Google löscht und löscht und löscht

Geschrieben am 18. August 2012 von Paul-Josef Raue.

Hunderttausende von Webseiten entfernt Google aus seiner Suchmaschine, weil Nutzer protestieren – wegen Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte. Constanze Kurz berichtet am Freitag in der FAZ  (17.8.2012): Jede Woche bekommt Google mehr als eine Viertelmillion Löschungsbegehren.

Rechtliche Grundlage für diese „DMCA-Takedowns“ ist ein amerikanisches Gesetz, wonach eine Behauptung ausreicht, damit ein Nutzer die Löschung einer Webseite erzwingen kann; der Inhaber der Seite muss klagen und den Beweis der Richtigkeit antreten, um die Seite wieder ins Netz stellen zu dürfen.

Die deutsche Gema hat sogar eine Schnittstelle bekommen, um Filme und Musik auf Youtube selber löschen zu können. Constanze Kurt meint:

Natürlich werden die Schnittstellen zur Sperrung auch missbraucht, um unter dem Vorwand einer Urheberrechtsverletzung missliebige Inhalte zu zensieren. Menschen sind bei der Abarbeitung solcher Begehren kaum mehr beteiligt; man benötigte auch eine halbe Armee, um die Unmengen zu bewältigen.

Wer eine Quälerei auf dem Schulhof als Video auf Facebook zeigt, wird nicht so schnell behelligt – es sei denn, er klagt nicht gegen eine Verletzung der Persönlichkeit, sondern des Urheberrechts.

Infos zu: GOOGLE

  • durchsucht täglich 20 Milliarden Webseiten
  • bekommt täglich 3 Milliarden Suchanfragen
  • speichert 30 Billionen Links

(zu: Handbuch-Kapitel 5 Die Internet-Revolution + 17-18 Wie Journalisten recherchieren)

Der Philosoph und sein Frisör (Zitat der Woche)

Geschrieben am 18. August 2012 von Paul-Josef Raue.
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„Seit wann ist Ihr Frisör im Gefängnis“ fragte ein Zuhörer den Philosophen Peter Sloterdijk nach einem Vortrag an der Pariser Science Po. „Seit 1968, sieht man das nicht?“ hätte der Philosoph gern gesagt (aber erinnert sich nicht mehr daran, was er wirklich geantwort hat).

Aus dem Tagebuch „Zeilen und Tage. Notizen 2008-2011“, nach der Besprechung von Adam Sobodzynski in der Zeit vom 9. August 2012

Süddeutsche: Leserbriefe werden Kultur

Geschrieben am 17. August 2012 von Paul-Josef Raue.
Kommentare deaktiviert für Süddeutsche: Leserbriefe werden Kultur / Geschrieben am 17. August 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles.

Das neue Design der Süddeutschen Zeitung hat den Leserbriefen einen neuen Ort geschenkt: Das Feuilleton-Buch vor der Wissens-Seite. So adelt die überregionale Zeitung die Meinung der Leser, bringt auf der Seite „Forum & Leserbriefe“ auch die Korrekturen, einen Rückblick „Vor zehn Jahren“ oder eine Auswahl der Leserbeiträge von Facebook, Google Plus und Twitter – stets mit komplettem Namen, aber nicht mit Ort und nicht mit Nickname.

Nicht mehr zur Kultur zählt die SZ die „Medien“, die Seite ist verbannt auf die vorletzte Seite des Sportbuchs, zwischen „Bayern“ und dem Fernsehprogramm.

(zu: Handbuch-Kapitel 53 Was die Leser wollen + 55 Der neue Lokaljournalismus)

Journalisten in der Ehe – ein Ausnahmezustand?

Geschrieben am 15. August 2012 von Paul-Josef Raue.
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Der Schauspieler Christian Redl sagt: Der Beruf des Schauspielers ist ein Ausnahmezustand, der sich, wenn in einer Ehe beide Schauspieler sind, verdoppele. „Ich war die längste Zeit meines Lebens in Schauspielerbeziehungen, und das war nicht nur gut. Heute bin ich es nicht mehr, und ich kann sagen: Es geht mir besser.“

Als Stern-Autor Michael Stoessinger die bewegende Geschichte von Susanne Lothar aufschrieb, das tragische Ende und das tragische Leben, da ist Christian Redl einer seiner Informanten, der zweimal das Sein einer Schauspielerin mit dem des Journalisten vergleicht. Da ist zum einen die Journalisten-Ehe, die offenbar ähnlich „ungut“ verlaufen könne wie eine Schauspieler-Ehe, wenn der Beruf zum Dauerthema werde und es einen ungesunden Wettbewerb gebe. „Nicht, dass einem der eigene Partner den Rang abläuft. Es geht um Anerkennung: Wie werde ich wahrgenommen?“

Zum anderen ist es die Überwundung von Schüchternheit und Unsicherheit, die einem Schauspieler so unendlich viel Kraft koste. In Stoessingers Nachruf lesen wir:

„Umsonst gibt es das nicht“, sagt Redl und meint damit den rezeptfreien Tranquilizer, „den wir doch in diesen Berufen Schauspielerei, Journalismus, Medizin und Schriftstellerei so schätzen“. Das Belohnungs- und das Runterkommglas, das Seelentröster-, Nur-mal-so- und Lustglas. Schließlich das Abhängigkeitsglas.“

(zu: Handbuch-Kapitel 2-4 Die Journalisten)

Wenn es ein Chefredakteur rumpeln lässt

Geschrieben am 15. August 2012 von Paul-Josef Raue.
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„Fleischhacker war nachgerade die Verkörperung jenes Geistes, der dazu neigt, die Kirche einzureißen, nur weil einem des Pfarrers Kutte nicht gefällt“, schreibt Michael Frank in einer Art Nachruf auf Michael Fleischhacker; er verlässt nach acht Jahren mit unbekanntem Ziel die Chefredaktion der Wiener Tageszeitung Die Presse.

Was macht laut Frank einen Chefredakteur wie Fleischhacker aus? Er lässt es in seinen Leitartikeln ordentlich rumpeln, hat einen Mangel an Zwischentönen (wie viele in Österreichs Medien), neigt nicht zur Differenzierung, hat eine leichte Feder, wenn er Rücktritte fordert und Narrenatteste ausstellt, er ist schreibmächtig, aber im persönlichen Auftreten zurückhaltend, ist stiller Feuergeist – und er war beängstigend jung, als er mit 35 Chefredakteur wurde.

Eine der kostbarsten Definitionen einer Provinzzeitung verdanken wir auch Michael Frank: Die Kleine Zeitung in Graz habe eine „gelungene Mixtur aus seriösem, bürgerlichen Tagesblatt und demonstrativ provinzieller Heimatzeitung“.

Quelle: Süddeutsche 13. August 2012

(zu: Handbuch-Kapitel 46 Redaktion: Wer hat die Macht?)

Googeln macht blöd und lässt das Gehirn schrumpfen

Geschrieben am 15. August 2012 von Paul-Josef Raue.
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Die dunklen Seiten von Online werden im Sommer seitenweise beschrieben; die Warnungen vor dem Computer, der unsere Kinder verdirbt und Familien zerstört, haben Konjunktur. Erst schreibt der Stern seine Titelgeschichte zu „iSolation – Immer online, aber sprachlos: Wie die digitale Welt unser Familienleben verändert“ (33/2012 vom 9. August), dann füllt die Süddeutsche in einem Spezial sieben Seiten ihrer Wochenend-Beilage, schließlich warnt der Ulmer Gehirnforscher Manfred Spitzer unentwegt, Kinder zu früh vor den Computer zu setzen. Er warnt in seinem neuen Buch „Digitale Demenz“, er warnt in Bild (13. August) „Bringt uns das Internet um den Verstand“, und er warnt in einem Interview mit dem Kurier (Österreich) „Macht googeln blöd“:

Wenn wir geistige Arbeit an Maschinen abgeben – und digitale Medien sind nichts anderes als Denkmaschinen – findet die geistige Arbeit nicht mehr in unserem Hirn statt. Beispiel: Wer Auto fährt, benutzt nicht seine Muskeln zur Fortbewegung, sondern einen Motor. Wenn man nun mit Navi fährt, erledigt nicht unser Gehirn das Navigieren, sondern das kleine Kästchen. Beim einen schrumpfen die Muskeln, beim anderen schrumpft das Gehirn.

VERBLÖDUNG: In Alabama wurden 15.000 Computer an Schüler verteilt. Hoffnung: Ihre Bildung zu verbessern. Das Experiment wurde nach drei Jahren abgebrochen, weil der Bildungsstand der Schüler sich gegenüber jenen deutlich verschlechtert hatte, die keine Computer hatten.

MULTI-TASKING: Angeblich müssen wir das Multitasking lernen, damit wir in der modernen, digitalen Welt erfolgreich sein können. Doch die Menschen sind schlichtweg nicht dafür gebaut, mehr als einem Handlungsstrang zu folgen. Versuchen Sie mal zwei Unterhaltungen gleichzeitig zu führen! Es geht nicht! Tut man es trotzdem, trainiert man sich eine Aufmerksamkeitsstörung an. Multitasker beherrschen alle geistigen Fähigkeiten, die sie zum Multitasken brauchen (Unwichtiges wegdrücken, Aufgabenwechsel) schlechter als Leute, die nicht Multitasken. Und: Sie haben nachweislich Probleme bei der Kontrolle ihres Geistes.
 

Bild bringt Spitzers sieben Thesen:

1. Wir denken weniger selbst
2. Wir verlernen, uns zu orientieren
3. Wir merken uns weniger
4. Wir lernen schlechter
5. Wir werden einsamer
6. Wir werden unkonzentrierter
7. Wir verlieren die Selbstkontrolle

(zu: Handbuch-Kapitel 5 Die Internet-Revolution)

„Lokaljournalismus zwischen Recherche und Regionalstolz“

Geschrieben am 14. August 2012 von Paul-Josef Raue.

Für den 9. und 10. November organisiert das netzwerk recherche eine Konferenz zum Lokaljournalismus: „Dicht dran – oder mittendrin? Lokaljournalismus zwischen Recherche und Regionalstolz“. Der Besuch ist sehr zu empfehlen – auch oder gerade wenn einer beim Konferenz-Thema fragt: Sind Stolz auf die Heimat und gründliche Recherche Gegensätze?

Die Veranstalter schreiben zu den Themen der Konferenz, die im Verlagshaus der Süddeutschen im Münchner Stadtteil Berg am Laim stattfindet:

Wenn ein Journalist seine Arbeit gut macht, ist er dicht dran. Wer aber zu nah ran kommt, läuft Gefahr, zu viele Rücksichten zu nehmen. Auf den Bürgermeister oder den örtlichen Unternehmer, auf den Vereinsvorsitzenden oder den Anzeigenkunden.

Wo verläuft die Grenze zwischen dicht dran und mittendrin? Wann geht die nötige Distanz verloren? Wann wird Nähe gefährlich für den journalistischen Auftrag?

Mit der Fachtagung zum Lokaljournalismus wollen wir den schmalen Grat ausloten zwischen Lokalpatriotismus und kritischer Recherche. Gerade im Lokalen ist die Nähe Alltag, sind die kurzen Wege ein großer Vorteil, aber manchmal auch Risiko. Es ist die erste Konferenz, die das netzwerk recherche dem Lokalen widmet, und die erste, die in München stattfindet. Ermöglicht wird sie durch die Unterstützung der Süddeutschen Zeitung und der Deutschen Journalistenschule . An den rund 30 Einzelveranstaltungen wirken mehr als 60 Journalistinnen und Journalisten mit.

Es wird eine Konferenz der Grenzgänge. Da ist etwa die lokale Wirtschaftsberichterstattung, die im Ruf steht, mitunter zu unkritisch zu sein, um die örtlichen Arbeitgeber nicht zu beschädigen. Da sind die Großprojekte, die Glanz und Gloria für eine Region bringen, wenn sie denn gelingen. Und wenn nicht – hat dann nur die Politik versagt? Oder waren auch die Reporter zu gutgläubig?

Viele Kollegen in Lokalredaktionen sagen: Wir würden ja gerne mehr und tiefer recherchieren, aber wir schaffen es kaum, täglich unsere Seiten zu füllen. Gibt es Ideen, um trotz des wachsenden Drucks auf die Redaktionen noch Raum für intensives Nachfragen zu schaffen? Sind Rechercheteams auch für Regionalblätter und -sender ein sinnvolles Modell?

Wir wollen konkrete Tipps für den Alltag geben: Was tun, wenn man als Journalist bedroht wird, sei es von Neonazis, von Rockern oder gewöhnlichen Kriminellen? Was tun, wenn eine Kommune oder eine Firma mauert und keine Informationen herausrücken will? Wie findet man Lokales im weltweiten Netz? Wann läuft ein Journalist Gefahr, das Leid von Unfall- oder Verbrechensopfern unabsichtlich auszunutzen?

Einen Fokus wollen wir auch auf jene Beispiele lenken, in denen Vorbildliches gelungen ist. In den Erzählcafés werden Geschichten vorgestellen, die beispielhaft sind, in der Recherche, aber auch in der Relevanz. Und bei denen die Gratwanderung zwischen Nähe und Distanz gelungen ist. Erzählen werden die Kollegen ihre Geschichten in der Panorama-Lounge.

Ganz oben im SZ-Turm wird das netzwerk recherche am Freitag­abend auch den „Leuchtturm“ verleihen. Einen Journalistenpreis für herausragende und relevante Recherchen.

Eine Rede zur Lage des Lokaljournalismus wird dort Münchens Oberbürgermeister und Städtetagspräsident Christian Ude halten. Musik kommt von „Deadline“, der SZ-Redaktionsband.

Gänsefüßchen in der Sprache der Nazis (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 13. August 2012 von Paul-Josef Raue.

Wer ein Wort ironisch gedeutet haben will, setzt es in „Gänsefüßchen“; so will er Distanz oder Ironie ausdrücken. Die Nationalsozialisten haben sie oft genutzt, vielleicht sogar erfunden.

Victor Klemperer, Romanistik-Professor in Dresden, schrieb in seinem Wörterbuch des Dritten Reichs:

Chamberlain und Churchill und Roosevelt sind immer nur „Staatsmänner“ in ironischen Anführungszeichen, Einstein ist ein „Forscher“, Rathenau ein „Deutscher“ und Heine ein „deutscher Dichter.“

Die Nazis entzogen Klemperer den Lehrstuhl, da er Jude war; sein „Wörterbuch“ schrieb er abends, wenn er von der Zwangsarbeit zurückkehrte. Seinem Wörterbuch gab er den lateinischen Namen „LTI (Lingua Tertii Imperii), also: die Sprache des Dritten Reichs; so wollte er die Gestapo bei einer Hausdurchsuchung auf eine falsche Fährte locken.

Die Nazis, stellte Klemperer fest, haben keine neuen Wörter erfunden, sie verdrehten einfach den Sinn.

Nach dem Krieg listete der Journalist Dolf Sternberger gut zwei Dutzend dieser Wörter auf: Das „Wörterbuch des Unmenschen“.

Ein Beispiel: „Behandlung“. Das Wort taucht in Hunderten von SS-Dokumenten auf bis hin zur Wendung: Gefangene einer Sonderbehandlung zuführen – „das war ein Euphemismus für den Massenmord“.

„Behandlung“, immer noch ein alltägliches Wort, war für Sternberger ein Begriff der Selbstüberhebung:

„Wer Menschen behandeln will, Menschen schlechthin, wer sich in der Menschenbehandlung üben will, der setzt sich selber über die Menschen. Hier wird ein Über- oder Obermensch postuliert, der sich Untermenschen untertänig macht.“

Untergang des Journalismus: Willkommen im Krisenzirkus!

Geschrieben am 13. August 2012 von Paul-Josef Raue.
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Der Qualitätsjournalismus ist am Ende, rufen die apokalyptischen Reiter, die gerade „APuZ “ erobert haben, eine Zeitschrift der Bundeszentrale für politische Bildung. Harald Staun schaut sich für die FAS im „Krisenzirkus“ um:

Im Licht sinkender Zeitungsauflagen und anhaltender Budgetkürzungen in den Redaktionen scheint es auf die Schlüssigkeit der Argumente nicht mehr anzukommen. Die These von der Krise des Qualitätsjournalismus ist längst too big to fail. Selbst Indizien, die ihr entgegenstehen, können da noch als Beleg durchgehen.

Am 25. Juli wunderten wir uns in diesem Blog über die Zeitschrift „Aus Politik und Zeitgeschichte“, in der neben dem Untergang des Qualitätsjournalismus auch das Elend des Lokaljournalismus beschrieben wird – just von der Bundeszentrale für politische Bildung, die so viel für die Qualität des Lokaljournalismus getan hat wie kaum jemand anders.

Am 29. Juli schrieb auch  Harald Staun in der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung über diese seltsame Juni-Beilage: „Das Beschwören des Untergang des Qualitätsjournalismus ist ein eigenes Berufsfeld geworden“; und: „sensationsgeile Blogger stehen zur Wachablösung bereit“.

Margreth Lünenborg, Professorin für Kommunikationswissenschaften an der Freien Universität Berlin, läutet auch in APuZ die Todesglocke. Staun stellt fest:

Von ihren Auftritten als Diagnostiker dieser Krise können heute ganze medienwissenschaftliche Fakultäten leben, auch einige Medienjournalisten lesen ihren Kollegen hauptberuflich die Leviten…

Wöchentlich beten in irgendeinem deutschen Kongresszentrum besorgte Wanderprediger verunsicherten Zuhörern ihr Mantra vom Verfall journalistischer Standards vor. Nur leider lassen sich die neuen, mächtigen Akteure auf dem Spielfeld, Konzerne wie Google oder Apple, nicht davon einschüchtern, wenn alle nur laut genug herumappellieren und im Chor die gesellschaftliche Bedeutung des Journalismus betonen.

Der FAS-Artikel ist im Netz nicht frei verfügbar.

(zu: Handbuch-Kapitel „Welche Zukunft hat der Journalismus“)

Versauen Computer unsere Kinder? SZ sucht Antworten

Geschrieben am 12. August 2012 von Paul-Josef Raue.
1 Kommentar / Geschrieben am 12. August 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Online-Journalismus.

Die Süddeutsche widmet ihre komplette „Wochenende“-Beilage dem Thema : Kinder und Jugendliche, der Computer und das Internet –  „WWWillkommen“.

 Auf sieben Seiten wird milde kritisch analysiert, was wann schadet und wie wenig Nutzen das Internet stiftet. Über allem steht die Erkenntnis, die Rebecca Casati formuliert:

Was wir wissen: Genauso wenig, wie eine Fernsehserie ein Kind zu einem angstfreieren, besseren Menschen erzieht, wird der Computer ein Kind versauen. Eltern erziehen und versauen ihre Kinder. Die Welt läuft derweil nicht stringent weiter.

Wir Menschen haben erst an die 6900 verschiedene Sprachen und den Buchdruck erfunden und dann eine Technologie, mit der unsere Kinder verlernen, wie man kohärente Sätze bildet. Eine Welt mit Buttons und Emoticons, ohne Groß- und Kleinschreibung. Wir werden sicher bald wieder etwas erfinden, das uns nicht alle zurückwirft.

Wer – wie die meisten Kultusminister – eine schöne neue Schulwelt mit Whiteboards, Laptops und wenig Papier schaffen will, hat die Hirnforscher nicht auf seiner Seite. So auch nicht die Oxforder Neurowissenschaftlerin Susan Greenfield, die auf der abschließenden Seite ein langes Interview gibt:

  • Lesen ist eines der wunderbarsten Dinge, die ein Kind für sein Gehirn tun kann. Lesen bringt uns Menschen an einen anderen Ort.
  • Jede Stunde, die wir vor dem Bildschirm verbringen, ist auch eine Stunde, die wir nicht damit verbringen, die Sonne auf dem Gesicht zu spüren oder jemanden zu umarmen.
  • Selbst wenn man mit jemanden interagiert, der weit weg ist, ist das nicht dasselbe wie ein direkter Kontakt zu einer Person. Man interagiert mit einem Bildschirm.
  • Ich will den Computer nicht zerhacken, sondern ihn zurückerobern. Wir können unseren Verstand mit ihm nämlich auch erweitern.
  • Ich fürchte, dass Menschen (am Computer) die Fähigkeit verlieren können, wirklich tief gehend, also linear zu denken. Es ist anstrengend. Aber nur so kann man das Gehirn trainieren.
  • Eltern fragen mich  oft, wie viele Stunden ihr Kind vor dem Computer verbringen soll. Und ich antworte, dass das nicht die richtige Frage ist. Es geht auch nicht darum, sie am Computer zu überwachen. Die Frage ist vielmehr, wie wir für unsere Kinder ein Leben und eine Umgebung schaffen können, die so aufregend, erfüllend und interessant ist, dass sie sich selbst dazu entschließen, lieber anderes zu tun, als vor dem Computer zu sitzen.

(zu: Handbuch-Kapitel 5 Die Internet-Revolution)

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