Alle Artikel mit dem Schlagwort " Demokratie"

Offshore-Leaks: Journalisten treiben Europas Finanzminister

Geschrieben am 14. April 2013 von Paul-Josef Raue.

Ohne die Steueroasen-Recherchen und -Enthüllungen der Süddeutschen hätten sich die Finanzminister in Brüssel nicht auf eine Initiative gegen Steuerflucht geeinigt. An diesem Wochenende ist durch den Druck der Offshore-Leaks in Europa mehr bewegt worden als in den Jahren zuvor.

Das beweist dreierlei:

1. Wichtiger als alle Online-Print-Debatten, wer die Schönste sei im Land, ist die Qualität des Journalismus, ob lokal, national oder weltweit.
2. Tiefe und unabhängige Recherche macht die Qualität des Journalismus aus. Sicher müssen Medien auch Orientierung geben und die Welt verständlich machen, aber dies ist ohne Recherche von geringerem Wert.
3. Demokratie gelingt nur durch freien Journalismus, der seine Quellen schützen darf und dabei auch vor und von dem Staat geschützt wird, und der aufwändige Recherchen finanzieren kann.

Dies ist mein Leitartikel, geplant für die Thüringer Allgemeine (15. April 2013)

Endlich wollen Europas Finanzminister, fast geschlossen, Steuerflüchtlinge jagen, also Millionäre, die ihr Geld in Oasen verstecken – ohne an die Gesellschaft zu denken, in der sie leben und von der sie leben.

Milliarden Euros werden gar nicht versteuert. Deutschland und anderen Ländern können so Geld, das den Bürger zusteht, weder in Bildung oder Entschuldung stecken noch zum Stopfen der Schlaglöcher in den Straßen.

Die Finanzminister, voran Wolfgang Schäuble, zeigten sich am Wochenende entschlossen, um jeden Steuer-Euro zu kämpfen; nur Österreichs Finanzministerin kämpft noch für das Schwarzgeld, das ihr Land reicht macht.

Warum erwachen die Minister? Sind Steueroasen nicht lange bekannt? Schüttelt die Finanzkrise Europa nicht seit Jahren?

Es sind Journalisten, die sie treiben. Sie haben detailliert aufgespürt, wer seine Millionen versteckt. Journalisten sind über zwei Millionen Dateien zugespielt worden. Da Journalisten ihre Informanten nicht preisgeben, bekommt Wolfgang Schäuble die Dateien nicht – und muss selber Initiative entwickeln.

Wer einen Beweis braucht, wie notwendig und nützlich freier Journalismus ist, der schaue nach Brüssel, wenn sich die Finanzminister treffen.

31 Millionen Euro gegen die Vertwitterung des Journalismus

Geschrieben am 9. März 2013 von Paul-Josef Raue.

Schlechte Nachrichten für alle, die den Untergang der Zeitungen und die Vertwitterung des Journalismus in naher Zukunft erwarten. Am Donnerstag weihte die Braunschweiger Zeitung eine neue Zeitungsdruckerei ein, in die die Funke-Mediengruppe 31 Millionen Euro investiert hat.

Der Braunschweiger Geschäftsführer Harald Wahls stellte die modernste Zeitungsdruckerei denn auch mit leichter Ironie vor: „Wir schauen optimistischer in die Zukunft, als die allgemeine Nachrichtenlage über Zeitungen suggeriert.“ Zur Eröffnung waren denn auch alle gekommen, die wichtig sind in Braunschweig, Wolfsburg und Niedersachsen – ob Oberbürgermeister, Chef der VW-Autostadt, Verleger, Politiker und Unternehmer.

Stephan Weil, der neue Ministerpräsident, kam nach Braunschweig, wenige Tage nachdem er seinen Amtseid abgelegt hatte. Er sprach kurz, frei, und er lobte die Regionalzeitung als das am meisten vertrauenswürdige Medium. Von seiner Erziehung durch die Zeitung erzählte er: Das Lesen hat er im Sportteil der Zeitung gelernt, so wie auch seine Kinder das Lesen gelernt haben. „Ich wünsche mir, dass auch ein Enkelkind mit Hilfe des Sportteils einer Zeitung das Lesen lernen wird.“

Es waren gestandene Männer aus dem analogen Zeitalter, die das Lob der Zeitung sangen, also Menschen, die sich einen Morgen ohne das Knittern von Papier nicht vorstellen können – für die eine Zeitung mehr als die Aufnahme von Information zwecks Speicherung im Hippocampus unseres Gehirns. „Die gedruckte Zeitung ist etwas Emotionales im Vergleich zum Laptop, auf dem wir das E-Paper lesen“, sagte der Braunschweiger Oberbürgermeister Gert Hoffmann, der in der digitalen Welt auch den Verfall von Sprachkultur beklagt.

Für Christian Nienhaus, Geschäftsführer der Funke-Mediengruppe, ist Zeitung Entschleunigung. Angenommen, so sein Gedankenexperiment, statt Gutenbergs Erfindung wären wir vom Papyrus gleich zum Computer übergegangen: Wären Papier und Zeitung dann nicht eine moderne Innovation? Zudem seien nicht nur Banken systemrelevant, sondern auch Zeitungen – relevant für unser System Demokratie.

In einem Interview mit der Braunschweiger Zeitung hatte Nienhaus hingewiesen, dass die Herstellung der Zeitung in der neuen Druckerei ein vollständig digitaler Prozess sei, an dessen Ende ein anologes Produkt stehe.

Das journalistische Grundgesetz des Respekts: Zehn Regeln (Respekt und Nähe, Teil 2)

Geschrieben am 21. Februar 2013 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 21. Februar 2013 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Lokaljournalismus, Presserecht & Ethik.

Der kategorische Imperativ im Lokalen lautet: Respektiere Deine Leser! Das bedeutet nicht, jedem nach dem Munde zu reden. Die Maxime, die Luther nachgesagt wird, ist gut auf den Respekt zu übertragen: Schau dem Volk aufs Maul, aber rede ihm nicht nach dem Mund!

Das ist ein Auszug aus meinem Beitrag in einem Dossier der Bundeszentrale für politische Bildung über Lokaljournalismus und Verantwortung. Es ist gerade ins Netz gestellt worden: „Respekt und Nähe“.

Hier der zweite Teil meines Beitrag in der vollständigen Fassung, geschrieben im Februar 2012; Teil 1 befasste sich mit der Berichterstattung zum Amoklauf in Erfurt vor zehn Jahren.

Die Leser der lokalen Zeitung verlangen nach Nähe, gerade weil ihnen die Globalisierung ungeheuer ist und diffuse Ängste auslöst. Die Welt ist für die meisten unbegreiflich.

Die Nähe schließt ein, dass Lokalredakteure über die Menschen, ihre Nachbarn, berichten. Das gelingt nur mit Respekt. Wer mit seinen Lesern lange und ernsthaft spricht, wird diesen Wunsch, ja diese Forderung immer wieder hören: Behandelt uns mit Respekt!

Dieser Respekt beginnt schon beim Machen der Zeitung:
• Die Leser wollen keine verspielten Überschriften, sondern verständliche – um schnell entscheiden zu können, ob sie einen Artikel lesen wollen oder nicht. Führt sie eine Überschrift in die Irre, protestieren sie: Die Redakteure nehmen uns nicht ernst!

• Die Leser wollen eine verlässliche Ordnung in der Zeitung, um sich morgens leicht orientieren zu können. Irren sie durch die Zeitung, protestieren sie: Wir stehen eine halbe Stunde früher auf, um vor der Arbeit die Zeitung zu lesen – und nicht um in der Zeitung mühsam zu suchen, was für uns wichtig ist!

• Die Leser wollen ihren Platz in der Zeitung einnehmen, buchstäblich. Sie fordern unmissverständlich: Lasst uns mitreden! Gebt uns Raum genug, um uns artikulieren zu können – auch wenn es denen oben nicht gefällt!

Noch genauer als „Nähe“ kennzeichnet „Respekt“ die ethische Haltung
eines Lokalredakteurs. Der kategorische Imperativ im Lokalen lautet: Respektiere Deine Leser! Das bedeutet nicht, jedem nach dem Munde zu reden. Die Maxime, die Luther nachgesagt wird, ist gut auf den Respekt zu übertragen: Schau dem Volk aufs Maul, aber rede ihm nicht nach dem Mund!

So ist dieser Entwurf eines Grundgesetzes des Respekts zu verstehen, zu debattieren in den Lokalredaktionen und in allen Leserzirkeln:

1. Respektiere unsere Verfassung, die verlangt: Schreibt alles unverzüglich, glaubwürdig und unbeeinflusst, was die Bürger in einer Demokratie brauchen, um mitwirken zu können.

2. Respektiere unsere Demokratie, deren Fundament die Kontrolle der Macht und der Mächtigen bildet. Fürchte nicht den Unmut der Mächtigen, wenn sie in ihrem Tun genau beobachtet werden; weiche nicht zurück vor ihrem Zorn, wenn sie ertappt werden; meide aber auch die Umarmung und zu große Nähe, die verführen und korrumpieren kann. Warte nicht darauf, dass die Nachrichten kommen, sondern grabe tief nach den Nachrichten, vor allem denen, die nie das Licht der Öffentlichkeit erblicken sollen.

3. Respektiere aber auch die Integrität der Mächtigen, die – wie jeder andere – Anspruch auf Fairness haben, also gründliche Recherche, das Recht zur Stellungnahme, Unterscheidung von Nachricht und Meinung sowie Achtung vor ihrem Privatleben.

4. Respektiere die professionellen Regeln – also Achtung vor der Wahrheit, Wahrung der Menschenwürde und wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit -, so wie sie im Pressekodex formuliert sind und vom Presserat kontrolliert werden.

5. Respektiere die Leser mit ihrem Anspruch, verständlich und umfassend informiert zu werden.

6. Respektiere den Wunsch der Leser, in ihrem Staat mitreden und mitwirken zu wollen. Ermutige die Bürger dazu – das ist das Gute, das jeder Journalist tun sollte. Räume den Lesern ausreichend Raum für ihre Meinungen, Anregungen und Kritik ein; verhindere keine Debatten, sondern rege sie an.

7. Respektiere den Wunsch der Leser, auch die Medien und die Redakteure kritisieren und kontrollieren zu wollen. Sei nicht der Oberlehrer, sondern der Partner und Treuhänder der Leser.

8. Respektiere die Gefühle der Leser, wenn Trauer und Leid über sie kommt. Respektiere ihre Weigerung, mit Journalisten zu sprechen und ihr Gesicht zu zeigen. Zerre nichts in die Öffentlichkeit, was ihr Leid, auch verschuldetes, noch leidvoller macht.

9. Respektiere die Ahnungslosigkeit von unerfahrenen Lesern, die oft weder die Wirkung ihrer Zitate noch die Tragweite ihres Handelns richtig einschätzen können.

10. Respektiere nicht nur die Leidenschaft der Menschen für ihre Heimat, sondern teile sie mit ihnen. Pflege eine kritische Nähe, die den Lesern zeigt: Es ist gut, hier zu leben, aber wir kritisieren, damit es noch besser wird.

 

(zu: Handbuch-Kapitel 55 Der neue Lokaljournalismus + 48-49 Ethik + 53 Was die Leser wollen)

Kein Grund für linksintellektuelle Schwermut: Das Zeitungssterben fällt aus

Geschrieben am 24. November 2012 von Paul-Josef Raue.
1 Kommentar / Geschrieben am 24. November 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Lokaljournalismus.

„Die allermeisten Verlage stehen grundsolide da“, schreibt Chefredakteur Armin Maus im Samstags-Essay der Braunschweiger Zeitung über die Insolvenz der Frankfurter Rundschau und das Ende der Financial Times Deutschland. Wie stark Zeitungen seien, werde verschwiegen, weil es schlecht ins Untergangsszenario passe. Stattdessen könne man viel Unfug vom „Zeitungssterben“ lesen.

Selbst eine gut gemeinte Titelgeschichte in der Zeit, in der viel Kluges über Qualität und Verantwortung zu lesen ist, war überschrieben: „Wie guter Journalismus überleben kann“. Diese Schlagzeile transportiert ein Bild, das in seiner pathetischen Schwarzfärbung vom Hang des linksliberalen Intellektuellen zur Schwermut zeugt.

Maus kritisiert Medienwissenschaftler, Experten und Politiker und bescheinigt ihnen ein Niveau zwischen Nostradamus und Radio Eriwan, wenn sie aus unterschiedlichen Geschichten die eine vom Zeitungssterben bastelten:

  • Medienwissenschaftler, hochgebildete Intellektuelle, sprechen über eine Realität, die sie mangels praktischer Erfahrung nur aus zweiter Hand kennen.
  • Experten, deren Geschäftsmodell auf der These beruht, die Verlage machen ohne sie alles falsch, rezensieren vom Turme herab.
  • Politiker, die die These vertreten, Tageszeitungen seien „ja nicht mehr so wichtig“.

Armin Maus stellt die Erfolge der Tageszeitungen heraus, die zu den wichtigen Faktoren des öffentlichen Lebens gehöre:

  • Nirgendwo sonst in Europa gibt es eine vergleichbare Vielfalt. Deutschland spiegelt sich in seinen Regional-Zeitungen.
  • 47 Millionen Menschen lesen in Deutschland täglich Zeitung.
  •  Leser schätzen die Unabhängigkeit der Redaktionen. Die Staatsferne, die der öffentlich-rechtliche Rundfunk für sich reklamiert, ist bei den Zeitungen Realität.
  • Die Tageszeitung genießt bei den Bundesbürgern höchstes Vertrauen, liegt weit vor der „Tagesschau“.
  • Das Vertrauen gilt auch für junge Leute, die sich in beachtlicher Zahl weigern, „keine Zeitung mehr zu lesen“, obwohl es allenthalben von ihnen behauptet wird.
  • Die Zahl der Leser, die ein Abonnement bezahlt, ist leicht rückläufig. Nimmt man allerdings die Reichweiten der Internetangebote der Verlage dazu, sieht das Bild schon anders aus. Denn auch Leser, die keine Papierzeitung wünschen, schätzen die Informationen, die ihnen eine unabhängige Redaktion anbietet.
  • Als Werbeträger haben die Zeitungen unbestreitbar an Boden verloren. Aber es gibt zum ersten Mal eine intensive Zusammenarbeit der wichtigsten Verlage, die die Schaltung bundesweiter Kampagnen erleichtert.
  • Zeitungshäuser – Springer allen voran – sind auf dem Weg zum Multimedia-Anbieter.

(zu: Handbuch-Kapitel „Welche Zukunft hat der Journalismus“ + 53-57  Die Zukunft der Zeitung)

Ude (2): Die hohe Kunst des Lokaljournalismus

Geschrieben am 19. November 2012 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 19. November 2012 von Paul-Josef Raue in Lokaljournalismus, Presserecht & Ethik, Recherche.

Wenn Münchens Oberbürgermeister verstehen will, was seine Verwaltung schreibt, schaut er in den Lokalteil der Zeitungen: „Ich verstehe viele Vorlagen nicht. Aber seriösen Zeitungen gelingt es, den wesentlichen Inhalt zu vermitteln.“ Das eine, die Leistung der Lokaljournalisten, sei eine Kunst; das andere, die Verwaltungssprache, ein Milieu-Schaden.

So sprach Christian Ude bei der Lokaljournalismus-Konferenz des Netzwerk Recherche in München (9. November 2012). Daraus abzuleiten ist die Forderung an die Lokaljournalisten: Übersetze die Verwaltungssprache in ein verständliches Deutsch, damit es nicht nur der Oberbürgermeister verstehen kann, sondern jeder Bürger deiner Stadt!

Eine weitere Kunst, die Lokaljournalisten beherrschen, lobte Ude: Aus einer neunstündigen Sitzung das Wesentliche zu destillieren. „Wir profitieren davon!“ – und meinte mit „wir“ die Politiker. Auch daraus kann man eine Forderung formulieren.

Eine dritte Kunst hob Ude hervor: „Als Korrespondent in Südamerika ist es völlig wurscht, was sie schreiben, im Lokaljournalismus muss jede Zahl und jeder Vorname stimmen, zumindest bei einem Stadtrat. Die öffentliche und soziale Kontrolle ist nirgends so enorm wie im Lokaljournalismus.“ Daraus folgert Ude: „Das hohe Selbstwertgefühl der Lokaljournalisten ist durchaus berechtigt.“

So lassen sich die Ude-Regeln der Lokaljournalisten-Kunst formulieren:

1. Schreibe so, dass dich jeder versteht, sogar der Oberbürgermeister!
2. Hole das Wesentliche aus jeder langen Sitzung, aus jeder Versammlung heraus!
3. Recherchiere sorgfältig, weil dich jeder kontrollieren kann!

Eine vierte Regel fügte er an: Kontrolliere die Mächtigen! Sei Wächter der Demokratie! Diese Regel formulierte Ude als Kompliment: „Man muss Lokaljournalisten fürchten!“

Die Wächterfunktion sei notwendig, denn – so Ude – „alle Menschen jeglicher Couleur neigen zum Machtmissbrauch, wenn sie nicht von außerhalb kontrolliert werden.“ Zu schreiben, was verschwiegen werden soll, sei die vornehme Aufgabe der Lokaljournalisten.

Wie er selber einmal in seiner Jugend wenig sorgfältig, aber dennoch erfolgreich gewesen war, erzählte er vor hundert Gästen im Restaurant der Süddeutschen Zeitung:

Ich habe eine Musikkritik in der SZ geschrieben, ohne dabei gewesen zu sein. Ich hatte keine Lust, bin ins Textarchiv gegangen, habe mir eine entsprechende Kritik von Joachim Kaiser angesehen, die besten Passagen abgeschrieben – und mir stattdessen einen unvergesslichen Abend im Biergarten gegönnt.

Der Konzertverein hat sich bedankt: „Der Kritiker hat mit viel Herzblut geschrieben.“ Die Plattenfirma hat meine Kritik aufs nächste Plattencover gesetzt.

Die Macht des Lokaljournalisten erlebte Ude bei den großen Studenten-Demonstrationen 1968, bei denen die Schätzungen der Teilnehmer zwischen Polizei und Zeitung immer stark differierten – bis eines Tages der Polizeichef auf Ude zukam und ihn fragte: „Wären Sie mir 3000 einverstanden?“

Der Lokaljournalismus ist für Ude kein Sprungbrett nach oben, er ist schlicht der folgenreichste Journalismus, der Ernstfall, wo es auf jedes Wort ankommt. „Nirgendwo ist die publizistische Wirkung so erfolgreich.“

Ude plädierte für Seriosität und Hintergründigkeit gerade im Lokaljournalismus: „Ich wundere mich, wie viele Journalisten sich auf den Wettlauf um Aktualität einlassen, statt auf Qualität und Ausführlichkeit zu setzen. Der recherchierende Journalist wird immer wichtiger – und deswegen sage ich es auch in Anwesenheit der Geschäftsführung.“

(zu: Handbuch-Kapitel 48-49 Presserecht und Ethik + 55 Der neue Lokaljournalismus + 3 Warum die Gesellschaft bessere Journalisten braucht)

„Die Gesellschaft ist angewiesen auf reichhaltige Presse“

Geschrieben am 18. November 2012 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 18. November 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles.

Die Bundesrepublik wurde auch erbaut auf den herrlichen Bleiwüsten ihrer großen und leidenschaftlichen Debatten, aus dem Zusammenwirken von politischem Journalismus, kultureller Reflexion und akademischer Brillanz…

Länder mit miserabler Presse sind schlechter regiert und haben mehr extremistische Parteien, da helfen schlaue Blogs bisher wenig…

Diese Gesellschaft ist viel zu komplex, viel zu angewiesen auf Analyse und Kritik, um auf eine reichhaltige Presse verzichten zu können.

Gustav Seibt „Wo die Demokratie lebt“, Leitartikel in der Süddeutschen zur Insolvenz der Frankfurter Rundschau (17.11.2012)

(zu: Handbuch-Kapitel Welche Zukunft hat der Journalismus (Seite 341))

Ude (1): Kein Berufsstand so mimosenhaft wie Journalisten

Geschrieben am 11. November 2012 von Paul-Josef Raue.
1 Kommentar / Geschrieben am 11. November 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Lokaljournalismus.

Schon die Bemerkung, dass eine Jahreszahl in der Zeitung verwechselt wurde, gilt als ein Anschlag auf die Pressefreiheit. Kein Berufsstand ist so mimosenhaft wie der der Journalisten – obwohl es doch ihr Beruf ist zu kritisieren. Das Phänomen habe ich nicht ergründen können.“

Christian Ude, Münchens Oberbürgermeister, in seiner Rede beim Lokaljournalismus-Kongress des Netzwerk Recherche.

Kritik ist das Lebenselixier der Demokratie, sagen Journalisten zu Recht. Warum sind sie dann so mimosenhaft? Politiker teilen auch aus und stecken ein und gehen nachher ein Bier trinken. Das wünsche ich mir auch von Journalisten.

Politiker werden gewählt, um in Talkshows aufzutreten (Zitat der Woche)

Geschrieben am 31. Oktober 2012 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 31. Oktober 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles.

Staatsrechtler sind der Ansicht, dass in unserer Demokratie die Abgeordneten ausschließlich gewählt worden seien, um Reden zu halten, in Talkshows aufzutreten und Lobbyarbeit zu leisten. Wenn sie nebenher noch im Bundestag auftreten wollten, dürfe das auf keinen Fall zu Lasten ihrer Haupttätigkeit gehen. Das würde den Verrat aller demokratischen Ideale bedeuten.

(Zippert in der Welt vom 30. Oktober 2012)

(zu: Handbuch-Kapitel 38 Die Satire)

Wie provinziell ist der Lokaljournalismus? (Golombek-Interview 3)

Geschrieben am 25. Oktober 2012 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 25. Oktober 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Lokaljournalismus.

Im dritten Teil des Interviews sprach Paul-Josef Raue mit Dieter Golombek über die Zukunft des Lokaljournalismus im Internet-Zeitalter:

Ist der Lokaljournalismus nicht in Gefahr, mit seinen Nachrichten aus der Nachbarschaft provinziell zu sein?

Golombek: Er ist in der Gefahr und er muss ihr begegnen, die ganze Zeitung muss es tun. Die Chefredakteure müssen ihre Redaktionen neu aufstellen, um auf die Herausforderungen und Chancen richtig zu reagieren, die diese Medienwelt hergibt. Sie muss sich auf ihre Kernkompetenz besinnen und den Brückenschlag schaffen zwischen den Interessen ihrer Leser und der Fülle möglicher Informationen, den Brückenschlag zwischen den lokalen Welten und der einen Welt.

Eine gewaltige Aufgabe . . .

Aber sie ist nun mal da, und es ist die Marktlücke für die Tageszeitung. Viele Themen spielen ins Lokale hinein, aus Brüssel, aus Berlin, aus Erfurt, aus der ganzen Welt. Der Leser will begreifen, will nachvollziehen, was das Ganze für ihn, in seinem Dorf, in seiner Stadt bedeutet: Ozonloch, Eurokrise, terroristische Bedrohung, demografischer Wandel, die neue Schulvergleichsstudie.

Alle diese Informationen finde ich doch auch im Netz?

Aber sie verwirren mehr als sie orientieren. Eine schier unendliche Fülle von höchst widersprüchlichen Informationen überfällt mich, die Bezüge zu meiner Region fehlen.
Und hier kommt die Zeitung ins Spiel. Bei ihr arbeiten Redakteure, die diese unendlich komplizierte und vielschichtige Wirklichkeit sichten und in nachvollziehbare Nachrichten umsetzen und so die Welt verstehbar machen können. Nachrichten aus Politik und Wirtschaft, überregionale Themen brechen sie auf das Lokale herunter. So wird Welt verstehbar, so macht sich Zeitung unverzichtbar – wenn sie gut ist.

Ein hoher Anspruch . . .

Zeitungen wollen überleben, und sie sollen überleben – im Interesse der Demokratie, im Interesse des wohlinformierten Bürgers, den diese Demokratie braucht. Zeitungen überleben, wenn sie das Lokale als Auftrag ernst nehmen, nicht kleinkariert und provinziell, sondern mit dem Anspruch, die großen Themen der Zeit für die Region und in der Region zu übersetzen. Tageszeitungen und Journalisten, die diesem Auftrag gerecht werden, verdienen hohen Respekt.

Sie organisieren seit über drei Jahrzehnten den Deutschen Lokaljournalistenpreis, haben Tausende von Konzepten, Serien, Aktionen und Reportagen gelesen. Was hat sich verändert?

Die Qualität im Lokalen ist deutlich gestiegen, sie ist höher als vor zehn oder zwanzig Jahren. Der Anteil der guten und sehr guten Einsendungen zum Preis ist in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen. Immer mehr Redaktionen befreien sich von Routinen, geben nicht nur Pressemitteilungen wieder oder drucken ab, was ihnen Politiker oder Funktionsträger diktieren. Sie erkunden die Bedürfnisse ihrer Leser, sie erforschen, was sie lesen wollen. Sie binden ihre Leser ein, öffnen die Zeitung für die Debatten, die dieses Land, diese Demokratie braucht.

Interview in der Thüringer Allgemeine vom 13. Oktober 2012 (Auszug)

(zu: Handbuch-Kapitel 55 Der neue Lokaljournalismus + 55 Die Internet-Revolution)

Zeitungen müssen ein Markenartikel der Demokratie bleiben

Geschrieben am 24. Oktober 2012 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 24. Oktober 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Presserecht & Ethik, Recherche.

In einer Demokratie ist nichts wertvoller als der Journalismus  –  aber ein Journalismus, der recherchiert, was die Mächtigen planen und im Verborgenen tun; der die Bürger ernst nimmt, ihre Interessen und Bedürfnisse kennt und für sie Wichtiges vom Unwichtigen trennt; der viele Meinungen anbietet, auch Querdenkern das Wort gibt, der Debatten anstößt und  führt.

Qualität ist nur, wenn Zeitungen ein Markenartikel der Demokratie bleiben. Alle Freiheiten sind wenig wert ohne die Freiheit der Presse. Diese Freiheit ist allerdings kein Privileg für uns Journalisten, sondern Verpflichtung, den Bürgern die Kontrolle der Macht zu ermöglichen.

 

Je tiefer wir kontrollieren, je genauer wir informieren, je stärker wir die Bürger mitwirken lassen, umso mündiger werden sie. Das bedeutet auch: Wenn der Journalismus dies nicht leistet, wird der Bürger entmündigt. Aus der Schwäche des Journalismus folgt die Schwäche der Demokratie. Wenn wir über den Wert des Journalismus sprechen, dann sprechen wir über den Wert unserer Gesellschaft.

 

Oft wird die journalistische Qualität allein an professionellen Kriterien gemessen. Doch guter Stil, Verständlichkeit oder saubere Recherche sind  kein Selbstzweck. Wem nützt eine Überschrift, die ein neues Gesetz erläutert, wenn sie reizlos ist, wenn sie nicht einlädt zum Lesen?

 

Die Beherrschung des Handwerks und der klare Willen, dem Leser zu dienen, ist Voraussetzung für Qualität.  Daraus wächst die Aufgabe, die Freiheit der Bürger zu sichern.

 

So bestimmt nicht die Zahl der Auslands-Korrespondenten die Qualität, auch nicht die Eleganz der Edelfedern oder die Zitierung der Leitartikler. Das behaupten zwar die selbst ernannten Gralshüter der „Qualitäts-Medien“, doch Emil Dovifat hat schon 1955 zu Recht auch den Wert der Provinz erkannt:

 

„Jede Zeitung hat ihren Inhalt so zu gestalten, daß sie in ihrem Verbreitungsgebiet eine Lesergemeinde gründen und behaupten kann.“ Es komme darauf an, selbst in kleinen Blättern die Auswirkungen der großen Politik für den Alltag der Leser klar zu machen.

 

Der Journalist ist selbstbewusster Diener der Bürger. Als Leser ist der Bürger, um noch einmal Dovifat zu zitieren, ein „seltsamer, aber oft auch nützlicher“ Mitarbeiter. Wir umsorgen ihn nicht nur mit Informationen, wir sorgen auch dafür, dass er der Demokratie nicht abhanden kommt, dass er souveräner Bürger bleibt und sich nicht der Bevormundung durch den Staat ergibt.

 

Souveränität setzt Kenntnis voraus. So ist die tiefe Recherche der eigentliche Wert des Journalismus. Wir müssen zuerst die Nachrichten entdecken, ehe wir sie bewerten, einordnen und veredeln  können.

 

Unsere Freiheit ist kein Wert, der einmal erfolgreich errungen ist, sondern ein Wert, um den wir stets kämpfen müssen. Jede Macht, auch in der Demokratie, neigt dazu, Obrigkeit zu werden. Sie versteckt sich hinter Daten- und Persönlichkeitsschutz, richtet Schattenhaushalte ein und pocht auf Geheimhaltung, um unbehelligt zu bleiben. Die Macht will nicht kontrolliert werden.

 

Das Verfassungsgericht hat im Spiegel-Urteil vor einem halben Jahrhundert den Wert des Journalismus formuliert als: „nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkt“. Diesen Wert müssen wir verteidigen.

 

 

 

Ein Beitrag für die Serie „Zukunft des Qualitätsjournalismus: Was ist uns Journalismus wert?“ von dapd, erschienen unter anderem im Echo (Darmstadt) und http://www.nibelungen-kurier.de/?t=news&s=Aus%20(Worms)

(zu: Handbuch-Kapitel 57 Wie können Zeitungen überleben + 48-49 Wie Journalisten entscheiden (sollten) + 3 Warum die Gesellschaft bessere Journalisten braucht)

Seiten:«123456789»

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