Deutscher Rekord: 85-Buchstaben-Wort (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 30. Januar 2012 von Paul-Josef Raue.

Die englische Sprache hat ihre Vorzüge. Ihre Wörter sind in der Regel kürzer als die deutschen. So haben sich lange vor Erfindung der Anglizismen schöne Einsilber in die deutsche Sprache eingenistet: Die „Bar“ zum Beispiel, das „Steak“ und der „Toast“.

Bei Bar und Steak fällt niemandem, selbst dem eingefleischten Englisch-Hasser, ein deutsches Wort ein, das sich mit dem englischen messen könnte. „Toast“ oder „Röstbrot“? Freunde der deutschen Sprache, die den „Anglizismen-Index“ herausgeben, können sich das „Röstbrot“ durchaus vorstellen; und den „Toaster“ als „Brotröster“.

Auch das „Röstbrot“ ist ein kurzes, sogar bildhaftes Wort. Doch es taugt nicht für den Alltag. Wer im Restaurant einen Salat bestellt mit Röstbrot, der wird den verdutzten Blick der Kellnerin aushalten müssen. „Ach so, Sie meinen einen Toast!“

Den Ehrgeiz der Deutschen, sehr lange Wörter zu bilden, teilen Engländer und Amerikaner nicht. Ein Wort mit 85 Buchstaben ist im Englischen unmöglich. 85 Buchstaben – das ist deutscher Rekord, vor zehn Jahren entdeckt von der Duden-Redaktion in der „Neuen Zürcher Zeitung“.

Das längste Wort, das mindestens vier Mal belegt ist, hat 67 Buchstaben. Mit diesen Bandwurm-Wörtern endet diese Kolumne. Mehr Qual soll nicht sein:

85: Schauspielerbetreuungsflugbuchungsstatisterieleitungsgastspielorganisationsspezialist

67: Grundstücksverkehrsgenehmigungszuständigkeitsübertragungsverordnung

Aktion zur Leser-Blatt-Bindung: 500 Funklöcher und mehr

Geschrieben am 27. Januar 2012 von Paul-Josef Raue.

Die Redaktion der „Thüringer Allgemeine“ hatte die Idee: Leser, meldet die Orte, an denen Eure Handys keinen Empfang haben! 500 Leser meldeten die Funklöcher, die Zeitung brachte auf einer Panoramaseite eine Thüringen-Karte mit allen Löchern in allen Netzen. Und die Netzbetreiber kamen ins Schwitzen und kündigten an: Bald wird es keine Funklöcher mehr geben.

Einsam schrieb ein Leser; „Danke für diese detaillierte Karte der Funklöcher Thüringens. Jetzt weiß ich wenigstens, wo ich dem ununterbrochenen Gesabbel entkommen kann, das allerorts über mich hereinbricht. Ein bissel neugierig bin ich ja auch, aber über Hautkrankheit fremder Personen, über Eheprobleme junger Frauen, über Rheuma-Attacken anderer, über Seitensprünge von Ehemännern oder über die Ereignisse und Folgen nächtlicher Orgien möchte ich doch nicht unbedingt informiert werden…“

(zu: Handbuch-Kapitel 56 „Service und Aktionen“)

Wulff-Affäre: Medien haben Ansehen und Vertrauen verloren

Geschrieben am 26. Januar 2012 von Paul-Josef Raue.
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„Es gibt bei diesen Vorgängen rund um den Bundespräsidenten keine Gewinner. Alle haben an Ansehen und Vertrauen verloren: der Amtsinhaber, das Amt selbst sowie die Medien. Das ist bedauerlich.“ (Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer, CDU, im Focus 4/2012)

(zu: Handbuch Kapitel 3 „Warum die Gesellschaft bessere Journalisten braucht“)

Wie eine Lokalzeitung diskutiert, was ins Blatt kommt

Geschrieben am 25. Januar 2012 von Paul-Josef Raue.
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„Warum am Samstag kein Platz für den Terror in Nigeria war“,  überschreibt Nachrichtenredakteur Henning Wandel einen Blog-Eintrag des Mindener Tageblatts. Er erläutert, wie in einer Redaktion Entscheidungen fallen:

„Sieben Tote, viele Verletzte – diese Zahlen meldete die Nachrichtenagentur DPA noch am späten Freitagabend nach Anschlägen auf mehrere Polizeistationen in Nigeria. Gegen die Themen, die zu diesem Zeitpunkt auf der außenpolitischen Seite des MT für Samstag vorgesehen waren, konnte sich der wiederholte Terror in Westafrika nicht durchsetzen.

Nicht einmal 17 Stunden später war bereits von 120 Toten die Rede, bis Samstagabend stieg die Zahl auf 165, letztlich verloren an diesem Wochenende wohl fast 200 Menschen in Nigeria bei den Anschlägen ihr Leben. War die Entscheidung am Freitagabend also eine Fehleinschätzung?

Jede dieser Entscheidungen fällt schwer, doch sie sind trauriger Alltag in der Nachrichtenredaktion, die sich unter anderem um die politischen Themen kümmert.

  • – Wann wird ein Anschlag zur Meldung?
  • – Ist es nur die Zahl der Toten?
  • – Ist es die Nähe zu Deutschland? Oder zu Europa? Bei Angriffen auf deutsche Soldaten gibt es ausführliche Berichte – auch wenn es keine Verletzten gibt. Aber Bomben in Nigeria?
  • – Sind Attacken auf Polizeistationen weniger schlimm als Anschläge gegen Christen, mit denen wir uns kulturell eher verbunden fühlen?
  • – Und die wiederum sind nicht zu vergleichen mit Horrormeldungen aus Ägypten, wo viele Deutsche schon einmal Urlaub gemacht haben?

Die Entscheidung von Freitag war in erster Linie nüchtern abgewogen und damit wohl weder falsch noch richtig. Allenfalls unglücklich.

Unglücklich ist in diesem Zusammenhang zudem, dass auch in Zukunft immer wieder ähnliche Entscheidungen getroffen werden müssen und damit so mancher Krisenherd an den Rand gedrängt wird, der eigentlich laut aufschreien lassen müsste. Vor allem, da ein umstrittener Bundespräsident und eine (wohl vorübergehende) Finanzkrise im Angesicht von Terror, Krieg und Hunger bemerkenswert klein erscheinen.“

(zu: Handbuch Kapitel 23 „Was ist eine Nachricht?“ und Kapitel 22 „Warum alles Informieren so schwierig ist“)

Presserabatte und Schnäppchenjäger

Geschrieben am 24. Januar 2012 von Paul-Josef Raue.
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„Eine der wichtigsten Aufgaben von Journalisten ist es, Sachverhalte auch moralisch zu bewerten. Aber wer bewertet eigentlich die Moral der Journalisten?

Man kann verstehen, wenn das Publikum in diesen Tagen gleich doppelt genervt ist: vom Staatsoberhaupt, das sich ans Amt klammert. Und von Journalisten, die nun »enthüllen«, dass die Präsidentengattin zu bestimmten Anlässen kostenlose Abendgarderobe trug – als ob die Medien nicht selbst ein Problem mit Presserabatten und Schnäppchenjägern hätten. Journalisten werfen Politikern ja gern so etwas wie Volksverdummung vor. Aber leider tragen die Medien manchmal genau dazu bei.“

(Marc Brost in „Die Zeit“ vom 12.  Januar „Die Machtprobe“)

 

zu: Handbuch-Kapitel 49 „Wie Journalisten entscheiden sollten“

Schlecker-Pleite: „For you vor Ort“ (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 23. Januar 2012 von Paul-Josef Raue.

Tragen vier einsilbige Wörter einen Teil der Schuld, warum der Drogerie-Supermarkt „Schlecker“ Pleite geht? Diese vier Wörter sind das neue Unternehmensmotto, vor einem Jahr getestet und für gut bewertet: „For you vor Ort“.

Ist dieser englisch-deutsche Zwitter ein törichtes Motto? Ein Anglizismus, der noch mehr zu verachten ist, weil er Deutsches und Englisches mischt?

Immerhin hat eine große Werbeagentur das Motto vielen vorgeführt; es hätte durchfallen können – und ist es nicht. „For you vor Ort“ nutzt zwei englische Wörter, die jeder versteht, ohne die englische Sprache zu sprechen.

Dies „For you“ ist ein Gruß, den nicht nur junge Leute gerne nutzen, wenn sie zu einem Menschen besonders freundlich sind: „Für Dich“ ist Liebe, „for you“ ist liebevoll, also ein Grad kühler im Ton. Liebevoll wollte sich „Schlecker“ zeigen, da sich der Konzern einen schlechten Ruf eingefangen hatte wegen des Umgang m it seinen Mitarbeitern.

„Vor Ort“ , die beiden deutschen Wörter, sind die schwächeren. Im Lexikon unbrauchbarer Wörter, im „Neuen Handbuch des Journalismus“, Kapitel 16  zu finden, steht:

„Vor Ort – Fachwort der Bergmannsprache, zum regierenden Modewort geworden statt:
1. ,an Ort und Stelle‘,
2. ,da‘ (Meyer war auch da),
3. gar nichts (,Der Minister war an der Unglücksstelle vor Ort‘).

Der halbe Anglizismus brachte einige deutsche Sprachpfleger in Rage, noch mehr aber eine Rechtfertigung des Schlecker-Pressesprechers: Wir wollen mit dem Motto Menschen auf „niedrigeren bis mittleren Bildungsniveau“ anziehen und nicht die fünf Prozent Akademiker, die über die Sprache nachdenken.

Es war wie beim Bundespräsidenten: Die Reaktion war schlimmer als die Aktion. (Thüringer Allgemeine, 23. Januar 2012;  Kultur-Kolumne „Friedhof der Wörter“)

 

(Zu: Handbuch-Kapitel 16 „Lexikon unbrauchbarer Wörter)

Kommentare, Hinweise, Fundsachen – bitte!

Geschrieben am 20. Januar 2012 von Paul-Josef Raue.
2 Kommentare / Geschrieben am 20. Januar 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Vorbildlich (Best Practice).

Ein Klassiker: Tiefpunkt der Interviewtechnik (Welt am Sonntag, 19. 12. 1982)

Die IG Metall fordert in einigen Tarifgebieten, die Löhne im nächsten Jahr um bis zu 7,5 Prozent anzuheben. Die Metall-Lohnrunde hat Signalwirkung für die Lohnerhöhung auch in anderen Branchen und im öffentlichen Dienst.
WELT am SONNTAG fragte Dieter Kirchner, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall: In der schwersten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit solche Forderungen aufzutischen, ist doch wohl ein Scherz?
Kirchner: Da haben Sie ein mildes Wort gewählt.
WELT am SONNTAG: Warum verhandeln Sie überhaupt über solche unsinnigen Forderungen?
Kirchner: Wir müssen verhandeln. Dazu sind wir vertraglich verpflichtet. Die Firmen und ihre Belegschaften würden ein anderes Verhalten
auch nicht verstehen.

 So steht es im Kapitel 26 „Das Interview“ im neuen Handbuch. Das Beispiel ist exzellent, aber bald dreißig Jahre alt. In diesem Blog bitte ich um neue Beispiele zu allen Themen: Einfach „Kommentare“ anklicken.

Erwünscht sind Hinweise auf bemerkenswerte Artikel in Zeitungen und Zeitschriften, besonders solche, die – positiv wie negativ – das Zeug zum Klassiker haben; Sprachperlen und Sprachsünden; vorbildliche Aktionen und  Checklisten; Buchhinweise usw.

Die Artikel in diesem Blog bekommen bei Facebook manches „Gefällt-mir“-Zeichen, aber die Leserinnen und Leser geizen mit Kommentaren. „O Kommentare“ steht unter der Überschrift; ich würde mich freuen, wenn der eine oder andere Aufgeregte, Begeisterte, Neugierige auf „Kommentare“ klicken würde.

 

 

Katholische Journalistenschule sucht Volontäre

Geschrieben am 19. Januar 2012 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 19. Januar 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Ausbildung, Service & Links.

Den Service-Teil haben wir im „Neuen Handbuch“ nahezu verdoppelt. Unter den Ausbildungsstätten finden Sie auch das  „Institut zur Förderung publizistischen Nachwuchses (ifp)“,  das bis zum 1. März Bewerber für die Ausbildung in katholischen Medien sucht; Ausbildungsbeginn ist im Oktober.

Die Volontäre durchlaufen eine zweijährige Ausbildung in der katholischen Presse oder im privaten Hörfunk und nehmen an der überbetrieblichen multimedialen Ausbildung des Instituts teil. Außerdem vermittelt das „ifp“. Voraussetzung für das Volontariat ist entweder das Abitur oder die Mittlere Reife sowie eine abgeschlossene Berufsausbildung.

Zu den Absolventen gehören Bettina Schausten (ZDF), Thomas Gottschalk, Dr. Heribert Prantl (SZ), Stefan von Kempis (Radio Vatikan) und Klaus Brinkbäumer (Der Spiegel).

Kontakt und Informationen:

E-Mail: engelke@ifp-kma.de

Internet: www.ifp-kma.de

 

(zu:  Handbuch Service F „Journalistenschulen“)

„Handbuch“ an der Spitze der Bestenliste

Geschrieben am 19. Januar 2012 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 19. Januar 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles.

In der Amazon-Bestseller-Liste „Journalistische Praxis“ steht „Das neue Handbuch des Journalismus und Online-Journalismus“ schon auf dem ersten Platz. Sogar in der Liste „Handbücher & Lexika für Marketing & Verkauf“ steht das Handbuch auf den vorderen Plätzen,  an einigen Tagen stand es sogar auf dem ersten Platz.

 

Wolf Schneider: Journalistische Texte werden schludriger

Geschrieben am 18. Januar 2012 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 18. Januar 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Lokaljournalismus, Online-Journalismus.

Die  „Drehscheibe“, das Lokaljournalisten-Magazin,  veröffentlicht auf ihrer Webseite Interviews mit den Autoren des Handbuchs. Stefan Wirner sprach mit Wolf Schneider. Auszüge aus dem Interview:

Die Entwicklung im Online-Bereich ist rasant. Finden Sie, dass deutsche Zeitungen damit geschickt umgehen?

Nein. Eine alte Krankheit großer Blätter – an zwei von drei Tagen ist ihr Aufmacher identisch mit der ersten Nachricht der „Tagesschau“ – ist im Online-Zeitalter geradezu grotesk geworden. Die Sportjournalisten liefern schon seit 50 Jahren keine Überschrift mehr von der Art „Bayern siegt 3 : 1“, sie haben aus dem Fernsehen beizeiten gelernt. Die nackte Nachricht gibt keinen Aufmacher mehr her.

Glauben Sie, die Verlage sollten ihre Präsenz in sozialen Foren wie Facebook, Google oder Twitter intensivieren? Muss man alles mitmachen?

Intensivieren müssen sie wohl. Alles mitmachen müssen sie nicht.

Raufen Sie sich eigentlich zuweilen die Haare, wenn Sie den flapsigen Umgang mit Sprache in sozialen Foren beobachten?

Ja.

Wie hat sich die sprachliche Qualität von journalistischen Texten in den vergangenen Jahren entwickelt?

Sie werden schludriger.

(zu: Handbuch-Kapitel 54 „Die neue Seite 1“ +  Kapitel 5 „Die Internet-Revolution“ + Kapitel 11ff „Verständliche Wörter“

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