Alle Artikel mit dem Schlagwort " Duden"

Die Auflösung: Schreiben Sie schwierige Wörter richtig? (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 3. Juni 2013 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 3. Juni 2013 von Paul-Josef Raue in Friedhof der Wörter.

Wie viele schwierige Wörter haben Sie – nach der Duden-Empfehlung – richtig geschrieben? Haben Sie sich auf die Rechtschreibhilfe von Word verlassen? Dann waren sie verlassen: In einigen Fällen hat sogar die Word-Rechtschreibprüfung in die Irre geführt, zumindest hat sie die falsche Schreibweise nicht mit einer roten Schlangenlinie markiert.

Das ist die Auflösung der 12 Testfragen vom Sonntag:

1 Adresse (falsch: Addresse)

2 Asymmetrie (falsch: Asymetrie)

3 aufwendig (falsch: aufwändig)

4 Delegierte (falsch: Deligierte)

5 Fußball (falsch: Fussball)

6 Galionsfigur (falsch: Gallionsfigur)

7 heute Morgen (falsch: heute morgen)

8 Libyen (falsch: Lybien)

9 piksen (falsch: pieksen)

10 stattdessen (falsch: statt dessen)

11 todlangweilig (falsch: totlangweilig)

12 weismachen (weißmachen)

Piksen oder pieksen? Der Test: Schreiben Sie schwierige Wörter richtig? (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 2. Juni 2013 von Paul-Josef Raue.
2 Kommentare / Geschrieben am 2. Juni 2013 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Friedhof der Wörter.

Rund zweihundert Einträge umfasst die Duden-Liste der schwierigen, also oft falsch geschriebenen Wörter. Schwierig sind sie vor allem, weil der Autor nicht auf die Idee kommt, falsch zu schreiben; er greift erst gar nicht zum Wörterbuch, er verirrt sich ohne eine Spur des Zweifels.

Testen Sie sich: Welche Version ist die korrekte? Ein Tipp: Verlassen Sie sich nicht auf Ihre Computer-Rechtschreibprüfung!

1. Addresse oder Adresse?

2. Asymetrie oder Asymmetrie?

3. Aufwendig oder aufwändig?

4. Deligierte oder Delegierte?

5. Fussball oder Fußball?

6. Gallionsfigur oder Galionsfigur?

7. heute morgen oder heute Morgen?

8. Lybien oder Libyen?

9. piksen oder pieksen?

10. statt dessen oder stattdessen?

11. todlangweilig oder totlangweilig?

12. weißmachen oder weismachen?

Auflösung morgen in diesem Blog. 

Kolumne der Thüringer Allgemeine, geplant für den 3. Juni 2013

Immer mehr Fehler in der Zeitung oder: Die schwierigsten Wörter (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 28. Mai 2013 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 28. Mai 2013 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Friedhof der Wörter.

Die täglichen Fehler in der Zeitung werden immer peinlicher. Welche Qualifikation müssen Mitarbeiter, die sich Journalisten nennen, überhaupt nachweisen?

Das fragt ein TA-Leser aus Bad Langensalza. Wir kennen und schätzen die Fehler-Detektive unter den Lesern, die statt der „Kinderkrippe“ die „Kindergrippe“ entdecken und statt „Vergären“ von Früchten das „Vergehren“. Der Spiegelfüllt mit Sprach- und Logik-Schnitzern jeden Montag den „Hohlspiegel“.

Ein TA-Leser, der in einem Versicherungsbüro arbeitet, vermutete gar eine Demenz-WG in der Redaktion, als er von einem „Stehgreifspiel“ las statt vom „Stegreif“.

Den „Stegreif“ führt der „Duden“ in seiner Liste der schwierigen Wörter, die oft falsch geschrieben werden. Warum sind Wörter schwierig? Warum werden sie oft falsch geschrieben?

Der „Stegreif“ zum Beispiel ist ein Bild, das längst aus unserem Bildergedächtnis verschwunden ist und selbst von Reitern kaum mehr verstanden wird. Der Stegreif ist ein tausend Jahre altes Wort aus dem Mittelhochdeutschen und bezeichnete den Reif, also den Ring, um auf ein Pferd zu steigen. Heute nennen wir ihn Steigbügel.

Wer aus dem Stegreif reden kann, der spricht schnell – ohne vom Pferd hinabzusteigen. Goethe mochte die Redensart: „Aus dem Stegreif die Reime zu machen, wie leicht war das!“ Und Lessing brachte den Stegreif und das Sprachgenie zusammen: „Jedes große Genie redet alles aus dem Stegreif.“

Sprachgenies heute, so sie Journalisten sind, sollten den Stegreif meiden, damit sie nicht zum Stehen kommen im „Stehgreifspiel“. Sprachbilder, die im Kopf kein Bild mehr malen, sind unnütz, verwandeln sich in leere Redensarten – eben schwierige Wörter.

Kolumne derThüringer Allgemeine, Montagausgabe 27. Mai 2013

„Unausrottbarer Volksglaube“ oder: Wer macht die Sprache? (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 4. Mai 2013 von Paul-Josef Raue.

Auf der Leserseite ist mir ein Fehler aufgefallen, dem ich sehr häufig in der TA, aber auch anderswo begegne. ,Erstmal auf eigene Leute setzen‘, lautet eine Überschrift. Richtig müsste es heißen: ,Erst mal…‘, denn es handelt sich um die Kurzform von „,erst einmal‘, und das schreiben Sie ja auch getrennt.

So schreibt ein Leser aus Erfurt an die „lieben Zeitungsmacher“. Der Leser hat Recht, aber der Redakteur hat trotzdem keinen Fehler gemacht. Der Duden empfiehlt „erst mal“ – also eine Empfehlung, keine Regel; „erstmal“ ist möglich, eine „alternative“ Schreibweise. Zudem setzt der Duden „erstmal“ auf seine Liste der „rechtschreiblich schwierigen Wörter“.

Warum drückt sich der Duden vor einer verbindlichen Regel? Wie der Leser korrekt feststellt, ist „erst einmal“ die hochsprachliche Urform. Im Alltag neigen wir aber dazu, Wendungen aus der Hochsprache zu verkürzen. So wird aus „erst einmal“ ein „erst mal“.

Wenn das Alltagswort oft gebraucht wird, schleicht es sich in die Hochsprache, also in die Sprache der Dichter und Journalisten. An der Universität Leipzig schauen Forscher Tag für Tag in die Zeitungen und die großen Internet-Seiten: Welche Wörter werden heute am meisten benutzt? In den Jahren wuchs eine große Sammlung des deutschen Wortschatzes. Der Wettlauf zwischen „erstmal“ und „erst mal“ hat keinen eindeutigen Sieger, beide Schreibweisen kommen ähnlich oft vor.

Wolfgangs Peters‘ Hinweis auf die Logik reicht nicht hin. Unsere Sprache, die sich auch auf der Straße bildet, ist nicht immer logisch. Das verwandte Adverb „erstmals“ schreiben wir zusammen – verbindlich. Und auf der Straße holen wir zwischen „erst“ und „mal“ keine Luft. Das spricht für die Ein-Wort-Lösung. Die Ursprungsform „erst einmal“ legt die Zwei-Wörter-Lösung nahe.

Ich wage die Prognose: „Erstmal“ setzt sich durch. Das Volk und mit ihm eine ausreichend große Zahl von Journalisten wird dafür sorgen – auch wenn das „Zwiebelfisch-ABC“ des Spiegel, wo die Hohepriester der Sprache richten, zur Volksbeschimpfung greift:

Entgegen einem unausrottbaren Volksglauben wird ,erst mal‘ in zwei Wörtern geschrieben.

Thüringer Allgemeine, geplant für den 6. Mai 2013

Brauchen wir korrektes Deutsch? (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 1. April 2013 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 1. April 2013 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Friedhof der Wörter.

Was ist denn das für eine Denkhaltung: Hauptsache verständlich, korrekt muss es nicht unbedingt sein.

So zürnt Hiltrut Schmerbauch aus Ingersleben mit dem Autor des „Friedhofs der Wörter“. Sie zürnt zu Recht: Wer denkt, wir müssten nicht korrekt schreiben, der ist ein Tor.

Beides gilt: Verständlich muss die Sprache sein und korrekt – und darüber hinaus noch farbig und unterhaltsam. Die Reihenfolge ist mit Bedacht gewählt: Die Verständlichkeit steht vorn – denn wem nützt die beste Sprache, wenn sie einer nicht versteht, der sie verstehen soll, gar verstehen muss.

In der Prozession der Wichtigkeit folgt das Korrekte wie ein Zwilling – denn nur, wenn wir uns an die Regeln halten, halten wir die Sprachgemeinschaft zusammen. Hiltrut Schmerbauch schreibt, wieder zu Recht: „Die Grundlage einer jeden Kommunikation ist nun mal die Sprache, und die sollte eben richtig sein.“

Wer nach Beliebigkeit oder Laune, wegen Faulheit oder Ignoranz die Regeln ändert, der verwirrt uns und schadet der Verständlichkeit.

Es folgen zwei Einwände, die bedenkenswert sind:

  • Erstens verändere sich Sprache unentwegt, weil Neues zu benennen ist wie der Computer, das Internet oder die Energiewende; weil Wörter aus anderen Sprachen uns erst bedrängen, dann gefallen wie Flirt und Steak, Tsunami und Blamage; weil junge Leute anders sprechen wollen als die Alten und sich freuen, wenn diese „geil“ gar nicht geil finden.
  • Zweitens sei der Duden eine wankelmütige Instanz, der jeden Fehler zur Regel erhebt, wenn er nur oft genug zu lesen ist.

Doch ist es aller Mühe wert, nicht zu kapitulieren vor denen, die unsere Sprache verschandeln – vor Werbern, die uns den „Service Point“ unterjubeln, vor digitalen Ureinwohner, die ihre Tastatur in ein „keyboard“ verwandeln, vor Experten, die lieber von einem „justiziellen Verfahrensablauf“ sprechen statt von einem Gerichtsprozess, oder vor Journalisten, die jeden sprachlichen Unsinn verbreiten statt ihn zu ächten.

Wer die Regeln ändern will, muss dies gut begründen können. Dies allerdings muss möglich sein – auch gegenüber dem Duden, dem Spiegel oder Peter Sloterdijk.

Verbünden wir uns also mit Hiltrut Schmerbauch aus Ingersleben und retten die korrekte Sprache – und die verständliche.

geplant für Thüringer Allgemeine 2. April 2013

Wie Goethe den Genitiv missachtete (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 10. März 2013 von Paul-Josef Raue.

Prüfen Sie sich! Welche der folgenden Sätze sind richtig:

1. Dank meines Fleißes werde ich in den Bundestag gewählt?
2. Großalarm wegen totem Hund?
3. Trotz Umbaus geöffnet?
4. Laut unseres Briefes sind sie von der Zahlung befreit?

Wer die deutsche Sprachen retten will, der rettet den Genitiv. Helmut Wolf aus Erfurt, Leser der Thüringer Allgemeine, ärgert sich, wenn in der Zeitung „immer wieder“ Genitiv und Dativ verwechselt wird – sogar auf der Kinderseite und ausgerechnet in einem Artikel über die Bildungsministerin.

Helmut Wolf hat Recht: Wir sollten den Genitiv wahren, so es die Regel gibt. Aber wir sollten bedenken, dass auch die Regel eine Geschichte hat. Nehmen wir als Beispiel: Der Genitiv nach der Präposition „wegen“.

Wer „wegen totem Hund“ schreibt, wie in einer Überschrift unserer Zeitung, wer also Dativ und Genitiv verwechselt, gilt als Sprachverderber. Aber wie schrieb Goethe gleich mehrfach in seinen Briefen? „Wegen eintretendem Reformationsfeste“.

Noch derber trieb es der Geheimrat am Weimarer Hof, als er in einem einzigen Satz „wegen“ erst mit dem Genitiv, dann mit dem Dativ gebrauchte: „Wegen des Stoffs als wegen den Umständen“.

Auch Schiller verwechselte: „Wegen dem Göz von Berlichingen“, und Gerhard Hauptmann verwechselte und Adalbert Stifter.

Es geht drunter und drüber, wie so oft in der Geschichte unserer Sprache. Erst war „wegen“ mit dem Dativ verbunden, dann mit dem Genitiv – wie beispielsweise schon im Urkundenbuch des thüringischen Arnstadt von 1432:

Von wegen syner koniglichen Durchluchtigkeit.

Der Genitiv setzte sich durch, nur nicht jederzeit bei Goethe, Schiller und anderen dichtenden Heroen, vor allem wenn sie eiligst Briefe schrieben – und im Volke wohl auch nicht.

Meinetwegen, könnte man sagen: Ich bleibe beim Genitiv, den auch Schiller durchaus schätzte und das „wegen“ hinter das Hauptwort verbannte. Statt „wegen seiner Natur“ schrieb er: Es ist dem Menschen „von Natur wegen möglich gemacht, aus sich selbst zu machen, was er will“.

Was ist also richtig? Alle Sätze sind – mehr oder minder – falsch im Eingangstest, und so sind sie richtig:

1. Dank meinem Fleiß (laut Duden);
2. Großalarms wegen eines toten Hundes (allerdings registriert der Duden schon: umgangssprachlich auch mit Dativ);
3. Trotz Umbau geöffnet (denn Hauptwörter ohne Artikel oder Attribut werden meistens nicht gebeugt);
4. Laut unserem Brief (allerdings lässt der Duden auch „laut unseres Briefes“ zu).

Geben wir Friedrich Schiller das letzte, oder besser: vorletzte Wort:

Schätzen Sie mich wegen dem, was ich unter besseren Sternen geworden wäre.“

Thüringer Allgemeine 11. März 2013

Gauck als Meister der Floskeln und taumelnden Wörter (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 24. Februar 2013 von Paul-Josef Raue.
Die Macht des  Bundespräsidenten ist seine Sprache. Da er sonst wenig zu entscheiden hat, soll er wenigstens gut reden – am besten den Politikern ins Gewissen, manchmal auch dem Volk.

In dieser Woche hat unser Bundespräsident seine erste große Rede gehalten. Er sei nervös gewesen, schreiben Kommentatoren, und sie meinen es positiv: Besser ein nervöser Politiker als ein überheblicher. Und er schreibe seine Reden selbst, und auch das meinen sie positiv.

Die Rede war nett, sie tat keinem weh, vor allem den Briten nicht, die gerade erdulden müssen, dass die deutsche Wirtschaft besser läuft als ihre. Da tröstet es, wenn ein Bundespräsident sagt: Auch Engländer gehören zu Europa, sogar die Schotten, die Waliser, Nordiren und „britische Neubürger“.

Nur – war die lange Rede des Präsidenten mehr als eine Reihung von Floskeln, hübsch, aber leer? Ein Beispiel:

 Einst waren europäische Staaten Großmächte und Global Player. In der globalisierten Welt von heute kann sich im besten Fall ein vereintes Europa als Global Player behaupten.
Da taumeln die Wörter:
  • Global Player sind Unternehmen, die weltweit handeln, und nicht Staaten.  Staaten leiden unter „Global Playern“ und ihrer Finanzmacht, mit der sie Politiker unter Druck setzen können.
  •  Globalisierte Welt ist wie ein weißer Schimmel. Pleonasmus nennen es die Wissenschaftler, abgeleitet vom griechischen Wort für Überfluss:  Zwei Wörter, deren Sinn ähnlich ist.
Globalisierung bedeutet laut Duden „weltweite Verflechtung“; globalisiert leitet sich von „global“ ab, das „weltweit“ bedeutet.

Wer von „globalisierter Welt“ spricht, meint keine weltweite Welt, sondern eine schnelle Welt, in der Informationen und Transporte in einem Tempo um die Welt rasen wie nie zuvor – dank Internet, Flugzeugen und Containerschiffen. Für viele folgt diese schnelle Welt nicht mehr dem menschlichen Maß. Aber das ist ein neues Thema.

Thüringer Allgemeine 25. Februar 2013

Vom Granteln und Pranteln und enttäuschter Recherche

Geschrieben am 27. Januar 2013 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 27. Januar 2013 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Recherche.

Wer die Bayerische Akademie der Schönen Künste um Auskunft bittet, kann als Journalist diese Antwort bekommen: Wir sind „enttäuscht“ von Ihrer Recherche!

Das widerfuhr jedenfalls Jan Wiele von der FAZ, als er fragte: Stimmt es, dass Sie Anita Albus zu einer Diskussion erst ein- dann ausgeladen haben? Es ging um  Martin Mosebachs Thesen zur Blasphemie. Mosebach soll sich laut Wiele geweigert haben, mit Albus zu diskutieren, die eine andere Meinung zur Blasphemie vertritt.

Erstaunlich ist erstens: Warum berichtet Wiele in seinem Bericht erst nach hundert Zeilen, dass die Bayerische Akademie mit dieser erstaunlichen Begründung („enttäuscht“) die Recherche abblockt?

Zweitens: Warum recherchierte Wiele, zumindest erkennbar, nicht weiter? Er schreibt lediglich: „Ist dort schon journalistisches Nachfragen verboten?“

Drittens: Warum fragte keiner in der öffentlichen Debatte nach der Ausladung? Immerhin war Heribert Prantl dabei, der sonst keiner Frage aus dem Weg geht.

Prantl erfährt übrigens in dem Bericht eine große Ehre, die ihn in den Duden bringen könnte: Er wird in ein Verb verwandelt. Mosebach „grantelt“, Prantl „prantelt“.

In der Süddeutschen habe ich keinen Bericht über die Diskussion in München gefunden.

(FAZ, 26. Januar 2013)

(zu: Handbuch-Kapitel 17 Die eigene Recherche + Service H Lexikon journalistischer Fachausdrücke (pranteln)

Genetiv oder Genitiv? Peinlich? Witzig? (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 24. September 2012 von Paul-Josef Raue.
2 Kommentare / Geschrieben am 24. September 2012 von Paul-Josef Raue in Friedhof der Wörter.

Barbara macht Urlaub im Thüringer Wald, liest den „Friedhof der Wörter“ und muss schmunzeln: „War der Genetiv eine Falle für den Leser?“

Hanni, man verzeihe die in Mails übliche Anrede, also Hanni hatte nach eigenem Bekunden nicht nur Freude an dem „Deppen-Apostroph“, sondern auch am „Genetiv“:

„Beim ersten Mal glaubte ich noch an einen Tippfehler. Als diese Schreibweise aber konsequent weiter beibehalten wurde, kam ich ins Zweifeln und sah in der einschlägigen Literatur nach. Nun, je nach persönlicher Einstellung kann man den Fehler peinlich oder sehr witzig finden. Ich finde es köstlich, daß ausgerechnet in einer detaillierten Abhandlung über die Schreibweise des ,Genitivs‘ (?) dieser Fehler unterlaufen ist!“

Was ist richtig? Genetiv, wie im vergangenen „Friedhof“ geschrieben, oder Genitiv, wie die beiden Leserinnen und einige andere versichern?

Der Duden lässt beide Schreibweisen zu, entscheidet sich aber fürs „i“ im „Genitiv“ und bezeichnet den „Genetiv“ als veraltet. Müssen wir dem Duden folgen?

Nicht immer! Aber immer wenn es keinen Grund für eine Abweichung gibt – wie beim Genitiv, der vom lateinischen Wort „casus genitivus“ abgeleitet ist.

Es bleibt rätselhaft, wann und warum aus dem alten „Genetiv“ der moderne „Genitiv“ entstanden ist – oder ob beide Schreibweisen lange nebeneinander existierten. Zu Luthers Zeiten und den Jahrhunderten danach gab es keine allgemein verbindlichen Regeln; man schrieb so, wie man sprach und meinte, verstanden zu werden.

Im ersten Duden von 1880, der eine Mark kostete, stehen beide Wörter noch gleichrangig: Genetiv und Genitiv. Konrad Duden, Direktor des Königlichen Gymnasiums zu Hersfeld, schreibt im Vorwort, die Regeln sollten Deutschland einen, sprachlich zumindest.

„Überdies sind wir der Meinung, daß es durchaus nicht die Absicht war, für alle Fälle und für alle Zeiten endgültige Bestimmungen zu treffen.“

(TA, 17. September 2012)

Wenn Wörter schmelzen (Friedhof der Wörter – Apostroph)

Geschrieben am 4. September 2012 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 4. September 2012 von Paul-Josef Raue in Friedhof der Wörter.

Die Liberalen in Thüringen, so sie in der FDP organisiert sind, wollen zu den Liebhabern der deutschen Sprache zählen. Zumindest engagieren sie sich für unsere Kinder in der Schule: Sie sollen besser lernen. So haben sie ein großes Plakat entworfen: „Schule für’s Leben“.

Ein wahrer Liebhaber der deutschen Sprache, der Redakteur Thorsten Büker von der Thüringischen Landeszeitung (TLZ), hat die Plakate entdeckt – und gleich einen Schreibfehler. „Für’s Leben“ ist falsch, laut Duden ist „fürs Leben“  richtig. Und der Duden ist der Gott der Deutschlehrerinnen, er bestimmt, wann sie ihren Rotstift anzusetzen haben.

Der Apostroph ist aber ein windiger Geselle, ein Häkchen, das manche mühsam auf der Tastatur suchen, das selten und meist falsch benutzt wird und das nur wenige beherrschen – auch der Duden nicht.

Der Apostroph, so die Duden-Regel, zeigt an, wenn in einem Wort Buchstaben ausgelassen werden. Würde sich der Duden auf diese einfache Regel beschränken, hätte nicht nur Thüringens FDP ein Problem weniger, sondern jeder Schreiber der deutschen Sprache – erst recht wenn der Duden seine zweite, menschenfreundliche Regel selber beherzte:

„In vielen Fällen können die Schreibenden selbst entscheiden, ob sie einen Apostroph setzen wollen oder nicht.“

Die Ausnahmen, die er bestimmt, sind ebenso unlogisch wie unfreundlich. Trüb statt trübe ist auch korrekt ohne Häkchen, ebenso heut statt heute – mit der Begründung, es sei gut lesbar und unmissverständlich.

Das soll laut Duden für „allgemein übliche Verschmelzungen von Präpositionen“ nicht gelten. Das verstehe, wer will: Die  „fürs“ und „hinters“ und „unters“ sind zwar üblich, aber in der Schriftform eben nicht unmissverständlich.

Wer das „das“ in „für das Leben“  verschlucken will, ist kein Banause; wenn er aber, um Verständlichkeit bemüht, das Verschlucken kenntlich machen will, sollte er das Häkchen setzen dürfen. Und er darf es auch, wenn er keiner Deutschlehrerin ausgeliefert ist.

Thüringer Allgemeine, 3. September 2012

Seiten:«1234»

Journalisten-Handbuch.de ist ein Marktplatz für journalistische Profis. Wir debattieren über "Das neue Handbuch des Journalismus", kritisieren, korrigieren und ergänzen die einzelnen Kapitel, Thesen und Regeln, regen Neues an, bringen gute und schlechte Beispiele und berichten aus der Praxis.

Kritik und Anregungen bitte an: mail@journalisten-handbuch.de

Rubriken

Letzte Kommentare

  • Daniel Grosse: Die Sendung mit der Maus sollte uns „ja so erwachsenen und klugen“ Autoren und...
  • Sportreporter: In meiner Redaktion kommt es vor, dass Lokalsport-Redakteure sonntags für zehn bis zwölf Seiten...
  • Udo Heinze: Ich kam Anfang der 70-er von Gesprächen mit der amerikanischen Newspaper-Association zurück. Dort...
  • Härtel: Ich bin von den viel verwendeten Anglizismen genervt. Im Berufsleben begegnet mir jetzt „content“, „hashtag“,...
  • Oliver Horvath: Männliche Zuschauerinnen sehen wohl aus wie weibliche Zuschauer – wie eine Gruppe eben...

Meistgelesen (Monat)

Sorry. No data so far.