Margot Käßmann und die Sünden der Journalisten

Geschrieben am 27. Juli 2013 von Paul-Josef Raue.

Wäre es Ihnen so wichtig, dass Ihnen Ihre Sünden vorgehalten werden?

fragt die ehemalige EKD-Vorsitzende Margot Käßmann die Spiegel-Reporter Jan Fleischhauer und Rene Pfister, die ihre Frage anhängen: „Gehört das nicht zu Ihren Aufgaben?“

Käßmann:

Na gut, wenn ich an das achte Gebot denke – „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten“ -, fällt mir bei Journalisten einiges ein. Wir könnten zum Beispiel darüber sprechen, was es für sie bedeutet, dass Luthers Kleiner Katechismus dazu schreibt:

Ihr sollt Euren Nächsten nicht belügen, verraten, verleumden oder seinen Ruf verderben, sondern Gutes von ihm reden und alles zum Besten kehren.

Spiegel 30/2013, Seite 45

Redaktion der Zukunft: Keine deutschen Sprachkenntnisse erforderlich

Geschrieben am 26. Juli 2013 von Paul-Josef Raue.

Wollen Sie „Strategien zur redaktionellen Veränderung“ kennenlernen? WAN-Ifra bietet Schulungen in vier deutschen Städten an und macht allen Chefredakteuren und Leitenden Redakteuren die Teilnahme schmackhaft:

Für die Teilnahme sind keine deutschen Sprachkenntnisse erforderlich.

Offenbar qualifiziert zu höheren Aufgaben nicht mehr die Kenntnis der deutschen, sondern der englischen Sprache. Wenn ich mir Leserbriefe durchlese: Nicht wenige Leser vermuten dies schon seit einiger Zeit.

In der Einladung in deutscher Sprache wird eine Roadshow angekündigt, um den Workflow in den Griff zu bekommen beim Publizieren in einer Multi-Channel-Umgebung mit digitalen Tools. Dies gilt als Förderung von Qualitätsjournalismus.

Einer der großen deutschen Chefredakteure: Andreas Tyrock zum 50.

Geschrieben am 24. Juli 2013 von Paul-Josef Raue.

Es gibt laute Chefredakteure, und es gibt stille Chefredakteure, und es gibt schwache, und es gibt starke. Zu den leisen und starken zählt Andreas Tyrock, der Chefredakteur des Bonner Generalanzeiger, der heute seinen 50. Geburtstag feiert – mit Kaffee und Kuchen in seiner Redaktion.

Kaffee und Kuchen in seiner Redaktion? Das ist typisch für den ruhigen Norddeutschen, der seine Redaktion in einem atemraubenden Tempo modernisiert hat, nur vergleichbar dem Tempo und der Qualität, mit der Wolfgang Bücher die dpa-Redaktion umgebaut hat. Für beide war die Modernisierung nicht das Ziel, sondern ein Mittel zum Zweck – für eine höhere Qualität.

Was bedeutet Qualität in Bonn? Tiefe Recherchen – die möglich sind dank des Zeitgewinns durch eine effiziente Desk-Struktur; exzellente Autoren, die Freiraum bekommen, um ihre Stärken zu stärken; und vor allem: Respekt vor dem Leser. So lobte die Jury des Deutschen Lokaljournalistenpreises:

Der Generalanzeiger macht Familien, ihre Alltagsprobleme und Herausforderungen, ihre Wünsche, Träume und Ideen zur Richtschnur für die redaktionelle Arbeit.

Im vergangenen Jahr bekam die Redaktion für ihre große Familienserie den ersten Preis.

So oft preisgekrönt wie Andreas Tyrock mit seiner Redaktion dürfte kein anderer Chefredakteur in Deutschland sein: Lokaljournalistenpreis, Wächterpreis und „nur“ Platz 3 bei der Wahl zum Chefredakteur des Jahres mit der beeindruckenden Begründung:

Andreas Tyrock hat den traditionsreichen General-Anzeiger zu einem intelligenten regionalen Leitmedium mit Mut zu Tiefe, Bekenntnis zu Recherche, Kraft für Langzeit-Serien und Schwerpunktthemen gemacht.

In dieser Begründung wird die Schwere der Tyrockschen Arbeit beschrieben: Der General-Anzeiger als Hauptstadt-Zeitung ächszte vor ihm unter der Bürde der Tradition, war erstarrt und hatte den hohen Wert des Lokalen noch gar nicht entdeckt. Diese Erstarrung löste Andreas Tyrock.

Sein Weg ist auch vergleichbar dem von Büchner bei dpa: Eine zunächst – freundlich ausgedrückt – skeptische Redaktion, schwere Personal-Entscheidungen – und am Ende bei dem einen der Spiegel-Chefposten und bei Andreas Tyrock der Deutsche Lokaljournalistenpreis, den er im Bonner Wasserwerk feiern ließ.

Bei Andreas Tyrocks Karriere ist also nach oben noch Luft. Mit 50 fängt das Chefredakteurs-Leben erst richtig an.

Facebook, das Mittagessen mit Max Schultze und der Gipfel der Kommunikation (Zitat der Woche)

Geschrieben am 22. Juli 2013 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 22. Juli 2013 von Paul-Josef Raue in Online-Journalismus.

Wieder etwas Neues bei Facebook! Zu welch einsamen Höhen der Kommunikation werden uns die sozialen Netzwerke noch führen?

Du kannst deine Freunde jetzt in deinen Statusmeldungen oder Beiträgen markieren. Gib dazu @ und dann den Namen deines Freundes ein. Zum Beispiel: „Hab mit @Max Schultze zu Mittag gegessen“.

Ein Lob auf die Freiheit der Presse

Geschrieben am 21. Juli 2013 von Paul-Josef Raue.

Was würden Sie auch gegen eine Mehrheit durchsetzen?

Die Freiheit der Presse: Säfte, Zitronen, Kloßteig, Zeitungen, Bücher – alles darf ohne Zensur gepresst werden.

Annette Seemann im Fragebogen der Thüringer Allgemeine vom 20. Juli 2013. Sie ist Autorin und Übersetzerin und leitet seit zehn Jahren die „Gesellschaft Anna-Amalia-Bibliothek“ in Weimar.

Wird die deutsche Sprache zu einer Kolonie des Englischen? (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 21. Juli 2013 von Paul-Josef Raue.
2 Kommentare / Geschrieben am 21. Juli 2013 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Friedhof der Wörter.

Anglizismen über Anglizismen unter den fünftausend Wörtern, die Redakteure in den neuen Duden aufgenommen haben: Crossdressing, E-Book-Reader, Facebook, Mikropayment, Shitstorm und andere mehr. Wird die deutsche Sprache zu einer Kolonie des Englischen?

Wer auf diese Frage mit Ja antwortet, der prüfe sich:

> Wie hoch ist der Anteil der englischen Fremdwörter im neuen Duden?
a) 3,7 Prozent
b) 18,9 Prozent
c) 40,1 Prozent

> Hat sich die Zahl der englischen Wörter im vergangenen Jahrzehnt vermehrt?
a) Nein, unverändert
b) ein Viertel mehr
c) doppelt so viel

> Aus welcher Sprache stammen im neuen Duden die meisten Fremdwörter?
a) Englisch
b) Latein
c) Französisch
d) Griechisch

Ich muss alle enttäuschen, die über den Untergang der deutschen Sprache klagen:

> Gerade mal 3,7 Prozent der Fremdwörter stammen aus dem Englischen;

> die Zahl ist ähnlich hoch wie vor einem Jahrzehnt;

> das Englische steht in der Rangliste der Fremdwörter-Herkunft erst auf dem dritten Rang, gemeinsam mit dem Französischen; fast 6 Prozent stammt aus dem Lateinischen, gefolgt vom Griechischen mit 4 Prozent.

Sprache wandelt sich, entgegen unserem Eindruck, nur sehr langsam. Die Griechen hatten in der frühen Geschichte des Abendlands ein großen Einfluss auf die Römer; geblieben sind bis heute die Gräzismen wie Alphabet, Butter, Ironie und Tachometer.

Die Römer hatten einen großen Einfluss auf die Deutschen, weil Gelehrte, Adlige und Priester im Mittelalter die lateinische Sprache nutzten – bis Luther kam; geblieben sind Adapter und Bürger, Kruste und Laktose.

Erst spät fanden die höheren Stände das Französische so chic, dass viele Wörter, Gallizismen genannt, in unsere Sprache eintauchten, vom Adieu über die Broschüre bis zu Portemonnaie und Frisör.

Das Abendland geht also noch nicht unter, unsere deutsche Sprache erst recht nicht. Daraus zu folgern, hemmungslos alles Englische aufzusaugen, ist dennoch töricht.

Wo immer ein deutsches Wort besser ist, verständlicher und kürzer, sollten wir es nutzen: Das elektronische Buch, das E-Buch, ist dem E-Book überlegen. Im Duden stehen beide, beim Buchhändler finden Sie durchweg ein E-Book. Warum nur?

erweitere Fassung der Kolumne „Friedhof der Wörter“ in der Thüringer Allgemeine, 22. Juli 2013

Kommentare auf facebook

von Manfred Günther (21.7.13):

„Wehe unserer Sprache, wenn Fremdwörter ein Muster des Geschmacks würden.“
Johann Gottfried Herder (1744 – 1803),
der auch gesagt hat:
„Ein Volk hat keine Idee, zu der es kein Wort hat.“

von Thomas Bärsch (21.7.)

Unsere Sprache steht doch noch nicht am Rand des Abgrunds; Paul-Josef Raue rechnet es vor.

Recherchen werden gesponsert – auch im Sport-Ressort

Geschrieben am 20. Juli 2013 von Paul-Josef Raue.

Die Recherchen zu diesem Text wurden teilweise unterstützt von Schweiz Tourismus.

Der Satz steht nicht unter einer Reportage im Reiseteil der FAZ, sondern im Sport-Teil unter der spannenden Reportage „Steile Welt“ zum Jubiläum der Erstbesteigung der Eiger-Nordwand (20. Juli 2013). Ist es das erste Mal, dass der Sponsor-Hinweis auf einer der klassischen Ressort-Seiten der FAZ erscheint?

Bei der Debatte zur Rettung der journalistischen Qualität streiten wir uns zu Recht über Stiftungs-Modelle, wenn sie vom Staat finanziert werden – wie in NRW vorgeschlagen; aber wir nehmen nur am Rande wahr, wie stark selbst große Zeitungs-Redaktionen gesponsert werden:

+ von Auto-Herstellern, die kostenlos Testwagen zur Verfügung stellen und zu Präsentationen an noblen Stätten einladen;

+ von Reiseveranstaltern;

+ von Verlagen, die Bücher, CD und DVD verschicken;

+ von Bundesliga-Vereinen und Konzertagenturen, die kostenlos Eintritt anbieten usw.

Dies sei keine Kritik an der Praxis des journalistischen Sponsorings, das durchaus nützliche Effekte haben kann – vorausgesetzt der Leser wird informiert (wie vorbildlich unter der FAZ-Reportage). Dies ist ein Hinweis zur Debatte um die Förderung von Recherchen und zur Sicherung der journalistischen Qualität: Was ist notwendig? nützlich? strittig? verwerflich?

Die drei großen Lügen in sozialen Netzwerken

Geschrieben am 19. Juli 2013 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 19. Juli 2013 von Paul-Josef Raue in Online-Journalismus.

1) Gefällt mir

2) Freund

3) Privatsphäre

Süddeutsche Zeitung Magazin, 19. Juli 2013, Seite 8

Wie viele Lokalredakteure beherrschen ein Tablet?

Geschrieben am 15. Juli 2013 von Paul-Josef Raue.

Der Vertrieb muss sich umstellen, wenn immer mehr Leser auf dem Tablet statt auf Papier lesen wollen. „Das hat neue Bewegung in die Vertriebsabteilung gebracht“, sagt Iris Bode, Vertriebschefin der Welt-Gruppe,in einem nb-Interview und erläutert:

Wir betreuen Neukunden, die digitale Produkte bestellen und dann Fragen zur Registrierung haben. Printlesern erklären wir das digitale Angebot… Das bedeutet natürlich eine große Umstellung für den Kundenservice, der bisher vor allem Lieferunterbrechungen oder Reklamationen im Printgeschäft bearbeitet hat. Heute müssen die Mitarbeiter im Vertrieb und im Service selbstverständlich alle Endgeräte beherrschen.

Und wie selbstverständlich ist das in Redaktionen? Wie viele Redakteure in Lokalredaktionen beherrschen wenigstens ein Gerät? Wer kann schnell und gut Texte und Bilder online stellen? Wer antwortet auf Tweets der Leser, auch schnell und kompetent?

Quelle: New Business, 15.Juli 2013 „Ein spannender Prozess“

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