Freier Journalist – wie eine Fahrt auf der Achterbahn

Geschrieben am 31. Mai 2012 von Paul-Josef Raue.
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Der Entschluss, die Laufbahn einer freien Fotografin einzuschlagen, entpuppte sich als Fahrt mit der Achterbahn. Jäh wechselten bemerkenswerte Erfolge mit Enttäuschungen, beglückende Augenblicke mit Phasen tiefer Niedergeschlagenheit. Die materiellen Probleme der allein erziehenden Mutter von zwei Töchtern verschlimmerte die prekäre Lage noch.

Klaus Honnef über die Fotografin Diane Arbus in der Kritik ihres Buchs „Offenbarungen“, Literarische Welt vom 26. Mai 2012

(zu: Handbuch-Kapitel 60 „Der freie Journalist“)

Wie schreibe ich eine milde Kritik?

Geschrieben am 30. Mai 2012 von Paul-Josef Raue.
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Der Kritiker schätzt Donna Leon, die Krimi-Autorin, aber ihm gefällt der neue Krimi nicht. Er verreißt ihn nicht, er verplaudert ihn.

Er verweist auf das Alter der Autorin, bald 70; auf die Jahreszeit, in der der Roman spielt: Herbst, der Winter des Lebens steht vor der Tür; auf die Gattin von Kommissar Brunetti, die sich eingehend mit der „Lichtmetaphorik im Spätwerk von Henry James“ beschäftigt. „Brunettis Fall ist entsprechend“, schreibt der Kritiker, milde und klar.

Noch milder, noch klarer der Satz: „Und nach und nach findet sich der Krimi, wohlgeordnet wie die Wohnung einer alleinlebenden, älteren Dame: Alles ist an seinem Platz.“

Fast, nur fast kippt am Ende die Milde des Kritikers, offenbar ist das Buch allzu langweilig: „Doch es geht langsam voran in ,Reiches Erbe‘ – fast so, als wär’s ein Spätwerk von Henry James.“

(Kritik von „wfr“ in Literarische Welt vom 26. Mai 2012)

(zu: Handbuch-Kapitel 37 „Der Kommentar“)

„Es gibt keine wichtigere Institution als die Lokalzeitung“

Geschrieben am 29. Mai 2012 von Paul-Josef Raue.

Zwei Meldungen zur Zukunft der Zeitung aus einer Woche:

1. Im US-Bundesstaat Louisiana erscheint die „Times-Picayune“ ab Herbst nicht mehr täglich, sondern nur am Mittwoch, Freitag und Sonntag. Zwar wird der Online-Auftritt verstärkt, doch wird es Entlassungen geben. Die Times-Picayune, gegründet 1837, erschien schon einmal nur als Online-Ausgabe, als drei Tage lang der Hurrikan Katrina einen Druck der Zeitung in New Orleans unmöglich machte. Vor sechs Jahre hatte die Zeitung den Pulitzer-Preis gewonnen.

2.
Warren Buffett hat 63 Regional- und Lokalzeitungen in den USA gekauft. Er gilt als der drittreichste Mann der Welt und als einer der erfolgreichsten, weil wenig auf riskante Geschäfte setzende Investor. So dürfte es wohl mehr als nostalgische Jugenderinnerung sein, die den Milliardär zum Kauf veranlasste: Als Junge war er Zeitungsbote des Omaha World-Herald.

Zitiert wird Buffett mit dieser Erklärung:

In Orten, in denen noch starker Gemeinsinn herrscht, gibt es keine wichtigere Institution als die Lokalzeitung. Die von uns erworbenen Zeitungen erscheinen in solchen Orten. Wir freuen uns darüber, dass sie bei uns ein dauerhaftes Zuhause gefunden haben.

(Quellen: dpa 25. und FAZ 22. Mai 2012)

„Herr Schirrmacher, worüber regen Sie sich auf?“

Geschrieben am 29. Mai 2012 von Paul-Josef Raue.
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Es gehört zum Plan eines Interviews, dass der Interviewer fragt und der Gast antwortet. Ein FAZ-Herausgeber wechselt die Seiten, wird gefragt, worüber er sich aufrege – und antwortet mit einer Frage: „Das ist die erste Frage? Überraschend.“

Überraschend ist: Eine Frage als Antwort. Der Journalist, der sonst die Fragen stellt, kommt aus seiner Rolle nicht heraus. Er akzeptiert den Seitenwechsel nicht: Katrin Göring-Eckhardt, Grüne und Bundestags-Vizepräsidentin, stellt im Zeit-Interview die Fragen, zwei Journalisten antworten (neben Schirrmacher der Zeit-Chefredakteur di Lorenzo).

Zudem: Die Antwort bleibt auch in der autorisierten Fassung stehen. Es ist kaum anzunehmen, dass die Politikerin die vorläufige Druckfassung des Interviews geschrieben hat; da wird ein Redakteur geschrieben und der Chefredakteur die Regie geführt haben.

Und: Was meint Katrin Göring-Eckardt, wenn sie auf Schirrmachers Frage hin feststellt: „Das war der Plan.“ War so die Absprache? Und selbst wenn es so ist: Warum steht es so in der autorisierten Fassung? Und warum wird das Spiel dem Leser nicht näher erklärt?

Aber: Trotz (oder gerade wegen) des überraschenden Einstiegs lohnt die Lektüre des drei Seiten langen Interviews „Am Medienpranger“ (Die aktuelle Zeit 15 vom 24. Mai 2012, Dossier).

(zu: Handbuch-Kapitel 26 „Das Interview“)

Das öffentliche Urteil: Erst scharf, dann milde

Geschrieben am 28. Mai 2012 von Paul-Josef Raue.

Heute, wo so viel mehr als früher transparent und öffentlich ist, vergisst man schnell; die Gesellschaft der scharfen Verurteilung ist zugleich eine milde Gesellschaft.

Thomas Schmid, Ex-Welt-Chefredakteur, nach einem Gespräch mit Norbert Röttgen, der „so tief gestürzt wie kaum einer zuvor“.

(zu: Handbuch-Kapitel 3 „Warum die Gesellschaft bessere Journalisten braucht“)

Wie schreibe ich eine gute Geschichte? (Zitat der Woche)

Geschrieben am 28. Mai 2012 von Paul-Josef Raue.
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„Reduzieren Sie Ihre gut recherchierte Geschichte auf weniger Personen und weniger Schauplätze, trennen Sie sich davon, dass die Geschichte ein ausgeschriebener Recherche-Nachweis ist – dann wird sie eine richtig gute Geschichte.“

(Hans Ulrich Kempski – zitiert vom neuen Cicero-Chefredakteur Christoph Schwennicke auf die Frage „Welcher berufliche Rat hat Ihnen besonders geholfen?“, Medium-Magazin-Fragebogen, 4-5/2012, Seite 74)

(zu: Handbuch-Kapitel 33 „Wie man eine Reportage schreibt“)

Wie kritisch sind wir gegen Google und Web-Monopolisten?

Geschrieben am 27. Mai 2012 von Paul-Josef Raue.

Volontäre sollen bloggern, twittern, googeln – und den Bürgermeister kritisieren, wenn er sich nicht an die Regeln hält. Aber lehren wir auch intensiv, kritisch gegenüber Google und Facebook zu sein? Und zu recherchieren, wie mächtig sie sind und wie wenig sie Regeln beachten? Und lehren wir, Bloggern zu mißtrauen?

Der EU-Kommissarin Neelie Kroes fiel bei der „Re:publica“-Konferenz, Anfang Mai in Berlin, auf: Die Politik muss handeln, um Google und andere Monopolisten in die Schranken zu weisen – so eine oft zu hörende Forderung. Dieselben Kritiker streicheln derweil ihren „iPad“, googeln und hinterlassen ihre Spuren bei Facebook. (nach FAZ vom 5. Mai)

Dieser Text ist auf dem I-Pad geschrieben und wird auf Facebook veröffentlicht.

(zu: Handbuch-Kapitel 5 und 7 „Die Internet-Revolution“ + 58 „Die Ausbildung zum Redakteur“)

Leseranwälte und Ombudsleute vereinigt Euch!

Geschrieben am 25. Mai 2012 von Paul-Josef Raue.
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Noch ein Verein? Die Vereinigung der Medien-Ombudsleute? Nein, kein Verein, sondern der lose Zusammenschluss von knapp zehn Ombudsleuten bei deutschen Tageszeitungen, die Klagen von Lesern über die Redaktion aufgreifen.

Anton Sahlender, der  Leseranwalt der Mainpost (Würzburg), rief im Februar erstmals die Ombudsleute zusammen; am Montag (21. Mai 2012) hatte sie der Deutsche Presserat nach Berlin eingeladen.

Zu Recht wies Lutz Tillmanns, Geschäftsführer des Presserats, auf den ungeklärten Status der Ombudsleute hin: Welchen Status haben sie überhaupt in ihren Redaktionen? Welche Sanktionen können sie verhängen?

Anton Sahlender, auch stellvertretender Chefredakteur der Mainpost, nutzt eine Kolumne, die einmal in der Woche erscheint – also die Macht der Wörter als schärfste Waffe. Schon einige hundert Kolumnen sind erscheint, viele davon stehen im Netz.

Einige seiner Themen:

  • Zitate von Nazi-Größen sind in kritischer Auseinandersetzung mit der Geschichte gerechtfertigt
  • Ich empfehle, das Amt eines Bürgermeisters so zu würdigen, als wollten Sie es selbst übernehmen
  • Wenn Schreibfehler Zweifel an der Seriosität des Journalismus aufkommen lassen

In seiner Kolumne nach dem ersten Ombudsleute-Treffen schrieb Anton Sahlender unter anderem:

Die Medien-Selbstkontrolle ist zur Wahrung der Unabhängigkeit notwendig. Die ginge verloren, würden etwa staatliche Stellen Medien kontrollieren. Um ihrer Freiheit willen drängt es sich auf, dass die Kontrolle aus Verlagen und Medienhäusern selbst kommt. Eine bessere Alternative ist nicht sichtbar.

Folglich gibt es als Beschwerdestelle für Leser von Printmedien den Deutschen Presserat, getragen von den Bundesverbänden der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger, dazu von den Journalistenverbänden.

Aber es existiert eine weitere, weltweit verbreitete Selbstkontrolle. Es sind fast 100 Presse-Ombudsleute einzelner Medien. Zu ihnen zähle auch ich in meiner Rolle als Leseranwalt. Viele Jahre war ich bundesweit der Einzige. Aber in den letzten Jahren habe ich Kolleginnen und Kollegen in anderen Medienhäusern bekommen – gegenwärtig noch acht.

Sie sind Anwälte der Leserschaft, damit auch der Pressefreiheit. Sie achten auf Einhaltung gesetzlicher und berufsethischer Standards. Sie fördern die Diskussion über Leistungen und Fehlleistungen in den Redaktionen und machen diese den Lesern transparent, ebenso wie Grundlagen journalistischer Arbeit.

Studien aus den USA zeigen, dass sich Ombudsleute positiv auf Glaubwürdigkeit und Qualität der Zeitung auswirken. Oder – so schrieb Brent Cunningham vom Columbia Journalism Review – „sie helfen, die Presse für Durchschnittsleser zu demystifizieren“.

Anton Sahlender bekam 2006 den 2. Preis beim Deutschen-Lokaljournalistenpreis mit der Begründung:

Der Leseranwalt erhebt nicht den Anspruch, die letzte Instanz zu sein. Er ist Anwalt und kein Richter. Er vertritt die Interessen der Leser gegen die Redaktion, er ist Anwalt seiner Kollegen, wenn sie zu Unrecht kritisiert werden. Er erklärt und gibt Einblicke in die Werkstätten journalistischen Arbeitens. Der Leseranwalt ist ein ehrlicher Makler zwischen Lesern und Redaktion.

Lutz Tillmanns sieht keine Konkurrenz zwischen Presserat und Ombudsleuten, eher  Gemeinsamkeiten: Achtung ethischer Regeln und Forderung nach journalistischer Qualität. Tillmanns weiter: „Sollte die Arbeit von Ombudsleuten zu weniger Beschwerden beim Presserat führen, würde das mittelfristig sogar zu einer kostenrelevanten Reduzierung des Aufwandes beim Presserat führen.“

(zu: Handbuch-Kapitel   48-50 „Presserecht und Ethik“ und Kapitel 41  „Das Foto“ (Ombudsmann der Sacramento Bee, Seite 248f.)

 

Politiker im Bann ihrer Deutschlehrerinnen (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 22. Mai 2012 von Paul-Josef Raue.
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Warum sagt eine Ministerpräsidentin: „Es gibt viel zu tun in diesem Land?“, fragt ein Leser. Warum überhaupt sprechen unsere Politiker von „diesem Land“?

Dem Leser platzt der Kragen, wenn er’s liest. „Ich kann diese unsinnige Umschreibung von meinem Vaterland nicht mehr hören. Ich lebe in Deutschland und will, dass dieses wunderbare Land beim Namen genannt wird.“

Recht hat er – auch wenn er zu hart mit unseren Politikern ins Gericht geht. Viele Politiker haben schwache Redenschreiber – und können einfach ihre Deutschlehrerin nicht vergessen.

Schrieben sie, jung und demütig, zweimal „Deutschland“ im Klassen-Aufsatz, nahm die Lehrerin den roten Stift und verhängte einen Ausdrucks-Fehler; im Wiederholungsfall rutschte sogar die Note in den Keller. Wer so erzogen ist: „Wechsle den Ausdruck!“, dem geht „Deutschland“  nur noch einmal über die Lippen.

Erfunden hat „dieses Land“ Ex-Kanzler Kohl, der sich im Überschwang der nationalen Gefühle bisweilen zu „in diesem unseren Land“ aufschwang. In der letzten Sitzung des Bundestags in Bonn sprach er lang, sprach oft von „unserem Land“, aber auch zwei Dutzend Mal von „Deutschland“.

Warum er auf das dritte Dutzend „Deutschland“ verzichtet hat? Das Stirnrunzeln seiner Deutschlehrerin vergisst auch ein Kanzler nicht; und so suchte er verzweifelt nach „sinnverwandten Wörtern“.

Plagen heute immer noch die Deutschlehrerinnen ihre Schüler mit „Wechsle den Ausdruck!“?

 

„Niederlagen stählen nur, wenn es nicht zu viele werden“

Geschrieben am 20. Mai 2012 von Paul-Josef Raue.
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Der Satz liest sich wie ein Kommentar zum ewigen  Zweiten, zu Bayern München. Er ist aber von Willy Brandt, dem Namensgeber des neuen Berliner Flughafens. Die Berliner Zeitung hatte zu dem Debakel der um Monate verschobenen Eröffnung einige Zitate von Willy Brandt gesammelt:

Willy Brandt erklärt die Welt:

Wer nur vier oder fünf  Flaschen Wein im Keller hat, hat relativ wenig, wer aber vier  oder  fünf Flaschen im Kabinett hat, hat relativ viel.

Niederlagen stählen, aber nur, wenn es nicht zu viele werden.

Man kann nie so kompliziert denken,  wie es plötzlich kommt.

Berliner Zeitung, 12. Mai 2012

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