Ich weiß, ich habe ein Gehirn! (Zitat der Woche)

Geschrieben am 24. Juni 2012 von Paul-Josef Raue.
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Erst im Laufe meines Studiums habe ich das Gehirn gewissermaßen entdeckt, und ich habe übrigens bis zu meinem 40. Lebensjahr gebraucht, um mein eigenes Gehirn im Kernspintomographen zu sehen. Erst seitdem weiß ich sicher, dass ich eins habe.

Der Braunschweiger Hirnforscher Martin Korte in einem Leser-Interview der Braunschweiger Zeitung vom 19. Juni 2012. Darin lobt er das lebenslange Lernen, da selbst im hohen Alter neue Nervenzellen gebildet werden. Wer also lange und intensiv Zeitung liest, so ist zu folgern, behält ein Gehirn mit hoher Leistungskraft: „Lernen verlangsamt den kognitiven Alterungsprozess“.

(zu: Handbuch-Kapitel 53 „Was die Leser wollen“)

„Haltung und Moral stören nur“ (Zitat der Woche)

Geschrieben am 23. Juni 2012 von Paul-Josef Raue.
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Dass „Bild“ ganz vorne dabei war, als es darum ging, die Lügen und Halbwahrheiten des Christian Wulff zu enthüllen, war eher ein Ausdruck der Schwäche als eine Demonstration der Macht: Man wollte nicht, wie beim Fall Guttenbergs, am Schluss auf der Seite des Verlierers stehen.

Haltung und Moral stören nur, wenn solche Strategien entwickelt werden.

Claudius Seidl in der FAS vom 17. Juni mit einer ungewöhnlichen Begründung, warum Hans Leyendecker Recht hatte, den Henri-Nannen-Preis abzulehnen; diesen hatte auch Bild bekommen für die Wulff-Recherchen.

(zu: Handbuch-Kapitel 35 „Der Boulevard-Journalismus“ + 91 „Recherche“)

SZ-Magazin: Erst Vorbild im „Handbuch“, jetzt Lead Award

Geschrieben am 23. Juni 2012 von Paul-Josef Raue.
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Beitrag des Jahres und einen Lead Award bekommt „Der Morgen davor – Japan wie es nicht mehr sein wird“, erschienen im SZ-Magazin.

Hervorgehoben als vorbildlich ist das Schaustück schon im neuen Online-Teil des „Handbuch des Journalismus“, im Kapitel 7 „Die Online-Redaktion“, Seite 36:

Redaktionen können aktuelle Geschichten so schnell und so umfangreich schreiben wie nie zuvor.
In kürzester Zeit sind Texte und Bilder verfügbar von Orten, an denen sich keine professionellen Journalisten aufhalten. Wie sah Japan aus am 11. März 2011 – in den acht Stunden vor Erdbeben und Tsunami? Wer um Fotos und Mitteilungen per Mail oder Facebook bat und das Netz durchkämmte, bekam private Bilder von Japanern und Touristen. Diese Recherche mündete online in eine Dia-Schau und taugte zu einem 38-seitigen Schaustück im Magazin der
Süddeutschen Zeitung: Japan, wie es nicht mehr sein wird.“

Herzlichen Glückwunsch an das SZ-Magazin!

Die Lead-Academy, geleitet von Markus Peichl, vergibt den Preis seit 20 Jahren für vorbildliche Werbung, Fotos und mittlerweile auch für Online-Beiträge.

(zu: Kapitel 7 „Die Online-Redaktion“/ Korrektur im Namen- und Sachregister: Hinweis auf Seite 36 unter SZ-Magazin, tilgen unter Süddeutsche Zeitung)

Verfassungsrichter entlarven die politische Sprache (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 23. Juni 2012 von Paul-Josef Raue.
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Juristendeutsch ist meist schwer verdaulich und nur selten ein Genuss. Das Bundesverfassungsgericht ist eine Ausnahme, die zu rühmen ist.

Manche Urteils-Begründung entzückt den Liebhaber der deutschen Sprache, selbst vor leicht ironischen Zwischentönen schrecken die Richter in den roten Roben nicht zurück. Gäbe es einen Literaturpreis für juristische Prosa, dann hätte ein Urteil gute Chancen, das der 2. Senat vor sechs Tagen verkündet hat – gegen Kanzlerin Angela Merkel, die systematisch den Bundestag an der Nase herumgeführt habe.

Statt die Abgeordneten in der Euro-Krise unverzüglich, genau und ausführlich zu informieren, habe sie die Volksvertreter mit Floskeln abgespeist – so die Richter einstimmig:

• Was sind ambitionierte Zeitvorgaben?
• Was ist ein Gesamtpaket (comprehensive package)?
• Was ist ein inoffizielles Dokument (non paper)?
• Was ist eine endliche Halbwertzeit?
• Was sind Ergebnisoptionen?
• Warum bieten Texte in englischer Sprache („term sheet“) Vorteile gegenüber deutschen?

Die Richter entlarven die politische Sprache, konkret: die Sprache der Regierung, als Sammlung von Phrasen, als Erniedrigung des Parlaments, kurzum: als Schaden für die Demokratie. Sie zitieren lustvoll und entlarvend einen Beamten des Finanzministeriums, der die Volksvertreter unwissend nach Hause schickte:

Wir legen die Entscheidungen zur Ertüchtigung nicht „kleckerweise“ vor, sondern in einem Paket.

Ergänzung: Leitartikel von Annette Ramelsberger in der SZ vom 22. Juni 2012 (zur Öffentlichkeit des Breivik-Prozesses in Oslo)

Das Gericht nahm die Bürger mit auf den Weg der Wahrheitsfindung. Auch davon kann Deutschland lernen – hier, wo Justitia oft mit einer Bugwelle von Bedeutung einherschreitet und stolz darauf ist, dass nur Ausgewählte sie verstehen. Und kein Richter sich Tränen erlauben würde – egal, wie angerührt er ist.

Wir erzählen nur noch Geschichten!

Geschrieben am 19. Juni 2012 von Paul-Josef Raue.
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Liebe Leute,
habt Ihr das auch? Facebook fragt nicht mehr, was ich mache – es sagt: erzähle eine Geschichte!

Gabi Pfeiffer hat dies heute in „Storytelling – bpb Modellseminar“ gepostet.

(zu: Handbuch-Kapitel 32 „Die Reportage“ + 57 „Wie können Zeitungen überleben?“)

Heute um 20.45 Uhr: Fussball in Leopolis (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 17. Juni 2012 von Paul-Josef Raue.
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Noch einmal: Lemberg; noch einmal die Stadt in der Ukraine, in der die deutschen Fußballer am Sonntag spielen und auf einen Sieg hoffen. Noch einmal: Der Name der Stadt, der zeigt, dass Worte nicht nur Worte sind, sondern aufgeladen mit Geschichte und Geschichten. Die Namen der Städte raunen uns zu aus längst vergessenen Epochen, künden von Träumen und noch öfter von Albträumen.

Und wir wissen es oft nicht mehr. Wir nutzen die Wörter im Alltag wie andere nützliche Gegenstände, wie ein Stück Seife oder eine Scheibe Brot. Sie sind Lebensmittel; also Mittel, um zu leben, um sich zu verstehen und zu verständigen.

Lemberg ist für die meisten Fernseh-Zuschauer einfach der Name einer ukrainische Stadt, in der deutsche Fußballer spielen. Dürfen Deutsche so unbekümmert mit den Namen umgehen? Mit der Geschichte?

Nein, schreibt empört ein Leser und verweigert sogar am Ende seines Briefs den freundlichen Gruß. Wer Lemberg schreibt statt Lwow, der schreibe „im Stil großdeutscher Denkweise“. Unser Leser blickt in die Geschichte: Lediglich von 1772 bis nach dem Ersten Weltkrieg hatte Lwow einen deutschen Namen. Er fährt fort:

„Was sollen also derartige Bezeichnungen in einer deutschen Zeitung? Oder sind Sie möglicherweise ein zu spät geborener Vertreter der Ideologie, die diese Gebiete nach wie vor als zu Deutschland gehörig ansehen?“

Wie denkt eine Schriftstellerin aus der Ukraine über den Namensstreit? „Wie soll ich den Namen meiner Heimatstadt schreiben?“, fragt Natalka Snjadanko und geht die Namen durch: Lwiw (ukrainisch)? Lwow (russisch)? Lemberg (deutsch)?

Leopolis will sie ihre Heimatstadt nennen, zurückgreifend auf den ältesten, den lateinischen Namen. Das sei politisch neutral, schreibt sie, entrücke den Streit in eine mythische Vergangenheit.

So ist auch die Dichterin kein Trost im Streit um Lemberg, den Namen und den rechten Umgang mit der Vergangenheit. Sie macht aber klar: Es sind nicht einfach nur Namen, die wir gebrauchen, nicht einfach nur Worte.

 

Der Text von Natalka Snjadanko steht in dem gerade erschienenen Sammelband „Totalniy Futbol – eine polnisch-ukrainische Fußballreise“ (Suhrkamp-Verlag, 18 Euro)

 

Starke Medien sind besser als starker Staaat

Geschrieben am 16. Juni 2012 von Paul-Josef Raue.
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Je länger sich die Unternehmen dem öffentlichen Druck widersetzen, desto größer wird der Druck des Gesetzgebers einzugreifen.

Norbert Lammerts Satz heißt im Umkehrschluss: Wir brauchen starke Medien, die Konzerne beobachten, ob sie ihre Unternehmen gut führen. Gerade bei der Wirtschaft ist intensive öffentliche Kontrolle notwendig, weil sie keiner Kontrolle durch allgemeine Wahlen unterliegen.

Und daraus ist zu folgern: Öffentlicher Druck ist nur möglich, wenn die Medien viele Menschen erreichen und wenn Journalisten unabhängig und professionell arbeiten.

Norbert Lammert (CDU), Bundestagspräsident, hielt die Festrede bei der Konferenz „10 Jahre Deutscher Corporate Governance Kodex“ in Berlin. (Quelle: FAZ, 15.6.2012 „Lammert gegen Piech: Ein Außerirdischer, für den Vorgaben nicht gelten“)

(zu: Handbuch-Kapitel 3 „Warum die Gesellschaft bessere Journalisten braucht“)

„Polnische Todeslager“ (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 15. Juni 2012 von Paul-Josef Raue.
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„Terroristen lebten in einer konspirativen Wohnung in Zwickau“, so stand es in vielen Zeitungen.

Wie wird eine Wohnung konspirativ? Durch dunkle Möbel, grelle Lampen oder braune Tapeten?

Nein, eine Wohnung kann schön sein und hell, gemütlich und sauber − aber niemals konspirativ; vielmehr ist es eine Wohnung von Verschwörern, also von Menschen, die eine Konspiration planen.

Es gibt auch keinen morgendlichen Spaziergang, sondern nur einen Spaziergang am Morgen; kein elterliches Haus, sondern das Haus der Eltern oder das Elternhaus.

Ein Eigenschaftswort kann kein Hauptwort vertreten, weder die Konspiration, noch der Morgen, noch die Eltern. Wer es dennoch tut, kann im schlimmsten Fall sogar Völker gegeneinander aufbringen.

US-Präsident Obama ehrte einen Polen mit der Freiheitsmedaille und sprach von einem „polnischen Todeslager“, aus dem der Geehrte Berichte geschmuggelt hatte. Doch die Todeslager waren nicht polnisch, sondern von deutschen Nazis gebaut. Polnische Politiker, quer durch alle Parteien, gerieten in Rage und fragten den befreundeten US-Präsidenten:

  • Warum verwischt er den Unterschied zwischen „polnischen Todeslagern“ und „Todeslagern in Polen“?
  • Will er sagen, auch Polen hätten in den Nazi-Lagern getötet?
  • Hat er vergessen, dass mehr als sechstausend „Gerechte unter den Völkern“ aus Polen kamen?

Eine Beleidigung des polnischen Volks!, sagt ein Politiker. Inkompetent!, ein anderer. Sogar der Ministerpräsident schaltet sich ein: „Wer von polnischen Todeslagern spricht, der spricht, als habe es keine Nazis gegeben, keine deutsche Verantwortung.“

Zwei befreundete Nationen streiten sich − nur weil der Präsident ein Hauptwort in ein Eigenschaftswort verwandelte.

„Journalist – kein Beruf für Harmoniesüchtige“

Geschrieben am 13. Juni 2012 von Paul-Josef Raue.
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Muss ein Journalist beliebt sein? Nicht unbedingt bei den Leuten, über die er schreibt; bei diesen müsse ein Journalist besonders skeptisch sein, mein Stefan Niggemeier in einer Kolumne „Das muss jetzt sein“ für das Magazin „jetzt“ der Süddeutschen Zeitung (Juni 2012).

Das Magazin stellt Niggemeier (42) wohl zu Recht als Deutschlands einflussreichsten Medienjournalisten vor – „weil er sogar über Hefte, in denen er selbst schreibt, immer ehrlich seine Meinung sagt“. Niggemeier schreibt:

Ich bin Journalist. Das sollte kein Beruf für Harmoniesüchtige sein…Wer schreibt, was alle lesen wollen, schreibt womöglich nicht das, was alle lesen sollten.

Jeder muss einen eigenen inneren Kompass finden, der ihm zeigt, was richtig und was falsch ist, was gut ist und was nicht. Der zu erwartende Beifall sollte dabei nicht die entscheidende Rolle spielen.

Das ist leicht gesagt, aber so einfach ist es natürlich nicht. Wir alle sind soziale Wesen. Wir suchen und genießen die Bestätigung. Wir wollen geliebt werden – und sei es nur dafür, dass es uns scheinbar egal ist, ob wir geliebt werden wollen.

Am Ende sei alles eine Frage der Haltung.

(zu: Handbuch-Kapitel 4 „Was solche Journalisten können sollten“)

Das perfekte Interview: Provozierend? Oder respektvoll?

Geschrieben am 11. Juni 2012 von Paul-Josef Raue.
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Wie respektvoll muss ein Journalist mit seinen Gesprächspartnern umgehen? Waldemar Hartmann, der zur EM „Waldis Club“ aus Leipzig moderiert, sagt in einem Interview mit der Zeitschrift GQ:

Mit Aggression jedoch erreicht man wenig. Im Studio erst recht nicht. Wer sich da vor die Kamera setzt, heißt nicht umsonst Studiogast – er ist nicht vorübergehend festgenommen.

Bei den jungen Sportjournalisten vermisst er bisweilen den Respekt:

Es gibt zugegebenermaßen Kollegen, die Widerspruch geradezu herausfordern. Unter Sportreportern herrscht besonders große Schmerzfreiheit. Ich bedauere das und versuche, das jungen Kollegen auch immer zu sagen, aber das aktuelle Geschäft lässt sie nicht zuhören. Bei denen bin ich immer nur der Weichspüler.

(zu: Handbuch-Kapitel 26 „Das Interview“)

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