Merkel und ihre Unbestimmtheit: Die stellt Journalisten doch zufrieden

Geschrieben am 15. September 2013 von Paul-Josef Raue.

Von wem hat Angela Merkel das Nicht-Genau-Festlegen gelernt? Das Abwartende? Das Unbestimmte? Von Hans-Dietrich Genscher und den Journalisten: Genscher mochte das Unbestimmte, und die Journalisten mochten Genscher.

Auf der Feier zum 80. Geburtstag von Genscher sprach Merkel diesen Satz, für sie seltsam verschwurbelt:

Die aus meiner Sicht doch in seinen Äußerungen vorhandene Unbestimmtheit über den Gegenstand, den er beschrieb, und die gleichzeitige Zufriedenheit der Journalisten, die hat bei mir, ehrlich gesagt, auf meinem politischen Lernweg eine nachhaltige Wirkung entfaltet.

Merkel hatte sich, so erzählt sie, diese Technik von Genscher bei einer Moskau-Reise abgeschaut; damals war sie stellvertretende Regierungssprecherin.

Michael Hanfeld hat sich Stephan Lambys Film „Das Duell Merkel gegen Steinbrück“ vorab angeschaut und daraus in seiner Rezension zitiert; der Film läuft am Montag um 22.45 Uhr im Ersten. Hanfeld lobt den Film: Er zeige die beiden Kandidaten klarer als in dem TV-Duell mit vier Journalisten als „Wichtigtuer“.

Quelle: FAZ 14.9.13

Wie Christian Nienhaus einen guten Chefredakteur definiert: Klar, direkt, oft ruppig – aber immer nah bei den Menschen

Geschrieben am 14. September 2013 von Paul-Josef Raue.

Wie muss ein guter Chefredakteur sein? Christian Nienhaus, Geschäftsführer der Funke-Mediengruppe, definiert ihn so:

Ein guter Chefredakteur

> hat einen Hang zur Kompromisslosigkeit, gerade auch bei der Wahrheitssuche, und zur Unnachgiebigkeit;

> ist ein führendes Mitglied des „Clubs der offenen Aussprache“: Klar, direkt, sicherlich oft auch ruppig. Aber zielgerichtet und letztlich auch fair;

> hat kein Interesse an Hierarchien: Viel wichtiger ist für ihn das „Machen“, das Gestalten und Bewegen;

> ist ein politischer Journalist: Nicht nur Realität abbilden, sondern auch Realität mitgestalten! Nicht nur berichten über Regierungen und Parteien, über Wirtschaft und Gesellschaft – nein, Entscheidungen und Entwicklungen mitprägen, mitgestalten;

> macht Meinung und mischt sich in den „Meinungskampf“ ein;

> weiß sehr genau um seine Meinungsmacht als Publizist;

> kümmert sich nicht um die Parteien-Zugehörigkeit: Entscheidend ist ausschließlich die Frage, ob der Politiker im Sinne der Kommune oder des Landes gute Politik macht;

> bringt Aktionen auf den Weg ;

> macht seine Zeitung zum selbstbewusstesten, ja wichtigsten Sprachrohr der freiheitlich-demokratischen Grundordnung;

> ist nah bei den Menschen, den wirklichen, nicht den postulierten: Das ist ein wichtiger Faktor für erfolgreichen Lokal- und Regionaljournalismus;

> ist ein Lokalpatriot, er identifiziert sich mit seiner Region;

> entwickelt seine Zeitung weiter;

> gibt dem Regionaljournalismus eine Zukunft, wenn er sich einmischt im Sinne des regionalen Gemeinwohls.

Diese Tugenden eines Chefredakteurs zählte Christian Nienhaus auf in seiner Festrede auf Hans Hoffmeister, den scheidenden Chefredakteur der Thüringischen Landeszeitung, den er als Vorbild pries.

Nienhaus vergass aber nicht zwei Zusätze; der erste:

„Das sind Eigenschaften, die vielleicht das tägliche Miteinander nicht unbedingt einfach und bequem machen. Es sind aber Eigenschaften, die einen guten Journalisten auszeichnen.“

Der zweite: „Es muss nicht immer alles so kantig und eckig sein, vielleicht auch nicht immer so polarisierend.“

Doch gehöre es zum verlegerischen Verständnis der Mediengruppe: „Der Chefredakteur ist frei in der Gestaltung der Inhalte und kann sich unabhängig von Interessengruppen um journalistische Qualität kümmern.

Am Ende ist nur entscheidend, ob es den Lesern gefalle. „Denn auch hier gilt das Credo erfolgreicher Verleger: Wenn man predigen will, muss man dafür sorgen, dass die Kirche voll ist.“

Sollen Journalisten in der Zeitung ihr Gesicht zeigen?

Geschrieben am 13. September 2013 von Paul-Josef Raue.

Die Debatte entzweit Redaktionen: Dürfen Journalisten, auch im Lokalen, bei Kommentaren ihr Porträt-Foto zeigen? Journalisten, die lange Debatten lieben, debattieren darüber mit Inbrunst, als gehe es um die Zukunft der Zeitung.

Wir spielen uns in den Vordergrund!, ist das am meisten erwähnte Argument. Wir sind nicht wichtig, es geht um die Sache, die Meinung, nicht um mich!, lautet ein ähnliches Argument. Die Leser wollen das nicht!, ist das beliebteste Hilfs-Argument, das allerdings von keiner Leserbefragung gedeckt wird.

Anton Sahlender, Leseranwalt der Mainpost (Würzburg), hält in seiner wöchentlichen Kolumne ein Plädoyer: „Mit ihren Autoren können Tageszeitungen mehr Gesicht zeigen“:

In einer Zeit, in der Absender von Botschaften in Internet-Netzwerken sich weltweit profilieren, sollten Zeitungen in lokaler Nähe mehr Gesicht zeigen – nicht alleine in Bildern zu Kommentaren oder persönlich gehaltenen Kolumnen. Einige im TV oft präsente Moderatoren genießen fast Kultstatus. Zeitungen bieten dagegen mit gesetzlich vorgeschriebenen Impressen leblose Verzeichnisse von Namen und Aufgaben.

Mit persönlichen Anmerkungen sollten aber nur stilistisch markante Artikel oder solche mit aufwendigen Recherchen verlängert werden. Geeignet erscheinen mir auch Themen, zu denen die Autorin oder der Autor einen besonderen Bezug haben, aber auch solche, bei denen sie Neuland betreten. Sie können besondere Beweggründe nennen, etwa für eine ungewöhnliche Form, in der das Thema dargestellt ist.

Manche Autoren sind sogar Teil ihres Themas. Das müssen Leser ohnehin erfahren. Sie sollten aber nicht ständig denselben Lebenslauf eines Autors geboten bekommen. Es sind Sätze, die vom Beitrag zum Autor führen, die den Inhalt weiter erschließen können.

Journalismus-Lehrer fordern vor dem Hintergrund der komplett veränderten Medienlandschaft längst mehr Transparenz für Tageszeitungsredaktionen. Über ihre Autoren können sie wiedererkennbarer und damit unverwechselbarer werden.

Gesicht zeigen ist zudem Teil einer guten Kommunikation. Inhalte bekommen eine persönliche Note, wenn neben den Quellen gleichermaßen die Autoren besser erkennbar werden. Es erhöht Glaubwürdigkeit und zeigt Streben nach Objektivität, wenn auch Subjektivität bei Journalisten offen sichtbar gemacht wird.

Der Dialog wird gefördert. Es ist leichter, einen Redakteur anzusprechen oder anzuschreiben, der zuvor selbst etwas von sich preisgegeben hat. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Der Autor solle nie wichtiger werden als der Inhalt. Journalistischen Starkult brauchen wir nicht. – Was denken Sie?

Anlass für Sahlenders Ansprache an seine Leser war ein flott geschriebener Vorschau-Text auf das Bundesliga-Derby zwischen Bayern München und dem 1. FC Nürnberg, unter dem der Autor mit Bild zu sehen war.

Meistgeklickt: Der neue dpa-Chefredakteur und ein Oberbürgermeister, der mit einem Chefredakteur abrechnet

Geschrieben am 11. September 2013 von Paul-Josef Raue.
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Wegen des Urlaubs erst heute die Liste der meistgelesenen Blogs in der zweiten September-Woche:

1. Erste Wahl: Was auf den neuen dpa-Chefredakteur zukommt

Glückwünsche für Sven Goesmann: Einen besseren hätte dpa nicht finden können. Und ein Blick in die Zukunft: Was der neue leisten muss.

2. Ich bin eines Ihrer Opfer! – Wie Weimars Oberbürgermeister einen Chefredakteur verabschiedet

Zur großen Abschiedsfeier für den TLZ-Chefredakteur Hans Hoffmeister kam auch der Weimarer Oberbürgermeister, der in seiner Rede noch eine Rechnung zu begleichen hatte. Ein herrliche Gratwanderung zwischen Lob und Tadel, Achtung und Verachtung.

3. Schauen Sie nicht nur auf die Sonntagsfrage: Das große Schönenborn-Interview zu Wahlen und Umfragen

Jörg Schönenborn ist das TV-Gesicht am Wahlabend. Er spricht über Sinn und Unsinn von Umfragen, von Untiefen und falschen Zeiten.

4. Wer hat das längste Wort im Wahlprogramm? Mehr als 42 Buchstaben

Selbst der Duden kennt nicht so lange Wörter, wie sie die Grünen in ihr Wahlprogramm schrieben. Aber auch die anderen mögen Wortungetüme.

5. Der 1. Band der „Bibliothek des Journalismus“: Hans Hoffmeister – Harmonie ist mir suspekt

Noch einmal Hans Hoffmeister: Der Chefredakteur der Thüringischen Landeszeitung blickt zurück auf fast ein Vierteljahrhundert an der Spitze, auf die Wende und seine eigenes und eigensinniges Verständnis von Journalismus.

Liquiditätsanforderungen – Wortungetüme in Wahlprogrammen (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 8. September 2013 von Paul-Josef Raue.
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Die Parteiprogramme sind schwer verständlich, zum Teil unverständlich – so urteilen die Forscher der Universität Hohenheim. Ging es in der vergangenen Kolumne um Wortungetüme bis zu 47 Zeichen, stehen heute die Fremd- und Fachwörter am Pranger.

Die CDU mag Anglizismen wie „Sharing Economy“, aber auch schwer verständliche Fachwörter wie „Reservekapazitäten“. Fachleute mögen die Wörter verstehen, aber der normale Wähler kapituliert – und weigert sich, im Programm weiterzulesen.

Die FDP plagt ihre Wähler mir „Liquiditätsanforderungen“ und „Evaluation“.

Die SPD jagt sie in die „Deindustrialisierung“, den „Ressourcenverbrauch“ und die „Innovationstätigkeit“.

Die Grünen mögen auch den „Ressourcenverbrauch“ wie der gewünschte Koalitionspartner, aber bieten auch den „Wohlstandsindikator“ und „Klientelinteressen“ an.

Die Linke setzt aufs „Profiling“, die „Substitionstherapie“ und „Private-Equity-Gesellschaften“.

Die Piraten treiben es am heftigsten und umarmen englische Wörter, als hätten all ihre Wähler mindestens ein paar Semester in Oxford verbracht: „Fissile Material Cutoff Treaty“, „Comprehensive Test Ban Treaty“ und kurz, aber unverständlich: „Plenen“.

Die Parteien haben sich viel Arbeit gemacht, aber sie erreichen ihre Wähler mit solchen Wörtern nicht. Warum nur, warum beherzigen sie nicht, was die CDU in einem „Leitfaden für gute Sprache im Wahlkampf“ ihren Kandidaten auf den Weg gibt: „Sprechen Sie einfach, bildhaft, emotional.“ Na bitte!

Thüringer Allgemeine, Friedhof der Wörter für den 9. September

Wann wird ein Gesicht gepixelt? (Frage eines Lesers)

Geschrieben am 7. September 2013 von Paul-Josef Raue.

Warum werden Straftäter, auch wenn sie eindeutig gesucht werden und entlarvt sind, in Videos und Fotos oft verpixelt dargestellt?

Ein Leser fragt, in der Samstag-Kolumne antwortet der TA-Chefredakteur:

Solange ein Bürger nur angeklagt und nicht verurteilt ist, gilt die Vermutung der Unschuld. Also dürfen weder Polizei noch Zeitungen die Gesichter zeigen, es sei denn die Angeklagten sind öffentlich bekannte Persönlichkeiten wie beispielsweise der ehemalige Bundespräsident Wulff, der sich bald vor Gericht verantworten muss.

Wäre Wulff ein einfacher, kaum bekannter Bürger, käme sein Bild nicht in die Zeitung – bei einem relativ geringen Vorwurf wie der Vorteilsnahme.

Wer nur für kurze Zeit ins Gefängnis geht, hat auch ein Recht, dass sein Gesicht nicht öffentlich gezeigt wird: Hat er seine Strafe abgesessen, soll er ein normales Leben führen dürfen. Kennen viele Menschen sein Gesicht, wirkt ein Foto wie ein lebenslanger Pranger und eine lebenslange Strafe.

Sucht die Polizei einen mutmaßlichen Gewaltverbrecher, der auf der Flucht ist, gibt sie zur Fahndung ein Foto heraus, das auch von unserer Zeitung gedruckt wird ohne eine Verfremdung des Gesichts.

Unproblematisch ist dies nicht: Im Internet wird dies Foto für alle Zeiten sichtbar sein, auch wenn sich die Unschuld herausstellen sollte.

Dankbar bin ich Ihnen für diese Zeilen am Ende Ihres Briefs:

Die TA schreibt meinen Namen unter meinen Leserbrief, weil ich mit meinem Namen auch zu dem stehe, was ich sage. Das aber beweist meine Naivität. Schlaue Kommentatoren schreiben nämlich unter Pseudonym oder verfassen böse Briefe mit falschem Namen. Leider ist in solchen Fällen eine ehrliche mutige Diskussion nicht möglich.

Ich versichere Ihnen: Sie sind nicht naiv, Sie beweisen im Gegenteil Zivilcourage! Wer sich in die öffentliche Diskussion einmischt, sollte sein Gesicht zeigen – von wenigen Ausnahmen abgesehen, wenn sich ein Leser sorgt um Leib und Leben.

Auch wenn uns ein Leser informiert über Machenschaften, beispielsweise in einer Behörde, dann garantieren wir ihm Anonymität – auch gegenüber Staatsanwalt und Polizei.

Leser, die unter falschem Namen schreiben, sind nicht schlau, vielmehr betrügen sie die anderen Leser unserer Zeitung. Doch kommt dieser Betrug nur sehr selten vor, weil wir in der Regel die Identität prüfen.
Dass Leser mir ihrem guten Namen für ihre Meinung einstehen, ist der große Vorzug der Zeitung vor dem Internet. Dort wird zu oft beleidigt, beschimpft, besudelt – von Menschen, die sich hinter einem Pseudonym verstecken. Ich stelle mir eine Demokratie anders vor, eben so wie wir in der Zeitung miteinander umgehen und diskutieren.

Thüringer Allgemeine, Kolumne „Leser fragen“, 7. September

Erste Wahl! Was auf den neuen dpa-Chefredakteur zukommt

Geschrieben am 3. September 2013 von Paul-Josef Raue.

So prominent war der Chefredakteur der dpa noch nie besetzt: Sven Gösmann führt mit der Rheinischen Post eine der größten Regionalzeitungen Deutschlands, die – im Vergleich zu anderen – wenig Auflage verliert: Wir dürfen ihn einen sehr erfolgreichen Chefredakteur nennen.

Er weiß genau, wie wichtig ein Lokalteil ist; er weiß genau, wie man die Ausgaben zuschneiden muss, um die Bedürfnisse der Leser zu befriedigen; er weiß genau, wie man in einem großen Verbreitungsgebiet die Wünsche der Städter wie in Düsseldorf und der Kleinstädter und Dörfler wie am Niederrhein unter einen Mantel bringt. Gösmann hat ein Gespür für Themen, gerade auch für regionale Themen, wie kaum ein anderer in Deutschland. Man kann die Idee für einen Aufmacher mindestens ein, zwei Mal in der Woche von ihm borgen.

Man spürt seine Sozialisation bei Bild, wo er Diekmanns Stellvertreter in der Chefredaktion war (der immer noch voll des Lobes ist, wenn er von Gösmann spricht). Man spürt auch seine Lehr- und ersten Herrenjahre im Lokalen und Regionalen bei der Braunschweiger Zeitung.

Fast bin ich geneigt zu sagen: Der Mann ist zu schade für dpa, wo er sein Themengespür nicht mehr voll entfalten kann. Aber er weiß mit Wünschen von Lesern umzugehen: Gut eine Million in Düsseldorf, rund zehn Millionen bei Bild und bald ein paar tausend Redakteure, die täglich in die News bei dpa schauen.

Gösmann hat selber erlebt, was es bedeutet, bei einer großen Zeitung ohne dpa-Texte und Bilder auskommen zu müssen. Er weiß also, wie er seine Kunden bedienen muss. Sein Vorgänger hat die Agentur, die zum Beamtenhaften neigt, heftig durchgeschüttelt und neu organisiert, was ihm nicht nur Freunde eingebracht hat; die Kämpfe, die Büchner beim Spiegel erleidet, kennt er schon von dpa – allerdings ohne die öffentliche Begleitung und Häme der schreibenden Kollegen.

Büchner, nach dem Vorbild von Spiegel Online, schuf „dpa News“, eine grandiose Hilfe für jeden Desk. Er war der große Organisator, da muss Gösmann nicht mehr viel anpacken. Er wird Ideen entwickeln müssen auf einem Gebiet, auf dem Büchner wenig Erfahrung hatte: Das Lokale und Regionale.

Was kann eine Agentur diesen Zeitungen – auch fürs Online-Geschäft – anbieten? Die ersten Versuche mit der „Drehscheibe“ sind dürftig und weitgehend unbeachtet. Die Landesdienste könnte eine Neuausrichtung gebrauchen – nur wohin?

Ich freue mich jedenfalls auf den neuen Chefredakteur, der sicher auch die eine oder andere Geschäftsidee für die Agentur hat jenseits des Mediengeschäfts, das ja zunehmend schrumpft.

Zunächst einmal: Herzlichen Glückwunsch, Sven Gösmann. Der Aufsichtsrat hat die beste Entscheidung getroffen.

Diekmann erfindet ein neues Wort: „Dünnsinn“ – und wundert sich, was so in „unseren Blättern“ steht

Geschrieben am 2. September 2013 von Paul-Josef Raue.

Auch in unseren Blättern steht mitunter eine Menge Dünnsinn…

twittert der Bild-Chef. @KaiDiekmann zum ersten: Er erfindet ein neues Wort – „Dünnsinn“. Erfunden hat er es für Kai-Hinrich Renner, der in der Welt raunt:

„Wenn irgendwann in ferner Zukunft die Mediengeschichte der Bundesrepublik Deutschland geschrieben werden sollte“, dann könnten die beiden letzten Augustwochen 2013 „das Vorspiel zu einer existenzbedrohenden Krise des Spiegel sein.

Kai Diekmann zum zweiten: So viel Selbstkritik, zumal ins Nachbarhaus, ist selten. Angefügt hat Diekmann nicht den Kurzlink des Artikels aus der Welt, er macht kurzen Prozeß und schießt mit seinem Smartphone einen Schnappschuss, auf dem der Artikel-Anfang zu lesen ist und deutlich der Name des Autors.

Meistgeklickt: Leseranwalt, Spiegel, Tyrock und Hoffmeister (34. Woche)

Geschrieben am 2. September 2013 von Paul-Josef Raue.
Kommentare deaktiviert für Meistgeklickt: Leseranwalt, Spiegel, Tyrock und Hoffmeister (34. Woche) / Geschrieben am 2. September 2013 von Paul-Josef Raue in Aktuelles.

Seit Wochen steht der Geburtstagsgruß für Andreas unter den ersten drei der meiner meistgeklickten Blogs. Das ist die Rangliste für die letzte Augustwoche:

1. „Kundenanwalt“ verboten: Was wird aus dem „Leseranwalt“

2. Einer der großen deutschen Chefredakteure: Andreas Tyrock zum 50.

3. Machtspiele oder: Wovon Spiegel-Redakteure träumen

4. Die @Spiegel-Zeitungsdebatte: Ohne gute Lokalzeitungen droht Schaden für die Demokratie – Was tun?

5. Der 1. Band der „Bibliothek des Journalismus“: Hans Hoffmeister – Harmonie ist mir suspekt

Ich bin eines Ihrer Opfer! – Wie Weimars Oberbürgermeister einen Chefredakteur verabschiedet

Geschrieben am 1. September 2013 von Paul-Josef Raue.

Beim Abschied keine tadelnden, gar bösen Worte? Weimars Oberbürgermeister begann seine Rede für den scheidenden TLZ-Chefredakteur Hans Hoffmeister so:

Fast ganz Thüringen ist hier heute zu Ihrem Abschied versammelt – ich vermisse nur eine Gruppe: Ihre Opfer – deshalb fühle ich mich hier heute auch ein wenig einsam.

Stefan Wolf, SPD, wurde 2006 zum Oberbürgermeister Weimar gewählt und 2012 in einer Stichwahl wiedergewählt; Hans Hoffmeister war 22 Jahre Chefredakteur der Thüringischen Landeszeitung, in Wolfs Worten „leidenschaftlich, cholerisch, erzählfreudig“ und oft Wolfs härtester Kritiker.

Der Oberbürgermeister lobte und tadelte in seiner Rede. Er lobte das gemeinsame leidenschaftliche Engagement gegen den Rechtsextremismus und manche Unterstützung etwa bei der Öffnung der Kulturstadt für die klassische Moderne, für das Bauhaus und die Weimarer Republik.

Der Oberbürgermeister erinnert an die „Theaterkämpfe“ – was für ein Wort! – und vor allem an den vierten:

Manche dieser Kämpfe schienen mir damals und scheinen mir auch heute noch in ihrer Vehemenz überzogen gewesen zu sein. In Ihrem vierten Theaterkampf stand ja nicht zuletzt ich in Ihrem Visier. Das waren Medien-Erfahrungen, die ich auch meinen politischen Gegnern nicht unbedingt wünsche. Vor allem aber hätte ich sie meinen Mitarbeitern damals gern erspart.

Mussten diese Verletzungen sein? Erst kürzlich hat das Bundesverfassungsgericht bestätigt: Ja, das muss so sein. Politiker, Verwaltungsmitarbeiter stehen als Inhaber der staatlichen Machtfülle in der Pflicht, sich ein dickes Fell anzulegen und auch unfaire öffentliche Kritik, persönliche Verletzungen zu ertragen.

Dann widmet sich der Oberbürgermeister den journalistischen Regeln:

Kampagnenjournalismus, lieber Hans Hoffmeister, ist nicht jedermanns Sache, denn er kann auch (sehr faustisch) Gutes wollen und Böses bewirken. Eine Zeitung soll und muss eine Meinung haben, deshalb gibt’s neben dem Bericht z.B. den Leitartikel (ein leider verschwindender Klassiker des Journalismus) oder den Kommentar.

Hans Hoffmeisters Schreibe kennt aber auch seine Mischformen ganz gut und weiß, wie man sie richtig platziert. Erst letztes Wochenende haben Sie noch einmal gezeigt, dass Sie – wenn’s um eine pointierte Meinungsäußerung geht – weder Freunde noch Verwandte kennen, von Bekannten, Politikern oder Kulturschaffenden ganz zu schweigen.

Dieses Kampfblatt TLZ wurde geliebt und geschmäht, und es war und ist ohne die Instanz des Chefredakteurs Hans Hoffmeister nicht wirklich vorstellbar…

Sie haben stets (oder doch fast immer?) geglaubt, was Sie geschrieben haben. Das hat nicht jedem gefallen, doch wenn es Gegenwind gab, z.B. aus der Politik, war Ihnen das – ich zitiere: „scheißegal“, wenn nicht gar das Salz in der Suppe. Das ehrt Sie außerordentlich! Sie haben kämpferisch, emotional, mit Herzblut geschrieben. Manchmal skurril, immer engagiert. Sie haben es sich und uns nicht einfach gemacht.

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