Alle Artikel der Rubrik "M. Presserecht und Ethik"

Schreibe wahr! Die sechs Regeln der journalistischen Ethik (Journalismus der Zukunft – 13)

Geschrieben am 9. Mai 2016 von Paul-Josef Raue.

 Was ist Wahrheit? Philosophen streiten seit Jahrhunderten – und Journalisten? Immer wieder flammt der Streit auf, was Wahrheit im Journalismus ist, warum der Pressekodex von Wahrhaftigkeit spricht (was ist das?) und warum wir oft die einfachen Regeln nicht beachten. Darum geht es in der 13. Folge der Kress-Serie „Der Journalismus der Zukunft“, in der auch die Wahrhaftigkeit erklärt wird.

Das sind die einfachen Regeln für einen Journalisten, der wahr informieren will:

1. Lüge nicht, also schreibe nicht das Gegenteil von dem, was Du als richtig erkannt hast.

2. Verschweige nichts, was Deine Mitbürger wissen müssen, um die Demokratie lebendig zu halten.

3. Misstraue allen, die die Wahrheit verkünden, und kontrolliere die, die wahr reden sollten.

4. Schreibe so klar, dass Du nicht missverstanden wirst.

5. Lasse Dich nie vor einen Karren spannen, ob Politik, Werbung, Wirtschaft oder Propaganda gleich welcher Art.

6. Folge dem Pressekodex, es sei denn, Du kannst eine andere Entscheidung begründen und vor Dir rechtfertigen.

Diese Regeln lassen sich in einem Satz zusammenfassen, den Hajo Friedrichs im letzten Interview vor seinem Tod gesprochen hat und der zur ersten Journalisten-Weisheit geworden ist: „Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, nicht in öffentliche Betroffenheit versinken.“

Mehr lesen:

http://kress.de/news/detail/beitrag/134768-kressde-serie-journalismus-der-zukunft-schreibe-die-wahrheit-der-2-pfeiler.html

Tag der Pressefreiheit: „Türkei hat die Gruppe verlassen“

Geschrieben am 3. Mai 2016 von Paul-Josef Raue.
0 Kommentare / Geschrieben am 3. Mai 2016 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, M. Presserecht und Ethik.
Pressefreiheit Profil 2016

Anzeige zum „Tag der Pressefreiheit“ 2016 im österreichischen Magazin Profil.

Eine Anzeige im österreichischen Magazin Profil zum „Tag der Pressefreiheit“: Ein Chat-Eintrag auf dem Smartphone zum 3. Mai:

Türkei hat die Gruppe verlassen.

Daneben einige handschriftliche Notizen:

  • Angriffe auf Redaktionen
  • Einreisesperren für Journalisten
  • Missachten der Presse- und Meinungsfreiheit
  • Inhaftierung von Journalisten
  • Ausweisung von Journalisten
  • Zwangsverwaltung von Medienhäusern
  • Nachrichtensperren

Unten auf der Seite lesen wir (gut gemeint, aber mit einem schrägen Sprachbild):

Wer die Pressefreiheit untergräbt, macht die Demokratie verwundbar.

„Journalisten schalteten sich zu spät in Netz-Debatten ein“ (Interview Thomas Krüger)

Geschrieben am 27. April 2016 von Paul-Josef Raue.
Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung. Foto: bpb/Ulf Dahl

Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung. Foto: bpb/Ulf Dahl

In einem Interview mit kress.de spricht Thomas Krüger (56),  Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, über „Dunkeldeutschland“,  Journalisten und das Misstrauen der Bürger gegenüber den Medien, Medien-Manipulation und den Fehlern, die Journalisten verschweigen oder zugeben.Thomas Krüger (56)  studierte Theologie in der DDR, war nach der Revolution Jugend-Senator in Berlin und ab 1994 einige Jahre Abgeordneter im Bundestag.

Gerade im Westen sagen viele: 25 Jahre Einheit müssten doch ausreichen, um die Diktatur aus den Köpfen zu vertreiben.


Thomas Krüger: Diktatur-Aufarbeitung dauert lange, das ist ein Generationen-Projekt. So etwas braucht seine Zeit. Nehmen Sie mal die Zeit des Nationalsozialismus. Sie dauerte 12 Jahre. Der zeitliche Abstand zur DDR ist heute 26 Jahre, also wären wir, was die NS-Aufarbeitung angeht, heute gerade mal im Jahr 1971 angelangt, also: vor der TV-Serie „Holocaust“, dem Gedenkstättenboom, dem kritischen Nachfragen einer neuen Generation. Die DDR dauerte 40 Jahre, also fast zwei Generationen. Warum sollte die „Aufarbeitung“ und Bewältigung schneller gehen als bei der des Nationalsozialismus?


Ist der Osten also wirklich noch Dunkeldeutschland?

Thomas Krüger: Nennen Sie es, wie Sie wollen. Ich sehe – wie der Bundespräsident – in ganz Deutschland und auch in Ostdeutschland eine engagierte und organisierte zivilgesellschaftliche Willkommenskultur, viele Ostdeutsche verurteilen die Fremdenfeindlichkeit und die Übergriffe aufs Schärfste. Aber gerade in den letzten Monaten, wo sich Menschen, die aus größter Not zu uns gekommen sind, gewalttätigen rechtsextremen Demonstranten aussetzen, gibt es eine Notwendigkeit, diese Schattenseiten klar und deutlich anzusprechen.

Haben Journalisten diese Schattenseiten nicht deutlich genug angesprochen. Kurzum: Haben die Medien, haben die Journalisten versagt?

Thomas Krüger: Nein, ich bin Anhänger der These, dass der Journalismus heute nicht schlechter, die Leser aber sehr viel kritischer sind. Als publizistisches Rückgrat der demokratischen Öffentlichkeit bleiben Journalisten unersetzlich und natürliche Verbündete der politischen Bildung. Beiden geht es darum, Sachverhalte zu erklären, Kontroversen aufzuzeigen und letztendlich das demokratische Bewusstsein und die aktive Mitarbeit zu stärken.

Offenbar haben auch Journalisten einiges falsch gemacht. Umfragen deuten an: Das Vertrauen ist bei vielen Bürgern erschüttert. Haben Journalisten vielleicht wie Oberlehrer aufs Volk hinabgeschaut – was die Bürger eben nicht mögen?

Thomas Krüger: Wenn Journalisten etwas falsch gemacht haben, dann höchstens zwei Dinge: Erstens, dass sie sich zu spät in die Debatten im Netz, in den sozialen Medien eingeschaltet haben. Hier haben viele Journalisten die Möglichkeiten unterschätzt, sich frühzeitig Gehör zu verschaffen. Und zweitens haben Sie ihr Licht unter den Scheffel gestellt. Guter Journalismus setzt sich schon durch, dachte man, dass dazu aber heute eine transparente Kommunikation gehört, haben viele noch nicht begriffen.

Journalisten wie der ehemalige FAZ-Redakteur Udo Ulfkotte schreiben: Medien manipulieren, lassen sich korrumpieren und von Amerika und der Nato einspannen. Stimmt unsere Politik-Berichterstattung nicht mehr?

Thomas Krüger: Natürlich kann man manches kritisieren. Wenn zum Beispiel der Eindruck entsteht, im politischen Berlin würde eine Art „Hofberichterstattung“ stattfindet, und zum Beispiel Pressekonferenzen nur dazu genutzt werden, um O-Töne einzuholen, statt Dinge kritisch zu hinterfragen – dann werden Journalisten ihrer Rolle als „vierte Gewalt“ nicht mehr gerecht. Aber es gibt sie ja noch, die investigativen und meinungsstarken Formate und Reporter und die genannten Vorwürfe von Herrn Ulfkotte sind doch sehr verschwörungstheoretisch. Da macht es auch keinen Unterschied, dass er mal für die FAZ geschrieben hat.

Wenn Redaktionen Fehler öffentlich zugeben, laufen sie Gefahr, dass andere wie beispielsweise der Ministerpräsident Seehofer sagen: Seht Ihr, jetzt geben sie schon selber zu, dass sie Fehler machen! Wäre es da nicht besser zu schweigen und die Fehler auszusitzen?

Thomas Krüger: Auf keinen Fall! Fehler müssen benannt und analysiert werden – auch öffentlich. Die Taktik, solche Dinge totzuschweigen, ist nicht mehr zeitgemäß und führt keinesfalls dazu, Vertrauen, das durch einen Fehler möglicherweise verloren gegangen ist, wieder zurückzugewinnen. Gerade in den lokalen und regionalen Tageszeitungen konnten wir aktuell feststellen, dass sich besonders die Lokalredaktionen herausgefordert sehen, sie aktiv auf ihre Leser zugehen – durch Bürgerdialog-Veranstaltungen und andere Events. Hinzu kommt eine neue Ombuds-Bewegung, die sich den Fragen und der Kritik der Leserschaft annimmt.

Teil 2 folgt.

Das komplette Interview, geführt von Paul-Josef Raue:

http://kress.de/news/detail/beitrag/134670-interview-mit-bpb-praesident-thomas-krueger-stimmt-unsere-politik-berichterstattung-nicht-mehr.html

Online-Kommentare: Nicht nur die Bösen verlieren den kühlen Kopf (Panter-Interview)

Geschrieben am 22. April 2016 von Paul-Josef Raue.

Der Mensch ist nicht ein sanftes liebebedürftiges Wesen… Infolgedessen ist ihm der Nächste auch eine Versuchung, seine Aggression an ihm zu befriedigen… ihn zu demütigen, ihm Schmerzen zu bereiten.

Was Sigmund Freud 1930 in „Das Unbehagen in der Kultur“ schrieb, ist täglich in Internet-Foren zu beobachten. Jeder, so Freud, benimmt sich „in irgendeinem Punkte ähnlich wie der Paranoiker“ und trägt diesen Wahn in die Realität ein. Heißt dieser Wahn: Internet?

Roland Panter ist Kommunikationsvorstand des Bundesverbands der Community Manager (Foto: Bundesverband)

Roland Panter ist Kommunikationsvorstand des Bundesverbands der Community Manager (Foto: Bundesverband)

Wie ein aktueller Kommentar zu Freuds Unbehagen liest sich ein Interview, dass Andreas Weck vom t3n-Magazin mit Roland Panter geführt hat, Kommunikationsvorstand des Bundesverbands der Community Manager. Der Profi erzählt, wie man mit dem Hass im Netz umgeht und mit den Trollen, in die wir uns alle mal verwandeln können. Hier Auszüge aus dem Interview:

Emotionen statt Reflektion: Abschied vom kühlen Kopf

Hass breitet sich über digitale Kanäle genau so schnell und dynamisch aus wie Liebe oder der Glaube an die positive Kraft der Kommunikation. Und das sogar so sehr, dass wir zwischenzeitlich das Gefühl hatten, uns würde eine Welle des Hasses überrollen.

Hier treten vor allem Mechanismen auf, die sich in der Unvollständigkeit der Kommunikation begründen – wir können viele Dinge schlichtweg nicht richtig lesen. Ist mein Gegenüber freudig oder verärgert, macht er oder sie vielleicht gerade einen ironischen Kommentar?

Je höher die Emotionalität, desto weniger reflektiert gehen wir als Mensch manchmal vor, und lassen uns ab und an zu Äußerungen verführen, die wir mit kühlem Kopf vielleicht nie getroffen hätten.

Wer verliert den kühlen Kopf? Der Wettbewerb der Zermürbung

Das betrifft wohl uns alle, nicht nur die vermeintlich Bösen. Dazu kommt die ganz klassische Gruppendynamik mit ihrer fatalen Wirkung. Menschen fangen an, sich zu verbünden oder wollen Aussagen gezielt in eine gewisse Richtung stoßen. Das wird in so einem Fall schnell zu einem Zermürbungswettbewerb, in dem die Lager immer mal wieder den Pfad des Anstands verlassen – übrigens bis hin zu Repressalien im realen Leben. Alles schon vorgekommen.

Der internationale Siegeszug der Gerüchte

Wir konnten wir in den vergangenen Monaten beobachten, das Gerüchte auch das Zeug zur internationalen Verschwörung haben. Es ist nicht immer so einfach, den wirklichen Treiber einer gewissen Themenpolitik auf Anhieb zu erkennen – hier sei beispielhaft auch Putins sogenannte „Troll Armee“ genannt.

Wie sollen wir mit Gerüchten umgehen?

Die alte These, dass Trolle nicht gefüttert werden sollen, gilt heute nur noch bedingt. Wir haben von der Facebook-Fanpage der Bundesregierung gelernt, dass mit geschickter Gegenrede oftmals mehr erreicht werden kann. Manche Beiträge sind allerdings so krude, dass sie für sich selbst sprechen und keine weiteren Kommentare benötigen. Viel lässt sich auch mit feinem Humor erreichen.

Hass-Prediger einfach rauswerfen, ganz oder teilweise

Früher befürchtet man noch eine Welle der Empörung nach Löschungen. Heute haben Nutzer hingegen akzeptiert, dass es diese Maßnahme gibt und sie ab und zu auch ein notwendiges Werkzeug ist. Ganz oft reicht auch eine temporäre Sperre, um dem Nutzer eine Möglichkeit zum Abkühlen zu geben.

Kommentar-Spalten einfach schließen? Nein, semantische Software einsetzen

Hier sieht man häufig, dass eine Unterscheidung zwischen Fakten und Überzeugungen durch die jeweiligen Nutzer scheinbar nicht mehr möglich ist. Das bedeutet in der Folge, dass man denen mit guten Worten nicht mehr beikommen kann. Da geht es um Verschwörungstheorien, arge Beleidigungen, völlig unreflektierte Behauptungen und dies in unglaublich großer Anzahl.

Ich würde mir eher wünschen, dass diese Medien mehr Ressourcen für ein besseres Community-Management zur Verfügung stellen. Das geht aufgrund der Masse an Kommentaren aber oft schon nicht aus wirtschaftlichen Gründen. Hier gibt es erste erfolgreiche Ansätze mit semantischer Software, die automatisierte Moderation ermöglicht und zumindest die ganz schlimmen Fälle aussiebt – mit erstaunlich geringer Fehlerquote übrigens. Als gutes Beispiel sei an dieser Stelle das Community-Management von „Die Welt“ genannt, die ihre Kommentare auch dadurch gut in den Griff bekommen.

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Quelle:

http://t3n.de/news/community-management-trolle-hass-interview-699024/?utm_source=t3n-Newsletter&utm_medium=E-Mail&utm_campaign=So+machen%27s+die+anderen!

 

 

 

Juli Zeh im Zitate-Labyrinth: Habe ich überhaupt einen Satz selbst geschrieben? (Zitat der Woche)

Geschrieben am 18. April 2016 von Paul-Josef Raue.
2 Kommentare / Geschrieben am 18. April 2016 von Paul-Josef Raue in M. Presserecht und Ethik.

Ist die ganze Welt ein Plagiat? Man könnte eine komplette Philosophie als Antwort entwerfen. Juli Zeh, als Schriftstellerin erfolgreich, aktuell mit dem Roman „Unterleuten“, stellt die Frage in einem FAZ-Interview – auf die Fragen von Jan Wiele, ob es den, den sie plagiiert hat, überhaupt gebe.

Manchmal frage ich mich, ob es überhaupt irgendeinen Satz gibt, den ich selbst geschrieben habe. In diesem Zitate-Labyrinth findet sich doch kein Mensch mehr zurecht.

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Quelle: FAZ, 18. April 2016 „Warum sollte Gortz nicht existieren?“

„Die schlimmsten Feinde des Journalismus sind die aus den eigenen Reihen“ (Zitat der Woche)

Geschrieben am 14. April 2016 von Paul-Josef Raue.

„Erschüttert haben mich einige Reaktionen von Kollegen“, schreibt Ulrike Simon im „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ über das Echo auf die Panama-Papers.:

Mal ziehen sie die Veröffentlichungen in Zweifel, da die Motive des Whistleblowers nicht nur hehre sein könnten. Als ob das etwas an den Datensätzen änderte. Dann wieder glaubten welche, unter ihnen übrigens besonders Medienjournalisten, mal eben so urteilen zu können, der Erkenntnisgewinn der „Panama-Papers“ sei dünn und bleibe folgenlos. Razzien? Ermittlungen? Rücktritte? Eine ausgewachsene Regierungskrise in Island? Egal!

Am erbärmlichsten seien die, die eine Übergabe der Daten an die Justiz gefordert hätten. Ulrike Simon schließt mit dem Zitat der Woche:

Die schlimmsten Feinde des Journalismus sind die aus den eigenen Reihen.

 

 

Kollegenschelte: FAZ gegen SZ und die Panama-Papers

Geschrieben am 10. April 2016 von Paul-Josef Raue.
4 Kommentare / Geschrieben am 10. April 2016 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, M. Presserecht und Ethik, Recherche.

Die Süddeutsche Zeitung landete mit den Panama-Papers einen Coup. Wie reagierten die anderen, etwa die FAZ? . „Auf der Empörungswelle“ überschreibt Joachim Jahn den Leitartikel der FAZ am Samstag (9. April) gegen die „Aufgeregtheit“, den die Süddeutsche Zeitung mit der Veröffentlichung der Panama-Papers entfacht habe. Jahn wirft den Redakteuren der SZ vor: „Die breitangelegte Selbstvermarktung der ,Enthüllungen‘ ist fragwürdig“ – und er nennt folgende Gründe:

  1. Deutsche Bürger subventionieren mit Zwangsgebühren für die ARD die Kampagne privater Zeitungshäuser. (Die SZ arbeitet bei den Recherchen zu den Papers mit ARD-Redaktionen von WDR und NDR  zusammen).
  2. Die SZ unterstellt, die Einschaltung von Briefkastenfirmen ist generell verwerflich.
  3. Sie stellt Prominente aus Politik, Sport und Wirtschaft unter Generalverdacht.
  4. Sie stellt die Dokumente den Ermittlungsbehörden nicht zur Verfügung, so dass sich die Anschuldigungen nicht überprüfen lassen oder gar widerlegen (Die SZ dazu: „Die SZ wird die Daten nicht der Allgemeinheit und auch nicht den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung stellen. Denn die SZ ist nicht der verlängerte Arm der Staatsanwaltschaft oder der Steuerfahndung. Staatliche Ermittlungsbehörden haben in Deutschland wie im Ausland bereits jetzt, bei entsprechendem Verdacht, die Möglichkeit, die Unterlagen bei den Betroffenen zu beschlagnahmen.“
  5. Zu Recht Beschuldigte würden gewarnt und schaffen Beweise noch schnell beiseite.

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Quelle: FAZ Titelseite 9. April 2016

 

Jan Böhmermann kann austeilen, nicht einstecken. Empfindlich eben wie die meisten Journalisten

Geschrieben am 9. April 2016 von Paul-Josef Raue.

Sind Journalisten empfindsam? Oder empfindlich? Jan Böhmermann zum Beispiel: Der ZDF-Moderator beleidigte den türkischen Staatschef, nannte das Satire und wollte – bestenfalls – mal testen, wie weit Satire gehen darf bei einem demokratisch gewählten Staatschef, der auf seinem Weg zu einem autoritären Führer schon eine beachtliche Strecke zurückgelegt hat.

Jan Böhmermann (ZDF, Ben Knabe)

Jan Böhmermann (ZDF, Ben Knabe)

Als die Kanzlerin sich für ihn in der Türkei entschuldigte, als Thomas Bellut, der ZDF-Intendant, erst die Satire aus dem Netz entfernen ließ und sich dann beim türkischen Botschafter entschuldigte, da verließen Böhmermann die Nerven. Er sagte seine Teilnahme beim Grimme-Preis ab, wollte den Preis aber behalten: „Ich fühle mich erschüttert in allem, an das ich je geglaubt habe. Mein Team von der Bildundtonfabrik und ich bitten um Verständnis, dass wir heute Abend nicht in Marl feiern können“, schrieb er.

Dabei hätte ihn das empfindsame Publikum in Marl auf den Händen getragen. Selbst die, die sein Schmähgedicht gruselig finden, hätten ihm applaudiert, um die Freiheit – irgendwie – zu verteidigen. Aber er kam nicht.

Die meisten Journalisten sind empfindliche Menschen:  Sie können austeilen, aber nicht einstecken.

Der Schah-Paragraf: Staatsoberhäupter darf keiner beleidigen – auch nicht Jan Böhmermann. Oder?

Geschrieben am 8. April 2016 von Paul-Josef Raue.
Jan Böhmermann (ZDF, Ben Knabe)

Jan Böhmermann (Foto: ZDF, Ben Knabe)

Der Spiegel erschien 1949 zwei Wochen lang nicht, er war verboten – weil er das Königshaus in Holland beleidigt haben soll. Davon erzählt Heribert Prantl, der Jurist in der SZ-Chefredaktion, auf der SZ-Titelseite von Freitag (8. März 2016) – im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen den ZDF-Moderator Jan Böhmermann, der ein Schmähgedicht über den türkischen Präsidenten vorgetragen hatte.

Das Verbot 1949 erließen laut Prantl die britischen Besatzer; das Gesetz, das heute angewandt wird, wurde erst 1953  bundesdeutsches Recht. Vorläufer war ein Gesetz aus dem Kaiserreich, das allerdings nur die Beleidigung von Monarchen unter Strafe stellte.

Ende der sechziger Jahre verlangte der Schah von Persien eine Bestrafung der Studenten, die ein Plakat „Persien – ein KZ“ gezeigt hatten. Heribert Prantl: „Als Ermittler meinten, man müsse sich in diesem Rahmen auch mit den Zuständen in Persien beschäftigen, wurde das dem Bundesinnenminister Paul Lücke zu heikel. Er reiste eigens nach Teheran und bewegte den Schah zu einem Verzicht auf die Strafverfolgung.“

Gleichwohl heißt der Paragraf 103 bisher in der juristischen Umgangssprache „Schah-Paragraf“. Endet bei ihm die Presse- und Kunstfreiheit?

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Der kategorische Imperativ der Mediengesellschaft: „Was ist, wenn es rauskommt?“

Geschrieben am 6. April 2016 von Paul-Josef Raue.

Ein guter Reporter recherchiert nicht, um einen Mächtigen zum Rücktritt zu zwingen oder ins Gefängnis zu bringen. Auch wenn eine Portion Jagdfieber dabei sein sollte: Ein guter Reporter kontrolliert die Macht und schaut genau hin, wo und wie sich die Mächtigen um jeden Preis – oder fast jeden Preis – die Macht sichern.

Ein Gerichtsverfahren oder gar einen Rücktritt können die Leitartikler fordern. Nicht von ungefähr ist im angelsächsischen Journalismus klar unterschieden: Recherche ist die Sache der Reporter, der Kommentar und die Linie des Blattes ist Sache der Editoren, die in den klimatisierten Etagen der Zentrale sitzen.

Der Rücktritt eines Regierungschefs ist Sache des Parlaments oder des Präsidenten oder – wie in Island in Folge der Panama-Papers – Sache des Volks, das auf die Straße geht. Ein solcher Rücktritt ist sozusagen der Kollateralschaden einer Recherche.

Bodo Hombach (Porträt von seiner Homepage)

Bodo Hombach (Porträt von seiner Homepage)

Ziel einer Recherche ist durchaus, die Mächtigen zu warnen und  gar in Furcht vor dem Herrn zu halten, dem Volk also und seinen recherchierenden Treuhändern, den Journalisten. Im Handbuch des Journalismus* loben wir den Willen zur Wahrhaftigkeit bei Journalisten wie Politikern und zitieren Bodo Hombach, der Politiker war, dann Verleger der WAZ und heute zweifacher Honorarprofessor: Er deutete Kants kategorischen Imperativ „Was ist, wenn es alle tun?“ um in den kategorischen Imperativ der Mediengesellschaft: „Was ist, wenn es rauskommt?“

An diesen kategorischen Imperativ haben die Panama-Papers die Mächtigen wieder erinnert – übrigens nicht nur die in westlichen Ländern, sondern auch die Diktatoren und Kriegsherren dieser Welt.

Zudem sind die Panama-Papers eine Antwort auf die „Lügenpresse“-Prediger und –Anhänger.

*Das neue Handbuch des Journalismus und des Online-Journalismus, Seite 293 (Rowohlt 2016)

Seiten:«123456789...24»

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