlichen sexuellen Praxis den Namen; sie in einer Zeitung zu beschreiben, die eine Kinderseite anbietet, verbietet sich.

So verliert die Sprache immer wieder ihre Unschuld: Erst mühen sich die Leute mit den Teesäcken ab, um Frau und Kinder zu ernähren; dann verwandelt sich ihr ehrenwerter Beruf in ein Schimpfwort – und am Ende kommt eine Sauerei heraus.

Quelle: Süddeutsche Zeitung, 5. Oktober (aus einer lesenswerten Reportage von Nicolas Richter über die ungeliebte Hauptstadt Washington im Haushaltsstreit)

Thüringer Allgemeine, geplant für den 14. Oktober 2013 (Kolumne „Friedhof der Wörter“)

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