Alle Artikel der Rubrik "Presserecht & Ethik"

Sollen Redakteure ihre Leser belehren? Gibt es einen Bildungsauftrag? (Leser fragen?)

Geschrieben am 14. Februar 2015 von Paul-Josef Raue.

Hallo, Ihr lieben Redakteure, Euer Chef ist unermüdlich dabei, uns Lesern beizubringen, in was für einem diktatorischen Unrechtsstaat mit blutrünstigen Grenzern und linken Diktatoren wir gelebt haben. War das nicht sogar die Steilvorlage für die historische Wahl einer rot-rot-grünen Landesregierung?

So fragt ein Leser der Thüringer Allgemeine. Der Chefredakteur antwortet ihm in seiner Samstags-Kolumne:

Es ist nicht Aufgabe von Zeitungen, den Lesern etwas beizubringen. Ein Vierteljahrhundert Demokratie hat unsere Redaktion ermutigt, von der hohen Warte herabzusteigen und unsere Leser zur Debatte und, wenn es muss, auch zum Streit auf Augenhöhe zu animieren: Leidenschaftlich haben unsere Leser über den Unrechtsstaat gestritten, wobei einige durchaus gelitten haben.

Sie sind offenbar ein Liebhaber des Offensiv-Fußballs und wissen: Die schönste Steilvorlage bringt nichts, wenn es keinen Vollstrecker gibt. „Das Runde muss ins Eckige“ sagte Sepp Herberger, der Bundestrainer der Fünfziger-Weltmeister-Jahre. Die Debatte war der Steilpass, der Torschütze war Bodo Ramelow: Er, der Kandidat der Linken, sprach am Ende vom Unrechtsstaat. Und nicht wir haben die Steilvorlage geliefert, sondern unsere Leser.

Auf der Grenzwanderung mit unseren Lesern haben wir vor einiger Zeit einen Menschen getroffen, der im Todesstreifen ein Bein verloren hat. Ob er über den Spott „blutrünstiger Grenzer“ lachen kann?

Unser Leser Karl-Hugo H. beschwert sich über einen Leser, der in einem Brief geschrieben hatte: „Man drängt die Pegida-Bewegung – wie das schon immer in der BRD mit allen ,unliebsamen Bürgern‘ praktiziert wurde – in die Faschismus-Ecke“.

Das ist für Karl-Hugo H. „offensichtliche Lüge und Verdrehung“, und er kommentiert: „Eine Nazi-Keule hat es nur in der DDR gegeben“ und rät der Redaktion: „Sie müssen doch nicht jede kommunistische Lüge drucken.“

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Thüringer Allgemeine, Leser fragen, 15. Februar 2015

Ein Hauch von Anarchie – Vor 25 Jahren: Die Eisenacher Presse war die erste deutsch-deutsche Zeitung

Geschrieben am 8. Februar 2015 von Paul-Josef Raue.

Im November 1989 fiel die Grenze auch zwischen Thüringen und Hessen. Zwei Monate später fuhr ein Lieferwagen aus dem Westen im strömenden Regen über einen kleinen Grenzübergang an der Werra, durch eine Landschaft aus engmaschigen Zäunen und Wachtürmen. Für die Grenzer waren einige Flaschen Wodka eingepackt worden und unter dem Fahrersitz versteckt: Bestechungs-Trunk, es sollte schnell gehen. Doch die Grenzer wollten nur eines der Zeitungspakete, die als Schmuggelware auf der Ladefläche lagen, gedruckt in Marburg, der Partnerstadt von Eisenach.

Es war noch dunkel, auf der Stadt lag der gelb-graue Winterdunst. Der Markt-Platz war rappelvoll, ein Meer aus Regenschirmen. Eine Demonstration? Gegen eine mögliche Schließung des Automobilwerks, in dem der Wartburg gebaut wird? Gegen die alten Genossen?

Es war jedenfalls kein Durchkommen. Der Fahrer des Lieferwagens wollte schon umdrehen, als sich die Menge wie auf einen Ruf hin in Bewegung setzte. Was jetzt passierte, rührte alle Beteiligten zu Tränen: Die Eisenacher hatten stundenlang im Regen auf die Zeitung gewartet, sie waren hungrig auf Nachrichten und Kommentare, die weder einer der Mächtigen lenkte noch zum Zwecke der Propaganda drucken ließ. Sie umlagerten den Lieferwagen, sie wollten nur eins: die Zeitung, die eine richtige Zeitung ist.

Erste Ausgabe der Zeitung war schnell vergriffen

Die Eisenacher waren schon in der Dämmerung auf den Marktplatz geströmt, weil eine Woche zuvor, am 18. Januar 1990, die erste Ausgabe der Eisenacher Presse schnell vergriffen war und sich nicht jeder ein Exemplar einstecken konnte. Schon nach wenigen Wochen war in Thüringen die Auflage der Zeitung höher als die Auflage im heimischen Westen. Die Redaktion mietete einen Raum im „Haus der Dienste“ an, weil es dort ein funktionierendes Telefon gab. Allerdings brach die Leitung immer wieder zusammen, wenn man die Computer-Daten nach Marburg übertragen wollte.

So speicherten die Redakteure ihre Artikel und Fotos auf Disketten und fuhren abends über die Grenze nach Herleshausen, wo sie in einem Einfamilienhaus ein kleines Zimmer gemietet hatten. Dort wurden die Daten mit einem Akustik-Koppler via Telefon an die Druckerei nach Marburg gesendet.

In der Redaktion in der Friedrich-Engels-Straße saßen Journalisten aus dem Westen zusammen mit Journalisten aus dem Osten. Für Konzepte und lange Konferenzen war keine Zeit; statt Marketing-Strategien war Spontanität gefragt. Es war eine bunte Truppe. Von denen, die schon in der ersten Stunde dabei waren, wurden zwei später Chefredakteure, einer in Hanau, einer an der holländischen Grenze; andere sind zum Fernsehen gegangen oder als Pressesprecher geblieben – und die Journalistin, die über einen Zitronen-Skandal auf der Müllkippe schrieb, verkauft heute Wasserbetten.

Schnell sprach sich herum, dass die Zeitung aus der Partnerstadt eine Redaktion eröffnet hatte. Zu Dutzenden standen Bürger in dem stickigen kleinen Raum, in dem im Westen kein Redakteur arbeiten würde. Es war gut, dass die Bürger kamen, denn das Telefon war kaum eine Hilfe. Die Zentrale, welche die Gespräche vermittelte, residierte im Keller und war nur stundenweise besetzt, nach 16 Uhr überhaupt nicht mehr.

In den beiden ersten Ausgaben hieß die neue Zeitung noch Oberhessische Presse – Wochenzeitung für Eisenach, schon im Februar gab es den neuen Zeitungsnamen Eisenacher Presse, der etliche Besitzerwechsel überdauern sollte. Heute gehört die Eisenacher Presse zur TLZ, die in Weimar herausgegeben wird.

Redaktion druckte das „Tagebuch der Revolution“

Worüber schrieben die Redakteure in der neuen Zeitung:

> Willy Brandts Besuch auf dem Marktplatz, bejubelt von 20 000 Menschen;
> die ersten Gewerbe-Genehmigungen;
> die Dreck-Luft in Eisenach, das Verkehrs-Chaos und Giftschlamm auf der Hausmüll-Deponie;
> die Zukunft des „Wartburg“, des Automobil-Werks und seiner Arbeiter;
> die Arroganz der Westdeutschen, die mit ihrem Geld protzen;
> Zitronen, die wegen Verteilungs-Pannen auf die Moosewald-Müllkippe weggeworfen wurden – und das in einem Land, in dem man Südfrüchte nur aus dem West-Fernsehen kannte;
> Hunderte von Anzeigen, in denen Eisenacher und Marburger Kontakt zueinander suchten, Arbeit oder Unterkunft.

Der erste Roman, den die Eisenacher Presse druckte, ist Monika Marons „Flugasche“, der in der DDR nicht erscheinen durfte und der die Geschichte einer Werkszeitungs-Journalistin in Bitterfeld erzählt.

Die erste Kolumne bekam die Eisenacherin Margot Friedrich mit ihrem „Tagebuch der Revolution“, das wenig später als Buch gedruckt wird. „Manchmal denke ich, eine Epoche beginnt zu schwanken“, schrieb die Eisenacher Journalistin.

In den Zeitungen machte sich in den letzten Monaten der DDR eine Spielart der Anarchie breit, wie es sie nur in revolutionären Zeiten gibt. Um die Pressegesetze der DDR kümmerte sich kaum einer. Die westdeutschen Journalisten kannten sie nicht, die Ostdeutschen waren froh, endlich einmal alles schreiben zu können. Wer heute wie damals lange Namens-Listen von Stasi-Spitzeln druckte, würde monatelang mehr Stunden im Gericht als in der Redaktion verbringen.

Diese ostdeutsche Anarchie machte sich nicht nur im Journalismus breit. So berichtete die Eisenacher Presse im März 1990 über Händler, die in Eisenach Kiwis und Ananas nur gegen D-Mark verkauften. Das ist verboten, sagte die „Stellvertreterin für Handel und Versorgung im Rat des Kreises Eisenach“. Eine Ordnungsstrafe bis zu 500 Mark, offenbar Währung der DDR, drohte. Nur, so schränkte die Stellvertreterin ein: „Bis zum heutigen Tag ist noch niemand für so etwas belangt worden – und übermorgen können die Rechtsvorschriften vielleicht schon ganz anders sein.“

Keiner klagte an, keiner beschwerte sich. Das Volk war so forsch, geradezu übermütig, wie die Journalisten – etwa wenn es um die Abrechnung mit den lokalen Mächtigen ging, die sich den DDR-Alltag vergoldet hatten. Das ist eine von vielen Geschichten, wie sie in der Eisenacher Presse stand:

In einem Dorf nahe Eisenach warfen die Bürger dem Bürgermeister Amts-Missbrauch und Korruption in vierzig Fällen vor. Was für eine Szene! Kein Drehbuch-Autor könnte sie erfinden, sie war nur möglich in der Aufbruch-Stimmung einer revolutionären Zeit. Die Kriminalpolizei lud die Bewohner des Dorfes Unkeroda in einen großen Saal und berichtete von den Ermittlungen gegen ihren ehemaligen Bürgermeister, allerdings mit einem für die hundert Zuhörer unbefriedigenden Ergebnis: Für eine Strafverfolgung fehlten die rechtlichen Grundlagen.

Die Leser schrieben sich die Vergangenheit von der Seele. Wochenlang lief die Serie „Leben unter Hammer & Zirkel“, wo die Qual der Erinnerung zu spüren ist – Erinnerungen aus einer Zeit, als kaum einer es wagte, etwas aufzuschreiben und aufzubewahren.

Landrat verpasste seinen Leuten einen Maulkorb

Monatelang hemmte keine Bürokratie und kein Bürokrat die Recherche der Journalisten, und schnell machten die ostdeutschen Journalisten mit. Doch schon am 31. Oktober 1990 – wenige Tage nach der Einheit – berichtete die Eisenacher Presse über den ersten Maulkorb-Erlass aus dem Landratsamt.

Der Landrat verfügte, dass künftig jede Stellungnahme aus seinem Haus über seinen Tisch zu gehen hatte. Vergebens empörten sich die Mitarbeiter, vor allem die leitenden: „Das ist ja schlimmer als in früheren Zeiten“. Der Landrat pochte auf sein Recht als Chef des Hauses.

Doch nicht allein Affären, Missstände und die Skandale prägten die ersten Monate. Das Leben war nicht traurig, die Eisenacher Presse berichtet von der neuen Lust am Konsum und der Lust am Reisen.

Kiloweise Bananen und zehn Stunden Wartezeit bei der Anmeldung des neuen Autos, der erste Tchibo-Stehausschank, gleich von Tausenden gestürmt – und die Kehrseiten des schnellen Konsums: Mikroben in der Thüringer Bratwurst, Ladendiebstahl und die Schrecken der ersten Kaffeefahrt. Für eine Eisenacherin wurde die Fahrt nach Stukenbrock zum Verlustgeschäft erster Güte – mit der Kamindecke „Butterfly“.

Legionen von westdeutschen Versicherungs-Vertretern und Werbern schlüpften durch das kleinste Loch in der Grenze, für Halsabschneider jeder Art begann eine große Zeit ebenso wie für jene kleinen Gauner, die im Westen keine Opfer mehr fanden. Nur informierte Menschen werden nicht zum Opfer, nur wer sein Recht kennt, kann sich wehren.

So war die erste Aufgabe der Zeitung eine Pflicht, der im Westen nur noch wenige nachkamen: Lebenshilfe, verstanden als Service für alle Fragen, eben Ratschläge und Informationen für den Alltag. Es waren meist einfache Fragen, die auf Antworten warteten: Was ist eine Kündigung? Was sind Nebenkosten bei der Miete? Wann gibt es Sozialhilfe?

Die Redakteure wollten helfen in der neuen Marktwirtschaft, die von den meisten als Dschungel erlebt wurde. Die Zeitung schlug Trampelpfade und wählte Experten als Führer – etwa für die Serie „Einführung in die Marktwirtschaft“, die der Direktor des Marburger Arbeitsgerichts schrieb.

Die Redakteure zogen in die Öffentlichkeit, was manche gerne unter der Decke halten wollten: Kaufen und Verkaufen von einst volkseigenem Besitz oder die Beutezüge von Wendegewinnlern aus dem Westen. In den ersten Monaten schien sich kaum einer, der aus dem Westen kam, an die Maxime zu halten, die die Eisenacher Presse aus einem Manager-Seminar berichtete: „Bitte: Geben Sie keinem in der DDR das Gefühl, 40 Jahre umsonst gearbeitet zu haben!“.

Journalisten leisteten sich Ungewöhnliches in dieser Zeit: Gefühle. Sie schrieben davon, ohne Scham, weil sie anders nicht beschreiben konnten, was sich wirklich ereignete in diesem Land, das am ersten Samstag im Juli seine Grenze verlor – und nicht nur die aus Beton und Stacheldraht und Todesstreifen.

Eine Rose zur Erinnerung an das Ende der Grenze

Lokalchef Dieter Schreier schrieb in seinem „Eisenacher Notizbuch“ am 6. Juli 1990:

Unser Leser Karl-Heinz Langhammer aus Kirchhain befand sich per Lkw auf der Rückfahrt Richtung Marburg. Wie so oft in den vergangenen Jahrzehnten bei vielen Reisen in die DDR. Bei den Kontrollen sei er dabei immer „den Umständen entsprechend korrekt behandelt worden“. So auch diesmal.

Am Übergang Eisenach standen vier Grenzbeamte, die sich kurz nach dem Transportgut erkundigten. Dann verschwand plötzlich einer im Kontrollgebäude. Kurze Zeit später kam er wieder, mit einer Rose, die er ins Fahrerhaus reichte. „Zum Andenken an unsre letzte Schicht an der Grenze!“

Realität an der deutsch-deutschen Grenze. Im Juni 1990, fast drei Jahrzehnte nach dem Bau der Mauer und nur ein paar Monate nach der Revolution. Eigentlich unfassbar.

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Thüringer Allgemeine 7. Februar 2015

Auszug aus dem Buch „Die unvollendete Revolution – Die Geschichte der deutsch-deutschen Missverständnisse“, das im Frühjahr im Klartext-Verlag erscheinen wird.

Ein TV-Interview – als abschreckendes Beispiel für Volontäre: Ramelow und die Eier

Geschrieben am 4. Februar 2015 von Paul-Josef Raue.

Herzlich Willkommen in der Serie „Thüringens Minister“ und heute heißt es Thüringer Ministerpräsident. Herzlich Willkommen Bodo Ramelow!

Heute früh musste ich intensiv an Sie denken, als ich ein Rührei gemacht habe. Ich schlug die Eierpackung auf und da war ein großes Ei drin. Das war fast doppelt so groß wie die anderen, und da habe ich mich ganz arg erschrocken und habe gedacht: Das kann ich jetzt nicht essen. Dann habe ich gedacht: Warum eigentlich nicht? Warum müssen wir denn genormt sein? Da habe ich es mutig aufgeschlagen, und da war die Doppelpower drin, nämlich zwei Eidotter. Da dachte ich, es ist ein bisschen wie Bodo Ramelow.

So beginnt ein Interview im Weimarer Lokalsender Salve TV: Geschäftsführerin Judith Noll hat Ministerpräsident Ramelow zu Gast. Jürgen Brautmeier, Vorsitzender der deutschen Medienanstalten, empfiehlt die Interviews des Senders in die Journalistenausbildung zu integrieren – als abschreckendes Beispiel für Hofberichterstattung statt Staatsferne.

Bei Salve TV kommt etwa in der zweiwöchentlichen Sendung „Ramelow & Co“ der Ministerpräsident ausführlich zu Wort. Brautmeier: „Die Öffentlichkeitsarbeit der Politik und der Parteien darf nicht vermischt werden mit der journalistischen Arbeit der unabhängigen Medien.“ So erweise man auch der Politik eher einen Bärendienst. Und bei den Zuschauern werde der Eindruck erweckt, Journalisten und Politiker würden miteinander kungeln. „Dabei haben Journalisten als vierte Gewalt die wichtige Aufgabe, Politik zu kontrollieren.“

Das Rühr-Ei-Interview nahm der Moderator Oliver Welke auch auszugsweise in seine Heute Show beim ZDF und kommentierte: „Ich habe schon viele verstörende Interview-Anfänge gesehen, aber das schlägt alles.“

„Sie wollen aber nicht sagen, dass Sie mich aufschlagen wollen?“ reagiert Bodo Ramelow auf den Rührei-Beginn der Journalistin. So geht das Interview weiter:

Noll: Ich will Sie auch nicht essen, und ich finde sie auch nicht Ihh, aber ich weiß, dass Sie sich mit Hühnern auskennen.
Ramelow: Ich bin gelernter Lebensmittelkaufmann und könnte jetzt anmerken, dass das, was sie in der Packung gefunden haben. nicht den Handelsklassen entsprochen hat, weil es kann immer nur in einer Handelsklassenpackung immer die gleiche Größe nur drin sein. Wenn müsste man eine Doppelhandelsklasse extra ausweisen, oder Sie haben bei einem Bauer gekauft, das wäre ja sehr lobenswert, auf dem Markt – und dann haben Sie von Freilandhühnern die Eier gekauft und dann hoffe ich, dass es auch besonders gut geschmeckt hat.
Noll: Auf jeden Fall habe ich jetzt die doppelte Portion Ei.

Ramelow erzählt von seiner Ausbildung bei Karstadt und scherzt mit der Moderatorin: „Sie erinnern sich gut an Dinge, die ich irgendwann mal erzählt habe aus meinem Leben – das war fahrlässig. Ich hätte Ihnen das nicht erzählen sollen.“ Daraufhin entgegnet die Moderatorin:

„Ich weiß auch, dass irgendwo eine Narbe an Ihrer Hand ist. Aber jetzt müssen wir aufpassen, sonst heißt es: Frau Noll kennt Herrn Ramelow… Aber wie das kommt, dass es inzwischen verwerflich ist, Sie zu kennen – ich darf mich auch noch erinnern an die Zeit, als Sie hier saßen und sagten: Ich will Ministerpräsident werden. Jetzt sind Sie Ministerpräsident, und für viele wird es immer schärfer.“

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Quelle: Thüringer Allgemeine 4 Februar 2015, Salve TV Mediathek, Heute Show, ZDF-Mediathek

Facebook Kommentare

von Joachim Widmann (4. Februar um 10:29)

Die offene Unterwürfigkeit und Kumpelei ist einerseits unerträglich, andererseits aber auch so etwas wie ein Transparenzhinweis. Die Interviewerin versucht ja nicht einmal, es Journalismus ähnlich sehen zu lassen. Dass gerade Regionalmedien sich in Interviews mit Spitzenpolitikern aus oder in ihrer Region als Stichwortgeber für Verlautbarungen verstehen oder sich mangels Recherche gewissermaßen versehentlich als solche verhalten, ist ja leider insgesamt keine Seltenheit.

Alexander Will, 4. Februar um 10:54

Ich bin fassungslos. Kein Wunder, dass die Leute Journalisten immer stärker als Speichellecker und Dummköpfe wahrnehmen. Man kann’s ihnen manchmal wirklich nicht verübeln…

Joachim Widmann 4. Februar um 10:57

Nein, Herr Will: Das ist eine unzulässige Verallgemeinerung. Diese Frau repräsentiert nicht „die Journalisten“. Nicht einmal ohne „die“. Sie steht erst eimal nur für sich selbst und die eigene Unterwürfigkeit.

Alexander Will 4. Februar um 10:58

Leider eben in der Öffentlichkeit nicht. Das wird anders wahrgenommen. Es wird uns allen angekreidet, da kann man sich noch so sehr wehren…

Ramelow, Staatsfernsehen und die Kontrolle der Macht: Bestialisch (Leser fragen)

Geschrieben am 1. Februar 2015 von Paul-Josef Raue.

Der neue Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) hat im Weimarer Privat-Sender Salve TV eine Sendung, in der er seine Politik ohne lästige Fragen von Journalisten preisen kann. Die Sendung „Ramelow & Co“ wird gerade von Medienrechtlern scharf kritisiert als „Staatsfernsehen“. Leser der Thüringer Allgemeine sehen das anders, so schreibt ein Leser aus Apolda:

Mit mir fragen auch viele Leser, was die Hetzkampagne gegen Salve-TV und gegen den neuen Ministerpräsidenten Ramelow bezwecken soll. Soll eine wahrheitsgetreue hautnahe Darstellung der Tagesarbeit des Neuen an der Spitze Thüringens, die durchaus interessant ist, verhindert und er in seiner freien Meinungsäußerung beschnitten werden?

Und eine Leserin aus Erfurt stellt fest: „Das ist doch dann endlich mal nachvollziehbare Demokratie.“

Der TA-Chefredakteur antwortet in seiner Samstag-Kolumne „Leser fragen“

Sie gehen beide davon aus, dass Politiker prinzipiell die Wahrheit sagen, uneigennützig sind und nicht ihre eigene Macht im Sinne haben, sondern stets das Wohl des Volkes. Man muss ihnen nur zuhören und schon kennen wir die Wahrheit und können Demokratie nachvollziehen.

Das wäre schön, aber die Erfahrung zeigt: Politiker mögen zwar über ein reines Herz verfügen, das allein die Wahrheit liebt, aber dennoch ist eine gute Kontrolle sinnvoll im Namen der Bürger und zum Nutzen der Demokratie.

Diese Kontrolle üben Medien aus – und nicht Politiker selber. So sieht es auch unsere Verfassung.

Jürgen Brautmeier ist ein unverdächtiger Zeuge. Er leitet die Direktorenkonferenz der Medienanstalten, also der Anstalten, die Rundfunk und Fernsehen in privater Hand zu kontrollieren haben. Er sagt: „Es gehört zu den Grundlagen unserer Verfassung, dass sich der Staat aus dem Rundfunk herauszuhalten hat. Deshalb wäre ich Ministerpräsident Ramelow dankbar, wenn er von sich aus seine Sendungsabsichten aufgibt. Alles andere wäre ein Tabubruch.“

Wenn ein Ministerpräsident kontrolliert wird, ist das weder eine Hetze noch eine Beschneidung seiner freien Meinungsäußerung. Er verfügt über eine eigene Abteilung, die seine Meinungen – oder auch Wahrheiten – der Welt mitteilt und den Presse-Stellen in den Ministerien Sprachregelungen verfügt wie etwa zu Salve-TV: „Der Vorwurf der staatlichen Einflussnahme ist nicht zutreffend.“

Wir alle sollten wachsam bleiben. Wer wachsam ist, sollte auch nicht der Hetze verdächtigt werden – auch nicht als „bestialisch“ eingeordnet, wie Salve-TV die Berichterstattung unserer Zeitung nannte. Wächter können irren, aber Bestien sind wir nicht.

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Thüringer Allgemeine 31. Januar 2015

OTZ-Chefredakteur wehrt sich in seiner Zeitung gegen den Vorwurf „Lügenpresse“

Geschrieben am 27. Januar 2015 von Paul-Josef Raue.

„Es ist nicht verboten, sich über die Zeitung zu beschweren. Die Aufregung über das örtliche Blatt gehört gewissermaßen zum Kulturangebot einer aufgeklärten und meinungsfreudigen Gesellschaft“, schreibt Chefredakteur Jörg Riebartsch in einem langen Seite-Drei-Beitrag der OTZ, der in Gera erscheinenden Ostthüringer Zeitung: „Gegendarstellung – Ungewöhnlich: Eine Zeitung wartet mit einer Gegendarstellung an ihre Leser auf. Aber nur an die, die die Redaktion derzeit mit Unterstellungen, Verschwörungstheorien und Kolportagen überziehen“.

Er geht auf den Vorwurf der Lügenpresse ein und nimmt sich detailliert die Kritik der Leser vor:

> Wenn wir Leserbriefe ablehnen, hat das gute Gründe: Beleidigungen zum Beispiel oder unbewiesene Behauptungen.

> Gelenkte Medien gibt es heute nicht; die gab es beispielsweise in der DDR.

> Fehler machen auch Zeitungen. Weiß die Redaktion davon, wird sie diese korrigieren.

> Redaktionen lassen sich nicht einschüchtern – auch nicht von Anwälten, die statt Gegendarstellungen immer öfter Unterlassungserklärungen verlangen.

> Geschäftsführer und Verleger dürfen in die Arbeit der Redaktion nicht eingreifen und auf Willfährigkeit bestehen.

Dies ist der komplette Beitrag von Jörg Riebartsch; die in seinem Text erwähnte Volkswacht ist die SED-Zeitung, die in der DDR erschien.

Wer als Journalist schon mehrere Berufsjahre auf dem Buckel hat, der weiß, mancher Leser ist mit Kritik schnell zur Hand. Wer an der Dienstleistung „Zeitungmachen“ teilnimmt, sollte da zuweilen nicht zart besaitet sein. Ein dickes Fell hilft. Manche Hinweise aus der Leserschaft haben ihre Berechtigung, anderes beruht auf Nichtwissen. Oft macht auch der Ton die Musik. Da sind die Reaktionen gegenüber der Zeitung auch nur ein Spiegelbild der Gesellschaft, in der der Umgangston zunehmend rauer und aggressiver wird.

Seit einigen Monaten aber nimmt die Zahl der Unterstellungen, Mutmaßungen und kruden Verschwörungstheorien, die die Redaktion erreichen, bedenklich zu. Auch als „Lügenpresse“ musste sich die Ostthüringer Zeitung vereinzelt schon beschimpfen lassen. Nachstehend gehen wir auf die häufigsten Behauptungen ein und stellen diese damit gern zur Diskussion.

Zensur, Meinungs- und Pressefreiheit

Diese Begriffe werden oft in einem Atemzug genannt und falsch verwendet. Die OTZ zensiert Leserbriefe heißt es dort. Das ist falsch. Zensur beschreibt den Umstand, wenn staatliche Stellen den Informationsfluss lenken. Der Staat übt dann Zensur aus. Die OTZ kann keine Zensur ausüben.

Verwendet wird dieser Vorwurf meist von Leserbriefschreibern, deren Leserbrief wir ablehnen mussten. Der Ärger ist verständlich. Man setzt sich hin, gibt sich Mühe, schreibt einen Brief – und die Zeitung lehnt es auch noch ab, diesen zu veröffentlichen. Diese Ablehnung ist keine Zensur. Wir nehmen an dieser Stelle unsere Freiheit als Presseorgan wahr. Die OTZ veröffentlicht gern Leserbriefe. Schließlich wollen wir die Meinungsvielfalt befördern. Da liegt es in unserem eigenem Interesse möglichst viele Zuschriften zu publizieren.

Wenn wir Leserbriefe ablehnen hat das gute Gründe. Der Inhalt des Briefes kann strafrechtlich relevant sein oder er enthält Beleidigungen, bösartige Unterstellung oder unbewiesene Tatsachenbehauptungen. Könnte der Zeitung doch egal sein, mag mancher Leser einwenden. Ist es aber nicht. Der Gesetzgeber hat uns nämlich dazu verpflichtet, alles was die Redaktion veröffentlicht auch presserechtlich zu verantworten. Obwohl unter den Leserbriefen der Name des Autoren steht, trägt trotzdem die Redaktion die presserechtliche Verantwortung für das Veröffentlichte – auch wenn wir ausdrücklich darauf hinweisen, dass der Leserbrief nicht die Meinung der Redaktion wieder gibt.

Weitere Gründe zur Ablehnung von Leserbriefen können Wiederholungen sein oder wenn sich Diskussionen um ein Thema im Kreis drehen und nach zahlreichen bereits publizierten Leserbriefen keine neuen Argumente mehr auftauchen.

Hin und wieder fordern uns wiederum Leser auf die Leserbriefe zu zensieren, weil ein bestimmter Autor nur „dummes Zeug schreibt“ oder eine „falsche Meinung“ hat. Kürzlich hat ein Abonnent sogar die OTZ abbestellt, weil er die Leserbriefe eines anderen Lesers nicht mehr ertrage.

Wir werden dennoch auch in Zukunft keine Zensur bei Leserbriefen ausüben.

Verwechselt oder missverstanden werden die Begriffe von Meinungs- und Pressefreiheit. Einzelne Leser meinen, wir verstießen gegen die Meinungs- und Pressefreiheit, wenn wir ihren Brief nicht veröffentlichen. Die Meinungsfreiheit kann die OTZ gar nicht beschränken, weil jeder Mensch das Recht hat sich auf den öffentlichen Marktplatz zu stellen und unbehelligt seine Meinung zu sagen. Das ist Meinungsfreiheit.

Pressefreiheit meint etwas anderes, im Grunde genau das Gegenteil was der eben erwähnte Leser glaubt. Die Pressefreiheit liegt bei der Presse. Die Presse ist frei darin zu entscheiden, was sie veröffentlicht und was nicht. Damit soll gerade verhindert werden, dass Leser, Politiker, Verbände, Gewerkschaften, Vereinsvertreter oder andere Interessengruppen nach eigenem Gutdünken Einfluss darauf nehmen, was in einer Zeitung steht.

Vorwürfe in diesem Zusammenhang, die Zeitung sei parteiisch, beziehen sich in der Regel auf Kommentare, die optisch bewusst anders gekennzeichnet sind als normale Berichte in der Zeitung. Kommentare stellen ein Meinungsangebot dar, dem man folgen kann oder auch nicht. Die Zeitungsmacher der OTZ sehen sich nicht als Missionare und wollen niemanden bekehren. Aber zur Meinungsvielfalt, die der Ostthüringer Zeitung sehr wichtig ist, gehört es zunächst einmal, dass Meinungen geäußert werden. Ohne Meinung kann es keine Meinungsvielfalt geben. Wer anderer Meinung ist, schreibt dazu gern einen Leserbrief. Und natürlich kann man auch schreiben, wenn man der gleichen Meinung ist.

Gelenkte Systemmedien

Die pauschale Behauptung, die Medien – wer immer „die Medien“ auch sein sollen – seien gelenkt vom System, ist falsch, wird aber immer wieder gern wiederholt. Was sind Systemmedien? Die Vorgängerzeitung der Ostthüringer Zeitung, davor kurz Ostthüringer Nachrichten, die „Volkswacht“ , war eine vom System des DDR-Regimes gelenkte Zeitung. Sie diente dazu im Sinne der Partei, der SED, den Lesern das Bild vorzugaukeln, was die Staatsführung gern von ihrem Staat vermitteln wollte.

Was nicht sein durfte, wurde ausgeblendet. Kritik fand nicht statt. Wenn es Engpässe beim Fleisch gab, wurde der Volkswacht vorgegeben nur noch Rezepte für Gemüsegerichte zu veröffentlichen. Regelmäßig wurde die Redaktionsleitung der Volkswacht nach Ost-Berlin, der Hauptstadt der DDR, vorgeladen. Dort teilte das System der Redaktion dann mit, wie man in der nächsten Zeit zu berichten habe.

So was gibt es heute nicht mehr. Bundeskanzlerin Angela Merkel wird zwar wissen, dass es eine Ostthüringer Zeitung gibt, sie wird aber selbst in ihren kühnsten Albträumen nicht daran denken, der OTZ irgendwelche Weisungen zu geben. Sie liest noch nicht mal die Kommentare, die sich mit Ihrer Politik befassen.

Die Wahrnehmungsschwelle für Zeitungen wie der OTZ sind gestiegen. Und deshalb versuchen allenfalls Parteienvertreter auf Landesebene, Druck auf Zeitungen auszuüben, und zwar alle Parteien. Das muss die Redaktion, insbesondere der Chefredakteur, aushalten, darf sich nicht einschüchtern lassen, wenn Kommentierungen oder Berichte kritisiert werden.

Es ist nicht verboten, sich über die Zeitung zu beschweren. Die Aufregung über das örtliche Blatt gehört gewissermaßen zum Kulturangebot einer aufgeklärten und meinungsfreudigen Gesellschaft. Und tatsächlich erscheinen in der Zeitung, auch in der OTZ, Fehler. Beispielsweise weil der Redakteur einen schlechten Tag hatte und eine Zahl falsch verstanden hat, weil die Redaktion von einem Veranstalter mit falschen Daten versorgt wurde, weil die Quelle selbst schon falsch informiert war. Dann gibt es die Möglichkeit eine Richtigstellung oder eine Berichtigung zu verlangen. Die OTZ wird Fehler, soweit bekannt, immer berichtigen.

Wenn sich die Zeitung stur stellt, eine Berichtigung nicht bringen will, hält Deutschland eine Fülle von Möglichkeiten bereit, sich gegen die Berichterstattung in der Zeitung zu wehren. Beispielsweise mit einer Beschwerde beim Deutschen Presserat. Oder mit der guten, alten Gegendarstellung, die in jedem Landespressegesetz steht, aber eher aus der Mode gekommen ist. Mit einer Gegendarstellung kann man falsche Tatsachenbehauptungen gerade rücken.

Abgelöst wurde die Gegen­darstellung mehr und mehr von der strafbewehrten Unterlassungserklärung, häufig von Prominenten oder Unternehmen als Instrument eingesetzt, wenn man durch die Berichterstattung in der Zeitung sein Image beschädigt sieht oder vorgibt, Schadensersatzansprüche zu haben. Um Druck auf den Chefredakteur auszuüben und in dem Gedanken, ihn einzuschüchtern, kommen Unterlassungserklärungen häufig am Freitagnachmittag mit Fristsetzung bis Montag früh und werden von Kanzleien verschickt, bei denen schätzungsweise 20 Anwälte rechts auf dem Briefbogen stehen. Da aber Chefredakteure meistens zu den eher erfahrenen Journalisten gehören, klappt das mit dem Einschüchtern nicht recht. Zudem hat die Funke Mediengruppe, zu der auch die OTZ gehört, natürlich eine versierte Rechtsabteilung, die meist deutlich machen kann, wie rechtlich zweifelhaft das Begehren der gegnerischen Partei ist. Die Berufserfahrung zeigt, dass nicht alle, aber die meisten Fehlervorwürfe, unberechtigt sind.

Wes Brot ich ess‘, des Lied ich sing

Wenn schon die Politik der Zeitung nicht sagen kann, wo es lang geht, dann doch bestimmt der Besitzer, mutmaßen manche Leser und schreiben deshalb zur Einleitung einer Kritik an der Zeitung vorwurfsvoll: Wes Brot ich ess‘, des Lied ich sing.

Auch hierzu ist zunächst eine Besonderheit des deutschen Pressewesens zu erklären. Wenn in einer Fabrik Erbsen eingedost werden, dann ist der Geschäftsführer der Erbsendosenfabrik verantwortlich dafür, was in der Dose drin ist. Bei Zeitungen ist das bewusst nicht so. Nicht die Geschäftsführung trägt die presserechtliche und publizistische Verantwortung für die Inhalte der Zeitung, sondern der Chefredakteur. Man wollte auf diesem Weg nach den historischen Erfahrungen mit den Diktaturen in Deutschland die Unabhängigkeit von Redaktionen in Zeitungen stärken.

Inhaltliche Eingriffe von Geschäftsführern in das redaktionelle Programm bei der OTZ gibt es nicht. Die in diesem Zusammenhang zuweilen geäußerte Mutmaßung, die Geschäftsführer oder Herausgeber wählten die Journalisten nach inhaltlichen Kriterien der Willfährigkeit aus, sind ebenfalls falsch. Die Kaufleute von Unternehmen bestimmen natürlich das Budget der Zeitung und damit wie viel Redakteure bei einer Zeitung wie der OTZ beschäftigt sein können. Welche das sind, obliegt in der Auswahl aber dem Chefredakteur.

Um Redaktionen vor der Einflussnahme andererseits auch von Gewerkschaften, also Arbeitnehmervertretern inhaltlich ebenso zu schützen, sind Zeitungen sogenannte Tendenzschutzbetriebe. Das heißt, es sind sogar bestimmte Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes außer Kraft gesetzt.

Putin ist der Gute, nur die gelenkten Medien begreifen es nicht.

Hier wird die Verschwörungstheorie der Systemmedien auch noch in einen globalen Zusammenhang gestellt. Wer Kritik an Putin äußert, ist von den imperialistischen US-Amerikanern gelenkt und es wäre nicht verwunderlich man äußere auch noch die These, der US-Präsident Barack Obama bestimme selbst, was zu Russland in der OTZ steht und was nicht. Dies wird in einzelnen Fällen noch von der Behauptung gestützt, es gäbe eine Anweisung, in der OTZ dürfe nichts mehr Gutes über Russland stehen und selbst über Naturkatastrophen dort werde nicht mehr berichtet. Eine solche Anweisung gibt es nicht. Das Meinungsbild der OTZ zum Konflikt in der Ukraine ist differenziert und bleibt es auch.

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OTZ 24. Januar 2015, Seite 3

„Wehe, wenn die Medien losgelassen“, klagt ein MAZ-Studienleiter

Geschrieben am 27. Januar 2015 von Paul-Josef Raue.

Die Zuger Sex-Affäre hat es über die Weihnachtstage wieder einmal gezeigt: Wehe, wenn die Medien losgelassen. Dann wird in intimsten Details gewühlt, kommen anonyme Augenzeugen zu Wort und die Betroffenen verlieren Ehre, Ruf und Ansehen – auch wenn noch gar nicht klar ist, was überhaupt vorgefallen ist.

Genau hier wollen Medienethik und Medienrecht Pflöcke einschlagen, die nicht nur die Menschen in ihrer Persönlichkeit schützen, sondern auch die Medien selbst in ihrem Ruf. Denn berichten Journalisten hechelnd über Verdächtigungen, die in sich zusammenfallen oder die man gar nicht überprüfen kann, verlieren die Medien ihr wichtigstes Gut: Die Glaubwürdigkeit. Jenes Gut, das sie von andern Informationsträgern wie Kommunikations- oder PR-Agenturen und Einzelstimmen im Internet unterscheidet. Darum sind Medienrecht und Medienethik wichtiger denn je. Damit jeder Medienschaffende nicht nur seine Rechte, sondern auch die Grenzen kennt.

 

Dominique Strebel, Co-Studienleiter Diplomausbildung der Schweizer Journalistenschule MAZ in Luzern; MAZ-Newsletter im Januar 2015

 
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Die Zuger Sex-Affäre: Ein Kantonsrat und SVP-Politiker wurde verhaftet, nachdem eine Grünen-Politikerin nach einem durchzechten Abend kurz vor Weihnachten mit Unterleibsschmerzen, aber ohne Erinnerung aufgewacht war. Zuletzt war sie mit dem Kantonsrat gesehen worden.

Gauck gegen „Lügenpresse“: Medien berichten meistens korrekt und ausgewogen

Geschrieben am 25. Januar 2015 von Paul-Josef Raue.

Wer den Medien hierzulande unterstellt, sie verbreiteten systematisch Lügen, der sollte sich daran erinnern, wie es früher in Deutschland zuging. Eine gleichgeschaltete Presse im Nationalsozialismus hat ungeniert gelogen und manipuliert. Auch die Medien der DDR haben das SED-Regime stabilisiert, indem sie systematisch Unwahrheiten verbreiteten. Dagegen können die Medien in Deutschland heute frei arbeiten. Trotz mancher Irrtümer, die auch Journalisten manchmal unterlaufen, trotz gelegentlicher Unwahrheiten, die einige wenige von ihnen in die Welt setzen, wird doch meistens korrekt und ausgewogen berichtet.

Bundespräsident Joachim Gauck hat das von Pegida-Demonstranten benutzte Wort „Lügenpresse“ als „geschichtsvergessener Unsinn“ zurückgewiesen.
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Quelle: Zeit online 22.1.15

Pegida versucht, einen Chefredakteur zu erpressen. Armin Maus erzählt das seinen Lesern

Geschrieben am 21. Januar 2015 von Paul-Josef Raue.

Pegida will in Braunschweig demonstrieren. Die Braunschweiger Zeitung druckt erst die Forderungen ab und will dann mit den Organisatoren sprechen. Die lehnen zunächst ab und stellen dann Forderungen, unübliche und für eine unabhängige Redaktion unerfüllbare Forderungen. Chefredakteur Armin Maus lehnt ab und informiert seine Leser auf der Titelseite:

Pegida wird heute zum ersten Mal in Braunschweig körperlich sichtbar werden. Gerne hätten wir unseren Lesern vorab die Möglichkeit gegeben, die Pegida-Organisatoren im Originalton zu lesen, um sich ein Bild von ihren Positionen und Zielen, ihrer Art zu formulieren und ihrem Hintergrund zu machen. Unsere Interviewanfragen wurden zunächst abgelehnt, dann mit der Forderung verbunden, das Pegida-Positionspapier zu veröffentlichen.

Das hatten wir bereits getan: Am 16. Dezember berichteten wir ausführlich und detailreich auf dem Großteil einer Zeitungsseite über die dort formulierten Positionen und die interne und externe Diskussion. Der Anmelder der Pegida-Kundgebung verlangte nun eine Veröffentlichung des nackten kompletten Textes des Positionspapiers. Nur dann sei man zum Gespräch bereit.

Wir haben dieses Ansinnen im Interesse unserer Leserinnen und Leser abgelehnt. Unsere Redaktion ist unseren Leserinnen und Lesern verpflichtet, die von uns erwarten, unsere Arbeit frei und unbedrängt zu machen. Wir achten den Pressekodex – und sind nicht erpressbar.

Bundeskanzler, Minister, Verbandschefs, Unternehmer, Kirchen-Obere, Vereinsvorsitzende und viele ganz normale Bürger sprechen mit den Journalisten. Sie alle akzeptieren als Demokraten die Rechte der freien Presse. Dazu gehört ganz wesentlich, dass wir uns keinerlei Vorleistungen aufoktroyieren lassen können und dürfen. So wird es bleiben, Pegida hin, Pegida her.

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Quelle: Braunschweiger Zeitung, Montag, 19. Januar 2015

Ramelow führt in Thüringen „Staatsfernsehen“ ein

Geschrieben am 17. Januar 2015 von Paul-Josef Raue.

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow sprach gestern erstmals im TV-Sender Salve, ohne dass Journalisten ihn mit Fragen stören konnten. „Ramelow & Co“, so der Serien-Titel, wird jede zweite Woche ausgestrahlt. Im Konzept des Weimarer Senders heißt es: Ramelow wird eigenständig vor der Kamera zusammenfassen und reflektieren. Dabei spricht er direkt in die Kamera.

Ramelow verwirklicht so, wovon Adenauer träumte: Ein Staatsfernsehen. Dem ersten Kanzler der Bundesrepublik hatte das Bundesverfassungsgericht einen Riegel vorgeschoben. „Das ist wie Staatsfernsehen, das geht so nicht“, kritisiert in der Thüringer Allgemeine der SPD-Bundestagsabgeordnete Steffen Lemme, der auch der Versammlung der Thüringer Landesmedienanstalt vorsteht. Wenn Ramelow, so Lemme, ungestört zu den Thüringern sprechen wolle, „kann er sich auch gleich selbstständig machen mit einem eigenen Medienunternehmen“.

Trotz der Kritik, die aus allen politischen Lagern kommt, will Ramelow nicht von dem Auftritt abrücken, wie die Staatskanzlei mitteilt. Der Medienwissenschaftler Horst Röper aus Dortmund findet den Auftritt absurd und sagt der Thüringer Allgemeine:

Ich habe noch nie gehört, dass ein Ministerpräsident sich selbst kommentieren darf. Das ist unglaublich, das ist entsetzlich. Hier verabschieden wir uns vom Journalismus. Dass es so etwas geben könnte, hat vermutlich niemand geahnt.

Für den Salve-TV-Hauptgesellschafter Klaus-Dieter Böhm ist Ramelows Solo-Auftritt der Versuch, „Politik transparent zu machen“.

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Quelle: Thüringer Allgemeine 17.1.2015

Tobias Korenke über die Krise des Medienjournalismus: Lust an der Selbstzerstörung (Zitat der Woche)

Geschrieben am 17. Januar 2015 von Paul-Josef Raue.

An der Qualität ihrer Selbstkritik kann man den Zustand einer Branche gut ablesen. Gucke ich Medienjournalismus kritisch unter journalistischem, handwerklichem Gesichtspunkt an: Der Zustand kann gar nicht schlechter sein. Da gibt es eine Lust an der Selbstzerstörung, da gibt es Artikel nur im Konjunktiv: „Es könnte sein“; tausend Beispiele fallen mir ein. Im Journalismus habe ich den Eindruck: Wem gar nichts mehr einfällt, der macht Medienjournalismus.

Tobias Korenke, Leiter der Unternehmens-Kommunikation der Funke-Mediengruppe, beim Symposium „25 Jahre Thüringer Allgemeine„; erschienen in der TA am 16. Januar 2015

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