Wir vermitteln nur schlecht, wie die Wirtschaft funktioniert

Geschrieben am 9. Juli 2012 von Paul-Josef Raue.
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„Der Stellenwert der Wirtschafts-Berichterstattung wird sich weiter erhöhen“ – das ist das Ergebnis einer Umfrage des Ernst-Schneider-Preises unter 76 Chefredakteuren und Wirtschafts-Journalisten. Drei Viertel sagt, nicht gerade überraschend in der Finanzkrise: Wirtschaftliche Themen werden für die Gesellschaft wichtiger werden.

Ebenfalls drei Viertel meint selbstkritisch: Wir tun nicht genug, um Lesern, Hörern und Zuschauern wirtschaftliche Zusammenhänge zu vermitteln. Welche Konsequenzen Chefredakteure daraus ziehen, ist nicht übermittelt. (Quelle: Medienbrief der Industrie- und Handelskammern)

(zu: Handbuch-Kapitel 47 „Newsdesk und Ressorts“ + 57 „Wie können Zeitungen überleben“)

„Wenn einer nicht mehr motiviert ist, wird er hier nicht mehr glücklich“ (Zitat der Woche)

Geschrieben am 8. Juli 2012 von Paul-Josef Raue.
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Was können Führungskräfte in Redaktionen von anderen Kreativen lernen – etwa von Profi-Fußballern? Wie motiviert ein erfolgreicher Fußball-Trainer seine Spieler? Jürgen Klopp, Trainer von Meister Dortmund, sagt:

Motivation und Begeisterung sind bei mir extrem ausgeprägt. Das kann ich aufs Team übertragen. Sollten wir einen finden, den ich nicht mehr motivieren kann – der wäre hier auch nicht mehr so glücklich.

Das heißt: Erstens zählt die Selbst-Motivation! Zweitens die des Trainers – die aber mit einer Drohung verbunden ist: Ich stecke Euch mit meiner Motivation an! Könnt Ihr Euch nicht selber motivieren, sucht am besten einen neuen Verein!

Quelle: Bildzeitung vom 7. Juli, Interview von Christian Kynast mit Jürgen Klopp

(zu: Handbuch-Kapitel 4 „Was Journalisten können sollten“)

Endlich! Die Süddeutsche „in dezent anderem Gewand“

Geschrieben am 7. Juli 2012 von Paul-Josef Raue.

Ohne Pauken, ohne Trompeten kündigt die Süddeutsche an, am Montag das Blatt aufzuräumen: Neue Schrift, weniger Staub, leichtere Orientierung. Die Bilder sollen nicht größer werden, die Texte nicht kürzer, wenn sie nur gut sind.

So schreibt Kurt Kister, der Chefredakteur, am heutigen Samstag auf der Titelseite: „Schrift-Wechsel. Von Montag an erscheint die SZ in dezent anderem Gewand“. Nichts Konkretes ist zu lesen, dennoch sind die 75 Zeilen Relaunch-Ankündigung ein Muster für alle, die ihren Lesern (und Redakteuren) die Furcht vor der Veränderung nehmen wollen:

1. Nichts andern! Denn – „Zeitung ist auch Gewöhnung und Ordnung“. Und, nächste Warnstufe: „Eine Veränderung des Erscheinungsbildes ist riskant, denn für viele Leser gibt es nichts Schlimmeres als das Gefühl, die Zeitung sei nicht mehr das, was sie früher war.“

2. Doch ein bisschen ändern! Ein bisschen modern! Denn „manchmal muss man Altbewährtes auch behutsam verändern, es den Zeitläuften anpassen und hie und da modernisieren.“ Man lese genau: Um aufs Moderne hinzuweisen, wird die Sprache ganz alt: „Altbewährtes“ (als wenn es Neubewährtes gibt), „Zeitläufte“ (damit ja keiner dem „Zeitgeist“ verfällt), „hie und da“.

3. Aha! Wir müssen ändern, damit uns die Leser nicht weglaufen! Denn – „eine Tageszeitung, die sich nicht verändert, bleibt stehen.“ Und übrigens haben wir uns „ohnehin immer wieder in kleinen Schritten verändert“. Nur – wie bei allen Zeitungen – machen solche planlosen Veränderungen die Ordnung selten besser, aber den Leser verwirrter und das Chaos chaotischer. Ein paar Zeilen weiter ist der Chefredakteur auch ehrlicher: Wir müssen aufräumen.

4. Wir treiben es aber nicht so wild wie andere Zeitungen! Denn – „manche Kollegen in anderen Zeitungen haben mit gewaltigen Relaunches ihre Leser mehr verschreckt als animiert.“ Ein Schelm, wer an die Frankfurter Rundschau denkt, die – wohl im Kontrast zur SZ – kein „ordentliches Blatt“ ist.

Wen nur meint Kurt Kister, wenn er schreibt: „Es gibt einen bestimmten neuen Typ eher kleinformatiger, etwas bunter Blätter mit nicht ganz so langen Texten, die bei Zeitungsdesignern beliebt sind, von vielen Lesern allerdings weniger geschätzt werden“?

Und wer legt bei der SZ die Designerhand an?

5. Wir haben den Designer-Jargon auch drauf, selbst wenn wir ein ordentliches Blatt sind! Die neue Schrift („evolutionär“!) ist „moderner, vielfältiger verwendbar und gefälliger“. Das sagt wenig, klingt aber gut.

„Mehr am Montag“, so schließt der Chefredakteur. Mehr am Montag.

(zu: Handbuch-Kapitel 40 „Das Layout“)

Wer kürt noch den Redakteur des Monats?

Geschrieben am 3. Juli 2012 von Paul-Josef Raue.

Die für ihre Exklusivmeldungen bekannte Neue Osnabrücker Zeitung fördert mit einem verlagsinternen Wettbewerb die journalistische Qualität. Monatlich kürt das Blatt Mitarbeiter, die bemerkenswerte Beiträge ins Blatt gebracht haben. Die Gewinner erhalten eine Prämie. (aus dem Medienbrief der Industrie- und Handelskammern)

Als ich vor gut zwei Jahrzehnten in Alaska bei den Anchorage Daily News hospitierte, standen auf den Schreibtischen Kaffeebecher mit Widmungen wie „Beste Bildzeile Juli 1987“ oder „Bestredigierte Nachricht November 1986“. Wenn ich mich recht erinnere: Diese Auszeichnung hatte nur zu Beginn die Chefredaktion verliehen, danach rückten die Ausgezeichneten für einige Zeit in die Jury auf (Last-in-First-out).

Das hatte zwei Vorteile: Die Redaktion verlieh selber die Auszeichnungen, und die Jury-Mitglieder durften sich nicht gegenseitig ehren, so dass nicht immer dieselben Redakteure auf der Ehrenliste standen (die am Schwarzen Brett zu lesen war).

Die Auszeichnung gab es abwechselnd für die beste Reportage, Recherche, das beste Interview – also für wechselnde Genres.

Wo gibt es Auszeichnungen innerhalb der Redaktion? Wer plant solches?

(zu: Handbuch-Kapitel 46-47 „Die Redaktion“)

Mehr zur Anchorage Daily News im Handbuch-Kapitel 17 „Die eigene Recherche“

Die weibliche Form des „Arschlochs“ (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 1. Juli 2012 von Paul-Josef Raue.
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Wie gehen wir mit den Frauen um? Sprachlich, wohlgemerkt.

Eine Leserin aus dem thüringischen Schloßvippach findet es übertrieben, wenn von „Leserinnen und Lesern“ geschrieben wird, von „Bürgerinnen und Bürgern“, „von Patientinnen und Patienten“. Und sie vermutet: „Damit soll wohl das weibliche Geschlecht nicht diskriminiert werden!?“

Nicht jede und jeder bekennt sich als Feministin oder Anhänger der Feministen, der in einer Anrede beide Geschlechter begrüßt – Frauen und Männer. Dies ist eine Frage der mitteleuropäischen Höflichkeit.

Wer unentwegt beide Formen nutzt, gar das große „I“ wie bei „LeserInnen“ schreibt, der gibt unsere Sprache der Lächerlichkeit preis. So berichtete der „Spiegel“ vor 25 Jahren über einen Prozess in München mit dem einleitenden Satz: „Auch Feministinnen neigen zu „hinterfotzigen Kampfmethoden“.

Angeklagt war die 56-jährige Hannelore Mabry, Chefin der Zeitschrift „Der Feminist“. Sie hatte, so die Anklage, auf einer Gewerkschafts-Tagung „DGB-Huren“ einfach „Arschlöcher“ genannt.

Der Amtsrichter, der mit Nachnamen auch noch Anke hieß, fragte die Angeklagte: „Finden Sie es richtig, andere Frauen als Arschlöcher zu bezeichnen?“

Die Kämpferin für die Rechte der Frauen entgegnete: „Erstens mache ich keinen Unterschied zwischen Frauen und Männern; zweitens muss in manchen Fällen etwas im Interesse der Öffentlichkeit deutlich gesagt werden; und drittens habe ich nicht Arschlöcher, sondern Arschlöcherinnen gesagt.“

Recht hat sie, zumindest in den beiden ersten Punkten: Die Sprache macht keinen Unterschied zwischen Frauen und Männern (und kennt beispielsweise nur den Sündenbock und keine Sündenziege); und deutlich muss unsere Sprache sein und immer und überall verständlich.

Vielleicht hat deshalb Richter Anke das Verfahren gegen die Kämpferin eingestellt – wegen Geringfügigkeit. Aber dies hat unsere Sprache nun nicht verdient.

„Journosophen“ (Wortschöpfung der Woche)

Geschrieben am 29. Juni 2012 von Paul-Josef Raue.
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„Wir sprechen von uns gerne als Journosophen“, sagt der 39-jährige Wolfram Eilenberger, der Chefredakteur des November 2011 gegründeten „Philosophie Magazin“. Die Zeitschrift erscheint im französischen Verlag Philo Editions, 2006 gegründet von dem Investmentbanker Fabrice Gerschel; dort erscheint auch die französische Ausgabe, das Philosophie Magazine.

Knapp 30.000 sind jeweils von den ersten Ausgaben verkauft worden. Eilenberger begründet, warum es Sinn macht, ein Philosophie-Magazin herauszubringen:

Die westliche Lebensform ist in einer tiefen Krise. Das ist eine Konstellation, in der es um mehr geht als um die Frage, welchen Pullover ich mir kaufe oder anziehe.

(Quelle: Süddeutsche Zeitung, Medienseite, vom 28. Juni 2012 „Saison der Journosophen“ von Claudia Tieschky)

Hinweis: Erfolgreich im Hörfunk ist Jürgen Wiebickes „Philosophisches Radio“, jeden Freitag um 20.05 Uhr in WDR 5 – eines der am meisten heruntergeladenen Podcast-Angebote. Im „Handbuch“ verweisen wir auf diese Sendung auf Seite 40 im Kapitel „Podcast – Fürs Hören schreiben“:

Wer sie (Features usw.) im aktuellen Programm verpasst hat, kann sie im Internet aufrufen wie beispielsweise Jürgen Wiebickes „Philosophisches Radio“ von WDR 5, das so seine Hörerzahl fast verdoppelt.

(zu: Handbuch-Kapitel 36 „Der Zeitschriftenjournalismus“ + 8 „Podcast“)

Geschichten erzählen! So lernen wir viel besser

Geschrieben am 28. Juni 2012 von Paul-Josef Raue.
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Wir lernen ja viel besser durch Geschichten als durch Argumente… Schließlich bin ich Journalist. Das Konkrete liegt mir eher als das Abstrakte.

David Brooks über sein Buch „Das soziale Tier“ in einem Interview der FAS (24. Juni 2012). In dem Buch beschreibt der Redakteur der New-York-Times, was Wissenschaftler über den Menschen herausgefunden haben. Statt Theorien zu erklären erzählt er in dem Buch die Geschichte von Harold und Erica: „Es geht um die Macht und die Wichtigkeit von Emotionen. Man braucht Figuren, in deren Geschichten sich diese Macht widerspiegelt.“

(zu: Handbuch-Kapitel 32-33: Reportage)

Lukas Kircher beklagt „Defätismus“ im Journalismus

Geschrieben am 27. Juni 2012 von Paul-Josef Raue.
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Lukas Kircher, Deutschlands meist gefragter Zeitungsgestalter, wundert sich über die „Selbstzerfleischung im Journalismus“ und folgert daraus:

Journalisten fehlt ein Feind, der sie zu Höchstleistungen antreibt. Ich wünsche den Journalisten einen guten Feind.

Beim Horizont-Zeitungsgipfel in Wiesbaden stellte Lukas Kircher das Design der Zukunft vor, das er zu drei Viertel für Tablets entwickelt. Bei den Zeitungen entdeckt er eher Stagnation:

Die neuen Designs für Zeitungen erinnern mich mehr an die 100.000-Kilometer-Wartung für ein Auto als an die Entwicklung für ein neues Auto.

(zu: Handbuch-Kapitel 40 „Das Layout“ + „Welche Zukunft hat der Journalismus“ (Schlusskapitel Seite 341ff))

Der Lokalredakteur wird zum Community-Manager

Geschrieben am 26. Juni 2012 von Paul-Josef Raue.

Kein Online-Portal spielt seine Kosten ein; die Werbe-Erlöse werden auch kurzfristig nicht ausreichen; die Gratis-Strategie ist eine Sackgasse; Bezahlmodelle sind ohne Alternative.

Das ist das Ergebnis einer Schickler-Umfrage unter 80 deutschen Regionalzeitungs-Verlagen, die Rolf-Dieter Lafrenz am Dienstag (26. Juni 2012) beim Zeitungs-Gipfel von Horizont vorgestellt hat. Wenn Regionalzeitungen ihren lokalen Inhalt auch online verkaufen wollen, wird es laut Lafrenz nicht ausreichen, nach dem Andruck die Artikel ins Netz zu stellen.

Das Lokale wird noch lange einzigartig bleiben, so Lafrenz, der Inhalt des Mantels ist online nicht zu verkaufen. Aber die Organisation der meisten Lokalredaktion passt nicht: Zuerst müssten die digitalen Kanäle bestückt werden, erst dann wird am Ende des Tages die gedruckte Zeitung gemacht. Der Lokalredakteur wird, so Lafrenz, vom „Printredakteur zum Community-Manager“, der sich mit Lesern und Bloggern verbindet.

Lafrenz: „Ein Teil der Redakteure wird das nicht schaffen. Da steht noch viel Veränderung in den Lokalredaktionen an.“

(zu: Handbuch-Kapitel 55 „Der neue Lokaljournalismus“ + 5 „Die Internet-Revolution)

Was dürfen Journalisten aus Facebook entnehmen?

Geschrieben am 25. Juni 2012 von Paul-Josef Raue.

In der zweiten Auflage des Buchs „Journalistenrecht“ haben Frank Fechner und Axel Wössner drei Fragen ausführlich beantwortet:

  • „Entnahme von Informationen und Fotos aus sozialen Plattformen wie facebook“ (Seite 43)
  • „Kinderbeschäftigung in den Medien“ (Seite 128)
  • Die aktuelle BGH Entscheidung zur Unterscheidung zwischen der Wort- und Bildberichterstattung (in: „Prominente im Urlaub“,   Seite 88).

Auf Anregung von Absolventen der Henri-Nannenschule sind die wichtigsten Rechtsvorschriften für Journalisten abgedruckt.

In der neuesten Auflage unseres Handbuch des Journalismus haben wir das Buch der beiden Professoren nicht nur ins Literaturverzeichnis  (Seite 351), sondern auch im Kapitel „Presserecht“ ein Beispiel aufgenommen:  Darf eine Zeitung das Foto eines bekannten Schauspielers zeigen, wie er – da im offenen Strafvollzug – kurz nach Haftantritt das Gefängnis verlässt und in ein Auto steigt?

 

(zu: Handbuch-Kapitel 50 „Presserecht“ + Service A „Literatur / Presserecht)

 

 

Journalisten-Handbuch.de ist ein Marktplatz für journalistische Profis. Wir debattieren über "Das neue Handbuch des Journalismus", kritisieren, korrigieren und ergänzen die einzelnen Kapitel, Thesen und Regeln, regen Neues an, bringen gute und schlechte Beispiele und berichten aus der Praxis.

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